Kapitel 15

Die Zeugen-Seele

„Einerseits gewahrt er [der Suchende] einen Beobachter, ein Bewusstsein, das empfängt, beobachtet und Erfahrungen macht, selbst aber nicht zu handeln scheint. Vielmehr werden offenbar alle diese Aktivitäten in unserem Inneren und außerhalb von uns nur für diesen Beobachter unternommen und weiter geleistet. Andererseits wird er zugleich einer ausführenden Kraft und einer Energie des Wirkungsablaufs inne, die vor unseren Augen alle denkbaren Aktivitäten unternimmt, vorwärtstreibt und lenkt, die eine Unmenge uns sichtbarer und unsichtbarer Formen erschafft, die sie als Stützen für den unablässigen Strom ihres Wirkens und Schaffens verwendet. Wenn der Suchende ausschließlich in das Bewusstsein des Zeugen eingeht, wird er schweigend, unbeeinflusst und unbeweglich. Dann erkennt er, dass er bisher die Abläufe der Natur passiv widerspiegelte und sich so zu eigen machte. Durch die Widerspiegelung empfingen sie von der beobachtenden Seele in seinem Innern das, was er als ihren spirituellen Wert und Ihre geistige Bedeutung wahrnahm. Nun zieht er aber die Identifikation, die Ihnen diese Bedeutung beilegte und sie widerspiegelte, zurück. Er wird jetzt nur seines schweigenden Selbst inne und steht hoch über allem, was um ihn herum in Bewegung ist. Alle Aktivitäten sind nun außerhalb von ihm und hören sofort auf, im eigentlich-innerlichen Sinne real zu sein. Sie erscheinen jetzt als etwas Mechanisches, von dem man sich loslösen und das man zuende bringen kann.“ (Sri Aurobindo, The Synthesis of Yoga, SABCL, Vol. 20, p. 113)

Was ist die Zeugen-Seele?

Das ist die Seele, die in einen Zustand kommt, wo sie schaut, ohne zu handeln. Der Zeuge ist der, der beobachtet, was getan wird, der aber nicht selbst handelt. Wenn nun die Seele in dem Zustand ist, wo sie nicht an der Handlung beteiligt ist, wo sie nicht durch die Natur handelt, wo sie sich einfach zurückzieht und beobachtet, wird sie zur Zeugen-Seele.

Wenn man die äußeren Aktivitäten anhalten will, ist dies das beste Mittel. Man zieht sich in seine Seele zurück, an die äußerste Grenze ihrer Existenz, in eine Art Unbewegtheit. Eine Unbewegtheit, die beobachtet, aber unbeteiligt ist und nicht einmal Anweisungen gibt. Das ist alles.