13. Kapitel
Das Feld und der Kenner des Feldes
13.1
Arjuna sprach:
Über Prakriti und Purusha, über das Feld und den Kenner des Feldes, über das Wissen und den Gegenstand des Wissens möchte ich gern noch mehr erfahren, O Keshava.
Das Wesentliche der Gedanken der Gita über diese Dinge ist bereits in gewissem Umfang, in Vorwegnahme der endgültigen Entwicklung ihres Gedankenganges, erläutert worden. Ihrem Vorbild folgend sollten wir diese aber noch einmal von dem die Gita jetzt am meisten interessierenden Gesichtspunkt aus darstellen. Es wird zugelassen, dass wir handeln; göttliches Wirken, in der Erkenntnis ausgeführt, dass unser Selbst das Instrument des göttlichen Willens im Kosmos ist, wird akzeptiert als völlig mit dem brahmanischen Zustand übereinstimmend und als unentbehrlicher Teil der Bewegung auf Gott hin. Das Handeln wird innerlich erhoben zum Opfer, das dem Höchsten anbetend dargebracht wird. Wie beeinflusst diese Methode praktisch das große Ziel spirituellen Lebens, sich aus der niederen in die höhere Natur, aus dem sterblichen in das unsterbliche Wesen zu erheben? (410)
Die Gita wiederholt in den letzten sechs Kapiteln in anderer Form die erleuchtenden Lehren, die der Lehrer bereits Arjuna mitgeteilt hat, um den Weg auf eine klare und vollständige Erkenntnis zu gründen, auf dem die Seele von der niederen in die göttliche Art emporsteigen soll. Im wesentlichen ist es dieselbe Erkenntnis. Jetzt werden aber Einzelheiten und Beziehungen in den Vordergrund gerückt, und ihre volle Bedeutung wird angeführt. Gedanken und Wahrheiten, auf die nur beiläufig hingewiesen wurde oder die nur allgemein aus anderer Absicht festgestellt wurden, werden jetzt in ihrem vollen Wert herausgestellt. (409)
13.2
Der Erhabene sprach:
Dieser Körper, O Sohn der Kunti, wird das Feld genannt. Jener, der Kenntnis nimmt von dem Feld, wird von den Weisen der Kenner des Feldes genannt.
Wir müssen das Ganze des Seins als ein Feld für Aufbau und Handeln der Seele inmitten der Natur betrachten. Die Gita erklärt das Feld, kṣetram, mit dem Hinweis, es sei dieser Körper, der das Feld des Geistes genannt wird, und in diesem Körper ist jemand, der von dem Feld Kenntnis nimmt, kṣetrajña, der Kenner der Natur. Durch die Definitionen, die folgen, wird aber klar, dass nicht der physische Körper allein das Feld ist, sondern auch alles, was den Körper trägt: das Wirken der Natur, die Mentalität, die natürliche Betätigung der objektiven und subjektiven Gegebenheiten unseres Wesens1. Auch dieser Körper im weiteren Sinne ist das individuelle Feld. Es gibt aber einen noch umfassenderen, einen allumfassenden, einen Welt-Körper, ein Welt-Feld desselben Kenners. Denn in jedem verkörperten Geschöpf ist dieser eine Kenner. (412)
13.3
Begreife Mich, O Bharata, als den Kenner des Feldes auf allen Feldern. Wirkliche Erleuchtung und einzige Weisheit ist nur dort, wo Wissen gleichzeitig das Feld und dessen Kenner umfasst.
Die Welt existiert für uns so, wie sie im einzelnen Mental gesehen wird. Schließlich kann sich dieses scheinbar kleine, verkörperte Bewusstsein so ausweiten, dass es das ganze Weltall in sich enthält, ātmani viśva-darśanam. Physikalisch betrachtet ist es aber ein Mikrokosmos innerhalb eines Makrokosmos, und auch der Makrokosmos, die Welt in ihrer ganzen Weite, ist ein Körper und ein Feld, das von dem spirituellen Kenner bewohnt wird. (412)
13.4
Erfahre nun also von Mir in Kürze, was das Feld ist, sein Charakter, seine Natur, sein Ursprung und seine Entstellungen und was Er ist und welche Mächte Er hat.
