Kapitel 3

Bereit sein für das spirituelle Leben

Worte der Mutter

Gibt es Anzeichen dafür, ob man für den Pfad bereit ist, vor allem, wenn man keinen spirituellen Lehrer hat?

Ja, das wichtigste Zeichen ist vollkommener Gleichmut der Seele in allen Umständen. Dies ist die unerlässliche Grundlage; etwas ganz Ruhiges, Stilles, Friedvolles, das Gefühl einer großen Kraft. Nicht die Ruhe, die von der Trägheit kommt, sondern die Wahrnehmung einer gesammelten Kraft, die dich immer gefestigt hält, was auch immer geschieht, sogar in den scheinbar schrecklichsten Umständen deines Lebens. Das ist das erste Zeichen.

Ein zweites Zeichen: Du fühlst dich in deinem gewöhnlichen, normalen Bewusstsein ganz und gar eingesperrt, wie in etwas äußerst Hartem, etwas Erstickendem und Unerträglichem, als müsstest du ein Loch in eine Wand aus Messing bohren. Diese Qual ist fast nicht mehr auszuhalten; sie erdrückt einen. Ein inneres Mühen versucht durchzustoßen, vermag es aber nicht. Auch dies ist eines der ersten Zeichen. Das bedeutet, dass dein inneres Bewusstsein den Punkt erreicht hat, wo ihm seine äußere Form zu klein geworden ist – die Form des gewöhnlichen Lebens, der gewöhnlichen Tätigkeiten, der gewöhnlichen Beziehungen; all das wird so klein, so armselig; du fühlst in dir eine Kraft, das alles zu durchbrechen.

Es gibt noch ein weiteres Zeichen: Wenn du dich konzentrierst und ein sehnsuchtsvolles Streben hast, fühlst du etwas in dich niedersteigen, du empfängst eine Antwort; du fühlst ein Licht, einen Frieden, eine Kraft herabkommen, und das fast unmittelbar – du brauchst gar nicht lange zu warten – nur eine innere Aspiration, ein Ruf, und die Antwort kommt. Auch dies zeigt, dass die Verbindung gut begründet ist.

Worte der Mutter

Wirst Du etwas über Yoga sagen?

Warum willst du den Yoga? Um Macht zu gewinnen? Um Ruhe und Frieden zu finden? Um der Menschheit zu dienen?

Keiner dieser Gründe beweist ausreichend, dass du für den Pfad bestimmt bist.

Auf folgende Frage musst du Antwort geben: Willst du den Yoga um des Göttlichen willen? Ist das Göttliche das höchste Ziel deines Lebens, so sehr, dass es dir ganz unmöglich wäre, ohne es auszukommen? Fühlst du, dass der eigentliche Zweck deines Daseins das Göttliche ist, ohne das es stumpf und sinnlos wäre? Dann, und nur dann lässt sich sagen, dass du für den Pfad bestimmt bist.

Dies ist die erste notwendige Sache: Aspiration – ein sehnsuchtsvolles Streben nach dem Göttlichen.

Der nächste Schritt besteht darin, diese Aspiration zu vertiefen, sie immer wach zu halten, sie lebendig und stark zu machen. Und dazu benötigt man Konzentration – Konzentration auf das Göttliche, in der Absicht, sich ganzheitlich und absolut seinem Willen und seinem Vorhaben zu weihen.

Konzentriere dich im Herzen. Dringe so weit und so tief als möglich ein. Ziehe alle Fäden deines schweifenden Bewusstseins ein, halte sie zusammen und springe – tauche in dein Wesen ein.

Eine Flamme brennt in der tiefen Ruhe deines Herzens. Dies ist die Gottheit in dir – dein wahres Wesen. Höre auf ihre Stimme, folge ihren Anweisungen.

Worte der Mutter

Der Ausgangspunkt ist die Suche in sich selbst nach dem, was unabhängig ist vom Körper und von den Umständen des Lebens, was nicht von der mentalen Bildung, die man erhalten hat, herrührt oder von der Sprache, die man spricht, von den Gewohnheiten und Sitten der Umwelt, in der man lebt, des Landes, in dem man geboren ist oder des Zeitalters, dem man angehört. Man muss in den Tiefen des eigenen Wesens das finden, was in sich den Sinn der universalen Ganzheit birgt: die unbegrenzte Ausdehnung, die ununterbrochene Kontinuität. Dann dezentralisiert man sich – erlebt eine Loslösung vom Knoten des Egos –, man breitet sich aus und weitet sich; man beginnt, in allen Dingen und in allen Wesen zu leben. Die Schranken fallen, die die Menschen voneinander trennen; man denkt in ihren Gedanken, man vibriert in ihren Gefühlen, man fühlt mit ihren Sinnen, man lebt im Leben aller. Was leblos schien, belebt sich plötzlich; die Steine vibrieren, die Pflanzen fühlen, wollen und leiden, die Tiere sprechen ihre mehr oder weniger stumme, doch klare und ausdrucksvolle Sprache – alles belebt sich mit einem wunderbaren Bewusstsein, das weder Zeit noch Grenzen mehr kennt. Und dies ist lediglich eine Seite des seelischen Erwachens. Es gibt noch andere, viele andere. Sie alle tragen dazu bei, uns aus dem Panzer unseres Egoismus heraustreten zu lassen, aus den Mauern unserer äußeren Persönlichkeit, aus der Ohnmacht unserer Reaktionen und der Unfähigkeit unseres Willens.

Doch wie bereits gesagt, der Weg dorthin ist lang und schwierig, voll heimtückischer Gefahren und Probleme, zu deren Lösung eine zu allem entschlossene Willenskraft erforderlich ist. Er ähnelt dem Weg des Forschers durch den Urwald auf der Suche nach einem unbekannten Land, nach einer großen Entdeckung. Auch das seelische Wesen ist eine große Entdeckung, die zumindest ebenso viel Kühnheit und Ausdauer verlangt wie die Entdeckung neuer Kontinente. Für den, der entschlossen ist, sie zu unternehmen, können ein paar einfache Ratschläge nützlich sein. Hier sind einige der wichtigsten:

Der wohl entscheidende Ansatzpunkt ist die Erkenntnis, dass unser Denken unfähig ist, spirituelle Dinge zu beurteilen. Alle, die darüber schrieben, haben das betont, aber nur sehr wenige haben diesem Rat Folge geleistet; und doch ist es für unseren Fortschritt ganz und gar unerlässlich, von jeder Meinung und jeder mentalen Reaktion Abstand zu nehmen…