Kapitel 1

Die Theorie des Mantra

Das höchste Wort

Worte Sri Aurobindos

Wir müssen uns daran erinnern, dass im vedischen System das Wort ein schöpferisches Prinzip ist: Durch das Wort erschafft Brahma die Gestaltungen des Weltalls. Zudem ist die menschliche Sprache in ihrer höchsten Form lediglich ein Versuch, durch Offenbarung und Inspiration wieder zu einem absoluten Ausdruck der Wahrheit zu gelangen, die im Unendlichen über unserem mentalen Begriffsvermögen bereits existiert. Ebenso muss also dieses Wort über unserer mentalen Konstruktionskraft liegen.

Die ganze Schöpfung ist Ausdruck durch das Wort; aber die ausgedrückte Form ist nur ein Symbol oder ein Repräsentant der Daseinsform. Wir sehen dies in der menschlichen Sprache, die dem Mental bloß eine mentale Form des Objektes bietet; aber das Objekt, das sie auszudrücken sucht, ist selbst bloß nur eine Form oder eine Darstellung einer anderen Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit ist Brahman. Brahman drückt durch das Wort eine Form oder Darstellung seiner selbst in den Objekten von Sinn und Bewusstsein aus, die das Weltall ausmachen, so wie das menschliche Wort ein mentales Bild jener Objekte ausdrückt. Dieses Wort ist in tieferem und ursprünglicherem Sinn schöpferisch als menschliche Sprache und zwar mit einer Macht, mit der verglichen die größte Kreativität menschlicher Sprache nur eine entfernte, schwache Analogie sein kann.

Das hier für „Äußerung“ gebrauchte Wort bedeutet genau genommen ein zum Vorschein bringen, um dem Mental zu begegnen. Brahman, sagt die Upanishad, ist das, was so nicht durch Sprache vor das Mental gebracht werden kann.

Wie wir gesehen haben, bringt menschliche Sprache nur die Darstellung einer Darstellung hervor, die mentale Figur eines Objektes, das selbst nur eine Figur der alleinigen Wirklichkeit, Brahman, ist. Sie besitzt zwar eine Macht neuer Schöpfung, aber diese Macht erstreckt sich bloß auf die Schaffung neuer mentaler Bilder, sozusagen anpassungsfähiger Formationen, die auf vorhergehende mentale Bilder beruhen. Solch eine beschränkte Macht gibt keine Idee von der ursprünglichen schöpferischen Macht, die die alten Denker dem göttlichen Wort beimaßen.

Gehen wir ein wenig tiefer unter die Oberfläche, so gelangen wir zu einer Macht in menschlicher Sprache, die uns ein fernes Bild des ursprünglichen schöpferischen Wortes gibt. Wir wissen, dass die Schwingung eines Klangs die Macht hat, Formen zu schaffen und zu zerstören; dies ist der modernen Wissenschaft wohl bekannt. Nehmen wir an, dass hinter allen Formen eine schöpferische Klangschwingung gewesen ist.

Wenn wir dann die Beziehung menschlicher Sprache zum Ton allgemein untersuchen, sehen wir sogleich, dass Sprache nur eine besondere Anwendung des Tonprinzips ist, eine beim Durchgang durch Hals und Mund vom Atemdruck erzeugte Schwingung. Zuerst muss sie spontan und natürlich gebildet worden sein, um die durch ein Objekt oder Vorkommnis hervorgebrachten Emotionen auszudrücken, und erst nachher vom Mental aufgenommen, um zunächst die Idee des Objekts und dann Ideen über es zu äußern. Daher mag der Wert von Sprache als bloß darstellend und nicht schöpferisch erscheinen.