Das wird evident, wenn die Gita fortfährt, Charakter, Art, Ursprung, Formgestaltungen und Mächte dieser sinnenhaften Verkörperungen unseres Wesens zu beschreiben. Dann erkennen wir, dass alles Wirken der niederen Prakriti als kṣetra bezeichnet wird. Diese Ganzheit ist das Aktionsfeld des hier in unserem Inneren verkörperten Geistes, das Feld, von dem er Kenntnis nimmt. (412-13)
13.5
Von den Rishis ist hiervon in vielfältiger Weise in verschiedenen inspirierten Versen gesungen worden. Und ebenso handeln hierüber die Brahmasutras, die uns die rationale und philosophische Analyse geben.
Damit wir ein mannigfaltiges und ins einzelne gehendes Wissen dieser ganzen Welt der Natur in ihrer essentiellen Aktion erlangen, wie sie aus der Perspektive des Geistes gesehen wird, werden wir auf die Verse der Seher des Altertums verwiesen, auf die Verse des Veda und der Upanishaden und auf die Brahmasutras, die uns die rationale und philosophische Analyse geben. Die Gita selbst begnügt sich mit einer kurzen sachlichen Darstellung der niederen Natur unseres Wesens in den Begriffen der Sankhya-Denker. (413)
13.6
(Das Feld, Kshetra, wird von folgenden Teilen gebildet:) die noch unterschiedslose, unmanifestierte Energie, die fünf elementaren Zustandsformen der Materie, die zehn Sinne und der eine (das Mental), die Intelligenz und das Ego sowie die fünf Objekte der Sinne.
13.7
Zuneigung und Abneigung, Lust und Schmerz (dies sind die hauptsächlichen Entstellungen des Kshetra), Bewusstsein, Anordnung und Ausdauer bilden, in Kürze beschrieben, das Feld und seine Entstellungen.
Vom vedantischen Gesichtspunkt aus können wir sagen, dass Lust und Schmerz die vitalen oder sinnenhaften Missbildungen sind, die dem spontanen Ananda, der tiefen Freude des Geistes, durch die niedere Kraft vermittelt werden, wenn sie mit den Wirkensweisen der Natur in Berührung kommt. Und vom selben Standpunkt aus könnten wir sagen, dass Zuneigung und Abneigung die entsprechenden mentalen Verzerrungen sind, die von ihr dem reaktiven Willen des Geistes beigebracht werden, was dessen Antwort auf ihre Kontakte bestimmt. Diese Dualitäten sind die positiven und negativen Begriffe, in denen die Ego-Seele der niederen Natur sich des Universums erfreut. Die negativen Begriffe: Schmerz, Abneigung, Kummer, Widerwillen und alles Übrige sind verdrehte, bestenfalls verkehrte Reaktionen aus Unwissenheit. Die positiven Begriffe: Zuneigung, Lust, Freude, Anziehung sind falsch-gelenkte, bestenfalls unzureichende Antworten, geringwertiger gegenüber denen aus wahrer spiritueller Erfahrung. (413-14)
Es gibt ein allgemeines Bewusstsein, das die Kraft zuerst in ihren Werken ausformt und dann erleuchtet. Es gibt eine Fähigkeit dieses Bewusstseins, dank deren die Kraft die Beziehungen der Gegenstände zusammenhält. Hinzu kommt auch eine Kontinuität, eine Fortdauer dieser subjektiven und objektiven Beziehungen unseres Bewusstseins zu seinen Gegenständen. Dies alles sind die notwendigen Mächte des Feldes. Sie alle sind gemeinsame und universale Mächte zugleich der mentalen, der vitalen und der physischen Natur.
