Kapitel 2

Der Große Holocaust – Chhinnamasta

Wenn es auf der Erde eine neue Schöpfung oder in der irdischen Atmosphäre die Manifestation eines neuen Bewusstseins gegeben hat, ging ihnen durch alle Zeitalter hindurch immer ein Stadium der Zerstörung und Auflösung des Alten voraus. Der Tanz Shivas hat zwei Aspekte – die Seligkeit des Erschaffens und die Freude der Zerstörung (lāsya und tāndava). Beide sind bis heute gleichermaßen notwendig gewesen, sie ergänzen einander.

Zerstörung bedeutet Zerstörung des Unnötigen, Ungeeigneten, Auslöschung von allem, was sich weigert, den Neubeginn zu akzeptieren, ihn behindert, versucht ihn zu leugnen und mit der unabdingbaren neuen Zukunft nicht harmonisiert. Die Evolution der Erde ist ein Marsch der Weiterentwicklung. Wenn man es versäumt, mit seiner Geschwindigkeit Schritt zu halten, muss man den Weg räumen oder wird vielmehr aus dem Weg geräumt, um für das nächste kommende Stadium Platz zu machen.

Wenn du zur älteren Schöpfung gehörst oder zumindest in sie verliebt bist, an ihr hängst, wird die Zerstörung für dich schmerzhaft sein, sogar schrecklich und abscheulich. Aber wenn du das Neue ersehnst, wenn du bereit bist, an der erwachenden Zukunft teilzunehmen und schon zu ihr gehörst, spürst du die Notwendigkeit dieser Zerstörung und heißt sie willkommen, damit sie das Werk beschleunigt, und du freust dich sogar darüber. Du empfindest die Freude der Zerstörung, – wenigsten Shiva tut es, die Göttliche Kraft tut es, wie es scheint.

Etwas Ähnliches, tatsächlich genau dasselbe geschieht jetzt. Mahakali hat ihr Werk der Vorbereitung, der Auflösung, Zerstörung und Auslöschung begonnen, um den Pfad für Mahalakshmi und Mahasaraswati frei zu machen; Maheshwaris unendliche Liebe und Barmherzigkeit billigt und unterstützt es. Die neue Schöpfung, die neue Welt, welche die Mutter errichtet hat und immer noch mit so viel Liebe und Umsicht gestaltet, ist fertig, bereit sich zu manifestieren, sich auf der materiellen Ebene zu offenbaren und auf der Erde zu materialisieren. Aber die Erde ist noch nicht bereit oder eher, der Mensch ist noch nicht bereit. Er lehnt sie ab, er klammert sich an die alte tote Welt, hält sie ganz fest, – er liebt dieses Spiel von Falschheit und Verworfenheit. Vielleicht ist die Wahrheit zu strahlend, zu verpflichtend für seine dunkle Verfassung und egoistische Natur, weshalb er das neue Bewusstsein, die neue Wirklichkeit ablehnt und sie behindert, so sehr er kann. Mutter versuchte in ihrer unendlichen Liebe, diese Ablehnung auf sich selbst zu nehmen; sie versuchte, so viele Elemente wie möglich zu überzeugen und zu verändern. Dann, als nichts mehr getan werden konnte, zog sie sich zurück und überließ das Feld ihren anderen Aspekten, damit sie das ausführten, was unvermeidlich war – das Auflösen der unbeweglichen alten Welt. Es ist für das letztendliche Glück der Erde und sogar der Menschheit eine Notwendigkeit.

Das Werk hat begonnen, – nenne es den Tanz Shivas, den tāndava, oder den Tanz Kalis, der wilden Mutter, – es hat begonnen und schreitet immer schneller voran. Zerstörung, Verfall, Auflösung, – ja, das ist das erste Resultat. Wir erleben es schon und nehmen daran teil, ob wir es wollen oder nicht. Es ist der Beschluss des Höchsten Herrn, – und so muss es geschehen. Diejenigen, die an der Wahrheit festhalten, überleben, diejenigen, die einen Bund mit der Falschheit schließen, gehen unter. Der Mensch hat keine andere Wahl, als sich zu entscheiden, bewusst oder unbewusst. Es ist eine unvermeidliche Phase; wenn du ein Sucher der Wahrheit bist, gibt es nichts zu jammern oder zu betrauern.

Die nächste Stufe wird natürlich das Wegräumen der Trümmer sein, ein gründliches Reinigen und Entfernen von allem, was der Wahrheit entgegenstand, – der Ruine der toten Welt. Das Feld wird von allem Unsauberen und Obskuren befreit, denn nur dann kann die neue Wirklichkeit hervorkommen. Dann wird die Mission der Mutter erfüllt sein.

Die neue Schöpfung ist schon hier und gestaltet sich. Was immer jetzt im Ashram oder außerhalb stattfindet, geschieht, damit sie sich umso früher verwirklichen kann. Sie zerschlägt das äußere Gerüst, in dem die neue Wirklichkeit schon errichtet worden ist. Du magst es eine tote Hülle nennen, die zerstört wird, damit die neue Wirklichkeit hervorkommen kann. Es ist Mutters Werk an ihrem eigenen Selbst. Sie hat ihre Chhinnamasta-Form angenommen. Alle Dinge, die sie zerstört, sind ihr eigenes Selbst; sie beseitigt sozusagen die alten unnützen Glieder ihres eigenen Körpers.

Wir können uns an Sri Aurobindos Zeilen erinnern:

„…die Stunde ist oft schrecklich, ein Feuer und ein Wirbelwind und ein Orkan, das Treten der Kelter des göttlichen Zorns; doch wer darin aufrecht stehen kann aufgrund der Wahrheit seines Trachtens, der wird bestehen; selbst wenn er fiele, stünde er wieder auf; selbst wenn es so aussähe, als ginge er auf den Flügeln des Windes dahin, würde er wiederkehren. Lass nicht weltliche Klugheit dir zu nahe in dein Ohr flüstern; denn es ist die Stunde des Unerwarteten.“

Veröffentlicht im November 1977