Kapitel 1
Wie man weiß, was zu tun ist
Worte Sri Aurobindos
Eine fortwährende Aspiration, ständig vom Göttlichen beherrscht zu werden, ist das Erste – danach eine Art innerer Stille und ein Zurücktreten von der äußeren Tätigkeit in diese Stille sowie eine Art lauschender Erwartung, nicht eines Klangs, sondern einer spirituellen Empfindung oder Weisung des Bewusstseins, die über das Seelische kommt.

Worte Sri Aurobindos
Wenn du das Bewusstsein der wahren Tätigkeit, sich also bewusst zu sein, ob eine Handlung richtig ist oder nicht, sehr ersehnst und danach strebst, kann es auf verschiedene Weise kommen:
1. Du kannst die Gewohnheit oder Fähigkeit, deine Regungen zu beobachten, so erlangen, dass du den Impuls der Tat kommen siehst und auch seine Natur erkennen kannst.
2. Ein Bewusstsein kann kommen, das sich sofort unwohl fühlt, wenn ein falscher Gedanke oder Impuls zur Tat oder ein falsches Gefühl aufkommt.
3. Etwas in dir kann dich warnen und stoppen, wenn du im Begriff bist, eine falsche Tat zu tun.

Worte Sri Aurobindos
Man muss fähig sein, die gleiche Arbeit immer mit Begeisterung zu verrichten, und zur gleichen Zeit bereit sein, etwas anderes zu tun oder sein Tätigkeitsfeld jederzeit zu erweitern.

Worte der Mutter
In jedem Augenblick kannst du in einer Aspiration deinen Willen zum Geschenk machen – in einer Aspiration, die sich sehr einfach ausdrückt, nicht nur als „Herr, Dein Wille geschehe“, sondern: „Lass mich das Beste tun, was ich kann.“
Du magst nicht immer wissen, was das Beste ist oder wie es zu tun ist, doch du kannst deinen Willen dem Göttlichen zur Verfügung stellen, um das Bestmögliche zu tun. Du wirst sehen, was für wunderbare Ergebnisse das bringt. Tue dies mit Bewusstsein, Aufrichtigkeit und Beharrlichkeit, und du wirst feststellen, dass du mit Riesenschritten vorankommst. So ist es, nicht wahr? Man muss die Dinge mit der ganzen Inbrunst seiner Seele tun, mit all der Kraft seines Willens. In jedem Moment so gut als möglich das Bestmögliche tun. Was andere tun, geht dich nichts an – das kann ich dir nicht oft genug wiederholen.