Alle diese Dinge zusammen stellen den fundamentalen Charakter unseres ersten Umgangs mit der Welt der Natur dar. Das ist aber offensichtlich nicht die ganze Beschreibung unseres Wesens. Es ist das, was wir tatsächlich sind, deutet aber nicht die Grenzen unserer Möglichkeiten an. Jenseits davon gibt es etwas, das wir erkennen müssen, jñeyam. Ein wirkliches Wissen, jñānam, beginnt erst dann, wenn der Mensch, der das Feld erkennt, aus dem Feld in sich zurücktritt, um über sich selbst, innerhalb des Feldes, Erfahrungen zu sammeln und all das zu erkennen, was hinter den äußeren Erscheinungen ist –, die wahre Erkenntnis ebenso des Feldes wie des Erkennenden. Nur diese Hinwendung nach innen befreit uns von der Unwissenheit. Denn je weiter wir nach innen gehen, desto mehr erfassen wir größere und ausgedehntere Wirklichkeiten der Dinge und begreifen die vollständige Wahrheit sowohl Gottes wie der Seele und der Welt mit ihren Bewegungen. Darum, so sagt der göttliche Lehrer, ist die Kenntnis sowohl des Feldes wie auch ihres Kenners, kṣetra-kṣetrajñayor jñānam, eine in sich geeinte, ja, eine zur Einheit gebrachte Erkenntnis des Selbstes und der Welt. Das ist die wahre Erleuchtung und die einzige Weisheit. Denn sowohl Seele wie Natur sind das Brahman. Aber die wahre Wahrheit der Welt der Natur kann nur von dem befreiten Weisen entdeckt werden, der auch die Wahrheit des Geistes besitzt. Ein einziges Brahman, eine einzige Wirklichkeit im Selbst und in der Natur ist der Gegenstand allen Wissens.
Die Gita sagt uns weiter, was das spirituelle Wissen ist. Oder vielmehr sagt sie uns, was die Voraussetzungen des Wissens, die Merkmale und Kennzeichen des Menschen sind, dessen Seele der inneren Weisheit zugewandt ist. Diese Zeichen sind die anerkannten und traditionellen Eigenschaften des Weisen: Die strenge Abkehr seines Herzens von der Gebundenheit an äußere und weltliche Dinge, sein nach innen gekehrter sinnender Geist, sein stetiges Mental und seine Ausgeglichenheit; und dass er sein Denken und seinen Willen unbeirrbar und fest auf die höchsten innersten Wahrheiten, auf jene Dinge richtet, die wirklich und ewig sind. An erster Stelle steht hier ein gewisses sittliches Verhalten, eine sattwische Beherrschung des natürlichen Wesens. (414)
13.8
Als wahres Wissen im Gegensatz zur Unwissenheit gilt: Völlige Abwesenheit von weltlicher Eitelkeit und Anmaßung; niemandem Schaden zufügen; eine aufrichtige Seele; ein duldsames, leidgeprüftes und gütiges Herz; Reinheit von Mental und Körper; ruhige Charakterstärke und Unerschütterlichkeit; Selbstbeherrschung und meisterhafte Beherrschung der niederen Natur; herzliche Ehrerbietung dem Lehrer gegenüber.
…sei es der göttliche Lehrer im Inneren oder der menschliche Meister, in dem die göttliche Weisheit verkörpert ist –, denn das ist der Sinn der Verehrung, die man dem Guru darbringt. Hinzu kommt die edlere und freiere Haltung vollkommener Losgelöstheit und Gelassenheit. (415)
13.9-10
Eine entschlossene Beseitigung des Hingezogenwerdens des natürlichen Wesens zu den Gegenständen der Sinne; grundlegende Freiheit vom Egoismus; das Aufgeben der Gebundenheit an Familie und Heim und des Aufgehens darin; eine klare Erkenntnis der fehlerhaften Natur des gewöhnlichen physischen Menschenlebens, das ziellos und leidvoll Geburt und Tod, Krankheit und Alter unterworfen ist; beständiger Gleichmut der Seele allen erfreulichen und unerfreulichen Ereignissen gegenüber.