Tatsächlich aber ist Sprache schöpferisch. Sie schafft Formen von Emotionen, mentale Bilder und Impulse zum Handeln. Die alte vedische Theorie und Praxis erweiterte dieses schöpferische Wirken der Sprache um den Gebrauch des Mantra. Die Theorie des Mantra besagt, dass es ein Wort der Kraft ist, geboren aus den geheimen Tiefen unseres Wesens, wo es von einem tieferen Bewusstsein als dem mentalen bebrütet worden ist, im Herzen gestaltet und nicht vom Verstand konstruiert, im Mental gehalten, wiederum vom wachen mentalen Bewusstsein konzentriert erwogen und schließlich schweigend oder stimmlich hervorgebracht – wobei das schweigende Wort wohl für noch machtvoller gehalten wird als das gesprochene –, eben zu schöpferischem Wirken. Das Mantra kann nicht nur neue subjektive Zustände in uns erschaffen, unser psychisches Wesen verändern, Wissen und Fähigkeiten enthüllen, die wir vorher nicht besessen hatten, kann nicht nur gleiche Ergebnisse in anderen Mentalen wie dem des Anwenders verursachen, sondern kann auch in der mentalen und vitalen Atmosphäre Schwingungen erzeugen, die Wirkungen, Handlungen und selbst die Erschaffung materieller Formen auf der physischen Ebene zur Folge haben.

Ja, auch normalerweise, sogar täglich und stündlich, erzeugen wir durch das Wort in unserem Inneren Gedanken-Schwingungen, Gedanken-Formen, die entsprechende vitale und physische Schwingungen hervorrufen, auf uns selbst und auf andere einwirken und die in mittelbarer Erschaffung von Handlungen und Formen in der physischen Welt enden. Der Mensch wirkt beständig auf den Menschen ein, sowohl mit dem schweigenden wie mit dem gesprochenen Wort, und so wirkt und erschafft er, wenn auch weniger unmittelbar und machtvoll, selbst in der übrigen Natur. Doch weil wir einfältig von den äußeren Formen und Erscheinungen der Welt in Anspruch genommen sind und uns nicht die Mühe machen, deren subtile und nicht-physischen Vorgänge zu untersuchen, bleiben wir in Unkenntnis über dieses gesamte Feld der Wissenschaft dahinter.

Der vedische Gebrauch des Mantra ist lediglich eine bewusste Anwendung dieser geheimen Macht des Wortes. Und begreifen wir die ihm zugrunde liegende Theorie zusammen mit unserer vorausgehenden Hypothese einer schöpferischen Tonschwingung hinter jeder Formation, dann beginnen wir die Idee vom ursprünglichen schöpferischen Wort zu verstehen. Nehmen wir einen bewussten Gebrauch der Tonschwingung an, die entsprechende Formen oder Formveränderungen bewirken. Aber in der alten Anschauung ist Materie nur die unterste der Daseinsebenen. Führen wir uns dann vor Augen, dass eine Tonschwingung auf der physischen Ebene eine ihr entsprechende auf der vitalen voraussetzt, ohne die sie nicht hätte ins Spiel kommen können, und diese weiterhin eine entsprechend hervorbringende Schwingung auf der mentalen, diese wiederum eine ebensolche auf der supramentalen an der ureigentlichen Wurzel der Dinge. Aber eine mentale Schwingung schließt Gedanken und Wahrnehmung ein, eine supramentale Schwingung schließt eine höchste Schau und Erkenntnis ein. Jede Tonschwingung auf dieser höheren Ebene ist daher voll dieser höchsten Erkenntnis einer Wahrheit in Dingen, die sie auch ausdrückt und zugleich schöpferisch, voll einer höchsten Macht, die die erkannte Wahrheit in Formen prägt und sie schließlich, von Ebene zu Ebene herabsteigend, in der von dem ätherischen Klang in Materie geschaffenen physischen Form oder Objekt wiedergibt. So sehen wir, dass die Theorie der Schöpfung durch das Wort, das der absolute Ausdruck der Wahrheit ist, und die Theorie der stofflichen Schöpfung durch Ton-Schwingung im Äther einander entsprechen und zwei logische Pole der gleichen Idee sind. Beide gehören zum selben vedischen System.

Dies ist also das höchste Wort, Sprache unserer Sprache. Es ist die Schwingung reiner Existenz, voll der wahrnehmenden und ursprünglichen Macht des unendlichen und allgewaltigen Bewusstseins, gestaltet vom Mental hinter dem Mental in das unausweichliche Wort der Wahrheit der Dinge; aus welcher Substanz und auf welcher Ebene auch immer, die Form oder der physische Ausdruck tritt durch seinen schöpferischen Mittler hervor. Das Supramental, das das Wort gebraucht, ist der schöpferische Logos.

