18. Kapitel
Das höchste Geheimnis
Gunas, Mental und Werke
Noch hat die Gita nicht ihre Darlegung des Handelns vollendet im Licht der grundlegenden Idee der drei Gunas und ihrer Überschreitung durch die höchste sattwische Disziplin, die auf ihrem Höhepunkt sich selbst transzendiert. Hauptfaktor dabei ist der Glaube, śraddhā, der Wille, die Wahrheit, die wir erkannt haben, anzuerkennen, zu sein, zu wissen, zu leben und in die Tat umzusetzen. Er ist die unentbehrliche Kraft hinter einem das Selbst entwickelnden Handeln. Er ist vor allem die stärkste Macht hinter der Entfaltung der Seele durch ihr Wirken zu ihrer vollen spirituellen Art. Es gibt aber auch die mentalen Mächte, die Instrumente und Umstände, die miteinander dazu verhelfen, die Antriebskraft, Richtung und den Charakter der Aktivität zu bestimmen. Darum sind sie wichtig für ein volles Verstehen dieser psychologischen Disziplin. Die Gita gibt zuerst eine zusammenfassende psychologische Analyse dieser Dinge, bevor sie zu ihrem großen Finale weitergeht, zum Höhepunkt von allem, was sie lehrt, zum tiefsten Geheimnis: Wie wir durch den Geist über alle Dharmas hinauskommen und sie auf göttliche Weise transzendieren. Wir müssen den kurzen Beschreibungen der Gita, die summarisch und umfassend sind, gerade so weit folgen, dass wir ihre Hauptidee erfassen. Zwar sind dies zweitrangige Dinge, doch ist jede von ihnen an ihrem Platz und für ihren Zweck von großer Bedeutung. Ihre in die Art der Gunas geprägte Aktion müssen wir aus den kurzen Beschreibungen im Text herausarbeiten. Automatisch wird sich dann das Wesen der höchsten Entfaltung jeder von ihnen über die Gunas hinaus aus dem Charakter der allgemeinen Transzendenz ergeben. (495)
18.1
Arjuna sprach:
Ich möchte, O Starkarmiger, das Prinzip von Sannyasa kennenlernen, das Prinzip von Tyaga, O Hrishikesha, und den Unterschied zwischen beiden, O Keshinishudana.
Die Behandlung dieses Gegenstandes wird durch eine letzte Frage Arjunas nach dem Prinzip von Sannyasa und dem Prinzip von Tyaga eingeleitet. Die häufige Wiederholung und das immer neue Gewicht, das die Gita auf diesen entscheidenden Unterschied legt, ist sehr wohl gerechtfertigt durch die historische Entwicklung der Folgezeit im späteren indischen Denken und Verhalten, durch dessen ständige Verwechslung dieser beiden sehr verschiedenen Dinge und durch dessen starke Neigung, jede Art von Aktivität, wie sie von der Gita gelehrt wird, als höchstens etwas Vorläufiges herabzusetzen im Gegensatz zur höchsten Inaktivität, Sannyasa. Tatsächlich verstehen die Menschen, wenn sie von Tyaga, Entsagung, reden, bei diesem Wort immer den physischen Verzicht auf die Welt. Zumindest betonen sie diesen, während die Gita unbedingt die entgegengesetzte Auffassung vertritt: Das wahre Tyaga hat die Betätigung und das Wirken in der Welt als seine Grundlage. Es ist keine Flucht ins Kloster, in die Höhle oder auf den Berggipfel. Das wirkliche Tyaga ist das Handeln mit Verzicht auf das Begehren; und das ist auch das wahre Sannyasa. (493-94)
18.2
Der Erhabene sprach:
Die Weisen haben unter Sannyasa das Ablegen (oder Beiseitelegen) begehrenswerter Handlungen verstanden. Tyaga ist der Name, den die Weisen einem völligen Aufgeben der Bindung an die Frucht des Handelns gegeben haben.
Sannyasa bedeutet nach der gültigen Terminologie der Weisen das Ablegen oder Beiseitelassen von begehrenswerten Tätigkeiten. Tyaga – so unterscheidet die Gita – ist der Name, der von den Weisen dem mentalen und spirituellen Verzicht gegeben wird, der völlige Verzicht auf alles Gebundensein und Verlangen nach der Frucht unseres Wirkens, nach unserem Wirken selbst, der persönlichen Initiative oder dem rajasischen Impuls dazu. In diesem Sinn ist Tyaga der bessere Weg gegenüber Sannyasa. Nicht die begehrenswerten Handlungen sollen abgelegt werden, sondern das Begehren an sich, das ihnen diesen Charakter gibt, soll in uns ausgemerzt werden. Das Ergebnis, die Frucht unseres Wirkens, mag uns so zufallen, wie es der Gebieter des Wirkens verfügt. Es darf kein egoistisches Verlangen danach geben, als ob es eine Belohnung oder eine Vorbedingung für unser Wirken wäre. Selbst wenn die Frucht unseres Wirkens überhaupt nicht zustande kommen sollte, muss das Werk dennoch als die Sache durchgeführt werden, die getan werden muss, kartavyaṁ karma, als das, was der Gebieter in unserem Inneren von uns verlangt. Erfolg wie Fehlschlag liegen in seinen Händen, und er wird sie nach seinem allwissenden Willen und seinem unerforschlichen Ziel verordnen. Das Wirken, alles Wirken, muss in der Tat am Ende aufgegeben werden: aber nicht physisch durch den Verzicht auf das Wirken, durch ein Nichtbewegtsein zum Handeln, aus Trägheit. Sondern es soll spirituell in die Hand des Herrn unseres Wesens gelegt werden, durch dessen Macht allein Handeln zum Erfolg gebracht werden kann. Verzichtet werden muss auf die falsche Vorstellung, wir selbst seien die Täter. Denn in Wirklichkeit ist es die universale Shakti, die durch unsere Persönlichkeit und durch unser Ego wirkt. Nach der Lehre der Gita ist es wirkliches Sannyasa, wenn wir all unser Wirken spirituell dem Herrn und seiner Shakti überlassen. (494-95)
18.3
„Von jeglichem Handeln sollte man Abstand nehmen, weil es ein Übel ist“, erklären einige gelehrte Männer. „Die Handlungen des Opferns, des Gebens und der Askese dürfen nicht aufgegeben werden“, sagen andere.
18.4
Höre, wie Ich Mich hinsichtlich der Entsagung (Tyaga) entschieden habe, O Bester der Bharatas. Denn auch die Entsagung im Handeln ist, O Tiger der Menschen, als von dreifacher Art erklärt worden.
18.5
Auf die Handlungen des Opferns, des Gebens und der Askese sollte auf keinen Fall verzichtet werden. Sie sollen vollzogen werden, denn sie läutern den Weisen.
18.6
Aber, O Partha, selbst diese Handlungen sollen unbedingt vollzogen werden, indem man Bindung und Lohn beiseite lässt.
Einige möchten gern, dass alles Wirken aus unserem Leben ausgemerzt wird –, als wenn das möglich wäre. Das ist so lange nicht möglich, als wir im Körper und lebendig sind. Auch kann das Heil nicht darin bestehen, dass wir unser aktives Selbst durch Trance in die leblose Unbeweglichkeit des Lehmklumpens oder des Kieselsteins herabsetzen. Das Schweigen des Samadhi schaltet diese Schwierigkeit nicht aus; denn sobald der Atem wieder in den Körper zurückkehrt, sind wir in Aktion wie zuvor. Wir sind aus dieser Errettung durch spirituellen Schlaf heruntergefallen. Aber das wahre Heil, die Befreiung durch innere Lossagung vom Ego und durch Einung mit dem Purushottama bleibt immer, in welchem Zustand wir uns auch befinden. Sie dauert fort in dieser Welt und außerhalb von ihr, in welcher Welt auch immer und außerhalb von aller Welt. Sie ist selbst-seiend, sarvathā vartamāno‘ pi. Sie hängt weder von Untätigkeit noch von Tätigkeit ab. Welches sind also die Handlungen, die getan werden müssen? Die Antwort, die durchweg von den Asketen gegeben, aber von der Gita nicht erwähnt wird – vielleicht war sie zu jener Zeit nicht geläufig –, könnte sein, dass nur das Betteln, das Essen und die Meditation unter den willenhaften Tätigkeiten erlaubt sein sollen, darüber hinaus nur die notwendigen Tätigkeiten des Körpers. Die freiere und umfassendere Lösung war schließlich, dass die drei Aktivitäten, die am meisten dem Sattwa entsprechen, fortzusetzen sind: Opfern, Geben und Askese. Diese müssen ganz gewiss getan werden, sagt die Gita, denn sie läutern den Weisen. Aber in einem allgemeineren Sinne und im Verständnis dieser drei in ihrer weitesten Bedeutung ist es das recht geordnete Handeln, niyataṁ karma, das getan werden muss: Handeln, das durch das Shastra geregelt ist, durch Wissenschaft und Kunst des angemessenen Wissens, der angemessenen Werke, des rechten Lebens; oder geordnet durch die wesenhafte Art, svabhāva-niyataṁ karma, schließlich und am allerbesten, bestimmt durch den Willen des Göttlichen in und über uns. Letzteres ist das wahre und einzige Handeln des befreiten Menschen, muktasya karma. (495-96)
18.7
Verzicht auf das recht geordnete Handeln ist wahrlich nicht geeignet. Verzichtet man aus Unwissenheit auf sie, ist das ein tamasischer Verzicht.
18.8
Wer das Wirken aufgibt, weil es Sorgen oder dem Fleisch Kummer bereitet, leistet damit einen rajasischen Verzicht und erlangt nicht die Frucht seiner Entsagung.
18.9
Wer aber eine recht geordnete Handlung vollzieht, weil sie getan werden muss, und dabei keine Bindung, weder zur Handlung als solcher, noch zur Frucht dieses Handelns, entsteht, dessen Entsagung gilt als sattwisch.
Das sattwische Prinzip der Entsagung heißt: Wir sollen uns nicht vom Handeln zurückziehen, sondern auf den persönlichen Anspruch, auf den hinter ihm wirkenden Ego-Faktor verzichten. Wir sollen unsere Werke tun nicht unter dem Diktat des Begehrens, sondern gemäß dem Gesetz angemessenen Lebens; gemäß der wesenhaften Natur, ihrem Wissen, ihrem Ideal, ihrem Glauben an sich selbst und an die Wahrheit, die sie sieht, śraddhā. Oder die Werke werden auf einer höheren spirituellen Ebene vom Willen des Meisters diktiert und mit dem Mental, das im Yoga ist, ausgeführt, ohne dass sich unsere Person daran bindet, weder an das Wirken selbst, noch an die Frucht des Wirkens. Es muss zum völligen Verzicht auf alles Begehren und alles Entscheiden aus egoistischen Gründen, aus dem eigenen Ego-Impuls kommen. Und schließlich muss auch jener subtilere Egoismus des Willens wegfallen, der entweder sagt: „Das Werk gehört mir, ich bin der Täter“, oder sogar: „Das Werk gehört Gott, aber ich bin der Täter.“ Es darf dabei keine innere Bindung an das angenehme, begehrenswerte, gewinnbringende oder erfolgreiche Werk geben. Und man darf es auch nicht deshalb tun, weil es von dieser Art ist. Aber diese Art Werke müssen auch getan werden – ganz, ohne egoistisches Interesse und mit der Zustimmung des Geistes –, wenn es ein Handeln ist, das von oben her und aus unserem Inneren verlangt wird, kartavyaṁ karma. Es darf keine Abneigung gegen unangenehme, unerfreuliche oder nicht lohnende Arbeit geben oder gegen ein Werk das wahrscheinlich oder sicher Leiden mit sich bringt, Gefahr, harte Bedingungen und ungünstige Folgen. Denn auch das müssen wir annehmen, ganz selbstlos, mit tiefem Verständnis für seine Notwendigkeit und Bedeutung, wenn immer es das Werk ist, das geleistet werden muss, kartavyaṁ karma. (496-97)
18.10
Der weise Mensch, der sich der Zweifel entledigt hat und der Entsagung übt im Licht seines völlig sattwischen Mentals, hat keine Abneigung gegen unerfreuliches und keine Bindung an erfreuliches Handeln.
18.11
In der Tat können die verkörperten Wesen nicht auf jegliches Wirken verzichten. Wer aber die Frucht seines Handelns aufgibt, vom dem sagt man mit Recht, dass er ein Entsagender ist.
Der befreite Mensch, der durch das innere Sannyasa all sein Wirken einer größeren Macht überantwortet hat, ist frei vom Karma. Er wird handeln; denn irgendeine Art von Handeln, mehr oder weniger, klein oder groß, ist unvermeidlich, natürlich, für die verkörperte Seele richtig. Dies Wirken ist ein Teil des göttlichen Lebensgesetzes. Es ist die hohe Dynamik des Geistes. Das innerlich Wesentliche der Entsagung, das wahre Tyaga, das wahre Sannyasa, ist keine über den Daumen gepeilte Regel der Untätigkeit, sondern es ist eine egolose Seele, ein egoloses Mental, im Übergang aus dem Ego zur freien, apersonalen und spirituellen Art. Der Geist dieser inneren Entsagung ist die erste mentale Voraussetzung dafür, dass die sattwische Disziplin ihren Höhepunkt erreicht. (497)
18.12
Die drei Arten von Ergebnis – erfreulich, unerfreulich und vermischt – existieren in dieser oder jener Welt, in diesem oder jenem Leben nur für die Sklaven des Begehrens und des Ego. Am freien Geist bleiben diese Dinge nicht haften.
18.13
Erfahre von Mir, O Starkarmiger, die folgenden fünf Ursachen, wie sie vom Sankhya für die Vollendung allen Wirkens niedergelegt worden sind.
18.14
Diese fünf sind: Der Körper, die handelnde Person, die verschiedenen Werkzeuge, die vielerlei Bemühungen und schließlich das Schicksal.
Die Gita spricht von den fünf Gründen oder unentbehrlichen Erfordernissen für das Wirken, damit es so, wie es durch das Sankhya niedergelegt ist, zur Vollendung kommt. Diese fünf sind: Erstens die Struktur von Körper, Leben und Mental; sie sind Basis oder Fundament für die Seele in der Natur, adhiṣṭhāna. An zweiter Stelle kommt der handelnde Mensch, der Täter, kartā. Drittens haben wir die verschiedenartige Instrumentation der Natur, karaṇa, viertens die vielen Arten von Anstrengungen, die zusammen die Kraft des Wirkens ausmachen, ceṣṭāḥ. An letzter Stelle steht das Schicksal, daivam, das heißt der Einfluss der Macht oder der Mächte, die außerhalb der menschlichen Faktoren und anders sind als der sichtbare Mechanismus der Natur. Sie stehen hinter diesen und gestalten das Wirken; sie teilen dessen Ergebnisse aus, je nach den Stufen des Aktes und seiner Konsequenzen. (497-98)
18.15
Diese fünf Elemente bilden unter allem anderen die wirksamen Ursachen, karaṇa, die Form und Ergebnis von jeglichem Werk bestimmen, das der Mensch mit Mental, Rede und Körper ausführt.
18.16
Da es sich so verhält, hat wahrlich derjenige, der aus unwissendem Verstand sich selbst als den Täter ansieht, eine verdrehte Intelligenz. Er erkennt nicht.
18.17
Wer frei ist vom Ego-Sinn und in seiner Intelligenz nicht beeinträchtigt wird, der tötet nicht, auch wenn er diese Völker erschlagen würde, und wird durch sein Handeln nicht gebunden.