…denn die Seele hat ihren Sitz im Inneren und ist unzugänglich für die Erschütterungen durch äußere Ereignisse… Schließlich wendet man sich mit aller Kraft nach innen und den Dingen zu, auf die es wirklich ankommt. (415)
13.11-12
Ein meditatives Mental, der Einsamkeit zugewandt und abgewandt dem eitlen Lärm der Massen und Menschenansammlungen; philosophische Erkenntnis des wahren Sinns und der umfassenden Prinzipien des Seins; ruhige Stetigkeit der inneren spirituellen Erkenntnis und des inneren Lichts; der Yoga unentwegter Hingabe; die Liebe zu Gott; des Herzens tiefe und ständige Anbetung der allumfassenden und ewigen Gegenwart. Alles Gegenteilige ist Unwissenheit.
13.13
Ich werde dir den einzigen Gegenstand zeigen, auf den das Bewusstsein spirituellen Wissens eingestellt sein muss. Fest darauf konzentriert, wird die Seele, die hier verdüstert ist, wieder heil und kommt zur seligen Freude an ihrer wahren Natur und an ihrem ursprünglichen Bewusstsein der Unsterblichkeit. Es ist der ewige erhabene Brahman, der weder Sat (Sein) noch Asat (Nichtsein) genannt wird.
Lässt sich die Seele von den äußeren Erscheinungen der Natur tyrannisieren, verliert sie sich und taumelt im Kreislauf von Geburt und Tod ihrer Körper. Wenn sie hier leidenschaftlich ohne Ende den Veränderungen ihrer Persönlichkeit und deren Interessen folgt, kann sie sich nicht in den Besitz ihres apersonalen und ungeborenen Selbst-Seins zurückziehen. Wenn wir fähig sind, dies zu tun, finden wir unser Selbst und kehren zu unserem wahren Wesen zurück, zu jenem, das diese Geburten auf sich nimmt und nicht mit ihren Gestaltungen zugrunde geht. Sich an der Ewigkeit zu erfreuen, für die Geborenwerden und Leben nur äußere Umstände sind, ist wahre Unsterblichkeit und Transzendenz der Seele. Jenes Ewige oder jene Ewigkeit ist das Brahman. Brahman ist Jenes, das transzendent, und Jenes, das universal ist: Es ist der freie Geist, der im Vordergrund das Spiel der Seele mit der Natur unterstützt, aber im Hintergrund ihr unvergängliches Einssein sicherstellt. Er ist zugleich das Veränderliche und das Unwandelbare, das All, das das Eine ist. In diesem höchsten suprakosmischen Zustand ist Brahman eine transzendente Ewigkeit ohne Ursprung oder Verwandlung, erhaben über den phänomenalen Gegensätzlichkeiten von Sein und Nicht-Sein, von Dauer und Vergänglichkeit, zwischen denen sich die äußere Welt bewegt. Sobald wir aber die Welt in Form und Licht dieser Ewigkeit sehen, wird sie zu etwas anderem als dem, was sie Mental und Sinnen zu sein scheint. Dann sehen wir das Universum nicht mehr als einen Wirbel von Mental, Leben und Materie oder als eine Masse der Bestimmungen von Energie und Substanz, vielmehr nur als dieses ewige Brahman. (415-16)
13.14
Seine Hände und Füße umgeben uns von allen Seiten. Seine Häupter, Augen und Angesichter sind jene unzählbaren Antlitze, die wir schauen, wohin wir uns auch wenden. Sein Ohr ist überall. In seiner unermesslichen Größe erfüllt und umhüllt er diese ganze Welt mit sich selbst. Er ist das allumfassende Wesen, in dessen Umarmung wir leben.
