Kapitel 8
Verschiedene Arten von Nahrung
Worte Sri Aurobindos
Meiner Meinung nach ist die Bedeutung von sattwischer Ernährung in spiritueller Hinsicht übertrieben worden. Nahrung ist eher eine Frage der Hygiene, und vielen Sanktionen und Verboten, die in den alten Religionen festgelegt wurden, lag eher ein hygienisches als ein spirituelles Motiv zugrunde. Die Erläuterungen der Gita scheinen das gleiche anzudeuten; tamasisches Essen – das scheint sie auszudrücken – ist das, was abgestanden und verdorben ist, das den Wert verloren hat; rajasisches Essen ist das, was scharf, beißend usw. ist, was das Blut erhitzt und der Gesundheit schadet; sattwisches Essen ist, was wohltuend, gesund usw. ist. Es ist durchaus möglich, dass verschiedene Arten von Nahrung das Wirken der verschiedenen gunas fördern und so auf indirekte Weise hilfreich oder schädlich sind, ganz abgesehen von ihrer physischen Auswirkung. Aber nur bis zu diesem Punkt darf man der Sache Glauben schenken. Inwiefern bestimmte Nahrungsmittel sattwisch sind oder nicht, ist eine andere Frage und schwieriger zu entscheiden. In spiritueller Hinsicht möchte ich behaupten, dass die Wirkung der Nahrung mehr von der okkulten Atmosphäre und den damit verbundenen okkulten Einflüssen abhängt als von irgend etwas in der Nahrung selbst. Vegetarismus ist eine völlig andere Frage; er beruht, wie du sagst, auf dem Willen, den bewussteren Lebensformen zur Befriedigung des Magens keinen Schaden zuzufügen.
Sich darin zu üben, alle Arten von Nahrung mit gleichem rasa zu sich zu nehmen, ist nicht notwendig und man kann es in Wirklichkeit auch nicht durch Übung erreichen. Man muss den Gleichmut innerlich im Bewusstsein erwerben, und so wie dieser Gleichmut zunimmt, kann man ihn auf verschiedene Bereiche der Bewusstseinstätigkeit ausdehnen oder anwenden.

Kapitel 9
Die Nahrung für Kinder
Worte der Mutter
Alle, die die Fragen der Körpererziehung ernst nehmen und ihrem Kinde die besten Voraussetzungen geben wollen, sich normal zu entwickeln, werden leicht die notwendigen Ratgeber und Anweisungen finden. Diese Seite der Erziehung wird zunehmend sorgfältiger studiert, und zahlreiche Werke sind erschienen und erscheinen ständig neu, die diese Themen ausgiebig behandeln.
Es ist mir nicht möglich, hier auf praktische Einzelheiten einzugehen, denn kein Problem gleicht dem anderen, und so muss die Lösung immer individuell sein, dem gegebenen Fall angepasst.
Die Frage der Ernährung ist eingehend und sorgfältig untersucht worden. Die Diätvorschriften, die einzuhalten sind, um dem Kind in seinem Wachstum zu helfen, sind weitgehend bekannt und werden sinnvoll angewendet. Doch ist es sehr wichtig, sich daran zu erinnern, dass der Instinkt des Körpers, solange er unverbildet ist, sicherer ist als alle Theorie. Will man, dass das Kind sich normal entwickelt, darf man es darum nicht zwingen, Speisen zu sich zu nehmen, gegen die es einen Widerwillen empfindet; denn meistens hat der Körper ein sicheres Gefühl für das, was ihm schadet, es sei denn, dass das Kind besonders launisch ist.
In seinem normalen Zustand, das heißt, ohne das Dazwischentreten der Überlegung oder der vitalen Begierden, weiß der Körper sehr genau, was für ihn gut und notwendig ist; damit jedoch dieser Instinkt wirksam werden kann, muss man das Kind mit Sorgfalt erziehen und es lehren, zwischen seinen Wünschen und seinen Bedürfnissen zu unterscheiden. Man soll ihm beibringen, Geschmack an einer gesunden und einfachen, kräftigen und appetitlichen Nahrung zu finden; die keine unnötigen oder komplizierten Bestandteile enthält. In seinem täglichen Speiseplan muss alles vermieden werden, was schwer zu verdauen ist oder aufschwemmt. Vor allem sollte man das Kind lehren zu essen, um seinen Hunger zu stillen, nicht mehr und nicht weniger, und nicht die Mahlzeit zu einer Gelegenheit zu machen, seine Gier und Lust auf Leckerbissen zu befriedigen. Es ist wichtig, von Kindheit an zu begreifen, dass man sich ernährt, um seinem Körper Kraft und Gesundheit zu geben und nicht, um dem Gaumen zu schmeicheln. Man muss den Kindern die Nahrung geben, die ihrem Temperament zukommt, die mit allen Sicherheiten der Hygiene und Sauberkeit zubereitet, von angenehmem Geschmack und doch von größter Einfachheit ist. Diese Nahrung muss dem Alter und der Tätigkeit des Kindes entsprechend ausgewählt und zugemessen werden. Sie muss alle chemischen und dynamischen Bestandteile enthalten, die für seine Entwicklung und für das gleichmäßige Wachstum aller Teile seines Körpers notwendig sind.
Da man dem Kind nur das zu essen geben wird, was nötig ist, um es in guter Gesundheit zu erhalten und ihm die erforderlichen Kräfte zu verleihen, muss man sich sorgfältig davor hüten, die Nahrung als ein Mittel des Zwangs oder der Bestrafung zu benutzen. Die Gewohnheit, dem Kind zu sagen: „Du warst nicht brav, du bekommst keinen Nachtisch!“ ist äußerst schädlich. So erweckt man in seinem kleinen Bewusstsein den Eindruck, dass ihm die Nahrungsmittel hauptsächlich gegeben werden, um sein Leckermäulchen zu befriedigen und nicht, weil sie unerlässlich sind für das gute Funktionieren des Körpers.