Bei dem Handelnden nimmt man gewöhnlich an, er sei unser vordergründiges personales Ego. Das ist aber die falsche Vorstellung eines Verstehens, das noch nicht zum Wissen gelangt ist. Das Ego ist der scheinbare, der angebliche Handelnde. Aber das Ego und sein Wollen sind Schöpfung und Instrumente der Natur, mit denen das unwissende Verstehen fälschlich unser Selbst identifiziert. Sie sind auch nicht die einzigen bestimmenden Faktoren, nicht einmal des menschlichen Handelns, viel weniger seiner Richtung und seiner Konsequenz. Sobald wir vom Ego befreit sind, tritt unser wirkliches Selbst aus dem Hintergrund hervor. Es ist apersonal und universal; es sieht in der Selbst-Schau seiner Geeintheit mit dem universalen Geist, dass die universale Natur der Täter des Werks ist und dass der Göttliche Wille als der Gebieter der universalen Natur dahinter steht. Nur solange wir diese Erkenntnis noch nicht besitzen, sind wir durch den Charakter des Ego gebunden und dadurch, dass es der Täter sein will, dass wir selbst das Gute und das Böse tun und dabei die Befriedigung unserer Art von Tamas, Rajas und Sattwa haben. Sobald wir aber im höheren Wissen leben, können der Charakter und die Konsequenzen des Werks für die Freiheit des Geistes keinen Unterschied mehr machen. Von außen gesehen mag das Werk eine schreckliche Handlung sein wie die gewaltige Schlacht und das Gemetzel von Kurukshetra. Aber obwohl der befreite Mensch seinen Anteil an diesem Kampf auf sich nimmt, obwohl er diese Völker vernichtet, tötet er selbst doch keinen Menschen und ist er auch durch sein Werk nicht gebunden, da es das Werk des Herrn der Welten ist und dieser in seinem verborgenen allmächtigen Willen bereits all diese Armeen vernichtet hat. Dies Werk der Zerstörung war notwendig, damit sich die Menschheit vorwärtsbewegen kann zu einer anderen Schöpfung, zu einem neuen Ziel, damit sie, wie in einem Feuer, ihr vergangenes Karma der Ungerechtigkeit und Unterdrückung loswird und zu einem neuen Königreich des Dharma fortschreitet. Der befreite Mensch leistet das ihm zugewiesene Werk als das lebendige Instrument, das im Geist geeint ist mit dem universalen Geist. Und da er weiß, dass dies alles sein muss, und über die äußere Erscheinung hinausschaut, handelt er nicht für sich selbst, sondern für Gott, für den Menschen, für die menschliche und kosmische Ordnung1. Doch handelt tatsächlich nicht er selbst, sondern er ist sich der Gegenwart und Macht der göttlichen Kraft in seinen Taten und ihrem Ergebnis bewusst. Er weiß, dass die höchste Shakti in seinem mentalen und physischen Körper handelt, adhiṣṭhāna, und allein das Werk ausführt, das ihm durch sein Schicksal aufgetragen ist. Doch ist das in Wahrheit nicht ein Schicksal, nicht eine mechanische Gesetzmäßigkeit, sondern der weise und allsehende Wille, der hinter dem menschlichen Karma am Werk ist. Dies „schreckliche Werk“, um das sich die ganze Lehre der Gita dreht, ist ein extremes Beispiel für eine dem Anschein nach unheilvolle Handlung, akuśalam, wobei doch jenseits von diesem äußeren Anschein ein großes Gut liegt. Das Werk muss in apersonaler Weise von dem von Gott dafür beauftragten Menschen getan werden für den Zusammenhalt des Weltzwecks, loka-saṅgrahārtham, ohne eine persönliche Absicht oder ein Begehren, eben weil es der verordnete Dienst ist. (498-99)
18.18
Die Erkenntnis, der Gegenstand der Erkenntnis und der Erkennende sind drei Dinge, die den mentalen Impuls zum Handeln bilden. Ferner gibt es drei Dinge, die die Handlungen zusammenhalten und möglich machen: Der Handelnde, das Instrument und das vollzogene Werk.
18.19
Erkenntnis, Handlung und Täter sind, nach dem Sankhya, von dreifacher Art gemäß der Verschiedenheit der Gunas (Eigenschaften). Erfahre auch über diese entsprechend.
18.20
Erkenne als sattwisch jene Erkenntnis, durch die man das eine unvergängliche Sein in allem Werden und das eine unteilbare Ganze in allen diesen Teilerscheinungen wahrnimmt.
18.21
Betrachte als rajasisch jene Erkenntnis, die in allen diesen Daseinsformen die Vielfalt der Dinge nur in der Getrenntheit und Verschiedenheit ihrer Wirkensweisen sieht.
18.22
Die tamasische Erkenntnis ist eine kleinliche und enge Art, die Dinge zu betrachten, die keinen Blick hat für die wirkliche Natur der Welt. Sie klammert sich an einen einzigen Prozess oder an ein einziges gewohntes Verfahren des Wirkens, als ob dies das Ganze wäre (ohne Vorausschau oder eine das Ganze überblickende Intelligenz).
Das tamasische Mental schaut nicht aus nach der wirklichen Ursache und ihrer Auswirkung. Es verzehrt sich selbst in einer einzigen Bewegung oder in einer einzigen Routine mit stumpfsinniger Gebundenheit an diese. Es kann nichts sehen als nur den kleinen Ausschnitt seiner persönlichen Aktivität vor seinen Augen; es weiß tatsächlich nicht, was es tut. Es lässt einfach blind den natürlichen Antrieb sich durch seine Taten auswirken. Für deren Ergebnisse hat es keinen Begriff, keine Voraussicht, keine umfassende Intelligenz. Die rajasische Erkenntnis ist so, dass sie die Vielfalt der Dinge nur in ihrer Gesondertheit und der Verschiedenheit ihres Wirkens in all diesem Seienden sieht. Sie ist nicht in der Lage, ein wirkliches Prinzip der Einheit zu entdecken und ihren Willen sowie ihr Handeln richtig zu koordinieren. Vielmehr folgt sie der Neigung ihres Ego und Begehrens, der Aktivität ihres vielverzweigten egoistischen Willens und dem unterschiedlichen, vermischten Motiv in ihrer Reaktion auf die sie bedrängenden Impulse und Kräfte aus dem eigenen Inneren und der eigenen Umgebung. Dies Erkennen ist ein Gewirr der Bruchteile von Erkenntnis, oft von einander widersprechender Erkenntnis, das durch das Mental mit Gewalt zusammengesetzt ist, um einen Pfad durch den Dschungel unseres halben Wissens und halben Unwissenheit zu bahnen. Diese rajasische Erkenntnis ist andererseits auch eine rastlos bewegte, vielfältige Aktion, bei der kein höheres Ideal die sichere Lenkung ausübt und wo kein im Selbst gegründetes Gesetz eines wahren Lichts und einer Macht im Inneren wirkt. Im Gegensatz dazu sieht die sattwische Erkenntnis das Sein in all seinen Zerteilungen doch als ein einziges unteilbares Ganzes, als ein unvergängliches Sein in allen Erscheinungen des Werdens. Sie beherrscht das Prinzip ihres Wirkens und die Beziehung der besonderen Handlung zum totalen Zweck und Ziel des Seins. Sie setzt bei ihrem Vorgehen zur Vollkommenheit jeden Schritt auf seinen richtigen Platz. Dies Schauen wird auf seinem Höhepunkt zur Erkenntnis des einen Geistes in der Welt, der eins ist in all diesen vielen Daseinsformen. Diese Schau erkennt den einen Gebieter allen Wirkens, sieht in den Kräften des Kosmos die Ausdrucksformen der Gottheit. Sie macht die Erfahrung, dass das Werk selbst das vollziehende Wirken des höchsten Willens und der Weisheit Gottes im Menschen, in seinem Leben und in seiner wesenhaften Art ist. (499-500)
18.23
Wird eine Handlung nach der rechten Ordnung vollzogen ohne Bindung, ohne Vorliebe oder Abneigung (an ihrem Reiz oder ihrer Langweiligkeit) von einem Menschen, der kein Begehren nach ihrer Frucht hegt, dann wird sie sattwisch genannt.
Das Handeln aus Sattwa führt ein Mensch in Ruhe aus, im klaren Licht der Vernunft und Erkenntnis und mit einem apersonalen Empfinden für das Richtige, für die Pflicht oder für die Forderung des Ideals an ihn, ohne Rücksicht auf den Erfolg, auf sich selbst, auf die Folgen in dieser oder einer anderen Welt. Es ist ein Werk, das er ohne Gebundenheit daran leistet; ohne dass Vorliebe ihn anspornt oder Abneigung ihn zurückhält; er vollzieht es allein zur Befriedigung seiner Vernunft und im Sinn für das Richtige in seiner hellen Intelligenz oder einem erleuchteten Willen; mit geläutertem, egolosem Mental und hohem gleichmütigen Geist. Auf dem Gipfel des Sattwa wird dieses umgewandelt. Es wird zu einem höchsten apersonalen Wirken, das vom Geist in unserem Inneren diktiert wird und nicht mehr von der Intelligenz. Das ist eine Wirksamkeit, die ihre Motive aus dem höchsten Gesetz der Natur empfängt und frei ist von jeder Begrenzung, sogar durch die beste Meinung, das edelste Begehren, den reinsten persönlichen Willen oder das höchste mentale Ideal. Keines dieser Hindernisse wird mehr da sein. An ihrer Stelle werden eine klare spirituelle Selbst-Erkenntnis und Erleuchtung stehen, das zwingende innige Gefühl für eine unfehlbare Macht, die handelt, und für das Werk, das für die Welt und für den Herrn der Welt getan werden muss. (501)
18.24
Wird aber eine Handlung von einem Menschen unternommen unter der Herrschaft des Begehrens oder mit egoistischem Gefühl der eigenen Person beim Handeln oder wird sie mit ungewöhnlichem Kraftaufwand ausgeführt (mit angespanntem Willen, um das Ziel des Begehrens zu erreichen), nennt man sie rajasisch.
18.25
Wird die Handlung unter Selbsttäuschung begangen (im mechanischen Gehorsam gegenüber Instinkten, Trieben und blinden Ideen) ohne Rücksicht auf die eigene Kraft und Fähigkeit, ohne Vorausschau auf die Folgen, auf die Kraftvergeudung und das anderen zugefügte Unrecht, dann gilt sie als tamasisch.
18.26
Handelt der Täter frei von Bindung, frei von Egoismus, voll fester, unpersönlicher Entschlossenheit, mit ruhiger Geradheit seiner Hingabe, weder hochgestimmt bei Erfolg, noch niedergeschlagen bei Misserfolg, dann wird er sattwisch genannt.
Der sattwisch Handelnde ist erfüllt von einer starken apersonalen Entschlossenheit, von ruhiger Redlichkeit seines Einsatzes; von hoher, reiner und selbstlosen Begeisterung bei dem Werk, das getan werden muss. Erreicht Sattwa seinen Höhepunkt, so wandeln sich dort und darüber hinaus diese Entschlossenheit, dieser Einsatz, diese Begeisterung zu einem spontanen Wirken spirituellen Tapas, schließlich zur höchsten Seelen-Kraft, unmittelbaren Gottes-Macht, starken und beständigen Bewegung einer göttlichen Kraft im menschlichen Instrument, den selbst-sicheren Schritten des Seher-Willens, der gnostischen Intelligenz und damit zur umfassenden Seligkeit des freien Geistes in den Werken der befreiten Art. (502)
18.27
Hängt der Handelnde voll Eifer an seinem Werk, ist er leidenschaftlich verlangend nach dessen Frucht, ist er habgierig, unrein, oft gewalttätig, grausam und brutal in den Mitteln, die er anwendet, voll Freude (bei Erfolg) und voll Kummer (bei Misserfolg), dann gilt er als rajasisch.
18.28
Handelt jemand nur unter mechanischem Einsatz seiner mentalen Kräfte (setzt er sich bei seinem Tun nicht richtig ein), ist er stupide und eigensinnig, verschlagen und anmaßend, träge, leicht entmutigt und zaudernd, dann gilt er als tamasisch.
18.29
Auch die Vernunft und Beharrlichkeit sind gemäß den Eigenschaften der Natur von dreierlei Art. Vernimm, wie sie miteinander verbunden und getrennt sind, O Dhananjaya!
Die mit dem intelligenten Willen gerüstete Vernunft wirkt im Menschen, in welcher Art und welchem Umfang er diese menschlichen Gaben auch besitzen mag, und ist ihnen entsprechend entweder angemessen oder verkehrt, getrübt oder erhellt, eng und klein oder umfassend und weit, genauso wie das Mental dessen ist, der sie besitzt. Es ist buddhi, die verstehende Macht seiner Natur, die das Werk für ihn auswählt oder, noch öfters, es billigt und die eine oder andere unter den vielen Empfehlungen seiner komplexen Instinkte, Impulse, Ideen oder Begierden gutheißt oder mit ihrer Sanktion versieht. Es ist das, was für ihn entscheidet, was richtig oder falsch ist, was getan werden soll oder nicht getan werden darf, Dharma oder Adharma. Und die Beharrlichkeit des Willens, dhṛti, ist jene kontinuierliche Kraft der mentalen Natur, die das Werk fördert und ihm seine Folgerichtigkeit und Dauer verleiht. Hier kommen wieder die Gunas ins Spiel. (502-03)
18.30
Jener Verstand, der das Gesetz des Handelns und das Gesetz des Verzichts auf das Handeln erkennt, der die Sache, die getan werden soll, zu unterscheiden vermag von der Sache, die man unterlassen soll, und das, was man fürchten soll, von dem, wovor man sich nicht fürchten soll, und der erkennt, was den Geist des Menschen fesselt und was ihn befreit, ein solcher Verstand, O Partha, ist sattwisch.
Die sattwische Intelligenz erreicht durch große Beharrlichkeit der strebenden Buddhi ihre Gipfelstufe, wenn sie ihren festen Stand in dem erlangt hat, was jenseits der gewöhnlichen Vernunft und des mentalen Willens liegt; wenn sie auf die Gipfelhöhen eingestellt ist; wenn sie sich einer ständigen Beherrschung der Sinne und des Lebens zugewandt und durch Yoga zu einer Einung mit dem höchsten Selbst des Menschen, mit dem universalen Göttlichen und mit dem transzendenten Geist bekehrt hat. Wenn man im Durchgang durch die sattwische Guna dorthin gelangt ist, kann man über die Gunas hinaus weiterkommen. Man kann über die Schranken des Mentals, seines Willens und seiner Intelligenz hinaus weiter empordringen. Sattwa selbst wird dann in jenen Bereich aufgehen, der oberhalb der Gunas und der instrumentalen Natur liegt. Dort befindet sich die Seele in einem heiligen Schrein von Licht und nimmt ihren Thron ein in enger Einung mit dem Selbst, dem Geist und der Gottheit. Sind wir auf diesem Gipfel angekommen, können wir es dem Höchsten überlassen, die Natur in unserem Organismus zu der freien, spontanen Unmittelbarkeit göttlichen Handelns zu führen; denn dort gibt es kein falsches oder verworrenes Wirken mehr. Dort findet sich kein Element von Irrtum oder Ohnmacht, das die erleuchtete Vollkommenheit und die Macht des Geistes verdunkeln oder entstellen könnte. Dort hören alle niederen Bedingungen, Gesetze und Dharmas auf, Macht auf uns auszuüben. Der Unendliche handelt im befreiten Menschen. Dort gibt es kein Gesetz mehr, sondern nur die unsterbliche Wahrheit und das Recht des freien Geistes, kein Karma mehr, keine Art von Gebundenheit. (504-05)
18.31
Jener Verstand, der nur auf verkehrte Weise zwischen Recht und Unrecht unterscheidet, zwischen dem, was getan werden muss, und dem, was nicht getan werden darf, dieser Verstand, O Partha, ist rajasisch.
Wenn der rajasische Verstand nicht absichtlich den Irrtum und das Böse um des Irrtums und des Bösen willen wählt, kann er unterscheiden zwischen Recht und Unrecht; zwischen dem, was getan werden soll, und dem, was zu unterlassen ist. Aber das geschieht nicht in angemessener Weise, sondern so, dass die wahren Maßstäbe verzerrt und ständig die Werte entstellt werden. Das geschieht, weil diese Vernunft und ihr Wille eine Vernunft des Ego und ein Wille des Begehrens sind und diese Mächte die Wahrheit und das Richtige falsch darstellen und verdrehen, um damit ihrem egoistischen Zweck zu dienen. (503-04)
18.32
Jener Verstand, in Dunkelheit gehüllt, der sich an das hält, was nicht das wahre Gesetz ist, und dies zum geltenden Gesetz erklärt, der alle Dinge getrübt durch falsche Auffassungen sieht, dieser Verstand, O Partha, ist tamasisch.
18.33
Jene unerschütterliche Beharrlichkeit, (dhṛti), mit der man durch Yoga das Mental und die Sinne und das Leben beherrscht, O Partha, diese Beharrlichkeit ist von sattwischer Art.
18.34
Jene Beharrlichkeit jedoch, O Arjuna, mit der man Recht und Gerechtigkeit (Dharma) festhält, mit Interesse (Artha) und Vergnügen (Kama) und mit starker Bindung die Früchte seines Wirkens begehrt, eine solche Beharrlichkeit, O Partha, ist von rajasischer Art.
Der rajasische Wille richtet beharrlich seine Aufmerksamkeit auf die Befriedigung der eigenen, ihn fesselnden Neigungen und Begierden im Verfolgen seines Interesses, seines Vergnügens und all dessen, von dem er denkt oder sich einbildet, es sei angemessen und gerecht, Dharma. Stets ist er geneigt, diese Dinge mit derjenigen Erklärung zu versehen, die seinem Begehren am meisten schmeichelt und es rechtfertigt. Dadurch will er die Mittel als recht und legitim darstellen, die ihm am meisten helfen, die begehrten Früchte seines Wirkens und Bemühens zu erlangen. Das ist die Ursache für drei Viertel an Lüge und Fehlverhalten in der Vernunft und im Willen der Menschen. Rajas ist mit seinem vehementen Festhalten am vitalen Ego der große Sünder und wirkliche Verführer. (504)
18.35
Jene Beharrlichkeit, mit der man aus Unwissenheit nicht ablässt von Verschlafenheit, Furcht, Kummer, Niedergeschlagenheit und Hochmut, die, O Partha, ist von tamasischer Art.