Worte der Mutter
Bevor man irgendetwas unternimmt, versucht man herauszufinden, ob der Impuls von der Mutter kommt oder nicht, doch meistens hat man nicht genügend Urteilsvermögen, um unterscheiden zu können, und dennoch handelt man. Lässt das Ergebnis der Handlung erkennen, ob der Impuls von der Mutter kam oder nicht?
Man hat das Urteilsvermögen nicht, weil man sich nicht darum bemüht, es zu haben! Hör zu, ich denke, es gibt keinen einzigen Fall, in dem man nicht in sich etwas sehr Klares findet, doch du musst es aufrichtig wissen wollen – wir kommen immer auf die gleiche Sache zurück –, man muss aufrichtig wollen. Die erste Bedingung besteht darin, dass du nicht anfängst, über die Sache nachzudenken und alle möglichen Vorstellungen aufzubauen, gegensätzliche Ideen, Möglichkeiten, und einen riesigen mentalen Wirbel zu veranstalten. Zuallererst musst du das Problem so formulieren, als ob du es jemand anderem schilderst, dann still werden, so bleiben, unbewegt. Und dann wirst du nach einiger Zeit sehen, dass mindestens drei verschiedene Dinge geschehen können, manchmal mehr. Nimm den Fall eines Intellektuellen, jemand, der sich von den Hinweisen seines Kopfes leiten lässt. Er hat das Problem formuliert und wartet. Nun, wenn er wirklich aufmerksam ist, wird er zunächst einen bestimmten Gedanken wahrnehmen. Die chronologische Abfolge steht nicht fest, das gilt vor allem für einen Intellektuellen: „Wenn ich es in dieser Weise mache, ist es in Ordnung, so muss es sein.“ – also eine mentale Konstruktion. Ein zweites ist eine Art Impuls: „Das muss so gemacht werden. Es ist gut, es muss getan werden.“ Dann ein drittes, das überhaupt keinen Lärm macht, sich dem Übrigen nicht aufzudrängen sucht, dafür aber die Ruhe einer Gewissheit hat – nicht sehr aktiv, keinen Stoß hervorrufend, nicht zum Handeln drängend, sondern etwas Ruhiges und Stilles, das weiß. Es widerspricht den anderen nicht, es wird nicht herbeikommen und sagen: „Nein, das ist falsch.“ Es sagt ganz einfach: „Schau, es ist so.“ Das ist alles, und dann besteht es nicht weiter darauf. Die meisten Menschen sind nicht still oder aufmerksam genug, um es wahrzunehmen, weil es eben keinen Lärm macht. Aber ich versichere dir, es ist in jedem, und wenn man wirklich aufrichtig ist, und es gelingt einem, wirklich ruhig zu sein, wird man es wahrnehmen. Der denkende Teil beginnt zu argumentieren: „Nun, das da wird dies zur Folge haben und das dort jenes, und wenn man dies tut…“ Und dies und das… Und sein Lärmen beginnt von neuem. Das andere, das Vital, wird sagen: „Ja, so muss es getan werden, es muss getan werden, verstehst du nicht, es muss, unbedingt.“ So! Dann weißt du Bescheid. Und entsprechend deiner Natur wirst du entweder den vitalen Impuls oder die mentale Führung wählen, doch sehr selten sagst du in aller Ruhe: „Gut, es ist dieses, was ich tun werde, mag geschehen, was will“, auch wenn es dir nicht sonderlich gefällt. Aber dies ist immer anwesend. Ich bin sicher, dass es sogar in einem Mörder da ist, bevor er tötet, verstehst du, nur macht sein äußeres Wesen so viel Lärm, dass es ihm niemals in den Sinn käme, zuzuhören. Aber es ist immer da, immer anwesend. In der Tiefe eines jeden Wesens befindet sich, in allen Lebensumständen, gerade diese kleine – „Stimme“ kann man es nicht nennen, denn es gibt keinen Laut von sich –, diese kleine Weisung der göttlichen Gnade, und um ihr zu folgen, muss man manchmal eine große Anstrengung machen, weil das ganze übrige Wesen sich heftig widersetzt – der eine Teil in der Überzeugung, dass das von ihm Gedachte stimmt, der andere mit der ganzen Macht und Gewalt seines Begehrens. Aber erzähle mir nicht, man könne nicht wissen, denn das ist nicht wahr. Man kann wissen. Aber manchmal weiß man nicht, was erforderlich ist, und manchmal, wenn man weiß, was zu tun ist, findet man eben die eine oder andere Ausrede, um es nicht tun zu müssen. Man sagt sich: „Ach! So sicher bin ich dieses inneren Hinweises ja nun wirklich nicht, er hat sich nicht so kraftvoll geäußert, dass ich mich auf ihn verlassen könnte.“ Doch wenn du völlig gleichmütig wärst, das heißt wenn du keinerlei Begehren hegen würdest, weder mentales noch vitales noch physisches Begehren, wüsstest du mit Sicherheit, dass es dies ist, was du zu tun hast und nichts anderes. Was dazwischenfunkt, sind die Vorlieben – Vorlieben und Begierden. Täglich kann man Hunderte und Hunderte von Beispielen erleben. Wenn Menschen anfangen zu sagen: „Ich weiß wirklich nicht, was ich tun soll“, heißt das immer, dass sie eine Vorliebe haben. Doch da sie hier im Ashram wissen, dass es etwas anderes gibt und sie zeitweilig ein wenig aufmerksam waren, spüren sie irgendwie, dass es nicht ganz das Wahre ist: „Es ist nicht ganz das Wahre, ich fühle mich unbehaglich.“ Außerdem fragtest du vorhin, ob das Ergebnis den Hinweis gebe Es ist sogar gesagt worden – es wurde in Büchern geschrieben –, dass der göttliche Wille nach den Ergebnissen zu bemessen sei! Alles, was gelingt, sei vom Göttlichen gewollt, alles, was nicht gelingt, nun, das habe das Göttliche nicht gewollt! Das ist wieder eine dieser Dummheiten, so riesig wie ein Berg. Es ist eine mentale Vereinfachung des Problems und recht komisch. So ist es nicht. Wenn sich ein Hinweis erhalten lässt – entsprechend der eigenen Aufrichtigkeit –, dann in einem gewissen Unbehagen, einem leichten Unbehagen – kein starkes Unbehagen, nur ein leichtes Unbehagen.
Du weißt, hier habt ihr noch ein anderes Mittel, ein ganz einfaches – ich weiß nicht, warum ihr es nicht anwendet, denn es ist kinderleicht. Du stellst dir vor, dass ich vor dir stehe und fragst dich dann: „Würde ich dies vor der Mutter tun, ohne Probleme, ohne Anstrengung, ohne dass mich etwas zurückhält?“ Das wird dich niemals irreführen. Wenn du aufrichtig bist, wirst du sofort wissen. Das würde viele davon abhalten, eine Dummheit zu begehen.
