Kapitel 3

Die Umwandlung des gesamten Lebens

Worte der Mutter

Im Integralen Yoga muss das gesamte Leben bis in die kleinste Einzelheit umgewandelt, vergöttlicht werden. Bei diesem Unternehmen gibt es nichts, was unbedeutend oder gleichgültig wäre. Du kannst nicht sagen: „Wenn ich meditiere, wenn ich Philosophisches lese oder diesen Gesprächen lausche, befinde ich mich in einem Zustand der Offenheit gegenüber dem Licht und strebe danach. Doch wenn ich hinausgehe, um zu spazieren oder Freunde zu besuchen, darf ich das alles vergessen.“ Wenn du diese Einstellung beibehältst, wirst du dich nie umwandeln und nie die wirkliche Einung haben. Du wirst immer geteilt bleiben und bestenfalls einen Abglanz des höheren Lebens erhaschen. Du kannst vielleicht während deiner Meditation gewisse Erfahrungen, gewisse Verwirklichungen im inneren Bewusstsein erlangen, doch dein Körper und dein Leben bleiben unverändert. Eine innere Erleuchtung, die den Körper und das äußere Leben nicht berücksichtigt, ist nicht von großem Nutzen, denn sie lässt die Welt so, wie sie ist. Das ist bisher immer wieder geschehen. Sogar jene, die eine sehr große und machtvolle Verwirklichung hatten, zogen sich aus der Welt zurück, um ungestört in innerer Ruhe und innerem Frieden zu leben. Die Welt blieb sich selbst überlassen, und unangefochten behielten Elend und Dummheit, Tod und Unwissenheit ihre Herrschaft über die stoffliche Daseinsebene. Für die, die sich derart zurückziehen, mag es sehr angenehm sein, dem Sturm zu entrinnen, der Schwierigkeit den Rücken zu kehren und anderswo für sich selbst einen Zustand der Glückseligkeit zu finden. Das Leben und die Welt aber lassen sie unverändert, und ihr Körper ist unverbesserlicher denn je. Wenn sie in die Welt zurückkommen, sind sie im Allgemeinen noch schlimmer dran als gewöhnliche Leute, denn sie haben die Herrschaft über stoffliche Dinge verloren, und ihre Handlungsweise im Leben läuft Gefahr, verworren und machtlos der Willkür jeder beliebigen Kraft ausgeliefert zu sein.

Ein solches Ideal mag gut sein für solche, die es wünschen, doch unser Yoga ist das nicht. Denn wir wollen die göttliche Eroberung dieser Welt und all ihrer Regungen, die Verwirklichung des Göttlichen hier auf der Erde. Wollen wir jedoch, dass das Göttliche hier herrscht, müssen wir dem Göttlichen alles geben, was wir haben, alles, was wir sind, alles, was wir tun. Es ist nicht damit getan, gewisse Dinge für belanglos zu halten und zu meinen, das äußere Leben mit seinen Notwendigkeiten habe nicht teil am Göttlichen Leben. Wenn wir so dächten, würden wir uns nicht bewegen, alles bliebe immer beim Alten, und es gäbe keine Eroberung der äußeren Welt. Nichts Dauerhaftes könnte getan werden.

Worte der Mutter

Warum vergessen wir manchmal das Göttliche oder verlieren den Kontakt mit ihm, wenn wir mit mentalen Regungen oder intellektuellen Dingen beschäftigt sind?

Ihr verliert den Kontakt, weil euer Bewusstsein noch geteilt ist. Das Göttliche wohnt noch nicht in eurem Mental. Ihr seid noch nicht völlig dem Göttlichen Leben geweiht. Sonst könntet ihr euch mit solchen Dingen so viel beschäftigen, wie ihr wollt, ohne dass eure Wahrnehmung des Göttlichen, das euch hilft und stützt, beeinträchtigt würde.

Bei allen Betätigungen, intellektuell oder aktiv, sollte das euer einziges Motto sein: „Sich erinnern und darbringen.“ Was immer ihr unternehmt, tut es als Darbringung an das Göttliche. Das ist eine ausgezeichnete Disziplin für euch und wird euch von vielen dummen und unnützen Dingen abhalten.

Oft gelingt das zu Beginn einer Tätigkeit. In dem Maße aber, wie man sich in die Arbeit vertieft, vergisst man es. Was soll man tun, damit man sich erinnert?

Der zu erstrebende Zustand, die wirkliche Errungenschaft des Yoga, die endgültige Vollendung und Erfüllung, auf die alles Übrige nur vorbereitet, ist ein Bewusstsein, dem es unmöglich ist, irgendetwas ohne das Göttliche zu tun. Denn ohne das Göttliche verschwindet die eigentliche Ursache eures Handelns: Wissen, Macht, alles ist weg. Doch solange ihr die Kräfte, die ihr benutzt, für die euren haltet, vermisst ihr die Göttliche Unterstützung nicht.

