Kapitel 3

Begehren und Selbstdarbringung in der Arbeit

Worte Sri Aurobindos

Einem weit verbreiteten Irrtum zufolge nimmt man an, Handeln sei ohne Begehren unmöglich oder zumindest sinnlos. Wenn das Begehren aufhört, so wird uns gesagt, muss auch das Handeln aufhören. Dieser Schluss ist zwar, wie andere allzu vereinfachte Verallgemeinerungen, für das durch Ausschließen und Abgrenzen definierende Mental überzeugend, er trifft aber nicht zu. Der größte Teil der im Universum geleisteten Arbeit wird ohne Mithilfe des Begehrens vollbracht. Sie geht durch die ruhige Notwendigkeit und das spontane Gesetz der Natur vor sich. Auch der Mensch verrichtet ständig Arbeiten aller Art durch einen spontanen Impuls, eine Intuition, einen Instinkt oder handelt einer natürlichen Notwendigkeit und dem Gesetz der Kräfte gehorchend, ohne einen mentalen Vorsatz oder das Drängen einer bewussten vitalen Willenstendenz oder eines emotionalen Begehrens. Oft genug geschieht sein Handeln konträr zu seiner eigenen Absicht und seinem Begehren. Es geht aus ihm durch den Zwang eines Bedürfnisses oder inneren Dranges hervor, in Unterwerfung unter einen Impuls, im Gehorsam gegenüber einer in seinem Inneren wirkenden Kraft, die sich so zum Ausdruck bringen muss, oder er handelt, indem er bewusst ein höheres Prinzip verfolgt. Das Begehren ist nur eine zusätzliche Verlockung, der die Natur eine große Rolle im Dasein der belebten Wesen zugeteilt hat, um eine bestimmte Art rajasischer Handlungen hervorzubringen, die sie für ihre unmittelbaren Ziele braucht. Es ist aber nicht ihre einzige und nicht einmal ihre hauptsächliche Antriebskraft. Es ist, solange es dauert, nützlich und wertvoll: Das Begehren hilft, uns aus der Trägheit zu erheben, und es leistet gegen viele tamasische Kräften Widerstand, die sonst das Handeln behindern. Der Suchende, der auf dem Weg der Werke weit fortgeschritten ist, hat diese Zwischenstufe, auf der das Begehren noch eine hilfreiche Antriebsmacht ist, überschritten. Sein Drängen ist für sein Wirken nicht länger unentbehrlich, vielmehr wird es nun zu einer schrecklichen Behinderung und zur Ursache für Straucheln, Untüchtigkeit und Versagen. Andere Menschen sind gezwungen, aus persönlichen Interessen einer Entscheidung oder einem Beweggrund zu gehorchen. Er jedoch muss lernen, aus einem apersonal oder universal gewordenen Mental zu handeln oder als Teil oder Instrument einer unendlichen Person zu wirken. Eine ruhige Neutralität, eine freudige Unvoreingenommenheit oder froher Gehorsam einer göttlichen Kraft gegenüber, was diese ihm auch immer gebieten mag, sind die Grundbedingungen, dass er ein wirkungsvolles Werk tut oder eine wertvolle Aktion unternimmt. Nie darf ein Begehren sein Motiv sein, nie ein Hang ihn antreiben, sondern allein ein Wille soll ihn bewegen, der sich in göttlichem Frieden regt, ein Wissen, das aus dem transzendenten Licht entspringt, und ein froher Impuls, der eine Kraft aus dem erhabenen Ananda ist.

Worte Sri Aurobindos

Es ist möglich, das ganze Leben durch den Geist seiner Arbeit zu einem Akt der Verehrung des Höchsten zu machen, denn – so sagt es die Gita – „Wer mir mit einem Herzen voller Anbetung ein Blatt, eine Blume, eine Frucht oder eine Schale Wasser darbringt, dessen Opfer seiner Hingabe nehme ich an und erfreue mich daran.“ Wir können nicht nur jede geweihte äußere Gabe so darbringen, sondern auch all unsere Gedanken, all unsere Gefühle und Empfindungen. All unsere äußeren Aktivitäten mit ihren Formen und Zielen können solche Opfergaben an den Ewigen sein. Es ist wahr, dass der besondere Akt oder die Form der Handlung ihre Bedeutung, sogar eine große Bedeutung, haben können, doch ist die geistige Haltung in der Handlung der wesentliche Faktor. Der Geist, dessen Symbol oder materialisierter Ausdruck die Handlung ist, verleiht ihr den vollen Wert und die sie rechtfertigende Bedeutung.

Worte Sri Aurobindos

Der erste Schritt auf diesem langen Weg besteht darin, all unsere Tätigkeiten dem Göttlichen in uns und in der Welt als ein Opfer darzubringen. Dies ist eine Haltung des Mentals und des Herzens, die wir zwar am Anfang ohne große Schwierigkeit einnehmen, die wir aber nur sehr schwer mit einer absoluten und alles durchdringenden Aufrichtigkeit durchhalten. Der zweite Schritt besteht darin, dass wir allen Hang an die Früchte unserer Arbeit aufgeben, denn die einzig wahre, unerlässliche und äußerst erstrebenswerte Frucht des Opfers – das Einzige, was wirklich notwendig ist – ist die Göttliche Gegenwart und das Göttliche Bewusstsein und seine Macht in unserem Inneren, und wenn wir das erlangt haben, wird uns auch alles andere zuteil werden. Dies ist eine Transformation des egoistischen Willens in unserem vitalen Wesen, in unserer Begierden-Seele und Begierden-Natur, und das ist weitaus schwieriger als das andere. Der dritte Schritt ist, dass wir den zentralen Egoismus und auch jenes Ich-Empfinden verlieren, wir selbst seien die Wirkenden. Das ist die schwierigste Transformation von allen und kann nicht vollkommen sein, wenn die ersten beiden Schritte nicht getan wurden. Doch können diese ersten beiden Schritte nicht vollendet werden, wenn nicht der dritte dazukommt, um die Bewegung zu krönen und durch das Auslöschen des Egoismus den eigentlichen Ursprung des Begehrens auszurotten. Nur wenn der kleine Ich-Sinn aus dem Wesen entwurzelt wird, kann der Sucher seine eigene wahre Person erkennen, die, als Teil und Kraft des Göttlichen, immer über ihm steht. Dann kann er auf jede andere Kraft zur Motivierung seines Handelns verzichten, weil nur noch der Wille der Göttlichen Shakti in ihm wirkt.

Worte der Mutter

Was immer du tust, welches Verfahren auch immer du anwendest, sogar wenn du viel Geschick und wirkliche Macht erworben hast – du musst das Ergebnis in den Händen des Göttlichen lassen. Versuchen kannst du zwar immer, aber es obliegt dem Göttlichen, dir die Frucht deiner Bemühungen zu gewähren oder zu versagen. Dort endet deine persönliche Macht. Kommt das Ergebnis, so durch die Macht des Göttlichen und nicht durch die deine.