Kapitel 10
Das Göttliche Werk
Die drei Siege
Der erste Sieg ist, eine Individualität zu schaffen. Und dann später, der zweite Sieg ist, diese Individualität dem Göttlichen zu übergeben. Und der dritte Sieg ist, dass das Göttliche deine Individualität zu einem göttlichen Wesen umwandelt.
Es gibt drei Stufen: die erste ist, ein Individuum zu werden. Die zweite, dieses Individuum zu weihen, damit es sich ganz und gar dem Göttlichen hingeben möge und mit Ihm identifiziert ist. Und die dritte, dass das Göttliche von diesem Individuum Besitz ergreift und es in ein Wesen nach Seinem Bilde formt, das heißt es wird selbst göttlich.
Im Allgemeinen endete aller Yoga bei der zweiten Stufe. Wenn man es geschafft hatte, das Individuum zu überantworten und es rückhaltlos dem Göttlichen hinzugeben, um mit Ihm identifiziert zu sein, betrachtete man seine Arbeit als beendet, als erfüllt.
Aber wir beginnen genau dort, und wir sagen: „Nein, dies ist nur ein Anfang. Wir möchten, dass dieses Göttliche, mit dem wir identifiziert sind, in unsere Individualität eintritt und aus ihr eine göttliche Persönlichkeit, die in einer göttlichen Welt wirkt, hervorbringt. Und das ist es, was wir Umwandlung nennen.“ Aber das andere geht ihr voraus, muss ihr vorausgehen. Wenn das nicht getan ist, gibt es keine Möglichkeit, die dritte Stufe zu durchlaufen. Man kann nicht von der ersten auf die dritte Stufe wechseln. Man muss durch die zweite hindurchgehen.
Komme um des göttlichen Werkes willen
Jedes Mal, wenn einer zu mir kommt und sagt: „Ich bin meines Yoga wegen gekommen“, sage ich: „Oh, nein! Dann nicht! Es ist hier sehr viel schwieriger als irgendwo anders.“…
Wenn jemand kommt, mir zu sagen: „Ich bin hier, um zu arbeiten, um mich nützlich zu machen“, dann ist es in Ordnung. Aber wenn jemand sagt: „Ich habe draußen Schwierigkeiten, ich schaffe es nicht, sie zu überwinden, ich möchte hierher kommen, weil es mir helfen wird“, dann sage ich: „Nein, nein, es wird hier sehr viel schwieriger sein; deine Schwierigkeiten werden hier beträchtlich wachsen.“ Und genau das heißt es, denn es sind nicht mehr vereinzelte Schwierigkeiten, sondern kollektive.
Zusätzlich zu deinen persönlichen Schwierigkeiten bist du all den Reibungen, all den Kontakten, all den Reaktionen, all den Dingen, die von außen kommen, ausgesetzt. Als Prüfung! Genau an dem schwachen Punkt, die Sache, die am schwersten zu lösen ist. Dort wirst du von jemandem genau das hören, was du nicht hören wolltest. Jemand wird sich genau so verhalten, dass es dich empören konnte. Du wirst dich einem Umstand, einer Bewegung, einer Tatsache, einem Objekt, irgend etwas gegenüber finden – eben den Dingen, die… „Ah, wie hätte ich mir gewünscht, dies wäre nicht geschehen!“ Und das ist es, was geschieht. Und immer mehr. Weil du deinen Yoga nicht für dich allein machst. Du übst den Yoga für jeden – ohne es zu wollen – automatisch.
Wenn sich also Leute bei mir einfinden und sagen: „Ich suche Frieden hier, Ruhe, Muße, um meines Yoga wegen“, sage ich: „Nein, nein, nein! Gehe sofort irgendwo anders hin. Du wirst anderswo sehr viel mehr Frieden erfahren als hier.“
Wenn jemand kommt und sagt: „Nun, hier bin ich, ich fühle, dass ich mich dem göttlichen Werk weihen sollte. Ich bin bereit, jede beliebige Arbeit, die du mir gibst, auszuführen“, dann sage ich: „Gut, das ist in Ordnung. Wenn du guten Willens bist, Ausdauer hast und einige Fähigkeiten, dann ist es in Ordnung. Aber um die für deine innere Entwicklung notwendige Einsamkeit zu finden, ist es besser, irgendwo anders, überall hinzugehen, aber nicht hierher.“
Warum dieses göttliche Werk?
Die ganze Vollkommenheit, die wir erreichen wollen, erfüllt nicht einen persönlichen oder selbstsüchtigen Zweck, sie ist dazu da, uns fähig zu machen, das Göttliche zu offenbaren, sie ist in den Dienst des Göttlichen gestellt. Wir verfolgen diese Entwicklung nicht in selbstbezogenem Streben nach persönlicher Perfektion. Wir verfolgen sie, weil das göttliche Werk vollbracht werden muss.