13.15
Ihn reflektieren alle Sinne und ihre Eigenschaften, aber er ist ohne Sinne. Er ist an nichts gebunden und trägt und erhält doch alles. Er erfreut sich der Gunas und wird doch nicht durch sie eingeschränkt.
Alle Beziehungen zwischen Seele und Natur sind Ereignisse in der Ewigkeit von Brahman. Sinne und Eigenschaft, ihre Reflektoren und Bildner, sind die Kunstgriffe dieser höchsten Seele, um alle Arten des Wirkens darzustellen, die ihre eigene Energie ständig in den Dingen hier in Bewegung setzt. Brahman selbst ist jenseits der Beschränkung durch die Sinne, sieht alle Dinge, jedoch nicht mit dem physischen Auge, hört alle Dinge, jedoch nicht mit dem physischen Ohr, nimmt alle Dinge wahr, jedoch nicht mit dem begrenzenden Mental, jenem Mental, das die Dinge nur repräsentiert, aber nicht wahrhaft erkennen kann. (416)
13.16
Was in uns ist, ist er, und was wir außerhalb von uns erfahren, ist er auch. Das Innere und das Äußere, das Ferne und das Nahe, das Sich-Bewegende und das Unbewegliche, all dies ist er zur selben Zeit. Er ist die äußerste Feinheit von dem, was so fein ist, dass wir es nicht mit unserer Erkenntnis erfassen.
13.17
Er ist unteilbar und der Eine. Aber er scheint sich selbst in Formen und Geschöpfe zu zerteilen und tritt in all den gesonderten Daseinsformen in Erscheinung. Alle Dinge werden ewig von ihm geboren, in seiner Ewigkeit aufrechterhalten und ewig zurückgenommen in seine Einheit.
13.18
Er ist das Licht aller Lichter, strahlend jenseits aller Finsternis unserer Unwissenheit. Er ist das Wissen und zugleich das Objekt des Wissens. Er wohnt im Herzen aller.
Das spirituelle supramentale Wissen, das unser erleuchtetes Mental überflutet und umwandelt, ist dieser Geist, der sich als Licht in der von Kraft verdunkelten Seele offenbart, die er hervorgebracht und in die Aktion der Natur entsandt hat. Dies ewige Licht ist im Herzen jedes Wesens. Es ist er, der geheime Kenner des Feldes, kṣetrajña, der als der Herr im Herzen der Dinge seine Macht ausübt über diesen Bereich und über alle diese Reiche seines manifestierten Werdens und Wirkens. (417)
13.19
So habe Ich dir Feld, Wissen und Objekt des Wissens kurz erläutert. Wenn der Mir Ergebene ein solcher Kenner geworden ist, erlangt er Mein bhāva (das göttliche Sein und die göttliche Natur).
Sobald der Mensch diese ewige und universale Gottheit in seinem Inneren schaut, wenn er die Seele in allen Dingen gewahrt und den Geist in der Natur entdeckt, wenn er das ganze Universum als eine Woge empfindet, die sich in dieser Ewigkeit erhebt, und wenn er alles, was ist, als dieses eine Sein erkennt, dann kleidet er sich in das Licht der Gottheit und steht frei inmitten der Welten der Natur. Im göttlichen Wissen und in der vollkommenen Hinwendung und Verehrung des Göttlichen liegt das Geheimnis der großen spirituellen Befreiung. Aus der sterblichen Natur heben uns Freiheit, Liebe und spirituelles Wissen empor zum unsterblichen Wesen. (417)
13.20
Erkenne du, dass Purusha (die Seele) und Prakriti (die Natur) beide ohne Ursprung sind und ewig. Aber die Funktionsweisen der Natur und die niederen Gestaltungen, die Sie für unsere bewusste Erfahrung annimmt, haben ihren Ursprung in Prakriti (im gegenseitigen Aufeinander-Wirken dieser beiden Wesenheiten).
