Kapitel 3

Das Evangelium des Kummers

Stimmungen von Verzweiflung und Dunkelheit haben Tradition auf dem Pfad der Sadhana – in allen Yogas, ob östlich oder westlich, scheinen sie die Regel gewesen zu sein. Ich weiß selbst alles darüber, aber meine Erfahrung hat mich zu der Erkenntnis geführt, dass sie eine nicht notwendige Tradition sind und dass man ohne sie auskäme, wenn man nur wollte. Deswegen versuche ich, wann immer sie in dir oder anderen auftreten, ihnen die Botschaft des Glaubens gegenüberzustellen. Wenn sie dennoch kommen, muss man so schnell wie möglich hindurch und zurück in die Sonne.

Was die Depression anbelangt, so ist sie tatsächlich eine furchtbare Bürde auf dem Weg… Die Gita sagt ausdrücklich: „Übe den Yoga mit unverzagtem Herzen aus“, anirvinnacetasa. Ich weiß sehr wohl, dass Schmerz und Leid, dass Kampf und Anfälle von Verzweiflung auf dem Weg durchaus an der Tagesordnung sind – sie sind aber nicht unvermeidlich –, nicht weil sie uns helfen, sondern weil sie uns von der Dunkelheit dieser menschlichen Natur auferlegt wurden, aus der wir uns zum Licht hindurchzukämpfen haben.

Das Dürsten nach dem Göttlichen ist die eine Sache und Depression eine ganz andere; auch ist die Depression nicht eine zwangsläufige Folge des ungestillten Durstes nach dem Göttlichen, der zu einem noch heftigeren Dürsten führen kann oder zu einem festen Entschluss und hartnäckiger Anstrengung oder zu einem noch sehnsuchtsvolleren Ruf nach dem Göttlichen oder einer seelischen Betrübnis, die keinesfalls mit Depression und Verzweiflung identisch ist. Eine Depression ist ihrer Natur nach ein umwölkter, düsterer Zustand, und es ist für das Licht schwieriger, Wolken und Düsterkeit zu durchdringen als eine klare Atmosphäre. Es ist eine allgemeine Erfahrung, dass eine Depression das innere Licht behindert.

Ein vada oder Evangelium des Kummers zu schaffen ist gefährlich, weil der Kummer, wenn man sich ihm hingibt, zur Gewohnheit wird und sich festsetzt – und wenn diese Dinge einmal festkleben, dann gibt es nur wenige, die noch klebriger sind.

Die Traurigkeit, von der du sprichst, ist nicht von seelischer Art, denn das „schmerzliche Sehnen“ ist Sache des Vitals und nicht der Seele. Die Seele ist niemals wegen eines enttäuschten Verlangens traurig – es liegt nicht in ihrer Natur; sie fühlt manchmal die Sorge, wenn sie sieht, wie das Göttliche zurückgewiesen wird oder wie sich das Mental, das Vital und das Physische im Menschen oder in der Natur von der Wahrheit abwenden, um der Perversion, der Finsternis oder Unwissenheit zu folgen. Immerhin, wenn das Supramental die Herrschaft angetreten hat, ist selbst die vitale äußere Natur gezwungen, sich zu wandeln, und deshalb wird es für Gefühle dieser Art keine Gelegenheit mehr geben.

Das von der Seele ausgelöste Unbehagen ist nicht Depression, es ist von der Art einer Zurückweisung der falschen Bewegung. Wenn durch das Unbehagen Depression oder vitale Unzufriedenheit ausgelöst wird, hat es mit der Seele nichts zu tun.

Die Neigung zu unbegründeter Traurigkeit, Verzagtheit und die Einbildungen, Ängste und abwegigen Schlussfolgerungen – die, wenn du es genau betrachtest, die gleichen Bewegungen, Ideen und Gefühle und, wie eine Maschine, sogar die gleichen Redensarten ständig wiederholen –, all das ist typisch für das Wirken der niederen vitalen Natur. Der einzige Weg, sich davon zu befreien, ist ihr mit der festen Entschlossenheit des höheren Vitals, des Mentals und des seelischen Wesens zu begegnen, um die niedere vitale Natur zu bekämpfen, zurückzuweisen und zu meistern.