Kapitel 14
Angst vor der Sünde
Worte Sri Aurobindos
Der göttliche Lehrer sagt zu Arjuna: „Du schreckst vor den Folgen deiner Handlungen zurück. Du begehrst andere Ergebnisse und wendest dich ab von deinem rechten Pfad im Leben, weil er dich nicht zu jenen führt. Aber deine Vorstellung von Handlungen und ihrem Resultat, wobei das Begehren nach dem Resultat der Beweggrund ist und die Handlung ein Mittel zur Befriedigung des Begehrens, entspricht der Gebundenheit der Unwissenden, die nicht wissen, was die Werke sind, nicht ihren wahren Ursprung, nicht ihren wirklichen Verlauf, nicht ihren hohen Nutzen kennen. Mein Yoga wird dich von aller Gebundenheit der Seele an ihre Werke befreien, karmabandham prahasyasi. Du fürchtest dich vor vielen Dingen, hast Angst vor Sünde, Angst vor Leiden, Angst vor Hölle und Bestrafung, Angst vor Gott, Angst vor der Welt, Angst vor dem Jenseits, Angst vor dir selbst. Was gibt es eigentlich, wovor du in diesem Augenblick keine Angst hättest, du arischer Krieger, der Welt größter Held? Aber das ist eben die große Furcht, die die Menschheit bedrängt, ihre Furcht vor Sünde und Leiden, hier und danach, ihre Furcht in einer Welt, von deren wahrer Natur sie nichts weiß, vor einem Gott, dessen wahres Wesen sie ebenfalls nicht gesehen hat und dessen Absicht mit dem Kosmos sie nicht versteht. Mein Yoga wird dich von der großen Angst befreien. Selbst ein wenig von ihm wird dir Erlösung bringen. Sobald du einmal die ersten Schritte auf diesem Pfad gegangen bist, wirst du finden, dass ihrer keiner verloren ist. Jeder kleinste Augenblick wird dir zum Gewinn werden. Du wirst entdecken, dass es kein Hindernis gibt, das dir dein Vorwärtsdringen vereiteln könnte.“ Das ist ein kühnes und absolutes Versprechen. Einem solchen kann das angstvolle, zaudernde Gemüt, das auf allen seinen Pfaden bedrängt ist und strauchelt, nicht leicht sicheres Vertrauen schenken. Andererseits ist aber auch seine umfassende volle Wahrheit erst dann ersichtlich, wenn wir mit diesen ersten Worten der Botschaft der Gita zusammen auch die letzten lesen: „Verzichte auf alle Gesetze des Verhaltens. Nimm deine Zuflucht allein zu Mir. Ich will dich von aller Sünde und allem Bösen erlösen. Sei unbesorgt!“
Aber nicht mit diesem tiefen und rührenden Wort Gottes an den Menschen, sondern eher mit den ersten notwendigen Lichtstrahlen auf dem Weg, die nicht wie jenes Wort an die Seele, sondern an den Intellekt gerichtet sind, beginnen die Darlegungen. Nicht der Freund des Menschen und der ihn Liebende spricht am Anfang, sondern der Lenker und Lehrer, der die Unwissenheit hinsichtlich seines wahren Selbsts, der Art der Welt und der Triebfedern seines eigenen Handelns von ihm zu nehmen hat. Denn nur deshalb ist der Mensch durch seine Handlungen gebunden oder scheint er es zu sein, weil er unwissend handelt mit einer falsch arbeitenden Intelligenz und deshalb mit falschem Willen in diesen Dingen. Andernfalls bewirken Werke keine Gebundenheit für die freie Seele. Wegen dieser falsch wirkenden Intelligenz hat er Hoffnung und Furcht, Zorn, Kummer und vergängliche Freuden. Andernfalls sind die Werke in völlig froher Gelassenheit und Freiheit möglich.
