Kapitel 3
Der Zustand von Samadhi und Fortschritt
Worte der Mutter
Ist der Trance- oder Samadhi-Zustand ein Zeichen des Fortschritts?
In alter Zeit wurde er als ein sehr hoher Zustand angesehen. Man dachte sogar, er sei das Zeichen einer großen Verwirklichung, und immer versuchten die Menschen, die Yoga oder Sadhana ausüben wollten, in einen Zustand wie diesen zu kommen. Man hat darüber alle möglichen wunderbaren Dinge erzählt, und weil die Leute, die in ihn eingetreten waren, nicht zu sagen vermochten, was mit ihnen geschieht, kann man also alles erzählen, was man will.
Nebenbei gesagt, hatte ich in allen Arten sogenannter spiritueller Literatur stets wunderbare Dinge über diesen Trance- oder Samadhi-Zustand gelesen, und es zeigte sich, dass ich ihn nie erlebt hatte. … Und als ich hierherkam, war eine meiner ersten Fragen an Sri Aurobindo: „Wie denkst du über Samadhi, diesen Trance-Zustand, an den man sich nicht erinnert? Man gerät in einen Zustand, der beseligend zu sein scheint, doch wenn man aus ihm herauskommt, weiß man überhaupt nicht, was geschehen ist.“ Da schaute er mich an – er verstand, was ich meinte – und sagte zu mir: „Das ist Unbewusstheit.“ Ich bat ihn um eine Erklärung und sagte zu ihm: „Wie?“ Er antwortete: „Ja, du kommst in den sogenannten Samadhi, wenn du dein bewusstes Wesen verlässt und in einen Teil deines Wesens eintrittst, der vollkommen unbewusst ist oder wo du überhaupt kein entsprechendes Bewusstsein hast. Du gehst über die Zone deines Bewusstseins hinaus und kommst in einen Bereich, in dem du kein Bewusstsein mehr hast. Du bist in einem unpersönlichen Zustand, also in einem Zustand, in dem du unbewusst bist. Und natürlich erinnerst du dich an nichts, weil du nicht bewusst warst.“1 Das hat mich beruhigt, und ich sagte zu ihm: „Also, mir ist das noch nie passiert.“ Er antwortete: „Mir auch nicht!“ (Gelächter)
Seitdem sage ich zu den Leuten, wenn sie mit mir über Samadhi reden: „Schön, versuchen Sie, Ihre innere Individualität zu entwickeln, und Sie werden in der Lage sein, genau diese Regionen mit vollem Bewusstsein zu betreten und die Freude des Einsseins mit den höchsten Bereichen haben, ohne darum alles Bewusstsein zu verlieren und mit einem Nichts anstatt mit einer Erfahrung zurückzukommen.“
Das ist in diesem Fall meine Antwort an den, der fragt, ob Samadhi oder Trance ein Zeichen von Fortschritt sei. Ein Zeichen von Fortschritt ist es, wenn es nichts Unbewusstes mehr gibt, wenn man in dieselben Bereiche emporsteigen kann, ohne in Trance zu geraten.

Worte der Mutter
Ich verstehe hier nicht: „Der Nachteil ist, dass die Ekstase unerlässlich wird und das Problem des Wachbewusstseins nicht gelöst ist, denn dieses bleibt unvollkommen.“ Das Problem des Wachbewusstseins ist nicht gelöst?
Selbstverständlich! Wenn du für eine Meditation oder um eine Verbindung mit der inneren Welt zu bekommen gezwungen bist, in den Samadhi einzutreten, bleibt dein Wachbewusstsein immer noch das, was es ist, ohne sich je zu ändern. Das sagte ich dir bereits mit anderen Worten, als ich erklärte, die Menschen hätten nur in einer sehr tiefen Meditation ein höheres Bewusstsein. Und wenn sie aus ihrer Meditation herauskommen, sind sie nicht besser als vorher, all ihre Fehler sind weiterhin vorhanden. Sie finden sie wieder, sobald sie ihr Wachbewusstsein wiederfinden. Sie machen nie einen Fortschritt, weil sie nie eine Verbindung zwischen ihrem tieferen Bewusstsein, der Wahrheit ihres Wesens, und ihrem äußeren Wesen herstellen. Sie entfernen ihr äußeres Wesen, als würden sie einen Mantel ausziehen, und legen es in eine Ecke. „Also, jetzt störe mich nicht, bleib still. Ich kann dich jetzt nicht gebrauchen.“ Und so gehen sie dann in eine Kontemplation, in ihre Meditation, in eine tiefe Erfahrung hinein. So kommen sie dann wieder zurück, ziehen den Mantel wieder an, der sich seinerseits nicht geändert hat – vielleicht noch schmutziger ist als vorher –, und sie bleiben genau das, was sie ohne Meditation waren.
Wenn man will, dass sich das äußere Wesen ändert, muss es einem bewusst sein, solange man die anderen Erfahrungen hat. Man darf den Kontakt mit seinem äußeren Bewusstsein nicht verlieren, wenn man will, dass es einen Nutzen von der Erfahrung hat. Viele Menschen…, ich kannte solche, die stundenlang meditierten, fast die ganze Zeit… Sie verbrachten ihre Zeit mit Meditieren, und wenn dann zufällig …, wenn jemand sie in ihrer Meditation störte, wenn sie etwas tun mussten, gerieten sie in Wut, in Raserei, sie verwünschten die ganze Welt, sie wurden noch unerträglicher, als ob sie nie meditiert hätten, noch unerträglicher als ein gewöhnliches Wesen. Und zwar deshalb, weil sie es versäumt hatten, ihr äußeres Wesen an ihrem tieferen Leben teilhaben zu lassen. Sie schneiden sich in zwei Teile: Da ist ein Stück innen, das Fortschritte macht, und ein Stück außen, das immer schlimmer wird, weil man es völlig vernachlässigt.

1 Bei der Veröffentlichung dieses Gesprächs fügte die Mutter den folgenden Kommentar hinzu: „Es gibt auch Leute, die in Bereiche eintreten, wo sie ein Bewusstsein haben, aber zwischen diesem bewussten Zustand und ihrem normalen Wachbewusstsein liegt eine Leere: Ihre Persönlichkeit hört zwischen diesem Wachzustand und diesem tieferen Zustand auf zu existieren; beim Übergang tritt dann das Vergessen ein. Sie können das Bewusstsein, das sie dort hatten, nicht in dieses Bewusstsein hier herüberbringen, weil dazwischen eine Leere ist. Es gibt sogar eine okkulte Disziplin, die darin besteht, Zwischenbereiche zu konstruieren, um sich an die Dinge erinnern zu können.“