Seele und Natur sind nur zwei Aspekte des ewigen Brahman. Sie erscheinen als Dualität, die das Fundament für die Wirkensweisen seines universalen Seins bildet. Die Seele ist ohne Ursprung und ewig. Auch die Natur ist ohne Ursprung und ewig. Aber die Seinsweisen der Natur und die niederen Gestaltungen, die sie für unsere bewusste Erfahrung annimmt, haben ihren Ursprung im aktiven Zusammenwirken beider Einheiten. Sie rühren von ihr her, schleppen in ihrer Form äußerlich die Kette von Ursache und Wirkung, von Handeln und Ergebnissen des Handelns, von Kraft und deren Wirkensweisen. All das ist hier vorübergehend und veränderlich. Beständig wandeln sie sich, und Seele und Natur scheinen sich mit ihnen zu wandeln. In sich selbst sind diese beiden Mächte aber ewig und immerfort dieselben. Die Natur erschafft und wirkt, die Seele erfreut sich dieser Schöpfung und dieses Wirkens. (417-18)
13.21
Die Kette von Ursache und Wirkung und der Zustand, Handelnder zu sein, werden von Prakriti erschaffen. Purusha genießt Lust und Schmerz.
Die Natur erschafft und wirkt, die Seele erfreut sich dieser Schöpfung und dieses Wirkens. Aber in der niederen Form ihres Handelns verwandelt sie helle Freude in die düsteren und ärmlichen Formen von Schmerz und Lust. (418)
13.22
Purusha, involviert in Prakriti, genießt die Eigenschaften (Gunas), die aus Prakriti geboren werden. Die Gebundenheit an die Eigenschaften (Gunas) ist die Ursache für seine Geburt in guten oder schlechten Mutterschößen.
Eindringlich wird die Seele, der individuelle Purusha, durch das qualitative Wirken angezogen, und diese Anziehungskraft der Eigenschaften bindet sie ständig an Geburten aller Art, in denen sie die Unterschiedlichkeit und Schicksale des Lebens, das Gute und das Böse der Geburt in der Natur genießt. Aber das ist nur die äußere Erfahrung der Seele, die in ihrer Auffassung veränderlich ist, indem sie sich mit der veränderlichen Natur identifiziert. In diesem Körper hat aber ihre und unsere Göttlichkeit ihren Sitz, das erhabene Selbst, Paramatman, die höchste Seele, der mächtige Herr der Natur. (418)
13.23
Beobachtender Zeuge, Ursprung der Zustimmung, Erhalter des Wirkens der Natur, ihr Genießer, allmächtiger Herr und erhabenes Selbst ist zugleich die Erhabene Seele (Para Purusha), die in diesem Körper wohnt.
Das ist das Wissen vom Selbst, an das wir unsere Mentalität gewöhnen müssen, bevor wir in Wahrheit uns selbst als einen ewigen Wesensteil des Ewigen erkennen können. Sobald dies einmal in uns feststeht, ist unsere Seele in sich selbst frei; einerlei, wie sie sich nach außen hin in ihren aktiven Unternehmungen mit der Natur geben mag, was auch immer sie zu tun scheint, was auch immer sie an Persönlichkeits-Gestalt, aktiver Kraft und Ego-Verkörperung annimmt. Sie ist nicht mehr durch Geburt gebunden, da sie durch Apersonalität des Selbsts eins geworden ist mit dem inneren ungeborenen Geist des Seins. Diese Apersonalität ist unsere Einung mit dem erhabenen, egolosen „Ich“ all dessen, was im Kosmos ist. (418)
13.24
Wer so den Purusha und die Prakriti mit ihren Eigenschaften kennt, der soll nicht wiedergeboren werden, wie er auch leben und wirken mag.