18.36-37
Und nun höre noch von Mir, du Stier der Bharatas, wie auch die Freude von dreifacher Art ist. Als sattwisch gilt die Freude, in der man durch Selbstdisziplin zum wahren Glück gelangt und die dem Leiden ein Ende bereitet. Am Anfang schmeckt sie wie Gift, aber am Ende ist sie wie Nektar. Diese Freude entspringt aus der Zufriedenheit des höheren Mentals und des Geistes.
18.38
Als rajasisch wird jene Freude gewertet, die aus der Berührung der Sinne mit ihren Gegenständen entspringt. Am Anfang schmeckt sie wie Nektar, aber am Ende wie Gift.
18.39
Als tamasisch wird jene Freude bezeichnet, an deren Anfang Selbsttäuschung steht und Enttäuschung die Folge ist, die aus Verschlafenheit, Trägheit und Unwissenheit hervorgeht.
Glücklich zu sein, ist tatsächlich die einzige Sache, wonach offen oder mittelbar unsere menschliche Natur strebt –, ein Glück, eine Ahnung davon oder ein Abglanz von ihm, irgendeine Freude oder ein Vergnügen, eine Befriedigung des Mentals, des Willens, der Leidenschaften und des Körpers. Schmerz ist eine Erfahrung, die unsere Natur zu akzeptieren hat, wenn sie muss: gegen ihren Willen, als eine Notwendigkeit, als ein unvermeidliches Ereignis der universalen Natur. Oder sie muss ihn freiwillig als Mittel annehmen, das zu erlangen, wonach wir streben; doch nicht als etwas um seiner selbst willen Begehrtes –, außer wenn man den Schmerz in verkehrtem Sinn sucht; oder mit einer Glut der Begeisterung für das Leiden, weil es die Erfahrung einer wilden Freude mit sich bringt; oder wegen der intensiven Kraft, die es entzündet. Es gibt aber verschiedene Arten von Glücklichsein oder Freude je nach der Qualität, die in unserer Natur dominiert. So wird das tamasische Mental wohl seine Freude finden in seiner Stumpfheit und Trägheit, in seiner Starrheit und Schläfrigkeit, in seiner Blindheit und in seinem Irrtum. Die Natur hat es mit dem Vorzug einer blasierten Genugtuung an seinem Stumpfsinn und seiner Unwissenheit gewappnet, an dem düsteren Licht in seiner Höhle, an seiner trägen Befriedigung, an seinen armseligen oder gemeinen Freuden und vulgären Vergnügungen. Selbsttäuschung ist der Anfang dieser Befriedigung, und Enttäuschung ist ihre Konsequenz. Doch ist dem Bewohner der Höhle noch eine dumpfe, keineswegs bewundernswerte, doch ausreichende Freude an seinen Selbsttäuschungen gegeben: Es gibt ein tamasisches Glücksgefühl, das sich auf Trägheit und Unwissenheit gründet.
Das Mental des rajasischen Menschen trinkt aus einem feurigeren Becher, der ihn mehr vergiftet. Die heftige, bewegliche, aktive Freude der Sinne und des Körpers und des in die Sinne verstrickten oder feurig kinetischen Willens und der Intelligenz bedeuten für ihn alle Lebensfreude und den eigentlichen Sinn des Lebens. Diese Freude schmeckt bei dem ersten Schluck auf den Lippen wohl wie Nektar. Aber im Bodensatz des Bechers ist ein geheimes Gift, und danach kommen die Bitternis der Enttäuschung, die Übersättigung und Ermüdung, die Revolte und der Ekel und das Bewusstsein der Sünde, des Leidens, des Verlustes und der Vergänglichkeit. Das muss so sein; denn diese Freuden sind in ihrer äußeren Gestaltung nicht das, was der Geist in uns in Wahrheit vom Leben verlangt. Hinter und über dieser Vergänglichkeit der Form gibt es etwas, das dauernd und befriedigend ist, das dem Selbst Genüge verschafft. Darum ist das, was die sattwische Natur sucht, Befriedigung des höheren Mentals und des Geistes. Wenn sie einmal das hohe Ziel ihres Verlangens erreicht hat, kommt sie in ein klares, reines Glücksgefühl der Seele, in einen Zustand des Erfülltseins, in bleibende Gemütsruhe und Frieden. Dies Glücksgefühl hängt nicht von äußeren Dingen ab, sondern allein von uns selbst und von dem Aufblühen dessen, was in uns das Beste und Innerlichste ist. Am Anfang ist das aber nicht unser normaler Besitz. Wir müssen es uns erobern durch Selbst-Disziplin, durch Arbeit der Seele, durch hohes und glühendes Bemühen. Das bedeutet am Anfang einen großen Verlust unserer gewohnten Freuden, viel Leiden und Ringen, ein Gift, das aus dem Durchquirlen unserer Natur entsteht, einen schmerzvollen Konflikt der Kräfte, viel Aufbegehren und Widerstand gegen diese Umwandlung. Das dringt empor aus dem bösen Willen in unserem Organismus oder aus dem beharrlichen Druck der vitalen Regungen. Am Ende steigt aber der Nektar der Unsterblichkeit anstelle dieser Bitternis empor. Und indem wir hinauf zu der höheren spirituellen Natur klimmen, erreichen wir auch das Ende der Sorge; dann sterben Kummer und Leid eines glücklichen Todes (euthanasia). Das ist das alles übertreffende Glücksempfinden, das auf dem Gipfelpunkt oder der Höhenlinie der sattwischen Disziplin auf uns herabkommt.
Die sattwische Natur wächst über sich selbst hinaus, wenn wir über jene zwar große, aber doch noch niedrige sattwische Freude hinausgelangen in den Bereich jenseits der Freuden der Erkenntnis des Mentals, seiner Tugend und seines Friedens in die ewige Stille des Selbstes und der spirituellen Ekstase des göttlichen Einsseins. Jene spirituelle Freude ist nicht mehr nur jene sattwische Freude, sukham, sondern das absolute Ananda. Ananda ist die geheime Seligkeit, aus der alle Dinge geboren werden, durch die alle Dinge und Wesen in ihrem Sein getragen werden, zu der wir im spirituellen Höhenflug gelangen können. Dies Ananda kann aber nur der befreite Mensch besitzen, der von seinem Ego und dessen Begierden erlöst ist, der zuletzt geeint lebt mit seinem höchsten Selbst, eins geworden mit allen Wesen, eins mit Gott in seiner absoluten Seligkeit des Geistes. (505-06)

Swabhava and Swadharma
18.40
Es gibt keine Wesenheit, weder auf Erden noch im Himmel unter den Göttern, die nicht den Wirkensweisen dieser drei Gunas unterworfen wäre, die in der Natur ihren Ursprung haben.
18.41
Die Werke der Brahmanen, der Kshatriyas, der Vaishyas und der Shudras werden gemäß den Gunas eingeteilt, die in ihrer eigenen inneren Natur ihren Ursprung haben.
18.42
Das Werk des Brahmanen ist bestimmt von Stille, Selbstbeherrschung und Askese, von Reinheit, geduldigem Ertragen, Redlichkeit, Erkenntnis und Anerkennung der spirituellen Wahrheit. Es hat seinen Ursprung in seinem svabhāva.
18.43
Das seinem Wesen entsprechende Werk des Kshatriyas liegt im Heldentum und in der Begeisterung, in der Entschlossenheit und in der Tüchtigkeit, im Nicht-Fliehen in der Schlacht, im Geben reicher Gaben, in seiner Herrschaft (īśvara-bhāva, dem Temperament des Herrschers und Führers).
18.44
Das seinem Wesen entsprechende Werk des Vaishyas besteht in Ackerbau und Viehzucht, im Handel einschließlich der Arbeit des Handwerkers und des Künstlers. Alles Handeln, das den Charakter des Dienens hat, fällt unter die natürlichen Obliegenheiten des Shudras.
Man hat diese Verse und die früheren Äußerungen der Gita über denselben Gegenstand auf die gegenwärtigen Auseinandersetzungen über die Kastenfrage bezogen. Einige haben sie sogar als eine Billigung des gegenwärtigen Systems interpretiert. Von anderen sind sie zur Ablehnung der erblichen Grundlage der Kaste verwendet worden. Tatsächlich nehmen diese Verse der Gita überhaupt keinen Bezug auf das bestehende Kastensystem, da dies etwas von dem alten sozialen Ideal des caturvarṇa, der vier klar unterschiedenen Gruppen der arischen Gesellschaft, völlig Verschiedenes ist. Das heutige System stimmt in keiner Weise mit der Beschreibung der Gita überein. Landwirtschaft, Viehzucht und Handel jeglicher Art sollen, wie es hier heißt, das Werk der Vaishyas sein. Im späteren System ist aber die Mehrheit derer, die im Handel und in der Viehzucht tätig sind, sowie die Künstler, Handwerker und andere tatsächlich als Shudras eingestuft worden –, wenn sie nicht überhaupt aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wurden –, und die Kaufmanns-Klasse wird, mit wenigen Ausnahmen, allein, aber nicht überall, zu den Vaishyas gerechnet. Landwirtschaft, Berufe des Regierens und der Dienstleistungen werden von allen Klassen ausgeübt, vom Brahminen bis herab zum Shudra. Und wenn schon die ökonomischen Einteilungen der Funktionen ohne jegliche Möglichkeit der Wiederherstellung durcheinandergebracht worden sind, so ist das Gesetz der Gunas, der Erscheinungsformen, noch viel weniger ein Teil des späteren Systems. Da ist alles zu einer starren Gewohnheit, ācāra, geworden; auf das Bedürfnis der individuellen Natur wird keine Rücksicht genommen. Wenn wir dazu noch die religiöse Seite jener Behauptung in Betracht ziehen, die von den Befürwortern des Kastensystems vorgebracht wird, können wir eine solche absurde Idee ganz gewiss nicht den Worten der Gita anlasten – es sei ein Wesensgesetz des Menschen, dass er ohne Rücksicht auf seine persönliche Neigung und seine Fähigkeiten dem Beruf seiner Eltern oder seiner unmittelbaren oder entfernten Vorfahren folgen müsse: Der Sohn des Milchmanns müsse Milchmann, der Sohn eines Arztes müsse wieder Arzt werden; der Abkömmling des Schuhmachers müsse Schuhmacher bleiben bis zum Ende aller berechenbaren Zeiten. Noch viel weniger kann man behaupten, dass ein Mensch durch diese uneinsichtige und mechanische Wiederholung des für die Natur eines anderen Menschen gültigen Gesetzes, ohne Rücksicht auf seine individuelle Berufung und seine Eigenschaften, automatisch seine eigene spirituelle Vervollkommnung fördert und zur spirituellen Freiheit gelangt. Die Worte der Gita beziehen sich auf das uralte System des caturvarṇa, wie es in idealer Reinheit existierte – es gibt unterschiedliche Ansichten darüber, ob es jemals mehr gewesen ist als nur ein Ideal oder eine allgemeine Norm, die man in der Praxis mehr oder weniger befolgte –, und nur in diesem Zusammenhang allein dürfen wir die Worte der Gita erwägen. (510-11)
18.45
Der Mensch, der bedacht ist auf das seiner eigenen Wesensart entsprechende Werk, erlangt Vollkommenheit. Höre nun, wie derjenige Vollkommenheit erlangt, der sein ihm angeborenes Werk verrichtet!
18.46
Wenn er durch sein eigenes Werk Ihn verehrt, in dem alle Wesen ihren Ursprung haben, von dem dies ganze Weltall durchwaltet ist, dann erlangt ein Mensch Vollkommenheit.
Die Philosophie der Gita über Leben und Wirken besagt, dass alles aus dem Göttlichen Sein, aus dem transzendenten und universalen Geist hervorgeht. Alles ist eine verhüllte Manifestation der Gottheit, Vasudeva, yataḥ pravṛttir bhūtānāṁ yena sarvam idaṁ tatam, und die Vollkommenheit, zu der die Menschheit fähig ist, die Voraussetzung für ihre Unsterblichkeit und Freiheit besteht darin, dass wir den Unsterblichen in unserem Inneren und in der Welt enthüllen, in Einung mit der Seele des Universums leben, in Bewusstsein, Wissen, Willen, Liebe und spiritueller Seligkeit uns in das Einssein mit der erhabenen Gottheit erheben; in der höchsten spirituellen Art leben, das individuelle und natürliche Wesen freihalten von Unzulänglichkeit und Unwissenheit, dass wir es zu einem bewussten Werkzeug für das Wirken der göttlichen Shakti machen. Wie ist dies aber möglich, wenn wir tatsächlich in die Unwissenheit unserer Art eingehüllt sind? Wenn die Seele eingekerkert ist in das Gefängnis des Ego? Wenn sie stets von der Umgebung überwältigt, in Besitz genommen, behämmert und in deren Formen gepresst wird? Wenn sie beherrscht wird vom Mechanismus der Natur, abgeschnitten von unserem festen Halt an der Wirklichkeit unserer eigenen geheimen spirituellen Kraft? Die Antwort lautet, dass diese ganze natürliche Aktion, auch wenn sie jetzt noch so sehr in ein verschleiertes und entgegengesetztes Wirken eingehüllt ist, dennoch das Prinzip ihrer eigenen sich entwickelnden Freiheit und Vollkommenheit enthält. Im Herzen eines jeden Menschen hat die Gottheit ihren Sitz. Sie ist der Herr dieses geheimnisvollen Wirkens der Natur. Zwar sieht es aus, als ob dieser Geist des Universums, dieser Eine, der alles ist, uns auf dem Rad der Welt durch die Kraft von Maya herumwirbelt, als ob wir auf eine Maschine montiert wären, und uns scheinbar durch irgendein ausgeklügeltes mechanisches Prinzip in unserer Unwissenheit gestaltet, wie ein Töpfer ein Gefäß formt, wie ein Weber einen Stoff webt. So ist doch dieser Geist unser eigenes größtes Selbst. Er ist, im Einklang mit der wahren Vorstellung, die Wahrheit unseres Selbsts. Er ist das, was in uns wächst und, von einer Geburt zur anderen, immer neue und angemessenere Formen findet, in unserem tierhaften Leben, in unserem menschlichen und göttlichen Leben, in dem, was wir waren, in dem, was wir sind und in dem, was wir sein werden. Im Einklang mit dieser inneren Seelen-Wahrheit werden wir, wie unsere geöffneten Augen entdecken werden, fortschreitend von diesem Geist in uns in seine all-weise Allmacht hinein umgeformt. Dieser Mechanismus des Ego, diese verworrene Vielfalt der drei Gunas; Mental, Vital und Körper; Emotion, Begehren und Ringen; Denken, Streben, Sich-Mühen, diese geschlossene Wechselwirkung von Schmerz und Freude, von Sünde und Tugend, von Kampf, Erfolg und Misserfolg; dies Ringen der Seele mit ihrer Umgebung, meiner selbst mit den anderen – all das ist nur die äußere unvollkommene Form, die von einer höheren spirituellen Kraft in mir verwendet wird. Sie verfolgt, durch ihre gegensätzlichen Wirkungen, den fortschreitenden Selbst-Ausdruck der göttlichen Wirklichkeit und Größe, die ich insgeheim im Geist bin und die ich in der Natur offenkundig sein werde. Diese Aktion enthält in sich selbst das Prinzip ihres eigenen Erfolgs, das Prinzip des Swabhava und des Swadharma. (518-19)
18.47
Es ist besser, Werke entsprechend dem eigenen Wesensgesetz auszuführen, auch wenn dies in sich selbst unvollkommen ist, als ein seinem Wesen fremdes Gesetz gut auszuführen. Wenn man in Übereinstimmung mit dem Gesetz der eigenen Natur handelt, begeht man keine Sünde.
