Kapitel 4

Ärger

Worte Sri Aurobindos

Ich glaube, du warst immer der Meinung, dass, einem Impuls oder einer Regung Ausdruck zu verleihen, der beste, wenn nicht der einzige Weg ist, sich davon zu befreien. Das aber ist eine irrige Vorstellung. Wenn du deinem Ärger Ausdruck verleihst, verlängerst oder verstärkst du die Gewohnheit der Wiederkehr des Ärgers; weder verminderst du die Gewohnheit, noch befreist du dich von ihr. Der allererste Schritt, die Macht des Ärgers in der Natur zu schwächen und sich dann ganz davon zu befreien, besteht darin, jeden Ausdruck im Handeln oder Sprechen zurückzuweisen. Nachher kann man mit größeren Erfolgsaussichten damit fortfahren, ihn aus dem Denken und Fühlen zu verbannen. Und ebenso ist es mit allen anderen falschen Regungen.

Alle diese Regungen kommen von außerhalb, von der universalen niederen Natur oder werden dir durch feindliche Kräfte suggeriert oder auf dich geworfen – feindlich gegenüber deinem spirituellen Fortschritt. Deine Methode, sie als deine eigenen anzusehen, ist wiederum eine falsche Methode; denn indem du das tust, verstärkst du ihre Macht zurückzukehren und von dir Besitz zu ergreifen. Wenn du sie als zu dir gehörig ansiehst, gibt ihnen das gewissermaßen eine Existenzberechtigung. Wenn du sie nicht als die eigenen empfindest, haben sie kein Recht, und dein Wille kann mehr Macht entwickeln, sie fortzuschicken. Was du aber immer bewahren und als dein eigen empfinden musst, ist dieser Wille oder die Macht, die Zustimmung nicht zu erteilen – die Zulassung einer falschen Regung zurückzuweisen; oder, wenn sie kommt, die Macht sie fortzuschicken, ohne ihr Ausdruck zu verleihen.

Worte Sri Aurobindos

Er [der Wutausbruch] ist tatsächlich nichts anderes als die Wiederkehr einer alten Gewohnheit der Natur. Betrachte sie und erkenne, wie geringfügig der Anlass für diesen Ärger und seinen Ausbruch ist, und erkenne zudem die Absurdität solcher Regungen überhaupt. Es wäre tatsächlich nicht sehr schwer, sich davon zu befreien, wenn du ihn, sobald er sich einstellt, ruhig betrachten würdest (denn es ist durchaus möglich, sich in einem Teil des Wesens zu distanzieren und in losgelöstem Gleichmut zu beobachten, selbst wenn der Ärger zur Oberfläche aufsteigt), so als ob es jemand anderer in deinem Wesen wäre, der den Ärger hat. Die Schwierigkeit ist, dass du bestürzt bist und dich aufregst, und das erleichtert es der Sache, dein Mental zu ergreifen, was nicht geschehen sollte.

Worte Sri Aurobindos

Wenn die Ruhe von oben herabkommt oder aus der Seele entspringt, wird das Vital in der Tat voller Frieden, Wohlwollen und Gutwilligkeit sein. Daher müssen die innere, seelische Ruhe und – später der Frieden von oben das ganze Wesen erfassen. Eine andere Möglichkeit ist, Dinge, wie Ärger im Vital, zu kontrollieren, doch ist es schwierig, sich ganz von ihnen zu befreien, wenn nicht das Wesen durch die innere Ruhe und den höheren Frieden erfasst wird.

Worte Sri Aurobindos

Das [innere Distanzierung] ist das Richtige, und es hat immer zu geschehen, wenn sich Ärger oder dergleichen erhebt. Die seelische Reaktion muss zur Gewohnheit werden und aufzeigen, dass Ärger weder richtig noch förderlich ist; und dann muss sich das Wesen von diesen äußeren Belangen zurückziehen, auf das innere Selbst stützen und sich von all diesen Dingen und Menschen loslösen. Diese Loslösung ist das erste, was der Sadhak erlangen muss – er muss davon ablassen, in den äußeren Dingen zu leben und muss in seinem inneren Wesen leben. Je mehr das geschieht, desto größer ist die Befreiung und der Friede. Später, wenn man in diesem inneren Wesen sicher gefestigt ist, wird es sich allmählich abzeichnen, das Richtige zu tun und die richtige Art mit Menschen und Dingen umzugehen.

Worte Sri Aurobindos

Es stimmt, dass Ärger und Hader in der Natur des menschlichen Vitals verwurzelt sind und nicht leicht verschwinden; wichtig aber ist, den Willen zur Wandlung zu haben sowie die klare Erkenntnis, dass diese Dinge gehen müssen. Mit diesem Willen und dieser Erkenntnis werden sie schließlich verschwinden. Auch hier besteht die wichtigste Hilfe darin, dass das seelische Wesen innerlich wächst – denn das bringt eine gewisse Freundlichkeit, Geduld, ein Wohlwollen gegenüber allem mit sich, und man betrachtet die Dinge nicht länger vom Standpunkt des eigenen Egos aus, mit seinem Schmerz oder Vergnügen, seinen Neigungen und Abneigungen. Eine weitere Hilfe ist, dass der innere Friede wächst, den äußere Dinge nicht anfechten können. Mit dem Frieden kommt eine ruhige Weite, in der man alles als das eigene Selbst erkennt.