Kapitel 2
Die goldene Kette
Ihr seid seit vielen Jahren hier, seit vielen, vielen Jahren. Seit der Kindheit sind die meisten von euch hier, vielleicht alle von euch. Einige von euch gehen nach draußen, andere bleiben wahrscheinlich, einige sind noch unentschieden. Wenn ihr gefragt werdet: „Was habt ihr durch euren langen Aufenthalt hier gewonnen?“, kann ich euch sagen, was ihr gewonnen habt. Es ist nicht irgendetwas Äußerliches, noch etwas von den Dingen, die ihr in der Schule gelernt habt, das Wissen, das ihr hier erworben habt. Es ist nicht das, sondern etwas anderes. Ihr könnt euch dessen sicher sein. Ihr selbst wisst es vielleicht nicht, aber es ist da in eurem Inneren. Ihr habt eure Zeit hier nicht umsonst verbracht, – ihr habt den Kontakt mit der Mutter.
Mutter hat viele Male gesagt: „Wer immer in Kontakt mit mir ist, wer immer eine Sekunde wahrer Aspiration, wahrer Liebe für mich hat, der hat es in diesem Leben geschafft, in allen Leben, – er ist an mich gebunden. Ich habe eine goldene Kette um seinen Hals gelegt. Sein Herz ist ewig an mich gebunden.“
Es ist etwas, das niemand sehen kann; ihr selbst seht es nicht, aber es ist eine Tatsache, es ist da. Wo immer ihr hingeht, zieht ihr die Kette mit euch; es ist eine Kette, die länger wird. Wie weit ihr auch gehen mögt, es ist eine elastische Kette, sie verlängert sich fortwährend, ohne jemals zu reißen. In schwierigen Lebensstunden, in Stunden von Zweifel und Verwirrung habt ihr sie zu eurer Unterstützung in euch. Wenn ihr euch dessen bewusst seid, umso besser; wenn es euch nicht bewusst ist, glaubt, dass es da ist. Die Liebe der Mutter, ihre Gegenwart ist immer da.
Das ist es, was ich euch sagen wollte.
In den Upanishaden gibt es eine Geschichte. Einmal ging Narada, – ich nehme an, es war Narada, – zu einem Rishi, um die Initiation zu erhalten. Der Rishi fragte ihn: „Was hast du gelernt? Was hast du in deinem Leben als Schüler gelernt, jetzt, wo du zu mir gekommen bist?“ Narada begann alle Vidyas, die er während seiner Ausbildung als Brahmachari gelernt hatte, aufzuzählen – alle Shastras, sogar Dhanurvidya, alle Arten von Erlerntem. Da sagte der Rishi: „Das ist alles Apara Vidya, nachrangiges Wissen. Kennst du Brahman?“ „Nein, Meister, ich kenne es nicht.“ „Das ist es, was man kennen muss. Ist dieses eine einmal erkannt, ist alles andere erkannt.“
Deshalb sage ich euch, dass ihr die eine notwendige Sache bekommen habt; ihr braucht euch nicht bemühen, sie zu erhalten. Ihr seid begünstigt, ihr habt Glück. Wir haben alle sehr viel Glück; Mutter hat uns hergerufen und sie hat es uns in ihrer Liebe gegeben, ihrer unendlichen Liebe, ungebeten, bedingungslos. Was immer ihr in eurem äußeren Charakter und Handeln seid, jenes wird nicht durch all diese äußere Natur beeinträchtigt. Es bleibt so, wie es ist, rein und unbefleckt.
Einige von euch waren bei meinem Vortrag über Dante anwesend. Ich sprach von Dantes Vision; es ist eine wunderbare Vision – die Vision der Mission der Göttlichen Mutter.
Dante sah eine leuchtende Kugel vor sich. Während er im Empyreum (Lichthimmel) vor der Göttlichen Dreifaltigkeit stand, sah er plötzlich, wie sich eine leuchtende Kugel vor ihm enthüllte, und in dieser leuchtenden Kugel sah er ein Licht sich bewegen, kreisen. Und während er in das kreisende Licht schaute, sah er sich selbst als wie dessen Spiegelung, dessen gespiegeltes Bild. Er sah sich selbst in dem kreisenden Licht – nicht so, wie er sich sehen würde, sondern wie das kreisende Licht - sein eigenes Bild – ihn sah. „Ich war wie von Ihm konzipiert dort in dem Bild, – nicht wie von mir erdacht.“
In unserer Sprache können wir sagen, dass die leuchtende Kugel das erhabene Göttliche war, und darin befand sich das wirbelnde kreisende Licht, – es war die Schöpferische Macht, die Göttliche Mutter in Ihrer schöpferischen Stimmung. Und darin „war ich selbst als Ihr Kind, in meiner eigentlichen Wirklichkeit, nicht so, wie ich mich selbst sehe, sondern wie Sie mich sieht. In jenem Bild sah ich mich.“
Dante sagte, dass es eine Erfahrung war, als ob er in ein Auge sah, einen großen Augapfel. In jenem Auge sah er sein gespiegeltes Bild, so wie das Göttliche ihn sieht, nicht „wie ich mich sehe, sondern wie mein wahres Selbst“. Ich sage, dass dies das Bild ist, das die Mutter euch – in euch – hinterlassen hat. Wie sehr ihr es auch versuchen würdet, ihr könnt es nicht verlieren; es wird da sein, bis es verwirklicht ist. Wann immer ihr euch entmutigt fühlt, – wenn ihr die Welt und die Geschehnisse anschaut, fühlt ihr euch natürlich sehr bekümmert und angeekelt, – dann erinnert euch daran, dass es eine andere verborgene Wirklichkeit gibt. Es ist Mutters Gegenwart, die all das erlöst. In jeder depressiven, trüben Stimmung und jeder Schwierigkeit seid euch bewusst, dass sie in euch ist, um euch zu unterstützen, euch Frieden und Kraft zu bringen, und dass sie immer hilft. So oft hat sie gesagt: „Alles in der Welt wird fehlschlagen, aber ich werde euch nie verlassen.“
26.Oktober 1976
