Kapitel 1

Wahre Liebe und was Menschen Liebe nennen

Worte der Mutter

Es gibt nur eine Liebe: die Göttliche Liebe, ewig, universal, gleich für jedermann und alles.

Es ist der Mensch (das menschliche Wesen), der alle möglichen Gefühle „Liebe“ nennt: all die Begierden und Reize, all den vitalen Austausch, die sexuellen Beziehungen, Bindungen, selbst Freundschaften, und überdies noch viele andere Dinge.

Aber all dies ist nicht einmal der Schatten der Liebe, selbst nicht einmal ihre Entstellung.

All dies sind mentale und vitale, sentimentale oder sexuelle Aktivitäten und nichts weiter.

Worte der Mutter

Das ist der Anfang der wahren Liebe: Man liebt, weil man liebt, aber keineswegs deshalb, weil die Liebe erwidert wird oder weil der Andere einen liebt. Alle diese Bedingungen sind nicht Liebe. Man liebt, weil man nicht anders kann als lieben. Man liebt, weil man liebt. Man kümmert sich überhaupt nicht darum, was geschieht; man ist vollkommen genügsam mit dem Gefühl seiner Liebe. Man liebt, weil man liebt.

Alles andere ist Feilschen, es ist keine Liebe.

Und im Übrigen ist eines sicher: Von dem Moment an, in dem man wahrhaft zu lieben beginnt, stellt man sich auch keine Frage mehr. Es erscheint einem völlig kindisch, lächerlich und bedeutungslos, diese Frage zu stellen. Man hat die vollkommene Fülle der Freude und der Verwirklichung des Augenblicks, in dem man wahrhaft anfängt zu lieben, und man verspürt überhaupt nicht das Verlangen nach irgendeiner Erwiderung. Man ist Liebe, weiter nichts. Und man lebt in der Zufriedenheit erfüllter Liebe. Es bedarf überhaupt keiner Gegenseitigkeit.

Ich sage dir, solange diese Berechnung im Mental oder in den Gefühlen und in den Empfindungen ist, solange eine mehr oder weniger eingestandene Berechnung da ist, ist es ein Feilschen und keine Liebe...

Alles andere ist genau das, was die Menschen aus der Liebe gemacht haben. Und das ist dann nicht sehr schön, und es führt zu allem möglichen, das noch weniger schön ist, wie zum Beispiel zur Eifersucht, zum Neid, und bei den gewalttätigen Naturen geht das bis hin zum Hass. Es fängt klein an: Wenn man liebt, hat man das Verlangen, dass das geliebte Wesen weiß, dass es geliebt wird. Auch in der Beziehung zum Göttlichen: Man liebt das Göttliche, aber man legt Wert darauf, dass das Göttliche weiß, dass man Es liebt! Da beginnt der Sturz. Das Wahre ist, dass man nicht einmal daran denkt. Das berührt nicht einmal das Mental.

Man denkt nicht – man liebt, das ist alles. Man liebt und man ist in der Fülle der Liebe und in der starken Freude der Liebe, und das ist alles.

Es ist ein weiter, weiter Weg zurückzulegen zwischen dem, was die Menschen „Liebe“ nennen, und der wahren Liebe – ein weiter Weg.

Worte der Mutter

Wenn die Menschen etwas geben, warum wollen sie immer etwas dafür zurückhaben?

Weil sie in sich selbst eingeschlossen sind.

Sie fühlen ihre Begrenzung und denken, dass sie zum Wachsen und Ausweiten, und selbst zum Überleben, etwas von außen nehmen müssen, denn sie leben im Bewusstsein ihrer persönlichen Begrenzung. Für sie reißt also das, was sie geben, ein Loch, und dieses Loch muss gestopft werden, indem man etwas erhält! ... Das ist natürlich ein Irrtum. Und das Wahre wäre, wenn sie, statt in den engen Grenzen ihrer kleinen Person eingeschlossen zu sein, ihr Bewusstsein weit machen könnten, so dass sie sich nicht nur mit den anderen in ihren engen Grenzen identifizieren könnten, sondern auch imstande wären, aus diesen Grenzen herauszutreten, darüber hinauszugehen, sich überall auszubreiten, sich mit dem einen Bewusstsein zu vereinen und alle Dinge zu werden – in diesem Augenblick würden die engen Grenzen verschwinden, aber nicht vorher. Und solange man das Gefühl von engen Grenzen hat, will man nehmen, weil man Angst hat zu verlieren. Man gibt aus und man will zurückbekommen. Aus diesem Grund, mein Kind. Denn wäre man in jedem Ding ausgebreitet und würden alle Schwingungen, die kommen und gehen, das Bedürfnis ausdrücken, in allem aufzugehen, weit zu werden, zu wachsen – nicht etwa, indem man in seinen Grenzen bleibt, sondern indem man aus ihnen herauskommt – und schließlich mit dem Ganzen eins zu werden, hätte man nichts mehr zu verlieren, weil man alles hätte. Nur weiß man dies nicht. Und also, da man nicht weiß, kann man es nicht. Man versucht zu nehmen und sammelt an, sammelt an, sammelt an, aber es ist unmöglich, man kann nicht ansammeln. Man muss eins werden, sich identifizieren. Und dann will man das Wenige, das man gegeben hat, wieder zurückholen: Man gibt einen guten Gedanken, man hofft auf Anerkennung; man gibt ein klein wenig von seiner Zuneigung, man hofft auf Erwiderung... Denn man hat nicht die Fähigkeit, das gute Denken im Ganzen zu sein, man hat nicht die Fähigkeit, die Zuneigung, die Zärtlichkeit im Ganzen zu sein. Man hat das Gefühl, so ganz abgeschnitten und begrenzt zu sein, und man hat Angst, alles zu verlieren, man hat Angst, zu verlieren, was man hat, denn man würde verarmen. Wenn man dagegen fähig ist, sich zu identifizieren, braucht man nicht länger alles an sich zu ziehen. Je mehr man sich ausbreitet, desto mehr hat man. Je mehr man sich identifiziert, desto mehr ist man im Werden. Und anstatt dann zu nehmen, gibt man. Und je mehr man gibt, desto mehr wächst man.