Das Wort hat seine Keim-Laute – erinnernd an die ewige Silbe des Veda, AUM, und die Keim-Laute der Tantriker –, welche die Prinzipien der Dinge in sich tragen; es hat seine Formen, die hinter der zu des Menschen höchsten Fähigkeiten kommenden enthüllenden und inspirierten Sprache stehen, und jene prägen die Formen der Dinge im Universum; es hat seine Rhythmen – denn es ist keine ordnungslose Schwingung, sondern tritt in große kosmische Maße hinaus –, und dem Rhythmus entsprechen Gesetz, Anordnung, Harmonie und Vorgänge der Welt, die sie baut. Das Leben selbst ist ein Rhythmus Gottes.

Aber was ist das vom Wort in der Welt ausgedrückte oder vor das Bewusstsein gebrachte? Nicht Brahman, sondern Formen und Erscheinungen von Brahman. Brahman wird durch das Wort nicht ausgedrückt; er gebraucht das Wort nicht, um sich auszudrücken, sondern er wird vielmehr von seinem eigenen Selbst-Gewahrsein gekannt. Und auch die Wahrheiten von ihm, die hinter den Formen des Kosmos stehen, sind in ihrer wahren Wirklichkeit stets ein Selbstausdruck für sein ewiges Sehen in einer höheren als der mentalen Schwingung, eine rhythmische Stimme aus ihnen selbst, die eigentlich die Seele ihrer Bewegung ist. Sprache, etwas Geringeres, erschafft und drückt aus, ist jedoch ihrerseits nur Schöpfung und Ausdruck. Brahman wird von Sprache nicht ausgedrückt, vielmehr wird Sprache selbst von Brahman ausgedrückt. Und das, welches Sprache in uns ausdrückt, sie aus unserem Bewusstsein mit seinem Ringen, die Wahrheit der Dinge zu unserem Mental emporzuheben, ist Brahman selbst durch das Wort, Etwas, das im höchsten Überbewussten ist. Das Wort, Sprache unserer Sprache, ist in der Essenz seiner Macht der Ewige selbst und in seinen höchsten Bewegungen ein Teil seines immerwährenden spirituellen Körpers, brahmano rupam.

Darum müssen wir letzten Endes nicht die Geschehnisse und Erscheinungen der Welt als Ziel unseres Trachtens annehmen, sondern Das, was aus sich selbst das Wort hervorbringt, durch welches ihnen Gestalt verliehen wurde für unsere Betrachtung durch das Bewusstsein und für das Trachten unseres Willens. Mit anderen Worten, die höchste Existenz, die alles erzeugt hat.

Menschliche Sprache ist nur ein sekundärer Ausdruck und zuoberst ein Schatten des göttlichen Wortes, der Keim-Laute, der befriedigenden Rhythmen, der enthüllenden Klangformen, welche die allwissende und allmächtige Sprache des ewigen Denkers, Harmonikers und Schöpfers sind. Die höchste inspirierte Sprache, die das menschliche Mental erreichen kann, das Wort, das die höchste Wahrheit am synthetischsten ausdrückt, die mächtigste Silbe, das stärkste Mantra kann nur seine ganz entfernte Darstellungsform sein.

Das Mantra – ein Wort von Macht und Licht

Worte Sri Aurobindos

Wie das Mantra in das Ohr des Yoga sinkt,

Dringt seine Botschaft weckend in das blinde Gehirn

Und wahrt in den dunklen unwissenden Zellen seinen Klang;

Der Hörer erfasst ein Wortgebilde

Und will, sinnierend über dessen Grundgedanken,

Mit dem mühenden mentalen Geist es deuten,

Findet aber nur helle Andeutungen, nicht die verkörperte Wahrheit:

Dann, verstummend in sich selbst um zu wissen,

Trifft er auf das tiefere Lauschen seiner Seele:

Das Wort wiederholt sich selbst in rhythmischen Weisen:

Denken, Schau, Gefühl, Sinn, das Selbst des Körpers

Werden unsagbar ergriffen und er hält

Eine Ekstase und unsterbliche Wandlung aus;

Er fühlt eine Weite und wird zu einer Macht,

Wie ein Meer stürzt alles Wissen auf ihn ein:

Umgestaltet durch den weißen spirituellen Strahl

Wandelt er in bloßen Himmeln der Freude und Ruhe,

Sieht das Gottantlitz und hört transzendente Rede:

Worte Sri Aurobindos

Das Mantra, wie ich es in The Future Poetry zu erläutern versucht habe, ist ein Wort von Macht und Licht, das aus der Inspiration des Obermentals oder einer sehr hohen Ebene der Intuition stammt. Seine Kennzeichen sind eine Sprache, die unendlich viel mehr vermittelt, als der bloße äußere Wortsinn zu sagen scheint, ein Rhythmus, der mehr noch ausdrückt als die Sprache, der aus dem Unendlichen geboren wird und dorthin entschwindet, und das Vermögen, nicht nur die mentalen, vitalen oder physischen Inhalte oder Hinweise und Beschreibungen des Gesagten, sondern seine Bedeutung und Gestalt in einem grundlegenden und ursprünglichen Bewusstsein mitzuteilen, das hinter diesen allen und größer ist.

Die drei höchsten Intensitäten dichterischer Sprache

Worte Sri Aurobindos

Das Mantra, dichterischer Ausdruck der tiefsten spirituellen Wirklichkeit, ist nur möglich, wenn drei höchste Intensitäten dichterischer Sprache zusammenkommen und untrennbar eins werden: eine höchste Intensität an rhythmischer Bewegung, eine höchste Intensität an ineinander verwobener verbaler Form und Gedankensubstanz, des Stils also, sowie eine höchste Intensität an Wahrheitsschau der Seele. Alle große Dichtung entsteht durch Einklang dieser drei Elemente. Das Unzulängliche des einen oder anderen bewirkt die Disharmonien im Werk auch der größten Dichter, und das Versagen eines dieser Elemente ist der Grund für ihr gelegentliches Scheitern, für die Schlacken in ihrem Werk, die Sonnenflecken. Erst auf einer bestimmten höchsten Stufe der verschmolzenen Intensitäten wird das Mantra möglich.

Das Mantra – ein göttlich beladenes rhythmisches Wort

Worte Sri Aurobindos

Das Mantra ist ein direktes und äußerst erhöhtes, ein intensivstes und höchst göttlich beladenes rhythmisches Wort, das eine intuitive und offenbarende Inspiration verkörpert und das Mental mit der Schau und der Gegenwart des ureigenen Selbstes beseelt, der innersten Wirklichkeit der Dinge, mit ihrer Wahrheit und ihren göttlichen Seelenformen, den Gottheiten, die aus der lebendigen Wahrheit geboren werden. Oder, sagen wir, es ist eine höchste rhythmische Sprache, die alles erfasst, was endlich ist, und in es das Licht und die Stimme seines eigenen Unendlichen hereinbringt.

Das Mantra – die höchste Kraft der Sprache

Worte Sri Aurobindos

Ein Höchstes, ein Absolutes ihrer selbst, ein Hinausstreben zu einem Unendlichen und Äußersten, ein letzter Punkt der Vollkommenheit ihrer eigenen Möglichkeiten ist das, wohin alle Tätigkeit der Natur in ihren unbewussten Formationen intuitiv neigt, und wenn sie an jenem Punkt angelangt ist, hat sie ihre Existenz dem Geist rechtfertigt, der sie geschaffen hat, und den verborgenen schöpferischen Willen im Inneren erfüllt. Sprache, das ausdrückende Wort, hat einen solchen Gipfel oder ein solches Absolutes, eine Vollkommenheit, die der Stempel des Unendlichen auf ihren endlichen Möglichkeiten ist und ihres Schöpfers Siegel auf ihr. Diesem Absoluten des ausdrückenden Wortes kann man jenen Namen geben, den die inspirierten Sänger des Veda dafür fanden: Mantra. Insbesondere Dichtung brauchte zu ihrem vervollkommneten Ausdruck in den Hymnen des Veda diesen Begriff. Er ist jedoch nicht auf diese Bedeutung beschränkt, denn er ist auf alle Sprache ausgeweitet, die eine höchste oder eine absolute Kraft hat. Das Mantra ist das Wort, das die Gottheit oder die Kraft der Gottheit in sich trägt, das sie in das Bewusstsein bringen und samt ihren Funktionen dort festigen, dort das Erschauern des Unendlichen erwecken, die Kraft von etwas Absolutem, das Wunder der höchsten Äußerung verewigen kann. Diese höchste Kraft der Sprache und besonders poetischer Sprache müssen wir hier zum Ziel unserer Untersuchung machen und – wenn wir können – ihr Geheimnis entdecken, den Strom der Dichtung als einen langen Lauf der Bemühung menschlicher Sprache betrachten, diese höchste Kraft zu finden und die größere Verallgemeinerung ihrer Gegenwart und ihrer Kraft als künftiges Zeichen eines schließlichen Aufstiegs zu einer letztlichen Evolution als dichterisches Bewusstsein zur Eroberung ihrer höchsten Gipfel.

