Kapitel 2

Die Aufrechterhaltung des Dharma

Worte Sri Aurobindos

So erzählt der volkstümliche und mythische Bericht über den Avatar Krishna: Als die Ungerechtigkeiten der Kurus, verkörpert in Duryodhana und seinen Brüdern, zu einer ungeheuren Bürde für die Erde geworden waren, musste diese Gott anflehen, er solle herabkommen und ihre Last erleichtern. Darum inkarnierte sich Vishnu als Krishna, befreite die unterdrückten Pandavas und vernichtete die ungerechten Kauravas. Ein ähnlicher Bericht wird über die Herabkunft der vorausgehenden Vishnu-Avatare gegeben: Rama musste die widerrechtliche Gewalt des Ravana zerstören. Parashurama hatte die willkürliche Gesetzlosigkeit der Militär-und Adelskaste der Kshatriyas zu brechen. Der Zwerg Vamana musste das Regiment des Titanen Bali vernichten. Offenbar gibt aber die rein praktische, ethische oder soziale und politische Sendung des Avatars, in eine solche populäre oder mythische Form eingeengt, keine zutreffende Darstellung vom Phänomen des Avatartums. Sie erfasst nicht seine spirituelle Bedeutung. Wenn dieser äußere Nutzen alles wäre, müssten wir Buddha und Christus ausschließen. Ihre Sendung war es ganz und gar nicht, die Übeltäter zu vernichten und die Guten zu befreien. Vielmehr sollten sie allen Menschen eine neue spirituelle Botschaft und ein neues Gesetz für ein göttliches Wachsen und für die spirituelle Verwirklichung geben. Wenn wir andererseits dem Wort Dharma nur eine religiöse Bedeutung beilegen, der zufolge es ein Gesetz des religiösen und spirituellen Leben sei, werden wir zwar an den Kern der Sache herankommen, aber in Gefahr sein, einen äußerst wichtigen Teil des Wirkens des Avatars auszuschließen. In der Geschichte der göttlichen Inkarnationen sehen wir immer das doppelte Wirken, das ist unvermeidlich, da der Avatar das Wirken Gottes im Leben der Menschen auf sich nimmt, die Methode des göttlichen Willens und der göttlichen Weisheit in der Welt. Diese Wirksamkeit kommt aber immer sowohl nach außen wie im Inneren zur Erfüllung: durch einen inneren Fortschritt in der Seele und durch eine äußere Umwandlung im Leben.