13.25
Dies Wissen erwächst aus einer inneren Meditation, durch die uns das ewige Selbst in unserem Selbstsein offenbar wird. Es kann auch aus dem Yoga der Sankhyas erwachsen (durch die Trennung der Seele von der Natur). Oder es erwächst aus dem Yoga der Werke.
Der Yoga der Werke: Der personale Wille wird dadurch aufgelöst, dass wir unser Mental, unser Herz und all unsere aktiven Kräfte für den Herrn öffnen, der das Ganze unseres Wirkens in der Natur zu sich empornimmt. (418)
13.26
Andere, die diese Yoga-Wege nicht kennen, mögen durch andere die Wahrheit erfahren und ihr Mental gemäß jenem Sinn formen, dem es mit Glauben und Konzentration lauscht. Doch wie auch immer wir zu diesem Wissen gelangt sind, es trägt uns über den Tod hinaus in die Unsterblichkeit.
13.27
Wisse also, O Bester der Bharatas, dass jegliches Wesen, ob beweglich oder unbeweglich, aus der Vereinigung von Feld und Kenner des Feldes geboren wird.
Wir müssen das Ganze des Seins als ein Feld für Aufbau und Handeln der Seele inmitten der Natur betrachten. (412)
Alles Leben, alle Werke sind ein Zusammenwirken von Seele und Natur. (410)
13.28
Wer den Erhabenen, der in gleicher Weise in allen Wesen wohnt, unvergänglich im Vergänglichen, wer ihn so sieht, sieht wirklich.
Die Erkenntnis offenbart uns, hoch über dem wandelbaren Umgang der Seele mit der Sterblichkeit der Natur, unser höchstes Selbst als den erhabenen Herrn ihres Wirkens, den einen und gleichen in allen Gegenständen und Geschöpfen, der, wenn er einen Körper annimmt, nicht geboren wird; der auch nicht dem Tod verfällt, wenn alle diese Körper vergehen. Das ist das wahre Wissen, wenn wir das in uns sehen, was ewig und unsterblich ist. Wenn wir so immer mehr diesen gleichen Geist in allen Dingen sehen, gehen wir selbst ein in die Gelassenheit des Geistes. Wenn wir immer mehr in diesem universalen Sein daheim sind, werden wir selbst zu universalen Wesen. In dem Maße, in dem wir das Ewige immer mehr wahrnehmen, bekleiden wir uns mit unsrer eigenen Ewigkeit und existieren für immer. Wir identifizieren uns mit der Ewigkeit des Selbsts, nicht mehr mit der Begrenztheit und dem Elend unserer mentalen und physischen Unwissenheit. Dabei erkennen wir, dass all unser Wirken eine Entwicklung und ein Wirken der Natur, unser wirkliches Selbst nicht der ausführende Handelnde, sondern der freie Zeuge, der Herr und ungebundene Genießer des Wirkens ist. (419)
13.29
Wer den gleichmütigen Herrn begreift als den spirituellen Innewohnenden in allen Kräften, in allen Dingen und in allen Wesen, der fügt sich selbst kein Leid zu (indem er sein Wesen dem Verlangen und den Leidenschaften ausliefert). Und so erlangt er den erhabenen Status.
13.30
Wer sieht, dass alles Wirken in Wahrheit durch Prakriti geschieht und dass das Selbst der nicht-handelnde Zeuge ist, der sieht.
13.31
Wenn er begreift, dass dies unterschiedliche Dasein der Wesen in dem einen ewigen Sein bleibt und sich doch aus ihm heraus ausbreitet, dann gelangt er zum Brahman.