Das Mantra – eine gestaltende und erhellende Macht

Worte Sri Aurobindos

Weder der Verstand, die Vorstellung noch das Ohr sind die wahren oder zumindest die tiefsten oder höchsten Empfänger der poetischen Freude, ebenso wie sie nicht ihre wahren oder höchsten Schöpfer sind. Sie sind nur ihre Kanäle und Instrumente: Der wahre Schöpfer, der wahre Hörer ist die Seele. Je schneller und transparenter die anderen Instanzen ihr Werk der Übermittlung tun, je weniger sie auf ihrem separaten Anspruch auf Befriedigung bestehen, je direkter also das Wort die Seele erreicht und tief in sie sinkt, desto größer die Dichtung. Daher hat Dichtung nicht wirklich ihr Werk vollbracht, zumindest nicht ihr höchstes, bis sie die Freude des Instruments erhöht und in die tiefere Wonne der Seele umgewandelt hat. Ein göttliches Ananda1, eine interpretative, schöpferische, offenbarende, gestaltende Wonne – man könnte fast sagen, eine umgekehrte Widerspiegelung der Freude, die die universale Seele bei ihrer großen Freisetzung von Energie empfand, als sie die spirituelle Wahrheit, die umfassende interpretative Idee, das Leben, die Kraft, das Gefühl der Dinge, versammelt in einer ursprünglichen schöpferischen Vision, in die rhythmischen Formen des Universums hinaustönen ließ –, eine solche spirituelle Freude ist jene, welche die Seele des Dichters empfindet und die er, wenn er die menschlichen Schwierigkeiten seiner Aufgabe bewältigten kann, auch in all jene einströmen lassen kann, die bereit sind, sie zu empfangen. Diese Wonne ist nicht bloß ein göttlicher Zeitvertreib; sie ist eine große gestaltende und erhellende Macht.

Klang hat eine Kraft in der materiellen Welt

Worte der Mutter

Liebe Mutter, es gibt eine Blume, die du „Das schöpferische Wort“ [Das schöpferische Wort: Gehört nur dem Göttlichen, Leucanthemum x superbum. Weiß] genannt hast.

Ja.

Was bedeutet das?

Es ist das Wort, das erschafft.

Es gibt alle möglichen alten Überlieferungen, alte hinduistische Überlieferungen, alte chaldäische Überlieferungen, in denen das Göttliche in Form des Schöpfers, das heißt unter Seinem Aspekt als Schöpfer, ein Wort ausspricht, das die Macht hat zu erschaffen. Also, das ist es … und das ist der Ursprung des Mantra. Das Mantra ist das ausgesprochene Wort, das eine schöpferische Kraft hat. Man macht eine Anrufung, und auf die Anrufung kommt eine Antwort, oder man verrichtet ein Gebet, und das Gebet wird erhört. Das ist das Wort, das im Klang … es ist nicht nur die Idee, sondern im Klang liegt eine schöpferische Kraft. Das ist der Ursprung des Mantra.

In der indischen Mythologie ist Brahma der Schöpfergott, und ich denke, dass gerade das seine Macht war, die man mit dieser Blume, „Das schöpferische Wort“, symbolisiert hatte. Und wenn man damit in Berührung ist, haben die Worte, die ausgesprochen werden, eine Macht der Beschwörung oder der Erschaffung, der Gestaltung oder der Umgestaltung – das Wort … der Klang hat immer eine Macht. Der Klang hat viel mehr Macht, als die Leute denken. Das kann eine gute Macht sein, und es kann eine böse Macht sein. Er erzeugt Schwingungen, die eine nicht zu leugnende Wirkung haben. Es ist nicht so sehr die Idee als der Klang. Die Idee hat ihre eigene Macht, aber in ihrem eigenen Bereich. Dagegen hat der Klang eine Macht in der materiellen Welt.