Am Anfang des Yoga neigt man dazu, das Göttliche oft zu vergessen. Doch beständige Aspiration stärkt das Erinnern und mindert das Vergessen. Doch nicht mit strenger Disziplin oder aus Pflicht sollte diese Aspiration aufrechterhalten werden. Sie muss eine Regung voller Liebe und Freude sein. So wird sehr bald ein Zustand erreicht, in dem man sich einsam, traurig und elend fühlt, wenn man nicht in jedem Augenblick und bei allem, was man tut, der Gegenwart des Göttlichen bewusst ist.

Wann immer ihr bemerkt, dass ihr etwas tun könnt, ohne die Gegenwart des Göttlichen zu empfinden, und es euch dabei sehr wohl ist, müsst ihr einsehen, dass ihr in jenem Teil eures Wesens nicht hingegeben seid. Auf diese Weise lebt der gewöhnliche Mensch, der keineswegs das Gefühl hat, das Göttliche zu benötigen. Doch für einen Sucher des Göttlichen Lebens ist das ganz anders. Und wenn ihr die Einheit mit dem Göttlichen ganz und gar verwirklicht habt, würdet ihr einfach tot umfallen, wenn das Göttliche sich auch nur für eine Sekunde von euch zurückziehen würde. Denn das Göttliche ist nun das Leben eures Lebens, eure ganze Existenz, eure einzige und vollständige Unterstützung. Wenn das Göttliche nicht da ist, bleibt nichts übrig.

Ist es für einen Sadhak auf den Anfangsstufen des Yoga gut, gewöhnliche Bücher zu lesen?

Ihr könnt heilige Bücher lesen und dennoch dem Göttlichen sehr fern sein, und ihr könnt die dümmsten literarischen Erzeugnisse lesen und dabei mit dem Göttlichen in Fühlung sein. Es ist nicht möglich, sich von den Regungen des umgewandelten Bewusstseins eine Vorstellung zu machen, bevor man die Umwandlung gekostet hat. Es gibt einen Bewusstseinszustand der Einheit mit dem Göttlichen, in dem man alles genießen kann, was man liest, auch was man beobachtet, sogar das banalste Buch oder die uninteressantesten Dinge. Man kann erbärmliche Musik hören, solche, vor der man gemeinhin davonlaufen möchte, und dennoch Gefallen daran finden, zwar nicht an der äußeren Form, aber an dem, was dahinter ist. Man verliert nicht die Unterscheidung zwischen guter und schlechter Musik, sondern steigt sowohl über die eine wie die andere hinaus, um das zu erreichen, was sie ausdrückt. Denn es gibt nichts auf dieser Welt, was nicht im Göttlichen seine letzte Stütze und Wahrheit hätte. Und wenn ihr nicht bei der physischen, moralischen oder ästhetischen Erscheinung haltmacht, sondern darüber hinausgeht und mit dem Spirituellen Geist in Beziehung tretet, mit der Göttlichen Seele in den Dingen, könnt ihr sogar durch das, was dies gewöhnliche Empfinden verletzt und ihm hässlich, armselig, schmerzhaft oder misstönend erscheint, zur Schönheit und Glückseligkeit gelangen.

Worte der Mutter

Ließe sich als Rechtfertigung der Vergangenheit von jemandem sagen, dass alles, was in seinem Leben geschehen ist, eben geschehen musste?

Offenbar hatte zu geschehen, was geschehen ist. Es hätte nicht sein können, wenn es nicht hätte sein sollen. Sogar die Fehler, die wir begangen haben, und die Missgeschicke, die uns zugestoßen sind, hatten zu sein, denn in ihnen war irgendetwas für unser Leben Nötiges, Nützliches. Tatsächlich können und sollen solche Dinge nicht mit dem Verstand erklärt werden. Denn alles, was geschieht, ist notwendig, nicht aus irgendwelchen verstandesmäßigen Gründen, sondern um uns über alles hinauszuführen, was der Verstand sich vorstellen kann. Bedarf es denn überhaupt einer Erklärung? Das ganze Weltall erklärt in jedem Augenblick alles, und dies oder jenes geschieht, weil das Weltall in seiner Gesamtheit ist, was es ist. Das bedeutet nicht, dass wir in blindem Erdulden an unerbittliche Gesetze der Natur gebunden seien. Du kannst die Vergangenheit als Tatsache hinnehmen und ihren Nutzen erkennen, dich aber der gewonnenen Erfahrung bedienen, um in dir das bewusste Vermögen aufzubauen, mit dem sich deine Gegenwart und deine Zukunft lenken und gestalten lassen.

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