Der Jiva ist im Selbst-Ausdruck ein Wesensteil des Purushottama. Er stellt in der Natur die Macht des höchsten Geistes dar. In seiner Persönlichkeit ist er jene Macht. In einem individuellen Dasein bringt er die möglichen Kräfte der Seele des Universums zum Vorschein. Dieser Jiva selbst ist Geist und nicht das natürliche Ego. Der Geist, und nicht die Form des Ego, ist unsere Wirklichkeit, unser inneres Seelen-Prinzip. Die wahre Kraft dessen, was wir sind und sein können, ist hier, in jener höheren spirituellen Macht gegenwärtig. Die mechanische Maya der drei Gunas ist nicht die innerste und grundlegende Wahrheit ihrer Bewegungen, sie ist nur eine gegenwärtige, ausführende Energie, ein Apparat von niederem Nutzen, ein Schema für unser äußeres Üben und Praktizieren. Die spirituelle Natur, die zu dieser vielfältigen Persönlichkeit im Weltall geworden ist, parā prakṛtir jīva-bhūtā, ist die stoffliche Grundlage unserer Existenz. Alles Übrige ist eine niedere Ableitung und äußere Gestaltung aus einer höchsten verborgenen Aktivität des Geistes. Und in der Natur hat jeder von uns den Grundsatz und Willen zu eigenem Werden. Jede Seele ist eine Kraft von Selbst-Bewusstsein, die eine Idee des Göttlichen in sich zum Ausdruck bringt. Durch dies ihr Handeln und ihre Evolution, ihr fortschreitendes Finden des Selbstes, ihren ständig sich verändernden Selbst-Ausdruck lenkt sie ihr scheinbar unsicheres, doch insgeheim unvermeidliches Wachstum hin zur Fülle. Das ist unser Swabhava, unsere eigene wirkliche Natur. Das ist die Wahrheit unseres Wesens, die jetzt nur in unserem unterschiedlichen Werden in der Welt ständig partiellen Ausdruck findet. Das durch dies Swabhava bestimmte Gesetz des Handelns ist das richtige Gesetz unserer Selbst-Gestaltung, unserer Tätigkeit und unseres Wirkens, unser Swadharma. (519)
18.48
Das dir eingeborene Werk, O Sohn der Kunti, darfst du nicht aufgeben, auch wenn es mit Mängeln behaftet ist. Alle Handlungen (innerhalb der drei Gunas) sind mit Mängeln behaftet, so wie das Feuer vom Rauch verhüllt ist.
Als praktische Basis ergab sich in alten Zeiten das Vererbungsprinzip. Die gesellschaftliche Funktion und die Position eines Menschen wurden zweifellos ursprünglich, wie das heute noch in freieren, weniger straff geordneten Gemeinschaften der Fall ist, bestimmt durch die Umgebung, die äußeren Umstände, Geburt und Fähigkeit. Als aber eine mehr festgelegte Schichtung einsetzte, wurde der Rang des Menschen hauptsächlich oder allein durch die Geburt geregelt. Im späteren Kastensystem wurde dann die Geburt zur einzigen Regelung des Status eines Menschen. Der Sohn eines Brahminen ist immer in seinem Status ein Brahmine, obwohl er nichts von den typischen Eigenschaften oder dem Charakter des Brahminen an sich haben mag: keine intellektuelle Ausbildung, keine spirituelle Erfahrung, keine religiöse Würde oder Erkenntnis, überhaupt keine Verbindung mit der entsprechenden Tätigkeit seiner Kaste, kein Brahminentum in seinem Wirken und kein Brahminentum in seiner Art.
Dies war eine unvermeidliche Entwicklung, da die äußeren Zeichen das einzige sind, wodurch sich leicht und bequem unterscheiden lässt, und hierbei die Geburt in einer wachsenden mechanisierten und komplexen konventionellen gesellschaftlichen Ordnung die nächstliegende, leicht handhabbare war. Eine Zeitlang wurde auch die mögliche Kluft zwischen der vererbten fiktiven Position und dem wirklichen eingeborenen Charakter und der Fähigkeit des individuellen Menschen durch Erziehung und Ausbildung ausgeglichen und vermindert. Schließlich hörte man aber damit auf, dies Bemühen durchzuhalten, und die Konvention der Vererbung galt als die absolute Regel. Während die Gesetzgeber in alten Zeiten zwar die Praxis der Vererbung anerkannten, drangen sie doch darauf, dass Eigenschaft, Charakter und Befähigung die einzige gesunde und wirkliche Grundlage bilden und ohne diese der vererbte soziale Status zur unspirituellen Lüge wird, da er seine wahre Bedeutung verloren habe. Auch die Gita gründet, wie immer, ihr Denken auf die innere Bedeutung. Sie spricht zwar tatsächlich in einem Vers von dem Werk, das zusammen mit dem Menschen geboren werde, sahajaṁ karma. Das deutet aber an sich nicht auf eine Vererbungs-Basis hin. Im Einklang mit der indischen Theorie von der Wiedergeburt, die die Gita anerkennt, werden die einem Menschen eingeborene Art und der Verlauf seines Lebens im wesentlichen durch seine eigenen vergangenen Lebensabläufe bestimmt. Sie sind die Selbst-Entwicklung, die schon durch seine vergangenen Taten sowie durch seine mentale und spirituelle Entwicklung bewirkt wurde und die gar nicht einzig und allein vom materiellen Faktor seiner Ahnenschaft, Eltern und physischen Geburt abhängen kann, die doch nur von untergeordneter Bedeutung sein können, vielleicht als eines der wirksam werdenden Kennzeichen, jedoch keineswegs als das dominierende Prinzip. Das Wort sahaja meint das, was zusammen mit uns geboren wird, alles, was natürlich, eingeboren, angeboren ist. In gleicher Bedeutung steht an anderen Stellen svabhāvaja. Das Werk oder die Tätigkeit eines Menschen wird durch seine Eigenschaften bestimmt; karma wird bestimmt durch die guṇa. Es ist das Werk des Menschen, das aus seinem Swabhava geboren wird, svabhāva-niyataṁ karma. Der ganze Sinn der Auffassung der Gita vom Karma ist, dass sie das Gewicht auf die innere Qualität und den Geist legt, die in Werk, Tätigkeit und Handeln ihren Ausdruck finden.
Aus dieser Betonung der inneren Wahrheit, nicht der äußeren Form, ergibt sich die spirituelle Bedeutung und Macht, die die Gita im folgenden dem Swadharma beilegt. Das ist der wirklich wichtige Grundgedanke jener Stelle. (513-14)
Deutlich unterscheiden sich die Menschen mit ihrer Geburt weithin gemäß der vier Arten als der Mensch des Wissens, der Mensch der Macht, der produktive vitale Mensch und der Mensch der groben Arbeit und des Dienens. Das sind aber keine grundsätzlichen Einteilungen, sondern Stufen der Entwicklung des Selbstes innerhalb des Menschseins. Der Mensch beginnt mit einer sehr großen Last von Unwissenheit und Trägheit. Dieser erste Zustand ist für ihn ein hartes Sich-Abrackern, das seiner tierhaften Indolenz durch die Bedürfnisse des Körpers aufgezwungen wird, durch den Lebenstrieb, durch die Notwendigkeit der Natur, jenseits von einem gewissen Punkt äußerer Not auch durch eine Form direkten oder indirekten Zwangs, den die Gesellschaft auf ihn ausübt. Die Menschen, die noch von diesem Tamas beherrscht werden, sind die Shudras, die Diener der Gesellschaft, die dieser ihr Mühen schenken, jedoch nichts oder nur sehr wenig im Vergleich mit höher entwickelten Menschen zu dem mannigfachen Spiel des gesellschaftlichen Lebens beitragen können. Durch dynamisches Handeln entwickelt der Mensch in sich die rajasische Eigenschaft. Wir bekommen den zweiten Typus des Menschen, der gejagt wird von einem ständigen Antrieb, Nützliches zu schaffen, zu produzieren, zu besitzen, zu erwerben, festzuhalten und zu genießen: den ökonomischen und vitalen Menschen der Mittelklasse, den Vaishya. Steigt nun die Qualität von Rajas, die dynamische Art, in unserer allgemeinen Art auf eine höhere Stufe, so bekommen wir den aktiven Menschen. Er hat einen noch stärker dominierenden Willen, kühneren Ehrgeiz, den starken Instinkt zum Handeln und Kämpfen. Dieser Wille, aufs Höchste gesteigert, drängt ihn zu führen, zu kommandieren, zu herrschen, die Massen der Menschen in seinen Bannkreis zu ziehen. Dann haben wir den Krieger, den Herrscher, Fürsten, König, den Kshatriya. Wo das sattwische Mental vorherrscht, erscheint der Brahmine, der Mensch mit einer Neigung zur Erkenntnis, zum Denken, Reflektieren, zum Suchen nach Wahrheit. Er bringt eine vernunftgemäße und, auf der höchsten Stufe, eine spirituelle Richtung in das Leben und erleuchtet dadurch sein Verständnis und seine Weise des Seins.
Stets gibt es im Wesen des Menschen etwas von allen vier Persönlichkeiten, entfaltet oder unentfaltet, weit oder eng, verdrängt oder an der Oberfläche sichtbar. Aber in den meisten Menschen sucht die eine oder die andere vorzuherrschen und scheint manchmal den ganzen Raum des Wirkens im Wesen einzunehmen. Eigentlich sollten wir in jeder Gesellschaft alle vier Typen haben – auch dann, wenn wir zum Beispiel eine rein produktive und kommerzielle Gesellschaft organisieren, wie es moderne Zeiten versucht haben, oder eine Shudra-Gesellschaft der Arbeit, des Proletariats, die das moderne Denken bewegt, jetzt in einem Teil Europas versucht und in anderen Ländern befürwortet wird. Dort würde es noch Denker geben, die sich gedrängt fühlen, das Gesetz, die Wahrheit und die Grundregeln für ein solches Unternehmen zu finden; und die Kapitäne und Führer der Industrie, die diese ganze Aktivität des Produzierens zum Vorwand nehmen, um ihr Bedürfnis nach Abenteuer, Kampf, Führerschaft und Vorherrschaft zu befriedigen, und die vielen typischen, rein auf Produktion und Gelderwerb eingestellten Menschen, die Durchschnittsarbeiter, die mit ein wenig Arbeit und dem Lohn für ihre Arbeit zufrieden sind. Das sind aber ganz äußerliche Dinge; und wenn das alles wäre, hätte diese Ökonomie menschlichen Typus keinen spirituellen Sinn. Sie würde höchstens bedeuten, dass wir, wie man das manchmal in Indien gemeint hat, in unseren Geburten eben durch diese Stufen der Entwicklung hindurchgehen müssen; denn wir müssten zwangsläufig progressiv durch die Art von Tamas, Rajaso-Tamas, Rajas oder Rajaso-Sattwa hindurch zur sattwischen Natur, weiter empor zum inneren Brahminentum, brāhmaṇya, um dann von dieser Basis aus die Erlösung zu suchen. In diesem Fall gäbe es keinen logischen Raum für die Versicherung der Gita, dass selbst der Shudra oder Chandala, wenn er sein Leben ganz auf Gott ausrichtet, geradeaus zur spirituellen Freiheit und Vollkommenheit emporklettern kann.
Die fundamentale Wahrheit ist nicht diese äußere Sache, sondern eine Kraft unseres inneren Wesens in Bewegung: Die Wahrheit der vierfachen Macht der spirituellen Natur. Jeder Jiva besitzt in seiner spirituellen Natur diese vier Seiten: Er ist eine Seele des Wissens, eine Seele der Stärke und Macht, eine Seele des gegenseitigen Verkehrs und Austauschs und eine Seele des Arbeitens und Dienens. Im Wirken und im Ausdruck des Geistes nach außen hin dominiert aber die eine Seite über die andere und färbt den Umgang der Seele mit ihrer verkörperten Art. Die Seele lenkt die anderen Mächte und prägt ihnen ihren Stempel auf. Sie verwendet sie für die hauptsächliche Seite des Wirkens, für deren Tendenz und Erfahrung. So folgt also das Swabhava – nicht in der groben und starren Weise, wie es in der sozialen Abgrenzung geschieht, sondern subtil und beweglich – dem Gesetz dieser hauptsächlichen Veranlagung und entfaltet, indem es dies entwickelt, auch die drei anderen Mächte. So entwickelt das Befolgen des Impulses zum Arbeiten und Dienen, wenn es richtig getan wird, das Wissen; es vermehrt die Macht, erzieht zu engen Beziehungen oder ausgeglichener Gegenseitigkeit, leitet an zur Tüchtigkeit und zu einer Ordnung der Verhältnisse. Wo diese vierfältige Gottheit nach außen hervortritt, bewegt sie sich auch dadurch zur Vollkommenheit, dass sie ihr eigenes vorherrschendes Wesensprinzip ausweitet und durch die anderen drei bereichert. Diese Entwicklung steht noch unter dem Gesetz der drei Gunas. Sogar beim Befolgen des Dharma der Seele des Wissens ist eine Art von Tamas und Rajas möglich; ebenso auch eine Art von grobem Tamas und hohem Sattwa beim Befolgen des Dharma der Macht; eine kraftvolle Art oder eine schöne und edle sattwische Natur beim Befolgen des Dharma des Arbeitens und Dienens. Eine unabdingbare Voraussetzung für die Vollkommenheit ist, dass wir zur sattwischen Natur des inneren individuellen Swadharma und jener Werke gelangen, zu denen es uns auf den Bahnen des Lebens treibt. Und wir können auch festhalten, dass das innere Swadharma nicht an eine äußerliche, bedingte, gesellschaftliche oder andere Form des Handelns, der Beschäftigung oder Funktion gebunden ist. Die zum Wirken verpflichtete Seele, die damit zufrieden ist zu dienen, oder jenes Element in uns, kann zum Beispiel das Leben im Streben nach Wissen, das Leben des Kämpfens und der Ausübung der Macht oder das Leben der Gegenseitigkeit der Beziehungen, des Produzierens und Güteraustauschs zu einem Mittel machen, um dadurch ihren göttlichen Impuls zu Arbeit und Dienst zu befriedigen.
Und wenn wir am Ende zur göttlichen Gestalt und dynamischsten Seelenmacht dieser vierfachen Aktivität kommen, ist das ein weit offener Torweg zu einer raschesten und umfassendsten Verwirklichung der höchsten spirituellen Vollkommenheit. Das können wir tun, wenn wir das Wirken des Swadharma in Verehrung der inneren Gottheit, des universalen Geistes, des erhabenen Purushottama verwandeln und schließlich alles Wirken seinen Händen überantworten, mayi sannyasya karmāṇi. Sobald wir über die Einschränkung durch die drei Gunas hinauskommen, lassen wir auch die Einteilung des vierfachen Gesetzes hinter uns und stehen jenseits der Schranken aller unterscheidenden Dharmas, sarvadharmān parityajya. Der Geist nimmt den einzelnen Menschen empor in das universale Swabhava, vervollkommnet und eint die vierfache Seele der Natur in uns und leistet seine vom Selbst bestimmten Werke im Einklang mit dem göttlichen Willen und der vollendeten Macht der Gottheit im Geschöpf. (521-24)

Hin zum höchsten Geheimnis
Der Lehrer hat nun alles, was zu sagen notwendig war, gesagt. Er hat alle zentralen Grundsätze, die unterstützenden Hinweise und Folgerungen seiner Botschaft ausgearbeitet. Er hat die wichtigsten Zweifel und Fragen, die sich um sie ergeben könnten, aufgehellt. Nun bleibt ihm nur noch, das eine letzte Wort, den eigentlichen Kern der Botschaft, deren wirkliche Mitte, in einen entscheidenden Satz, in eine eindringliche Formel zu kleiden. Wir finden, dass dies entscheidende, abschließende und krönende Wort nicht nur der wesentliche Inhalt dessen ist, was bisher schon über die Sache gesagt wurde. Es ist nicht nur eine konzentrierte Beschreibung der notwendigen Selbst-Disziplin, der Sadhana, und jenes größeren spirituellen Bewusstseins, das das Ergebnis allen Bemühens und aller Askese sein soll. Die Gita stürmt sozusagen noch weiter, zerbricht alle Grenzen und Regeln, jede Richtschnur und Formel. Dadurch öffnet sie den Blick für die weite und unbegrenzbare spirituelle Wahrheit mit ihrer unendlichen Fülle bedeutungsvoller Möglichkeiten. Das ist ein Beweis für die Tiefgründigkeit, Reichweite und Geistesgröße ihrer Lehre. Eine gewöhnliche religiöse Lehre oder philosophische Doktrin ist sehr wohl damit zufrieden, dass sie gewisse bedeutende und vitale Aspekte der Wahrheit erfasst und in ein brauchbares Dogma, eine Belehrung, Methode und Praxis verwandelt, um damit den Menschen in seinem inneren Leben zu führen und ihm das Gesetz und die Gestaltung seines Handelns zu zeigen. Sie geht nicht weiter. Sie öffnet keine Tore, die aus dem Kreis ihres eigenen Systems hinausführen. Sie zeigt nicht den Weg in die weiteste Freiheit und Grenzenlosigkeit. Eine solche Einschränkung ist nützlich und tatsächlich eine Zeitlang unentbehrlich. Der durch sein Mental und seinen Willen gebundene Mensch braucht Gesetz und Regel, ein festes System, eine bestimmte Praxis, die seinem Denken und Handeln angepasst ist. Er verlangt nach einem einzigen Weg, den er nicht verfehlen kann, der eingefriedet, befestigt und sicher ist, nach begrenzten Horizonten und nach anliegenden Rastplätzen. Nur starke Menschen, wenige, können durch eine Freiheit zur anderen Freiheit weitergehen. Und doch sollte die freie Seele am Ende ein Ziel haben, einen Ausweg aus den Formen und Systemen, in denen das Mental sein Soll und Haben errechnet und sein begrenztes Vergnügen findet. Zu unserer für die Vollkommenheit wichtigen Befreiung müssen wir über die Leiter unseres Aufstiegs noch hinausgehen. Gerade auf ihrer obersten Sprosse dürfen wir nicht haltmachen. Wir müssen unbehindert weitergehen und uns frei in der Weite des Geistes bewegen. Erst die absolute Freiheit des Geistes ist unser vollkommener Zustand. Und das ist die Art, wie die Gita uns führt: Sie legt einen zuverlässigen und sicheren, aber sehr umfassenden Weg des Aufstiegs, ein großes Dharma, fest. Dann nimmt sie uns über das alles, was niedergelegt ist, über alle Dharmas hinaus und führt uns in unendliche, offene Räume. Dort verkündigt sie uns die Hoffnung und weiht uns ein in das große Geheimnis der absoluten Vollkommenheit, die in der absoluten spirituellen Freiheit gegründet ist. Dies Geheimnis, guhyatamam, ist die Substanz dessen, was sie ihr höchstes Wort nennt. Es ist das verborgene Wesen, das innerste Wissen.