Dieser ganze Vordergrund der kosmischen Bewegung ist ein mannigfaltiges Werden von natürlichen Daseinsformen in dem einen ewigen Seienden. Alles wird durch die universale Energie ausgebreitet, manifestiert, entfaltet sich aus den Keimen ihrer Idee, die der Seiende tief in seinem Sein trägt. Dennoch wird aber der Geist, obwohl er das Wirken dieser Energie in diesen unseren Körpern annimmt und sich daran freut, durch deren Sterblichkeit nicht beeinträchtigt. (419)
13.32
Weil das unvergängliche erhabene Selbst ohne Anfang ist und ewig und nicht durch die Eigenschaften (Gunas) eingeschränkt wird, darum, O Kaunteya, handelt es nicht und leidet es auch nicht, obwohl es im Körper wohnt.
Er ist das eine erhabene Selbst all dieser Personalitäten. Er wird durch die Wandlungen der Eigenschaften nicht verändert. Denn er selbst ist nicht determiniert durch Eigenschaft und handelt auch nicht selbst, wenn er handelt, kartāram api akartāram. Da er die Aktion in der Natur in völliger spiritueller Freiheit von ihren Auswirkungen trägt, ist er tatsächlich der Urheber aller Aktivitäten, aber in keiner Weise durch sie verändert oder durch das Spiel seiner Natur beeinträchtigt. (419)
13.33
So wie der Äther, der das All durchdringt, wegen seiner Feinheit nicht beeinträchtigt wird, so bleibt auch das Selbst, das überall im Körper seinen Ort hat, unbeeinträchtigt.
So wie der alles-durchdringende Äther nicht durch die vielfältigen Formen, die er annimmt, beeinflusst oder verändert wird, sondern immer dieselbe reine, feinste, ursprüngliche Substanz bleibt, so bleibt auch dieser Geist, wenn er alle möglichen Dinge getan hat und zu ihnen geworden ist, durch das alles hindurch dieselbe reine, unveränderliche, subtile, unendliche Wesenheit. Dies ist der höchste Zustand der Seele, parā gatiḥ; dies ist das göttliche Wesen und seine Natur, madbhāva. Und wer zur spirituellen Erkenntnis gelangt, hebt sich empor zu dieser höchsten Unsterblichkeit des Ewigen. (419-20)
13.34
So wie die Sonne die ganze Erde erleuchtet, so, O Bharata, erleuchtet der Herr des Feldes das gesamte Feld.
Dieses Brahman, dieser ewige und spirituelle Kenner des Feldes seines eigenen natürlichen Werdens, diese Natur, seine ewigwährende Energie, die sich selbst in dieses Feld verwandelt, diese Unsterblichkeit der Seele in sterblicher Natur: All das zusammen bildet die ganze Wirklichkeit unseres Seins. Wenn wir uns dem Geist in unserem Inneren zukehren, erleuchtet er das gesamte Feld der Natur mit seiner Wahrheit in all der Herrlichkeit seiner Strahlen. Im Licht dieser Sonne des Wissens öffnet sich in uns das Auge der Erkenntnis; wir leben in jener Wahrheit, nicht mehr in der Unwissenheit. Dann nehmen wir wahr, dass unsere Begrenztheit in unserer gegenwärtigen mentalen und physischen Natur ein Irrtum der Finsternis gewesen ist. Dann sind wir befreit vom Gesetz der niederen Prakriti, dem Gesetz des Mentals und des Körpers. Dann erlangen wir die höchste Natur des Geistes. Diese herrliche und erhabene Umwandlung ist das letzte, das göttliche und unendliche Werden: Wir legen die sterbliche Natur ab und ziehen unser unsterbliches Sein an. (419-20)
13.35
Die mit dem Auge des Wissens diesen Unterschied zwischen dem Feld und dem Kenner des Feldes und die Befreiung der Wesen von Prakriti wahrnehmen, sie gelangen zum Erhabenen.

1 Die Upanishad spricht von einem fünffachen Körper (oder einer fünffachen Hülle der Natur): einem physischen, einem vitalen, einem mentalen, einem idealen und einem göttlichen Körper. Dies kann als das Ganze des Feldes angesehen werden.