Aber warum leisten wir dieses göttliche Werk? Doch damit wir selbst…
Nein, ganz und gar nicht! Es geschieht, weil das der göttliche Wille ist. Überhaupt nicht aus persönlichen Gründen, das darf es nicht sein. Es geschieht, weil dies der göttliche Wille und das göttliche Werk ist.
So lange, wie sich ein persönliches Streben oder Begehren, ein selbstsüchtiger Wille einmengen, wird immer eine Vermischung entstehen, und das ist nicht genau ein Ausdruck göttlichen Willens. Alles, was zählen darf, ist das Göttliche, Sein Wille, Seine Manifestation, Sein Ausdruck. Dafür ist man hier, das ist man und nichts anderes. Und solange ein Empfinden von Selbst, von Ego, der Person, die sich einmischt, besteht, nun, das beweist, dass man noch nicht das ist, was man sein sollte, das ist alles. Ich sage nicht, dass dies über Nacht getan werden kann, aber dennoch ist das tatsächlich die Wahrheit.
Wahre Integrität
Mutter, warum ist das so, dass es hier bei der Arbeit viele Leute wagen, ihre Launen zu befriedigen und auf diese Weise viel Geld vergeudet wird?
Es ist nicht Geld allein, das nutzlos vertan wird!
Energie, Bewusstsein wird unendlich, tausendmal mehr verschwendet als Geld. Dürfte es keine Verschwendung geben… auf mein Wort, ich glaube, den Ashram könnte es nicht geben! Es vergeht nicht eine Sekunde, in der nichts vergeudet wird – manchmal ist es sogar noch schlimmer. Es besteht diese Gewohnheit – kaum bewusst, hoffe ich – soviel Energie, soviel Bewusstsein wie möglich zu absorbieren und sie dann zur persönlichen Befriedigung zu benutzen. Das ist etwas, das in der Tat in jeder Minute geschieht. Wenn all die Energie, all das Bewusstsein, die sich ständig über alle ergießen, für den wahren Zweck verwendet werden würden, das heißt für das göttliche Werk und für dessen Vorbereitung, wären wir schon sehr weit auf dem Pfad vorangeschritten, viel weiter, als wir es sind. Aber jeder, mehr oder weniger bewusst und in jedem Fall instinktiv, nimmt soviel Bewusstsein und Energie auf, wie er kann, und sobald er diese Energie in sich fühlt, gebraucht er sie für seine persönlichen Zwecke, seine eigene Befriedigung.
Wer denkt daran, dass die ganze Kraft hier, die unendlich viel größer und kostbarer als alle Geldmächte ist, dass diese Kraft, die hier ist und bewusst gegeben wird und unablässig mit unerschöpflicher Beharrlichkeit und Geduld, nur für einen einzigen Zweck, nämlich der Verwirklichung des göttlichen Werkes – wer denkt daran, sie nicht zu verschwenden? Wer erkennt es als seine heilige Pflicht, Fortschritte zu machen, sich selbst vorzubereiten, um besser zu verstehen, besser zu leben? Denn die Menschen leben durch die göttliche Energie, sie leben durch das göttliche Bewusstsein und verwenden sie für ihre persönlichen, selbstsüchtigen Ziele.
Ihr seid entsetzt, wenn einige tausend Rupien vergeudet werden, aber ihr seid es nicht… wenn Ströme von Bewusstsein und Energie von ihrer wahren Bestimmung fortgelenkt werden!
Wenn man ein göttliches Werk auf Erden tun will, muss man Tonnen von Geduld und Ausdauer mitbringen. Man muss in der Ewigkeit zu leben verstehen und auf das Erwachen des Bewusstseins in jedem einzelnen warten können – dem Bewusstsein dessen, was wahre Integrität bedeutet.
Das göttliche Werk tun
Mutter, wenn man sich zum Beispiel im Weitsprung darum bemüht, weiter und weiter zu springen, wie erfüllt man damit das göttliche Werk?
Eh? Entschuldige, aber dies geschieht nicht um des Vergnügens am Weitsprung, es geht darum, deinen Körper in seinen Funktionsabläufen vollkommener zu gestalten und ihn damit zu einem für das Empfangen göttlicher Kräfte und deren Manifestation geeigneteren Instrument zu machen.
Nun, alles und jedes, was man an diesem Ort leistet, muss in diesem Geiste getan werden, sonst ziehst du nicht einmal einen Nutzen aus der Gelegenheit und den Umständen, die dir geschenkt sind. Das habe ich euch neulich schon erklärt, nicht wahr, dass das Bewusstsein hier ist, alle Dinge durchdringend und sich bemüht, sich in allen Bewegungen zu offenbaren. Wenn ihr euch jedoch eurerseits sagt, dass eure Bemühung und der Fortschritt, den ihr macht, nur den Zweck haben, dass ihr fähiger werdet, dieses Bewusstsein zu empfangen und es zu verwirklichen, dann wird die Arbeit natürlich viel besser und viel schneller geschehen.