Zuerst wiederholt die Gita noch einmal den eigentlichen Inhalt ihrer Botschaft. Sie fasst in dem wenigen Raum von fünfzehn Versen deren ganzen Umriss und das Wesentliche zusammen, Zeilen von gedrängter und konzentrierter Ausdruckskraft und Bedeutung, die nichts vom Kern der Sache vermissen lassen. Alles ist in Sätze von hellster Präzision und Klarheit gekleidet. Wir müssen sie deshalb sorgfältig prüfen und eindringlich im Licht all dessen lesen, was vorausgegangen ist; denn hier soll ganz deutlich der volle Gehalt von allem dargestellt werden, was die Gita selbst als den zentralen Sinn ihrer Lehre betrachtet. Die Ausführung beginnt mit dem Ausgangspunkt des Gedankenganges in diesem Buch: mit dem Rätsel des menschlichen Handelns; mit der scheinbar unüberwindlichen Schwierigkeit, dass wir im höchsten Selbst und Geist leben und dennoch das Wirken in der Welt fortsetzen sollen. Es wäre der leichteste Weg, das Problem als unlösbar aufzugeben, Leben und Wirken als Illusion oder als untergeordnete Bewegung des Seins anzusehen, die wir hinter uns lassen müssen, sobald wir aus dem Betrug der Welt in die Wahrheit spirituellen Seins emporsteigen können. Dies ist die Lösung der Asketen –, wenn es überhaupt eine Lösung genannt werden kann. Jedenfalls ist es ein entschiedener und wirkungsvoller Ausweg aus dem Rätsel, ein Weg, auf dem sich das alte indische Denken höchst meditativer Art mit zunehmendem Übergewicht hinbewegt hatte, sobald es begann, sich von seiner ursprünglichen, umfassenden und freien Synthese scharf abzuwenden. Die Gita versucht, ebenso wie das Tantra und in gewissen Richtungen die späteren Religionen, das alte Gleichgewicht zu erhalten. Sie bewahrt Substanz und Grundlage der ursprünglichen Synthese. Die Form hat sich aber geändert und wurde im Licht einer sich entfaltenden spirituellen Erfahrung erneuert. Diese Lehre weicht dem schwierigen Problem nicht aus, das volle tätige Leben des Menschen mit dem inneren Leben im höchsten Selbst und Geist zu versöhnen. Sie trägt das vor, was sie für die wirkliche Lösung hält. Sie bestreitet keineswegs die kraftvolle Wirkung des Verzichts des Asketen auf das Leben um seiner eigenen Zwecke willen. Sie erkennt aber, dass man damit den Knoten des Rätsels durchhaut, statt ihn aufzulösen. Deshalb hält sie diese asketische Lösung für eine niedrigere Methode und ihren eigenen Weg für den besseren. Beide Wege führen uns aus der niederen, unwissenden gewöhnlichen Natur des Menschen heraus zum reinen spirituellen Bewusstsein. Insofern können wir sie beide als gültig und sogar in ihrem Wesen als eins ansehen. Aber da, wo der eine haltmacht und umkehrt, geht der andere Weg mit sicherem Scharfsinn und hohem Mut weiter, öffnet ein Tor zu unerforschten Ausblicken, führt zur Vollendung des Menschen in Gott und vereint und versöhnt im Geist die Seele mit der Natur.
Darum drückt die Gita in den ersten fünf dieser Verse ihre Erkenntnisse so aus, dass sie für beide Wege anwendbar sind, sowohl für das innere wie für das äußere Entsagen. Sie tut dies aber in solch einer Weise, dass wir nur einigen ihrer Darstellungen des Gemeinsamen eine tiefere und innerlichere Bedeutung beizulegen brauchen, um Sinn und Absicht des von der Gita bevorzugten Weges zu erfahren. (526-28)
18.49
Wenn der Verstand nicht an die Dinge gebunden ist, die Seele selbstbeherrscht ist und frei von Begehren, dann erlangt ein Mensch durch Entsagung die höchste Vollkommenheit des naiṣkarmya.
Dies Ideal des Entsagens, der Stille des überwundenen Ego, spiritueller Passivität und der Freiheit vom Begehren ist der Weisheit des Altertums gemein. Die Gita bietet uns unübertroffen, vollständig und klar seine psychologische Grundlage. Es beruht in der gemeinsamen Erfahrung all derer, die nach Selbsterkenntnis suchten, dass es in uns zwei verschiedene Wesen und sozusagen zweierlei Selbst gibt. Da ist das niedere Selbst, das Ego der unerhellten mentalen, vitalen und physischen Natur, die im eigentlichen Stoff ihres Bewusstseins und besonders in ihrer Basis, der materiellen Substanz, der Unwissenheit und Trägheit unterworfen ist. Sie ist durch die Lebensmacht gewiss beweglich und vital, verfügt aber nicht über ihr eingeborenes Selbst und hat keine Erkenntnis dessen in ihrem Wirken. Sie gelangt mental zu einer gewissen Erkenntnis und Harmonie, doch nur unter schwierigen Anstrengungen und durch ständiges Ringen mit ihren eigenen Unfähigkeiten. Doch gibt es daneben noch eine höhere Natur, das Selbst unseres spirituellen Wesens, die im Besitz des Selbstes ist und vom Selbst erleuchtet wird, aber der Erfahrung unserer gewöhnlichen Mentalität unzugänglich ist. Zuzeiten bekommen wir flüchtige Einblicke in dieses höhere Wesen in unserem Inneren; wir sind aber nicht bewusst in ihm, wir leben nicht in seinem Licht, in seiner Ruhe und grenzenlosen Herrlichkeit. Die erste dieser beiden sehr verschiedenen Naturen ist in der Gita die Natur der drei Gunas. Deren Anschauung von sich selbst hat ihre Mitte in der Ego-Vorstellung. Das Prinzip ihres Wirkens ist das aus dem Ego geborene Begehren. Der Knoten des Ego ist die Bindung an die Objekte des Mentals, der Sinne und dem Verlangen des Lebens. Das unvermeidliche, ständige Ergebnis all dieser Dinge ist Gebundenheit, beständiges Unterworfensein unter eine niedere Herrschaft, Fehlen der Herrschaft durch das Selbst, Mangel an Selbst-Erkenntnis. Die andere größere Macht und Gegenwart wird als Art und Wesen des reinen Geistes erkannt. Sie steht nicht unter den Bedingungen des Ego. Sie ist das, was in der indischen Philosophie das Selbst und das apersonale Brahman genannt wird. Das Prinzip dieses anderen Wesens ist unendliches und apersonales Sein; es ist in allen eins und dasselbe. Da dieses apersonale Sein ohne ein Ego ist, ohne bedingende Qualitäten, ohne Begehren, ohne Bedürfnisse oder sonst eine treibende Kraft, ist es unerschütterlich und unwandelbar. Ewig dasselbe betrachtet und fördert es das Wirken des Universums, aber es nimmt nicht daran teil und setzt es nicht in Gang. Wenn sich nun die Seele in die aktive Welt stürzt, ist sie das Kshara der Gita, ihr beweglicher oder wandelbarer Purusha. Sammelt sich die Seele zurück in das reine schweigende Selbst und in den wesentlichen Geist, dann ist sie das Akshara der Gita, der unerschütterliche und unwandelbare Purusha.
So wäre es denn eigentlich der einfachste Weg, um der engen Gebundenheit durch die aktive Natur in die spirituelle Freiheit zu entkommen, all das völlig wegzuwerfen, was zur Dynamik der Unwissenheit gehört, und die Seele dem reinen spirituellen Sein zuzuwenden. Das ist es, was man Brahman werden, brahma-bhūya, nennt. Man legt das niedere mentale, vitale und physische Sein ab und das reine spirituelle Wesen an. Das kann am besten durch buddhi, Intelligenz und Willen, vollzogen werden, unser gegenwärtig höchstes Prinzip. Sie soll sich von den Dingen des niederen Seins abkehren, zuerst und vor allem von seiner wirksamen Fessel, dem Begehren, sowie von der Gebundenheit an die von Mental und Sinnen erstrebten Objekte. Wir müssen zu einem Verstehen werden, das in allen Dingen ist, ohne gebunden zu sein, asakta-buddhiḥ sarvatra. Dann vergeht alles Begehren der Seele in ihrem Schweigen. Die Seele ist frei von allen Sehnsüchten, vigata spṛhaḥ. Das bringt die Unterwerfung unseres niederen Selbsts mit sich oder macht sie möglich. Und wir gelangen in den Besitz unseres höheren Selbsts. Dieser Besitz hängt von völliger Selbst-Herrschaft ab, die durch einen radikalen Sieg über unsere bewegliche niedere Natur und deren radikale Unterwerfung gesichert wird, jitātmā. Dies alles führt zum absoluten inneren Verzicht auf das Verlangen nach den Dingen, sannyāsa. Entsagung ist der Weg zu dieser Vollkommenheit; und der Mensch, der auf diese Weise innerlich allem entsagt hat, wird in der Gita als der wahre Sannyasin beschrieben. Da dies Wort aber gewöhnlich ebenso auch äußerliche Entsagung, gelegentlich nur diese, bedeutet, verwendet der Lehrer ein anderes Wort, tyāga, um das innere Zurücktreten von dem äußeren zu unterscheiden. Er sagt, dass Tyaga besser sei als Sannyasa. Die Methode des Asketen geht mit ihrem Zurückschrecken vor der dynamischen Natur viel weiter. Er ist in die Entsagung um ihrer selbst willen verliebt und besteht auf dem äußeren Aufgeben von Leben und Handeln, auf einem völligen Quietismus von Seele und Natur. Das, sagt die Gita, ist so lange nicht völlig durchführbar, als wir noch im Körper leben. Es mag, soweit möglich, getan werden. Aber eine so strenge Herabminderung des Wirkens ist nicht unentbehrlich. Sie ist sogar nicht eigentlich, zumindest gewöhnlich nicht ratsam. Das einzig Notwendige ist, dass wir innerlich völlig still werden. Das ist die ganze Bedeutung des naiṣkarmya der Gita.
Wenn wir fragen: Warum macht die Gita dies Zugeständnis, warum lässt sie das dynamische Prinzip zu, wenn es doch unser Ziel ist, dass wir das reine Selbst werden, und wenn dies reine Selbst als inaktiv, akartā, beschrieben wird?, lautet die Antwort: Jene Inaktivität und jene Scheidung des Selbstes von der Natur ist nicht die ganze Wahrheit unserer spirituellen Befreiung. Selbst und Natur sind letzten Endes eines. Umfassende und vollkommene Spiritualität eint uns mit allem Göttlichen im Selbst und in der Natur. Tatsächlich ist es aber nicht unser ganzes Ziel, dass wir zum Brahman werden und in das Selbst des ewigen Schweigens aufgenommen werden, brahma-bhūya. Dies ist nur die notwendige gewaltige Grundlage für ein noch größeres und wunderbareres göttliches Werden, mad-bhāva. Und um zu jener größten spirituellen Vollkommenheit zu gelangen, müssen wir tatsächlich im Selbst unerschütterlich und in all unseren Tätigkeiten schweigend werden, aber auch in der Macht, in Shakti, Prakriti, der wahren und hohen Kraft des Geistes handeln. Wenn wir fragen: Wie ist die Gleichzeitigkeit dessen möglich, was gegensätzlich zu sein scheint?, dann lautet die Antwort: Dies ist die wahre Natur des vollkommenen spirituellen Wesens. Es hat stets die doppelte Gelassenheit des Unendlichen. Das apersonale Selbst schweigt. Auch wir müssen innerlich schweigend, apersonal und in den Geist zurückgezogen sein. Das apersonale Selbst betrachtet alles Handeln nicht so, als ob es von ihm getan würde, sondern von Prakriti. Es betrachtet mit reiner Gelassenheit alles Wirken ihrer Eigenschaften, Erscheinungsformen und Kräfte. So muss auch die Seele, die im Selbst apersonal geworden ist, all unsere Tätigkeiten als solche betrachten, die nicht von ihr, sondern von den Eigenschaften der Prakriti geleistet werden. Sie soll in allen Dingen gelassen sein, sarvatra, zugleich sollen wir hier nicht haltmachen. Wir sollen schließlich vorwärtsgehen und in unserem Wirken eine spirituelle Regelung und Richtung finden, nicht nur ein Gesetz der inneren Unerschütterlichkeit und des Schweigens. Darum wird von uns gefordert, dass wir der Intelligenz und dem Willen die Haltung des Opferns auferlegen. All unser Wirken soll innerlich verändert und in eine Darbringung an den Herrn der Natur verwandelt werden, an das Sein, dessen Selbstmacht sie ist, svā prakṛtiḥ, der höchste Geist. Gerade wir sollen letzten Endes alles in seine Hand legen, sollen alle persönliche Initiative des Handelns aufgeben, sarvārambhāḥ, sollen unser natürliches Selbst nur als Instrument für sein Wirken und sein Ziel auffassen. Diese Dinge sind bereits ausführlich dargelegt worden, und die Gita legt hier keinen besonderen Nachdruck mehr auf sie, sondern verwendet schlicht die allgemeinen Begriffe sannyāsa und naiṣkarmya ohne nähere Bestimmung.
Wird nun zugegeben, dass der vollständigere innere Quietismus unser notwendiges Mittel ist, um im reinen apersonalen Selbst zu leben, dann erhebt sich mit der Frage, wie das Selbst dies Ergebnis praktisch zustande bringt, das nächste Problem. (529-32)
18.50
Wie nun ein Mensch, wenn er dergestalt Vollkommenheit (von naiṣkarmya) erlangt hat, hingelangt zum Brahman, das vernimm von Mir, O Sohn der Kunti –, diese höchst konzentrierte Weisung des Wissens.