Ich meine, ich habe dir das schon einmal erklärt: Ich hatte dir gesagt, dass man zum Beispiel Worte, die man beiläufig ausspricht, oft ohne zu überlegen und ohne ihnen Bedeutung beizumessen, für etwas sehr Gutes nutzen kann. Ich meine, ich sprach mit dir über das „Bonjour“, das „Guten Tag-Sagen“, nicht wahr? Wenn man sich begegnet und sich „Guten Tag“ sagt, machen die Leute das mechanisch und ohne nachzudenken. Legt man aber einen Willen hinein, eine Aspiration, um jemandem wirklich zu wünschen, dass sein Tag gut sei, dann hat diese Art, „Guten Tag“ zu sagen, eine enorme Wirkung. Sie wirkt mehr, als wenn man jemandem begegnet und nur einfach denkt: „Ach, ich hoffe, dass er einen guten Tag hat“, ohne dass man etwas sagt. Wenn man ihm mit dieser Hoffnung im Kopf auf eine bestimmte Art „Guten Tag“ sagt, wird es weitaus konkreter und wirksamer.

Es ist übrigens dasselbe mit den Verwünschungen oder wenn man zornig wird und den Leuten böse Sachen sagt. Das kann ihnen genauso schaden, als wenn du ihnen eine Ohrfeige gibst, und manchmal sogar noch mehr. Sehr sensible Menschen können sich dabei den Magen verderben oder Herzklopfen bekommen, weil du eine böse Kraft hineinlegt hast, die eine zerstörerische Macht besitzt.

Es ist ganz und gar nicht gleichgültig, wie man spricht. Natürlich hängt es im hohen Maß von der inneren Kraft eines jeden ab. Leute, die keine Kraft und kein Bewusstsein haben, können nicht viel ausrichten – außer sie wenden materielle Mittel an. Doch je stärker man ist – vor allem, wenn man ein machtvolles Vital besitzt –, desto größer muss die Kontrolle über das sein, was man sagt, ansonsten kann man viel Schaden anrichten, ohne es zu wollen, ohne es zu wissen, aus Unwissenheit.

Die Macht des Wortes wirksam machen

Worte der Mutter

Es scheint sinnlos, deine Aufmerksamkeit auf die vielen nutzlosen Worte zu lenken, die täglich geäußert werden; dieses Übel ist allgemein bekannt, obwohl nur sehr wenige Menschen daran denken, es zu ändern.

Aber es gibt noch viele andere Worte, die unnötig gesprochen werden. Das heißt, wir haben im Laufe des Tages oft die Möglichkeit, einen hilfreichen Wunsch zu äußern, indem wir das eine oder andere Wort aussprechen, vorausgesetzt, wir wissen, wie wir den angemessenen Gedanken hinter die Worte stellen können.

Aber allzu oft verpassen wir die Gelegenheit, eine wohltuende mentale Atmosphäre um die uns bekannten Menschen herum zu schaffen und ihnen so wirklich zu helfen. Es wäre sehr nützlich, dies Versäumnis zu beheben.

Dazu müssen wir uns weigern, unseren Verstand in diesem Zustand der vagen und passiven Ungenauigkeit zu belassen, der bei den meisten Menschen fast konstant ist.

Um uns allmählich von dieser Schläfrigkeit zu befreien, können wir, wenn wir ein Wort aussprechen, uns zwingen, über seine genaue Bedeutung, seine wahre Bedeutung nachzudenken, um es so voll wirksam zu machen.

Die Kraft der Worte stammt aus drei verschiedenen Quellen

Worte der Mutter

In diesem Zusammenhang können wir sagen, dass die aktive Kraft der Worte aus drei verschiedenen Quellen kommt.

Die ersten beiden liegen im Wort selbst, das zu einer Vielzahl von Kräften geworden ist. Die dritte liegt in der Tatsache, dass wir den tiefen Gedanken ganzheitlich leben, den das Wort ausdrückt, wenn wir es aussprechen.

