Kapitel 4

Der inspirierte Künstler

Du hast gesagt: „Wenn du dich überantwortest, musst du die Anstrengung aufgeben, das heißt jedoch nicht, dass du auch alles willentliche Handeln aufgeben sollst.“ (Questions and Answers 1929, 21. April)

Wenn man aber etwas tun möchte, bedeutet das persönliche Anstrengung, nicht wahr? Was ist dann der Wille?

Es besteht ein Unterschied zwischen dem Willen und diesem Gefühl der Anspannung, Anstrengung, nur auf sich selbst zu bauen, nur bei sich selbst Zuflucht zu nehmen, was persönliche Anstrengung bedeutet: Diese Art von Anspannung, von etwas sehr Heftigem und manchmal sehr Schmerzhaftem. Du rechnest nur mit dir selbst, und du hast das Gefühl, dass alles verloren sei, wenn du nicht in jeder Minute eine Anstrengung machst. Das ist persönliche Anstrengung.

Der Wille ist jedoch etwas absolut anderes. Er bedeutet die Fähigkeit, sich auf alles, was man tut, zu konzentrieren, es so gut man kann zu tun und nicht damit aufzuhören, solange man nicht einen ganz präzisen Wink erhält, dass es beendet ist. Es ist schwer, dir das zu erklären. Aber stelle dir beispielsweise vor, dass durch ein Zusammentreffen von Umständen eine Arbeit in deine Hände gelangt. Nimm einen Künstler, der auf die eine oder andere Art eine Inspiration empfangen und sich dazu entschlossen hat, ein Bild zu malen. Er weiß sehr gut, dass nicht viel dabei herauskommen wird, wenn er keine Inspiration hat und er nicht von Kräften anderer Art als seinen eigenen unterstützt wird. Es wird mehr nach einer Schmiererei als nach einem Gemälde aussehen. Er weiß das. Aber es ist entschieden, das Gemälde soll angefertigt werden. Dann kann es viele Gründe dafür geben, aber das Bild muss gemalt werden. Wenn er dann die passive Haltung hätte, nun, dann würde er seine Palette, seine Farben, seine Pinsel und seine Leinwand hinstellen, sich daraufhin davor niedersetzen und zum Göttlichen sagen: „Jetzt wirst du zu malen anfangen.“ Aber das Göttliche tut die Dinge nicht auf diese Weise. Der Maler selbst muss alles in die Hand nehmen und ordnen, sich auf sein Thema konzentrieren, die Farben und Formen finden, die es ausdrücken werden, und seinen ganzen Willen für eine immer vollkommenere Ausführung einsetzen. Sein Wille muss die ganze Zeit über gegenwärtig sein. Aber er muss das Empfinden dafür bewahren, dass er der Inspiration geöffnet sein muss. Er wird nicht vergessen, dass trotz seines ganzen Wissens über die Technik, trotz der Mühe, die er sich gibt, um seine Farben, seine Formen, seinen Entwurf zusammenzustellen, zu ordnen und vorzubereiten, trotz all dieser Dinge es ein Bild unter einer Million anderer und nicht sehr interessant sein wird, wenn es keine Inspiration hat. Er vergisst es nicht. Er bemüht sich, er versucht das zu sehen, zu fühlen, was er durch sein Gemälde ausdrücken möchte und wie es ausgedrückt werden sollte. Er hat seine Farben, er hat seine Pinsel, er hat sein Modell, er hat seinen Entwurf gemacht, den er vergrößern und zu einem Bild ausarbeiten wird, er ruft seine Inspiration. Es gibt sogar einige, denen es gelingt, eine klare, präzise Schau dessen zu haben, was getan werden muss. Dann jedoch besitzen sie Tag für Tag, Stunde für Stunde diesen Willen zur Arbeit, zum Forschen, dazu, alles mit Sorgfalt zu tun, was getan werden muss, bis sie die erste Inspiration so vollkommen wiedergeben, wie sie nur können. Jene Person hat für das Göttliche gearbeitet, in Gemeinschaft mit Ihm, aber nicht auf passive Weise, nicht mit einer passiven Hingabe, sondern mit einer aktiven Hingabe, mit einem dynamischen Willen. Das Ergebnis ist im Allgemeinen etwas sehr Gutes. Nun, das Beispiel des Malers ist interessant, weil ein Maler, der wirklich ein Künstler ist, dazu in der Lage ist zu sehen, was er tun wird. Er ist dazu in der Lage, sich mit der göttlichen Macht zu verbinden, die sich jenseits allen Ausdrucks befindet und jeglichen Ausdruck inspiriert. Beim Dichter und Schriftsteller verhält es sich ebenso, genauso bei allen Leuten, die etwas tun.

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