Das hier gemeinte Wissen ist der Yoga der Sankhyas, der Yoga des reinen Wissens, jñana-yogena sāṅkhyānām, der von der Gita insoweit akzeptiert wird, als er mit ihrem eigenen Yoga übereinstimmt, der den Weg des Wirkens der Yogins einschließt; karma-yogena yoginām. Für den Augenblick ist aber alle Erwähnung des Wirkens zurückgehalten. Denn mit Brahman ist hier zuerst das Schweigende, das Apersonale, das Unerschütterliche gemeint. Tatsächlich ist für die Upanishaden ebenso wie für die Gita das Brahman alles, was ist, lebt und sich bewegt. Es ist nicht nur ein apersonales Unendliches oder ein unbeschreibliches Absolutes, acintyam avyavahāryam. All dies ist Brahman, sagt die Upanishad; all dies ist Vasudeva, sagt die Gita –, das erhabene Brahman ist alles, was sich bewegt oder was fest ist. Seine Hände, Füße und Augen, seine Häupter und Gesichter sind auf allen Seiten. Dennoch gibt es zwei Aspekte dieses Alls, sein unveränderliches, ewiges Selbst, das dieses Sein trägt, und sein Selbst von tätiger Macht, das sich in der Welt-Bewegung bewegt. Erst wenn wir unsere begrenzte Ego-Persönlichkeit in der Apersonalität des Selbstes verlieren, können wir zu dem ruhigen und freien Einssein gelangen, durch das wir die wahre Einheit mit der allumfassenden Macht des Göttlichen in seiner Welt-Bewegung besitzen können. Apersonalität verneint Begrenzung und Zerteilung. Die Hochschätzung der Apersonalität ist eine natürliche Voraussetzung für wahres Sein, eine unentbehrliche Vorbedingung für wahres Wissen. Darum ist es erstes Erfordernis für wahres Handeln. Es ist ersichtlich, dass wir nicht zu einem Selbst mit allen Wesen, nicht eins werden können mit dem universalen Geist und seiner unermesslichen Selbst-Erkenntnis, mit seinem komplexen Willen und seiner weit ausgebreiteten Absicht mit der Welt, wenn wir auf unserer begrenzten Ego-Persönlichkeit beharren wollen. Denn diese trennt uns von den anderen Wesen; sie macht uns zu gebundenen, unfreien, in unserer Anschauung und in unserem Willen zum Handeln auf unser Ego konzentrierten Menschen. Wir können, wenn wir so in der Persönlichkeit gefangen sind, durch unsere Sympathie nur zu einer begrenzten Einung mit den anderen kommen oder vermögen uns nur relativ an die Anschauung, das Fühlen und den Willen der anderen anzupassen. Damit wir eins werden mit allen, mit dem Göttlichen und mit seinem Willen im Kosmos, müssen wir zuerst apersonal und frei werden von unserem Ego, von seinen Ansprüchen und von der Art, wie das Ego uns selbst, die Welt und die anderen betrachtet. Das können wir aber nicht, wenn es in unserem Wesen nicht etwas anderes gibt als diese Persönlichkeit, etwas anderes als das Ego, ein apersonales Selbst, das eins ist mit allen Daseinsformen. Darum ist der erste Schritt in diesem Yoga, dass wir das Ego aufgeben, dass wir zum apersonalen Selbst und apersonalen Brahman in unserem Bewusstsein werden. (532-33)
18.51-53
Man ist fähig zum Brahman zu werden, wenn man die geläuterte Intelligenz (mit der reinen spirituellen Substanz in uns) in die Einheit eingehen lässt; wenn man sein ganzes Wesen mit festem und stetem Willen beherrscht; wenn man Verzicht übt auf den Ton und die anderen Gegenstände der Sinne; wenn man sich zurückzieht von jeder Vorliebe und Abneigung; wenn man die Abgeschiedenheit pflegt ohne egoistische Motive; wenn man enthaltsam lebt, Rede, Körper und Mental beherrscht; wenn man ständig geeint ist mit seinem innersten Selbst in der Meditation; wenn man Begehren und Bindung völlig aufgegeben hat; wenn man Egoismus, Gewalttätigkeit, Anmaßung, Verlangen, Zorn, den Sinn und Instinkt des Besitzen-Wollens abgelegt hat; wenn man frei geworden ist von „ich“ und „mein“; wenn man ruhig und heiter-gelassen ist.
Dass wir ständig unsere Zuflucht zur Meditation nehmen, dhyāna-yoga-paro nityam, ist ein sicheres Mittel, durch das die Seele des Menschen ihr Selbst der Macht ebenso wie ihr Selbst des Schweigens verwirklichen kann. Dennoch darf es dabei kein Aufgeben des aktiven Lebens zugunsten eines Lebens der reinen Meditation geben. Das Handeln muss stets als Opfer dem höchsten Geist dargebracht werden. Auf dem Pfad des Sannyasa bereitet dieser Schritt darauf vor, dass man sich völlig aus dem Leben zurückzieht und gänzlich im Ewigen aufgeht und in ihm verschwindet. Und Verzicht auf Leben und Wirken in der Welt ist ein unentbehrlicher Schritt in diesem Prozess. Dagegen ist dies auf dem Pfad der Gita, dem Tyaga, eher eine Vorbereitung darauf, dass wir unser ganzes Leben und Dasein mit all unserem Wirken hinwenden zum integralen Einssein mit dem erhabenen und unermesslichen Sein, Bewusstsein und Willen des Göttlichen. Es dient als Vorspiel und macht es möglich, dass die Seele von einem gewaltigen, totalen Aufschwung aus dem niederen Ego übergeht in die unbeschreibliche Vollkommenheit der erhabenen spirituellen Natur, parā prakṛti.
Dies entscheidende Abweichen der Gedanken der Gita wird in den nächsten beiden Versen angedeutet, von denen der erste mit einer bedeutenden Gedankenfolge so lautet: (535)
18.54
Wenn man zum Brahman wurde, wenn man, ruhig im Selbst, sich nicht mehr grämt und nicht mehr begehrt, wenn man gleichmütig allen Wesen gegenüber wurde, dann erreicht man die höchste Liebe und Verehrung zu Mir.
Auf dem engen Pfad des Wissens kann aber Bhakti, die Verehrung der persönlichen Gottheit, nur ein untergeordneter und vorläufiger Schritt sein. Das Ende, die höchste Steigerung, ist das Verschwinden der Persönlichkeit in ein gestaltloses Einssein mit dem apersonalen Brahman, worin es für Bhakti keinen Raum geben kann, denn dort gibt es niemand, der zu verehren ist, und niemand, der verehrt. Alles Übrige ist in der unerschütterlichen, schweigenden Identität des Jiva mit dem Atman verloren. Hier wird uns offenbar etwas gegeben, das höher ist als das Apersonale; hier gibt es das höchste Selbst, das der höchste Ishwara ist. Hier gibt es die höchste Seele und ihre erhabene Natur. Hier gibt es den Purushottama, der jenseits vom Personalen und Apersonalen steht und diese beiden auf seinen ewigen Höhen miteinander aussöhnt. Die Ego-Persönlichkeit verschwindet noch im Apersonalen, zugleich verbleibt aber, gerade mit diesem Schweigen als seinem Hintergrund, das Wirken eines höchsten Selbstes, des Einen, der größer ist als das Apersonale. Hier gibt es nicht mehr die blinde, hinkende Aktion des Ego und der drei Gunas, stattdessen die umfassende, selbstbestimmende Entwicklung einer unendlichen spirituellen Kraft, einer freien, unermesslichen Shakti. Die ganze Natur wird zur Macht des einen Göttlichen, und alles Wirken wird zu seinem Wirken durch den Einzelnen als Kanal und Instrument. An die Stelle des Ego tritt bewusst und offenbar der wahre spirituelle Einzelne hervor in der Freiheit seines wahren Wesens, in der Macht seines überirdischen Zustands, in der Majestät und Herrlichkeit seiner ewigen Verwandtschaft zum Göttlichen –, ein unvergänglicher Wesensteil der erhabenen Gottheit, eine unzerstörbare Macht der erhabenen Prakriti, mamaivāṁśaḥ sanātanaḥ, parā prakṛtir jīva-bhūtā. Die Seele des Menschen fühlt, dass sie in der höchsten spirituellen Apersonalität eins ist mit dem Purushottama und in ihrer universalisierten Persönlichkeit eine offenbar gewordene Macht Gottes. Ihr Wissen ist ein Licht aus seinem Wissen. Ihr Wille ist eine Kraft aus seinem Willen. Ihre Einheit mit allem im Universum ist ein Spiel seines ewigen Einsseins. Der Mensch kann sich in dieser doppelten Verwirklichung, in dieser Einung beider Seiten der unbeschreiblichen Wahrheit des Seins durch eine der beiden Verwirklichungen oder durch beide seinem unendlichen Wesen nahen oder in es eingehen. Dadurch soll der befreite Mensch seine Beziehungen zu allen Wesen und die inneren und äußeren Wirkensweisen seines Geistes leben, handeln, fühlen und bestimmen, oder besser: soll er das alles durch die höchste Macht seines höchsten Selbsts bestimmt bekommen. Und in dieser einenden Verwirklichung sind Anbetung, Liebe und Hingabe nicht nur gerade noch möglich, sondern der weite, unvermeidliche und krönende Teil der höchsten Erfahrung. (535-36)
18.55
Durch die Verehrung erkennt er, wer und welche Fülle Ich bin, Meine ganze Wirklichkeit und alle Grundsätze Meines Wesens. Wer Mich so erkannt hat, der geht ein in Jenen (Purushottama).
Der Eine, der immer und ewig zu den Vielen wird, während die Vielen, die trotz ihrer scheinbaren Zerteilung immer und ewig eins sind; der Höchste, der in uns dies Geheimnis und Mysterium des Seins zur Schau stellt –, er wird durch seine Vielfalt nicht zerstreut, er wird durch sein Einssein nicht begrenzt. Dies ist das integrale Wissen, dies die versöhnende Erfahrung, die den Menschen zum befreiten Handeln befähigt, muktasya karma.
Dieses Wissen kommt, wie die Gita sagt, durch höchstes Bhakti. Wir erlangen es, wenn unser Mental über sich selbst hinauskommt, indem es die Dinge mit supramentaler und hoher spiritueller Schau erfasst, wenn auch das Herz im Einklang damit unsere mehr unwissenden Formen von Liebe und Verehrung zu einer höheren Liebe emporhebt, die still, tief und von umfassendster Erkenntnis leuchtend ist; wenn wir uns zur höchsten Seligkeit in Gott und zur grenzenlosen Anbetung, zu dem durch nichts beeinträchtigten Entzücken, zum spirituellen Ananda emporschwingen. Sobald die Seele ihre getrennte Personalität verloren hat, sobald sie Brahman geworden ist, kann sie in der wahren Person leben und das höchste, offenbarende Bhakti zum Purushottama erlangen. Dann kann sie ihn vollkommen durch die Macht ihres tiefen Bhakti der Herzenserkenntnis begreifen, bhaktyā mām abhijānāti. Das ist das integrale Wissen, wenn die unergründliche Schau des Herzens die absolute Erfahrung des Mentals vervollständigt, samagraṁ māṁ jñatva… Diese integrale Erkenntnis ist das Wissen, dass das Göttliche im Einzelnen gegenwärtig ist. Sie ist die vollkommene Erfahrung, dass der Herr insgeheim im Herzen des Menschen wohnt, dass er ihm jetzt offenbart ist als das höchste Selbst seines Seins, als die Sonne seines ganzen erleuchteten Bewusstseins, als der Gebieter und die Macht aller seiner Werke, als der göttliche Ursprung aller Liebe und Seligkeit seiner Seele, als der Liebende und der Geliebte seiner Verehrung und Anbetung. Das ist auch die Erkenntnis des im Universum ausgebreiteten Göttlichen, des Ewigen, aus dem alles hervorgeht, in dem alles lebt und sein Wesen hat, des Wissens vom Selbst und vom Geist im Kosmos, von Vasudeva, der zu allem geworden ist, was ist; des Herrn des kosmischen Daseins, der über die Werke der Natur regiert. Es ist die Erkenntnis des göttlichen Purusha, des in seiner transzendenten Ewigkeit Strahlenden. Die Gestalt seines Wesens entgeht zwar dem Denken des Mentals, doch nicht seinem Schweigen. Dieses integrale Wissen ist die vollendete lebendige Erfahrung von ihm als dem absoluten Selbst, vom erhabenen Brahman, von der höchsten Seele, von der überragenden Gottheit. Denn dies nur scheinbar beziehungslose Absolute ist zugleich, und gerade in jenem höchsten Zustand, der Geist, der die Aktivitäten des Kosmos verursacht und Herr ist über alles Seiende. So findet die Seele des befreiten Menschen ihren Eingang in den Purushottama durch eine alles harmonisierende Erkenntnis. Sie dringt in ihn ein durch vollkommene gleichzeitige Freude am transzendenten Göttlichen, am Göttlichen im einzelnen Menschen und am Göttlichen im Weltall, māṁ viśate tadanantaram. Er wird eins mit ihm in seiner Selbst-Erkenntnis und Selbst-Erfahrung; er wird eins mit ihm in seinem Sein, in seinem Bewusstsein und in seinem Willen, in der Welt-Erkenntnis und dem Welt-Antrieb und eins mit ihm im Universum und in seiner Geeintheit mit allen Geschöpfen im Weltall, eins mit ihm im Jenseits von Welt und Individuum, in der Erhabenheit des ewigen Unendlichen, śāśvataṁ padam avyayam. Dies ist der vom höchsten Bhakti erreichte Gipfel, und dies ist auch der innerste Gehalt des höchsten Wissens.
Und so wird ersichtlich, wie ein Wirken, das fortwährend, unaufhörlich und von jeglicher Art ist, ohne Herabminderung oder Aufgabe eines Teils der Aktivitäten des Lebens, nicht nur völlig verträglich sein kann mit höchster spiritueller Erfahrung, sondern dass gerade es ein kraftvolles Mittel dazu wird, diesen höchsten spirituellen Zustand von Bhakti oder Wissen zu erlangen. Nichts kann dafür positiver sein als die entsprechende Aussage der Gita: (536-38)
18.56
Und gründet er auch all seine Handlungen stets auf Mich, erlangt er durch Meine Gnade den ewigen und unvergänglichen Zustand.
Dies befreiende Handeln trägt den Charakter eines Wirkens, das in einer tiefen Einung des Willens und aller dynamischen Seiten unserer Natur mit dem Göttlichen in uns selbst und im Kosmos geschieht. Zuerst wird es als ein Opfer mit der Vorstellung vollzogen, wir selbst seien der Täter. Danach wird es ohne diese Annahme mit der Vorstellung getan, Prakriti allein sei die Handelnde. Zuletzt wird es in dem Wissen geleistet, dass diese Prakriti die erhabene Macht Gottes ist. Und nun geben wir all unsere Handlungen an ihn hin und überantworten sie ihm, wobei unsere individuelle Person nur Vermittler und Werkzeug ist. Dann geht unser Wirken direkt vom Selbst und vom Göttlichen in uns aus. Es ist ein Teil der unzerteilbaren universalen Aktion und entstammt nicht unserer Initiative; auch werden unsere Handlungen nicht von uns ausgeführt, sondern von einer unermesslichen transzendenten Shakti. Alles, was wir tun, wird für die Sache des Herrn getan, der im Herzen aller Wesen seinen Sitz hat. Es geschieht für die Gottheit im einzelnen Menschen und für die Erfüllung seines Willens in uns, für Gott in der Welt, für das Wohl aller Wesen, für die Erfüllung der Welt-Aktion und der Welt-Ziele oder, mit einem Wort, für die Sache des Purushottama. Und eigentlich wird alles von ihm durch seine universale Shakti getan. Diese göttlichen Werke, was auch ihre Form und ihr äußerer Charakter sein mag, können uns nicht binden. Sie sind vielmehr ein machtvolles Mittel, um uns aus dieser niederen Prakriti der drei Gunas emporzuheben zur Vollkommenheit der höchsten, göttlichen, spirituellen Natur. Wir können uns losmachen von den vermischten und begrenzten Dharmas und finden unsere Zuflucht im unsterblichen Dharma, das uns überkommt, wenn wir uns in all unserem Bewusstsein und Handeln einen mit dem Purushottama. Dies Einssein verleiht uns die Macht, sich in die Unsterblichkeit jenseits der Zeit emporzuschwingen. Dort werden wir in seiner ewigen Transzendenz existieren.
Wenn wir so die acht Verse aufmerksam im Licht des uns schon vom Lehrer mitgeteilten Wissens lesen, haben wir eine kurze, aber doch zusammenfassende Darstellung, die ganze wesentliche Idee, die zentrale Methode und den Kern des vollendeten Yoga der Gita. (538-39)

Das höchste Geheimnis
Der wesentliche Teil der Lehre und des Yoga ist auf diese Weise dem Schüler auf dem Feld seines Werks, auf dem Schlachtfeld, mitgeteilt worden. Nun fährt der göttliche Lehrer fort, sie auf Arjunas Handeln anzuwenden. Er tut das jedoch in einer Weise, die diese Lehre auf alles Wirken anwendbar macht. Die Worte, auf ein besonders kritisches Beispiel angewandt und zum Vorkämpfer von Kurukshetra gesprochen, haben viel umfassendere Bedeutung. Sie sind eine universale Regel für alle Menschen, die über die gewöhnliche Mentalität emporzukommen und im höchsten spirituellen Bewusstsein zu leben und zu handeln bereit sind. Sinn des Yoga der Gita ist: Wir sollen aus dem Ego und dem persönlichen Mental ausbrechen und alles in der Weite des Selbstes und des Geistes sehen. Wir sollen Gott erkennen und ihn in seiner vollständigen Wahrheit und in all seinen Aspekten verehren. Wir sollen unser ganzes Ego-Wesen der transzendenten Seele von Natur und Sein überantworten. Wir sollen das göttliche Bewusstsein besitzen und selbst von diesem in Besitz gehalten werden. Wir sollen eins sein mit dem Einen in der Universalität der Liebe und Seligkeit, des Willens und des Wissens. Wir sollen in ihm eins sein mit allen Wesen. Wir sollen unsere Handlungen als Anbetung und Opfer auf der göttlichen Grundlage einer Welt, in der alles Gott ist, und im göttlichen Zustand des befreiten Geistes leisten. Es ist ein Übergang aus der scheinbaren Wahrheit unseres Wesens zur höchsten spirituellen und wirklichen Wahrheit. In sie treten wir ein, wenn wir die vielen Beschränkungen des uns von der Einheit abtrennenden Bewusstseins und die Abhängigkeit des Mentals von Leidenschaft, Unruhe und Unwissenheit ablegen; wenn wir das geringere Licht und Wissen, Sünde und Tugend, das dualistische Gesetz und die Normen der niederen Natur aufgeben. Darum sagt der Lehrer: (540)
18.57
Weihe Mir alles, was du bist, gib all dein Handeln im bewussten Mental auf und versenke es in Mir. Mache Gebrauch vom Yoga des Willens und der Intelligenz und sei ohne Unterlass in Herz und Bewusstsein eins mit Mir.