Wenn diese drei Ursachen der Wirksamkeit kombiniert werden, wird natürlich die Macht des Wortes erheblich verstärkt.

1) Es gibt bestimmte Wörter, deren Resonanz in der physischen Welt die perfekte schwingungstechnische Materialisierung der subtileren Schwingung ist, die durch den Gedanken in seinem eigenen Bereich erzeugt wird. Wenn wir diese Ähnlichkeit zwischen den Schwingungen des Denkens und des Klangs genau untersuchen, können wir die begrenzte Anzahl von Grundsilben entdecken, die die allgemeinsten Ideen zum Ausdruck bringen und die in den meisten gesprochenen Sprachen mit einer fast identischen Bedeutung zu finden sind. (Dieser Sprachursprung ist nicht zu verwechseln mit dem Ursprung von Schriftsprachen, die ganz unterschiedlicher Natur sind und unterschiedlichen Bedürfnissen entsprechen.)

2) Es gibt andere Wörter, die unter bestimmten Umständen seit Hunderten von Jahren wiederholt wurden und die mit den mentalen Kräften all derer, die sie ausgesprochen haben, im Einklang stehen. Sie sind wahre Energiebatterien.

3) Schließlich gibt es Wörter, die eine unmittelbare Bedeutung annehmen, sobald sie ausgesprochen werden, und zwar als Ergebnis des lebendigen Denkens des Sprechers.

Das von mir eben Gesagte möchte ich an einem Beispiel veranschaulichen. Es gibt hier ein sehr machtvolles Wort, denn es kann die Qualitäten aller drei Kategorien kombinieren: Es ist das Sanskritwort „AUM“.

Es wird in Indien verwendet, um die göttliche Immanenz auszudrücken. Dort ist es mit jeder Meditation, jeder Kontemplation, jeder yogischen Praxis verbunden.

Wie kein anderer Klang vermittelt dieser Klang „AUM“ ein Gefühl des Friedens, der Gelassenheit, der Ewigkeit.

Außerdem ist dieses Wort erfüllt mit den mentalen Kräften, die sich seit Jahrhunderten bei allen, die es benutzt haben, um jene Idee angesammelt haben, die es ausdrückt, und vor allem für die Hindus hat es die wahre Kraft, einen mit der göttlichen Essenz in Berührung zu bringen, die es hervorruft.

Und da die Orientalen einen religiösen Geist und die Gewohnheit der Konzentration haben, sprechen nur wenige dieses Wort ohne die Überzeugungskraft aus, die notwendig ist, um es voll wirksam zu machen.

In China wird ein ähnlicher Effekt mit einem Wort von identischer Bedeutung und etwas ähnlichem Klang, dem Wort „TAO“, erzielt.

Unsere westlichen Sprachen sind weniger ausdrucksstark. In ihrer jetzigen Form sind sie zu weit von der Wurzelsprache entfernt, die sie hervorgebracht hat. Aber immer können wir ein Wort durch die Kraft unseres lebendigen und aktiven Denkens beleben.

Außerdem gibt es Formeln, die wir gewinnbringend zu all denjenigen hinzufügen könnten, die allgemein verwendet werden.

Diese Formeln wurden in bestimmten alten Schulen der Initiation verwendet. Sie dienten als Grüße, und im Mund eines Menschen, der wusste, wie man sie denkt, hatten sie eine ganz besondere Wirkkraft. Die Jünger, die Neophyten, die ihre ersten Schritte auf dem Weg machten, wurden begrüßt: „Möge der Friede der Ausgewogenheit mit dir sein.“

Alle wurden begrüßt, die durch ihre ständige und progressive innere und äußere Haltung ihren tiefen und dauerhaften guten Willen gezeigt hatten: „Möge das höchste Gut dir gehören.“

Und bei einigen Lehrern, die besonders hohe Kräfte zeigten, wurde dieses Wort mit der Kraft ausgestattet, wahre Gaben zu vermitteln, zum Beispiel die Gabe der Heilung.

1 Ananda, in der Sprache indischer spiritueller Erfahrung, ist die essentielle Freude, die der Unendliche in sich selbst und in seiner Schöpfung fühlt. Durch das Ananda des unendlichen Selbstes existiert alles, denn für das Ananda des Selbstes wurde alles erschaffen.