Kapitel 1
O Seele, es ist zu früh, um zu frohlocken
Worte der Mutter
Mutter, wie soll man die richtige Stufe und den richtigen Wendepunkt seiner Entwicklung finden?
Wie man sie finden soll?… Man muss sie suchen. Man muss sie hartnäckig wollen. Es muss die wichtigste Sache sein.
(Schweigen)
Wenn man die notwendige innere Anstrengung unternimmt, um seine Seele zu entdecken, sich mit ihr zu vereinen und ihr zu erlauben, das Leben zu leiten, dann geht mit dieser Entdeckung meist eine Art wunderbare Verzauberung einher, und der erste Gedanke ist: „Jetzt habe ich, was ich brauche, ich habe die unendliche Freude gefunden!“ Und man beschäftigt sich mit nichts anderem mehr.
Tatsächlich ist das fast all jenen widerfahren, die diese Entdeckung gemacht haben, und einige von ihnen haben diese Erfahrung zum Prinzip der Verwirklichung erhoben und gesagt: „Wenn du das getan hast, ist alles getan, es gibt nichts anderes mehr zu tun; du bist am Ziel und Ende des Weges angelangt.“
Tatsächlich bedarf es eines großen Mutes, noch weiter zu gehen. Diese Seele, die man entdeckt, muss ein unerschrockener Krieger sein, der sich nicht mit seiner eigenen inneren Freude begnügt und sich nicht über das Unglück der anderen mit jenem Gedanken hinwegtröstet, dass alle früher oder später diesen Zustand erreichen werden und dass es auch für die anderen gut ist, die gleiche Anstrengung zu unternehmen, die man selbst gemacht hat, bestenfalls, dass man in diesem Zustand innerer Weisheit den anderen mit „großem Wohlwollen“ und „großem Mitgefühl“ helfen kann, dorthin zu gelangen, und dass, wenn alle soweit sind, nun, dies das Ende der Welt ist, und das ist umso besser für jene, die nicht gern leiden!
Aber… es gibt ein „Aber“. Bist du so sicher, dass dies das Ziel und die Absicht des Höchsten war, als er sich manifestierte?
(Schweigen)
Die ganze Schöpfung, diese ganze universelle Manifestation erscheint allenfalls wie ein sehr schlechter Scherz, wenn man nur so weit kommen sollte. Warum anfangen, wenn es nur deshalb geschieht, um wieder hinauszukommen! Was nützt es, soviel gekämpft, soviel gelitten zu haben, etwas geschaffen zu haben, das, zumindest in seiner äußeren Erscheinung, so tragisch und dramatisch ist, wenn es nur deshalb geschah, um uns beizubringen, wie man da hinauskommt – es wäre besser gewesen, erst gar nicht anzufangen.
Doch wenn man den Dingen ganz auf den Grund geht, wenn man sich nicht nur ohne allen Egoismus, sondern auch ohne Ego total gibt, ohne Vorbehalt, auf so vollständige und so uneigennützige Art und Weise, die einen die Absicht des Herrn erkennen lässt, dann weiß man, dass es kein schlechter Scherz ist, dass es kein gewundener Weg ist, auf dem man, ein wenig angeschlagen, zum Ausgangspunkt zurückkehrt; ganz im Gegenteil geschieht es, um die gesamte Schöpfung in der Wonne des Seins, in der Schönheit des Seins, in der Größe des Seins, in der Majestät eines erhabenen Lebens zu unterweisen und sie die immerwährende, ständig fortschreitende Entwicklung dieser Wonne, dieser Schönheit, dieser Größe zu lehren. Dann hat alles einen Sinn, dann gibt es kein Bedauern mehr darüber, dass man gekämpft und gelitten hat, man ist nur noch von dieser Begeisterung erfüllt, das göttliche Ziel zu verwirklichen, und man stürzt sich kopfüber in die Verwirklichung mit der Gewissheit des Zieles und des Sieges.
Doch um dies zu wissen, muss man aufhören, egoistisch zu sein, ein getrenntes Wesen zu sein, das sich abkapselt und sich vom höchsten Ursprung abtrennt. Folgendes muss man tun: sich von seinem Ego freimachen. Dann kann man das wahre Ziel erkennen – und das ist der einzige Weg! Sich von seinem Ego freimachen, es fallen lassen wie ein nutzloses Kleidungsstück.
Der Erfolg ist die aufgewandte Mühe wert. Und überdies ist man nicht ganz allein auf dem Weg. Es wird einem geholfen, wenn man Vertrauen hat.

Worte Sri Aurobindos
Das Selbst zu befreien ist nur ein leuchtender Schritt;
Sich selbst hier zu erfüllen, war Gottes Wunsch.