Diese (Slokas 57-62) Zeilen enthalten den innersten Kern des Yoga und führen hin zu der ihn krönenden Erfahrung. Wir müssen sie in ihrem innersten Geist und in der ganzen Unermesslichkeit dieses Höhepunktes der Erfahrung verstehen. Die Worte drücken die vollendetste, innigste und lebendigste Beziehung aus, die zwischen Gott und Mensch möglich ist. Sie sind geladen mit der konzentrierten Kraft religiösen Fühlens, das aus der absoluten Anbetung des menschlichen Herzens entspringt, mit der Überantwortung seiner ganzen Existenz, seiner vorbehaltlosen und vollkommenen Selbst-Hingabe an die transzendente und universale Gottheit, der der Mensch entstammt und in der er lebt. Dieser Überschwang des Gefühls steht völlig im Einklang mit dem hohen, dauernden Rang, in den die Gita Bhakti erhebt: Liebe zu Gott, Anbetung des Höchsten als des innersten Geistes, Liebe als das Motiv zur hohen, entscheidenden Tat und als Krone und Kern der tiefsten Erkenntnis. Die verwendeten Sätze und das spirituelle Gefühl, in dem sie schwingen, messen offensichtlich der persönlichen Wahrheit und Gegenwart der Gottheit den höchsten Vorrang und die größte Bedeutung bei, die möglich sind. Dieser Gott ist nicht das abstrakte Absolute des Philosophen. Er ist nicht die unbeteiligte apersonale Gegenwart oder das erhabene Schweigen, das keine Beziehungen duldet. Ihm kann vielmehr unser ganzes Wirken vollständig überantwortet werden. Mit ihm erfahren wir in allen Bereichen unseres bewussten Seins die Nähe und Innigkeit des Geeintseins, das uns als Voraussetzung unserer Vervollkommnung und als deren Gesetz auferlegt wird. Von ihm empfangen wir die Verheißung, dass er mit göttlicher Macht eingreifen, uns beschützen und erlösen will. Diese eindringliche und uns tief bewegende Botschaft kann uns allein der Meister unseres Wirkens, der Freund und Liebende unserer Seele, der vertraute Geist unseres Lebens, der in unserem Inneren und über uns wohnende Herr all unseres personalen und apersonalen Selbsts und unserer Natur zusprechen. (541)
18.58
Bist du zu allen Zeiten eins mit Mir in Herz und Bewusstsein, dann wirst du durch Meine Gnade sicher durch jeden schwierigen und gefährlichen Engpass schreiten. Willst du aber aus Egoismus nicht hören, wirst du ins Verderben sinken.
Die umfassendste, tiefste, vollständigste Erfahrung unseres Einsseins mit dem Ewigen erhalten wir durch eine ständige vereinigte Nähe unseres Herz-Bewusstseins, Mental-Bewusstseins und All-Bewusstseins, satataṁ maccittaḥ. Mit allem Nachdruck wird hier der menschlichen Seele ein innigstes Einssein in ihrem ganzen Wesen nahegelegt, das tiefgründig individuell ist in einer göttlichen Leidenschaft auch inmitten der Universalität, ja sogar auf dem Gipfel der Erhabenheit, als ihr Weg, den Höchsten zu erreichen, und als ihr Weg, die Vollkommenheit und das göttliche Bewusstsein zu besitzen, zu dem sie durch ihr Wesen als Geist berufen ist. Einsicht und Wille sollen unsere ganze Existenz in allen ihren Wesensseiten hinwenden zum Ishwara, zum göttlichen Selbst und Herrn des ganzen Seins, buddhi-yogam upāśritya. Das Herz soll jedes andere Fühlen umprägen in die Seligkeit des Einsseins mit Ihm und in die Liebe zu Ihm in allen Geschöpfen. Die spiritualisierten Sinne sollen Ihn überall sehen, hören und fühlen. Das Leben soll im Jiva absolut sein Leben sein. Alle Handlungen sollen aus dieser einzigen Macht und dieser einzigen Initiation im Willen, im Wissen, in den Organen des Handelns, in den Sinnen, in den vitalen Teilen, im Körper hervorgehen. Dieser Weg ist äußerst apersonal, da die Abgesondertheit des Ego ausgemerzt ist, damit die Seele universal werden und der Transzendenz zurückerstattet werden kann. Und dennoch ist dieser Weg durchaus persönlich, weil sich die Seele zu einer erhabenen Leidenschaft und Macht des Innewohnens und Einsseins aufschwingt. Sich dann in einer Gestaltlosigkeit auszulöschen, mag eine rigorose Forderung der mentalen Logik der Selbst-Aufhebung sein; es ist nicht das letzte Wort des höchsten Geheimnisses, rahasyam uttamam. (551)
Darum kommt diese höchste Vollkommenheit und Befreiung im Geist nicht durch ein Nirvana zustande, ein Auslöschen und die alles verneinende Vernichtung dessen, was wir hier sind, sondern durch ein Nirvana, eine Ausmerzung und negierende Vernichtung von Unwissenheit und Ego und die daraus folgende unbeschreibliche Erfüllung unseres Wissens, unseres Willens und der Sehnsucht unseres Herzens; ein emporgehobenes und unbegrenztes Leben aller Seiten unseres Wesens im Göttlichen, im Ewigen, nivasiṣyasi mayyeya, eine Umgestaltung und Übertragung unseres ganzen Bewusstseins in einen höheren inneren Zustand.
Der kritische Punkt bei dem spirituellen Problem ist der Charakter dieses Übergangs, von dem das gewöhnliche Mental des Menschen sich so schwer einen wahren Begriff machen kann. Bei ihm handelt es sich um die grundlegende Unterscheidung zwischen dem unwissenden Leben des Ego in der niederen Natur und dem umfassenden und erleuchteten Sein des befreiten Jiva in seiner eigenen spirituellen Natur. Die Absage an das erstere muss vollständig, der Übergang zum zweiten absolut sein. Dies ist eine Unterscheidung, die die Gita hier in jeder möglichen Form betont. Auf der einen Seite haben wir den ärmlichen, zitternden, prahlerischen, egoistischen Zustand des Bewusstseins, ahaṅkṛta bhāva, die verkrüppelte Enge dieser kleinen, hilflosen, vom Ursprung getrennten Persönlichkeit, nach deren Anschauungen wir gewöhnlich denken und handeln, fühlen und auf die Einwirkungen des Daseins reagieren. Auf der anderen Seite gibt es die ausgedehnten spirituellen Bereiche der unsterblichen Fülle, Seligkeit und des Wissens, in denen wir zugelassen sind durch die Einung mit dem göttlichen Sein, dessen Manifestation, Ausdruck im ewigen Licht wir dann sind und nicht mehr eine Verkleidung in der Finsternis der Ego-Natur. (543)
18.59
Vergeblich ist dein Entschluss, den du in deinem Egoismus denkst, indem du sagst: „Ich will nicht kämpfen!“ Deine Natur soll dich zu deinem Werk berufen.
Die Weigerung Arjunas, in dem ihm von Gott aufgetragenen Werk durchzuhalten, entsprang seinem Ego-Sinn, ahaṅkara. Dahinter stand eine Vermischung, eine Verwirrung, ein verwickelter Irrtum von Ideen und Antrieben des Ego aus den Bereichen von Sattwa, Rajas und Tamas: die Furcht der vitalen Natur vor der Sünde und ihren persönlichen Folgen, das Zurückschrecken des Herzens vor individuellem Kummer und Leid, die Bemäntelung der von egoistischen Impulsen durch Selbsttäuschung getrübten Vernunft mit bestechenden Argumenten von Recht und Tugend, das unwissende Zurückweichen unserer Natur vor den Wegen Gottes, weil sie von anderer Art zu sein scheinen als die Wege des Menschen und weil sie dessen nervlichen und emotionalen Seiten und seiner Intelligenz schreckliche und unangenehme Dinge auferlegen. Nun wären aber die spirituellen Folgen unendlich viel schlimmer als zuvor, da ihm jetzt eine höhere Wahrheit, ein höherer Weg und Geist für sein Handeln geoffenbart worden ist, wenn er jetzt noch, in seinem Egoismus beharrend, auf seiner vergeblichen und unmöglichen Weigerung besteht. Denn es ist ein sinnloser Entschluss, ein vergebliches Zurückscheuen, da es nur aus einem zeitweiligen Versagen seiner Kraft und einem starken, aber vorübergehenden Abweichen vom Prinzip der Kraft seines innersten Wesens herrührt, aber nicht der wahre Wille und Weg seiner Art ist. Wenn er jetzt seine Waffen wegwirft, wird er dennoch gerade durch diese seine Art dazu gezwungen werden, sie wieder aufzunehmen, sobald er sieht, dass die Schlacht und das Niedermetzeln ohne ihn, weitergehen, sobald er erkennt, dass seine Weigerung all das zerstört, für das er gelebt hat; wenn ihm klar wird, dass die große Sache, der zu dienen er geboren ist, durch Abwesenheit oder Untätigkeit ihres Vorkämpfers geschwächt wird oder in Verwirrung gerät; dass gesiegt und gequält wird dank zynisch und skrupellos angewandter Schlagkraft von Vorkämpfern eigennütziger Ungerechtigkeit. Und in dieser Gegenleistung wird es keine spirituelle Tugend geben. Es war eine Verwirrung der Gedanken und Gefühle des Ego-Mentals, die ihn zu seiner Weigerung drängten. Es wird seine Natur sein, die durch Wiederherstellung der für das Ego-Mental bezeichnenden Gedanken und Gefühle wirkt, um ihn zu zwingen, seine Weigerung zu annullieren. Und welche Richtung er auch nehmen mag, die fortgesetzte Unterwerfung unter das Ego wird zu einer schlimmeren, einer verhängnisvolleren spirituellen Verweigerung, zum Untergang führen, vinaṣṭi. Denn es wird ein endgültiger Abfall von einer Wahrheit seines Wesens sein, die höher ist als jene, der er in der Unwissenheit seiner niederen Art folgte. Er ist nun zugelassen worden zu einem höheren Bewusstsein, zu einer neuen Selbst-Verwirklichung. Ihm ist die Möglichkeit göttlichen Handelns anstelle des egoistischen gezeigt worden. Vor ihm haben sich die Tore für ein göttliches, spirituelles Leben geöffnet, anstelle eines nur intellektuellen, emotionalen, sinnlichen und vitalen Lebens. Er hat einen Ruf empfangen, er soll nicht länger blindes Werkzeug sein, sondern bewusste Seele, erleuchtete Macht, ein Gefäß für die Gottheit. (551-52)
18.60
Und was aus deiner Selbsttäuschung heraus du nicht zu tun wünschst, O Kaunteya, das wirst du gegen deinen Willen tun, gebunden durch dein eigenes Handeln, das aus deinem Swabhava entspringt.
18.61
Der Herr, O Arjuna, wohnt im Herzen aller Daseinsformen und dreht sie alle im Kreise, auf einer Maschine montiert, durch seine Maya.
Wenn wir in das innerste Selbst unseres Seins eintreten, kommen wir zu der Erkenntnis, dass in uns und in allen Menschen der eine Geist und die eine Gottheit ist, der die ganze Natur dient, die sie manifestiert, und dass wir selbst Seele von dieser Seele, Geist von diesem Geist sind; dass unser Körper ein delegiertes Ebenbild, dass unser Leben ein Schritt im Rhythmus seines Lebens, unser Mental eine Hülle seines Bewusstseins ist, unsere Sinne seine Werkzeuge, unsere Gefühle und Empfindungen das Suchen nach seiner Seins-Seligkeit, unsere Handlungen ein Mittel für seine Zwecke sind, unsere Freiheit nur ein Schatten, ein Hinweis oder eine Ahnung ist, solange wir unwissend sind, sobald wir ihn aber erkennen, eine Verlängerung und ein wirkungsvoller Vermittler seiner unsterblichen Freiheit. Unsere Meisterschaften sind ein Widerschein seiner Macht im Wirken, unsere beste Erkenntnis ist ein partielles Licht seines Wissens, der höchste, machtvollste Wille unseres Geistes ist eine Projektion und Abordnung des Willens jenes Geistes in allen Dingen, der der Meister und die Seele des Universums ist. Es ist der Herr, der im Herzen jedes Geschöpfes seinen Sitz hat, der uns bei all unserem inneren und äußeren Wirken während der Unwissenheit im Kreise drehte, als ob wir auf einer Maschine, auf dem Rad seiner Maya der niederen Natur aufmontiert wären. Und ob wir in der Unwissenheit eingetrübt oder im Wissen erleuchtet sind, es ist allein um seinetwillen in uns und in der Welt, dass wir unser Sein haben. Wenn wir bewusst und integral in dieser Erkenntnis und in dieser Wahrheit leben, entkommen wir dem Ego und brechen aus der Maya aus. Alle anderen, auch die höchsten Dharmas, sind nur Vorbereitung auf dieses Dharma. Aller Yoga ist nur ein Mittel, durch das wir zuerst zu einer gewissen Einung und zuletzt, wenn wir das volle Licht besitzen, zur integralen Einheit mit dem Meister und der höchsten Seele und dem Selbst unseres Seins gelangen können. Der vollkommenste Yoga ist, aus allen Verwirrungen und Schwierigkeiten unserer Art Zuflucht zu diesem innewohnenden Herrn aller Natur zu nehmen, sich ihm mit unserem ganzen Wesen zuzuwenden, mit Leben und Körper, Sinnen und Mental, Herz und Verstand; mit unserem ganzen ihm geweihten Wissen, Willen und Handeln, sarva-bhāvena, und auf allen Wegen unseres bewussten Selbstes und unserer instrumentalen Natur. Wenn wir dies zu allen Zeiten und völlig tun können, nimmt uns das göttliche Licht, die göttliche Liebe und die göttliche Macht ganz in Besitz, erfüllt sie das Selbst und die Instrumente und führt uns sicher durch alle Zweifel und Schwierigkeiten, Verwirrungen und Gefahren hindurch, die unsere Seele und unser Leben befallen, leitet sie uns zum erhabenen Frieden und zur spirituellen Freiheit unseres unsterblichen und ewigen Zustands, parāṁ śāntim, sthānaṁ śāśvatam. (554-55)
18.62
Zu Ihm nimm deine Zuflucht auf allen Wegen deines Seins! Durch Seine Gnade sollst du eingehen in den höchsten Frieden und ewigen Zustand.
18.63
So habe Ich dir ein Wissen mitgeteilt, das geheimer ist als alles, was verborgen ist. Wenn du gründlich darüber nachgedacht hast, handle wie du es für richtig hältst.
18.64
Höre weiter Mein allergeheimstes, Mein höchstes Wort, das Ich jetzt zu dir spreche! Zu deinem Besten sage Ich es dir, denn du bist Mir innig lieb.
Nachdem die Gita alle Gesetze, die Dharmas und das Wesentlichste ihres Yoga mitgeteilt und gesagt hat, dass jenseits jener ersten Geheimnisse, die dem Mental des Menschen durch das transformierende Licht der spirituellen Erkenntnis geoffenbart werden, guhyāt, dies eine noch tiefere, geheime Wahrheit ist, guhyataram, erklärt sie plötzlich, es gebe noch ein höchstes Wort, das sie auszusprechen hat, paramaṁ vacaḥ, das die allergeheimste Wahrheit sei, sarva-guhyatamam. Dies Geheimnis der Geheimnisse wird der Lehrer als sein höchstes Gut Arjuna vermitteln, weil er die erwählte und geliebte Seele, iṣṭa, ist. Denn offenbar ist, wie schon von der Upanishad erklärt wurde, nur die seltene Seele vom Geist erkoren, dessen eigentlichen Körper zu offenbaren, tanuṁ svām; nur sie kann zu diesem Mysterium zugelassen werden. Denn allein dieser Erwählte ist in Herz, Mental und Leben Gott nahe genug, um wahrheitsgemäß darauf in seinem ganzen Wesen reagieren und eine Praxis seines Lebens daraus machen zu können. Das letzte, das abschließende, höchste Wort der Gita, Ausdruck des tiefsten Geheimnisses, wird in zwei kurzen, direkten und einfachen Slokas ausgesprochen, die sie ohne weiteren Kommentar und Ergänzung in das Mental einsinken lässt, damit sie ihre Sinnfülle der Seelenerfahrung enthüllen. Allein diese innere, sich unablässig ausweitende Erfahrung kann die unendliche Sinnfülle offenbar machen, durch die diese Worte, die an sich scheinbar so leicht und einfach sind, für immer gewichtig bleiben. Und während sie nun mitgeteilt werden, fühlen wir, dass die Seele des Schülers die ganze Zeit über nur auf sie vorbereitet worden und alles Übrige nur eine sie erleuchtende und auf sie hinführende Disziplin und Lehre war. Dies Geheimnis der Geheimnisse, diese höchste und unmittelbare Botschaft des Ishwara, lautet: (555-56)
18.65
Sei Mir zugeneigt! Werde Mein Mich Liebender und Verehrender, ein Mir Opfernder! Verneige dich vor Mir! Dann wirst du zu Mir gelangen. Dies ist Mein Wort und Versprechen an dich, denn du bist Mir lieb.
18.66
Gib alle Dharmas auf und nimm deine Zuflucht allein zu Mir! Ich werde dich von aller Sünde und allem Übel befreien, sei unbekümmert!
Die Gita hat durchweg auf einer umfassenden und wohlausgebauten Yoga-Disziplin bestanden, auf einem weiten und klar entworfenen philosophischen System, auf Swabhava und Swadharma, auf dem sattwischen Gesetz des Lebens, das durch selbstüberschreitende Ekstase aus sich heraus zum freien spirituellen Dharma unsterblichen Seins führt, in seinen Ausdehnungen äußerst weit und hoch-erhaben ist über der Begrenzung selbst dieser höchsten Qualität. Sie hat viele Regeln und Mittel, Ratschläge und Bedingungen zur Vervollkommnung eingeschärft. Und nun scheint sie plötzlich aus ihrem eigenen Gebäude auszubrechen und spricht zur menschlichen Seele: „Gib alle Dharmas auf! Gib dich selbst allein dem Göttlichen, der erhabenen Gottheit über dir, um dich herum und in dir! Das ist alles, was du brauchst. Das ist der wahre und beste Weg, die wirkliche Erlösung.“ Der Meister der Welten in der Gestalt des göttlichen Wagenlenkers und Lehrers von Kurukshetra hat dem Menschen die herrlichen Wirklichkeiten von Gott, Selbst und Geist geoffenbart, das Wesen der komplexen Welt, die Beziehung zwischen Mental, Leben, Herz, Sinnen des Menschen und dem Geist. Er hat ihm die erfolgreichen Mittel kundgetan, durch die er, mit Hilfe seiner spirituellen Selbst-Disziplin und seines Bemühens, aus der Sterblichkeit in die Unsterblichkeit, aus seinem begrenzten mentalen Sein in sein unendliches spirituelles Sein emporkommen kann. Und nun, da er als der Geist und Gott im Menschen und in allen Dingen zu ihm redet, sagt er zu ihm: „Alle persönliche Mühe und Selbst-Disziplin werden letztlich nicht gebraucht. Alles Befolgen von Regeln, alle Begrenzungen durch sie und das Dharma können schließlich als hinderlicher Ballast abgeworfen werden, wenn du die völlige Überantwortung an Mich vollbringen kannst. Hänge allein vom Geist und von der Gottheit in dir und allen Dingen ab und vertraue allein ihrer Führung! Wende dein ganzes Mental Mir zu und erfülle es mit Gedanken an Mich und Meine Gegenwart! Kehre dein ganzes Herz völlig Mir zu, mache aus jeder deiner Handlungen, welche es auch sei, ein Opfer und eine Darbringung an Mich! Hast du das getan, dann überlasse es Mir, Meinen Willen mit deinem Leben, deiner Seele und deinem Handeln zu erfüllen! Sei nicht bekümmert oder beunruhigt darüber wie Ich mit deinem Mental, Herz, Leben und Wirken umgehe! Gerate nicht außer dir, weil sie nicht den Gesetzen und Dharmas zu folgen scheinen, die sich der Mensch auferlegt, um seinen begrenzten Willen und seine Intelligenz damit zu führen! Meine Wege sind die Wege vollkommener Weisheit, Macht und Liebe, die alle Dinge kennt und alle ihre Bewegungen im Hinblick auf ein vollkommenes Ergebnis am Ende kombiniert. Denn um die vielen Fäden zur integralen Vollkommenheit zu glätten und miteinander zu verweben, bin Ich hier bei dir in deinem Kampfwagen, dir geoffenbart als der Meister des Seins in deinem Inneren und außerhalb von dir. Ich wiederhole dir die unbedingte Zusicherung, die unfehlbare Verheißung: Ich will dich zu Mir hinführen, durch allen Kummer und alles Böse hindurch und über das alles hinaus. Was für Schwierigkeiten und Verwirrungen auch aufkommen mögen, sei dessen sicher: Ich führe dich zu einem vollendeten göttlichen Leben im Allumfassenden und zu einem unsterblichen Sein im erhabenen Geist.“
Diese geheime Weisung, guhyam, die uns jede tiefe spirituelle Erkenntnis offenbart, die die verschiedenen Lehren widerspiegeln, die gerechtfertigt wird in der Erfahrung der Seele, ist für die Gita das Geheimnis des spirituellen Selbsts, das in unserem Inneren verborgen ist. Das Mental und die äußere Natur sind nur Manifestationen oder Abbilder davon. Es ist das Geheimnis der ständigen Beziehungen zwischen Seele und Natur, Purusha und Prakriti, das Geheimnis vom innewohnenden Gott, der der Herr allen Seins und vor uns verhüllt ist in seinen Formen und Bewegungen. Das sind die Wahrheiten, die in vielen Darstellungen von Vedanta, Sankhya und Yoga gelehrt werden und in den früheren Kapiteln der Gita in einer Synthese zusammengefasst sind. Und trotz all ihrer scheinbaren Unterschiede sind sie doch eine einzige Wahrheit. Die verschiedenen Methoden des Yoga sind unterschiedliche Mittel einer spirituellen Selbst-Disziplin, durch die unser unruhiges Mental und unser blindes Leben zur Stille gebracht und diesem Einen mit seinen vielen Aspekten zugewandt werden. Die verborgene Wahrheit des Selbstes und Gottes wird uns dadurch so wirklich und nahegebracht, dass wir entweder bewusst in ihr leben und daheim sein können oder unsere gesonderten Selbste in dem Ewigen verlieren können und überhaupt nicht mehr unter dem Zwang der Unwissenheit stehen.
Die geheimere Sache, guhyataram, die von der Gita entwickelt wird, ist die tiefe, alle Gegensätze aussöhnende Wahrheit vom göttlichen Purushottama, der zugleich Selbst und Purusha, das höchste Brahman und eine einzige, vertraute, geheimnisvolle, erhabene Gottheit ist. Das verschafft dem Denken eine umfassendere, tiefer verstehende Grundlage für die letzte Erkenntnis. Der spirituellen Erfahrung bringt es einen höheren, in vollem Maße verstehenden und verständlichen Yoga. Dies tiefere Mysterium gründet sich auf das Geheimnis der höchsten spirituellen Prakriti und des Jiva, der ein ewiger Wesensteil des Göttlichen in jener ewigen und in dieser manifestierten Natur ist, ein einziger Geist und eine einzige Wesenheit mit ihm in seinem unwandelbaren Selbst-Sein. Diese tiefere Erkenntnis wird von denen übersehen, die in der spirituellen Erfahrung zwischen dem Jenseitigen und dem, was hier ist, grundlegend unterscheiden. Denn der Transzendente jenseits der Welten ist zugleich auch Vasudeva, der alle Dinge in allen Welten ist. Er ist der Herr, der im Herzen jeder Kreatur waltet, und das Selbst von allem Seienden und der Ursprung und die erhabene Bedeutung von allem, was er in seiner Prakriti aus sich herausgestellt hat. Er ist in seinen Vibhutis manifestiert. Er ist der Geist in der Zeit, der über die Aktion in der Welt gebietet. Er ist die Sonne allen Wissens und der Liebende und Geliebte der Seele. Er ist der Meister allen Wirkens und Opferns. Das Ergebnis dessen, dass wir uns im Innersten für dieses tiefere, wahre, verborgene Mysterium öffnen, ist der Yoga der Gita, der Yoga integralen Wissens, integralen Wirkens und integralen Bhaktis. Er ist eine simultane Erfahrung von spiritueller Universalität und einer freien und vervollkommneten spirituellen Individualität, von völliger Einung mit Gott und innerstem Wohnen in ihm. Das ist zugleich der Rahmen für die Unsterblichkeit der Seele und für die Förderung und Macht unseres befreiten Wirkens in der Welt und im Körper.
Und nun kommt das höchste Wort und die allergeheimste Sache, guhyatamam: Geist und Gott sind ein Unendliches, frei von allen Dharmas. Obwohl er die Welt nach festgelegten Gesetzen regiert und die Menschen hindurchführt durch seine Dharmas von Unwissenheit und Wissen, von Sünde und Tugend, von Recht und Unrecht, von Zuneigung und Abneigung, von Gleichgültigkeit, Lust und Schmerz, von Freude und Leid und der Zurückweisung dieser Gegensätze, durch seine physischen und vitalen, intellektuellen, emotionalen, ethischen und spirituellen Formen, Regeln und Maßstäbe, stehen doch Geist und Gott jenseits von diesen Dingen. Wenn auch wir Menschen alle Abhängigkeit von den Dharmas von uns abwerfen und uns diesem freien und ewigen Geist überantworten können, wenn wir uns nur darum kümmern, wie wir uns absolut und ausschließlich für ihn offenhalten, wenn wir allein dem Licht, der Macht und Seligkeit des Göttlichen in uns vertrauen, wenn wir ohne Furcht und Sorge nur seine Führung annehmen, dann ist dies unsere wahrste und größte Befreiung. Es bringt uns die unbedingte und unausbleibliche Vervollkommnung unseres Selbstes und unserer Natur. Das ist der Weg, der den vom Geist erwählten Menschen angeboten wird –, nur jenen, an denen er seine innige Freude hat, weil sie ihm am nächsten stehen, zum Einssein mit ihm am ehesten fähig sind, weil sie ihm gleich sind, weil sie in freier Zustimmung und Übereinstimmung mit der Natur in deren höchster Macht und Bewegung universal werden in ihrem Seelen-Bewusstsein; weil sie transzendent geworden sind im Geist. (556-59)
18.67
Nie sollst du hierüber zu jemandem sprechen, der nicht Askese übt, nie zu jemand, der nicht verehrt, nie zu dem, der nicht dient. Und gewiss nicht zu dem, der Mich verachtet und Meiner spottet (der Ich im menschlichen Körper wohne).
18.68
Doch wer in tiefster Verehrung für Mich dies erhabene Geheimnis unter Meinen Verehrern verkündigt, gelangt gewiss zu Mir.
18.69
Und es gibt niemanden unter den Menschen, der Mir Lieberes täte, und niemand in dieser Welt wird Mir lieber sein.
18.70
Wer sich in dieses unser heiliges Zwiegespräch vertieft, von dem werde Ich verehrt mit dem Opfer des Wissens.
18.71
Auch wer, erfüllt von Glauben und ohne Widerspruch, auf diese Botschaft lauscht, wird befreit und erlangt die seligen Welten des Gerechten.
18.72
Ist dies alles von dir, O Partha, mit einem konzentrierten Mental aufgenommen worden? Ist deine Selbsttäuschung, O Dhananjaya, die begründet war in Unwissenheit, nun beseitigt?
18.73
Arjuna sprach:
Beseitigt ist meine Selbsttäuschung. Durch Deine Gnade, O Du Unfehlbarer, habe ich meine Erinnerung wiedergewonnen. Nun bin ich stark, und meine Zweifel sind zerstreut. Ich werde nach Deinen Worten handeln.
Nun ist der ganze Yoga geoffenbart. Das große Wort der Lehre ist mitgeteilt. Arjuna, die erwählte menschliche Seele, wird noch einmal auf das göttliche Handeln hingewiesen, nun aber nicht mehr in seinem egoistischen Mental, sondern in dieser höchsten Selbst-Erkenntnis. Der Vibhuti ist bereit für das göttliche Leben in seinem menschlichen Leben; sein bewusster Geist ist bereit für das Wirken der befreiten Seele, muktasya karma. Zerstört ist die Illusion des Mentals. Die Erinnerung an ihr Selbst und an ihre Wahrheit, die so lange durch die irreführenden Trugbilder und Gestaltungen unseres Lebens verborgen waren, ist in die Seele zurückgekehrt und zu ihrem normalen Bewusstsein geworden. Aller Zweifel und die Verwirrung sind vorbei. Die Seele kann sich an die Ausführung des Befehls machen und gehorsam das Werk für Gott und die Welt tun, das ihr vom Meister unseres Wesens bestimmt und zugewiesen wird, vom Geist und von Gott, der sich selbst in der Zeit und im Universum durch sich selbst zur Erfüllung bringt. (561)
18.74
Sanjaya sprach:
So vernahm ich dies wunderbare Gespräch zwischen Vasudeva und Partha, der großen Seele, und es ließ mir die Haare zu Berge stehen.
18.75
Durch Vyasas Gnade erfuhr ich diesen Yoga, der das höchste Geheimnis ist, unmittelbar von Krishna, dem göttlichen Meister des Yoga, der es selbst verkündigt hat.2
18.76
O König, wenn ich dessen gedenke und mich immer wieder dieser wunderbaren und heiligen Zwiesprache zwischen Keshava und Arjuna erinnere, bin ich stets von neuem entzückt.
18.77
Auch wenn ich immer wieder dieser wunderbaren Gestalt von Hari gedenke, O König, bin ich stets aufs neue entzückt.
18.78
Wo auch immer Krishna ist, der Meister des Yoga, und wo immer Partha ist, der Bogenschütze, dort sind zweifellos Ruhm, Sieg und Gedeihen. Und dort steht auch die unwandelbare Gerechtigkeit.
Die Botschaft der Gita, das Wort ihres göttlichen Lehrers, können wir so zusammenfassen: „Das Geheimnis des Handelns ist eines mit dem Geheimnis allen Lebens und Daseins. Sein ist nicht nur ein Mechanismus der Natur, das Rad eines Gesetzes, in das die Seele für einen Augenblick oder für lange Zeiten verwickelt ist. Es ist eine ständige Manifestation des Geistes. Leben ist nicht nur da um des Lebens willen, sondern für Gott; und die lebendige Seele des Menschen ist ein ewiger Bestandteil der Gottheit. Handeln geschieht um der Selbst-Findung, um der Selbst-Erfüllung willen, wegen der Selbst-Verwirklichung und nicht nur wegen seiner äußeren oder sichtbaren Früchte des Augenblicks oder der Zukunft. Es gibt ein inneres Gesetz und einen inneren Zweck aller Dinge, abhängig von der höchsten Natur des Selbsts wie auch von seiner manifestierten Natur. Dort liegt die wahre Wahrheit des Wirkens. In den äußeren Erscheinungen des Mentals und seines Wirkens kann sie nur beiläufig, unvollkommen und durch die Unwissenheit verkleidet dargestellt werden. Darum ist es höchstes, fehlerloses und umfassendstes Gesetz des Handelns, die Wahrheit unseres eigenen höchsten und innersten Daseins herauszufinden und in ihr zu leben. Es gilt nicht, irgendeiner äußeren Norm oder einem solchen Dharma zu folgen. Solange wir das tun, muss alles Leben und Handeln etwas Unvollkommenes und Schwieriges, ein Ringen und ein Problem sein. Nur wenn du dein wahres Selbst entdeckst und im Einklang mit seiner wirklichen Wahrheit, seiner wahren Wirklichkeit lebst, kann das Problem endgültig gelöst, die Schwierigkeit und das Ringen überwunden werden, kann alles, was du tust, vervollkommnet werden und sich in der Sicherheit des entdeckten Selbstes und Geistes in ein verbürgtes göttliches Wirken verwandeln. Erkenne also dein Selbst! Erkenne, dass dein wahres Selbst Gott ist und eins ist mit dem Selbst aller Menschen! Erkenne, dass deine Seele ein Wesensteil Gottes ist! Lebe in dem, was du weißt! Lebe im Selbst! Lebe in deiner höchsten spirituellen Art! Sei mit Gott geeint und Gott gleich! Bringe zuerst dein ganzes Wirken dem Erhabenen und dem Einen in dir und dem Erhabenen und dem Einen in der Welt als ein Opfer dar! Überantworte schließlich alles, was du bist und tust, in seine Hand, damit der höchste und universale Geist durch dich seinen Willen und sein Wirken in der Welt vollziehen kann! Das ist die Lösung, die Ich dir anbiete. Am Ende wirst du finden, dass es keine andere gibt.“ (572)

1 Die Frage nach der kosmischen Ordnung kommt hier auf, weil der Triumph des Asura in der Menschheit bedeutet, dass im gleichen Maß der Asura durch seinen Triumph das Gleichgewicht der Weltkräfte zerstört.
2 Sanjaya bekam vom erhabenen Vyasa die okkulte Macht des direkten Schauens und Hörens aus der Ferne von all dem, was sich auf dem Schlachtfeld von Kurukshetra ereignete, so dass er es dem blinden König Dhritarashtra berichten konnte.