Worte der Mutter
Wenn ich mich als Kind bei meiner Mutter über das Essen oder andere kleine Dinge dieser Art beklagte, pflegte sie mir zu sagen, ich solle lieber meine Arbeit tun oder fleißig lernen als mich mit Lappalien aufzuhalten. Sie fragte mich, ob ich im Glauben sei, für mein Vergnügen geboren zu sein. „Du bist geboren, um das höchste Ideal zu verwirklichen“, sagte sie und schickte mich weg. Sie hatte völlig recht, obwohl natürlich ihr Begriff vom höchsten Ideal nach unserem Maßstab ziemlich armselig war. Wir alle sind für das höchste Ideal geboren.

Kapitel 10
Rauchen, Trinken und Drogen
Worte der Mutter
Manche Leute glauben, dass Rauchen, Trinken usw. einen Teil des zukünftigen Lebens prägen wird. Das ist ihre Sache. Wenn sie durch diese Erfahrung hindurchgehen wollen, lass sie. Sie werden erkennen, dass sie sich in ihre eigenen Begierden einsperren. Aber auf jeden Fall bin ich kein Moralist, überhaupt nicht, überhaupt nicht. Es ist ihre eigene Angelegenheit. Wenn sie durch diese Erfahrung hindurchgehen wollen, lass sie. Aber dafür ist der Ashram nicht der Ort. Dank sei Gott, im Ashram haben wir gelernt, dass das Leben etwas anderes ist. Das wahre Leben bedeutet nicht Befriedigung von Begierden. Aus Erfahrung kann ich bestätigen, dass alle durch Drogen hervorgerufenen Erfahrungen, all dieser Kontakt mit der unsichtbaren Welt, in einer viel besseren, bewussteren und kontrollierteren Art und Weise ohne Drogen hergestellt werden kann. Nur, man muss sich unter Kontrolle haben. Es ist schwieriger, als Gift zu schlucken. Aber ich werde keine Predigten halten.

Worte der Mutter
Es gibt auch Menschen, die sich dem Laster hingeben – dem einen oder dem anderen, wie Trinken und Injektionen von Drogen – und die sehr genau wissen, dass dies sie in Verderben und Tod führt. Aber sie entscheiden sich, das zu tun, wissentlich.
Sie haben über sich selbst keine Kontrolle.
Es gibt immer einen Augenblick, in dem jedermann über Selbstkontrolle verfügt. Und wenn man nicht einmal „Ja“ gesagt, die Entscheidung getroffen hätte, hätte man es nicht getan.
Es gibt nicht ein menschliches Wesen, das nicht die Energie und die Fähigkeit besitzt, etwas ihm Aufgezwungenem zu widerstehen – wenn es ihm überlassen ist, so zu handeln. Leute sagen dir: „Ich kann nicht anders“ – das geschieht, weil sie in der Tiefe ihres Herzens gar nicht anders wollen. Sie haben es hingenommen, Sklaven ihres Lasters zu sein. Es gibt einen Augenblick, in dem man das akzeptiert.

Worte der Mutter
Warum zerstören Tabak und Alkohol das Gedächtnis und den Willen?
Warum? Weil sie das tun. Es gibt keinen moralischen Grund. Es ist eine Tatsache. Es ist ein Gift im Alkohol, es ist ein Gift im Tabak. Und dieses Gift dringt in die Zellen ein und zerstört sie. Alkohol wird sozusagen niemals herausgeworfen. Er sammelt sich in einem bestimmten Teil des Gehirns an, und anschließend funktionieren diese Zellen überhaupt nicht mehr – manche Leute werden deshalb sogar verrückt, das nennt man Delirium Tremens, die Folge von zu viel Alkohol, der nicht aufgenommen wurde, sondern auf diese Weise im Gehirn konzentriert bleibt. Und das ist sogar so radikal… Es gibt in Frankreich eine Provinz, in der ein Wein produziert wird, ein Wein mit sehr niedrigem Alkoholgehalt: ich glaube, es sind vier oder fünf Prozent, ein sehr niedriger Prozentsatz, nicht wahr? Und diese Leute trinken Wein, weil sie ihn selbst gemacht haben, wie man Wasser trinkt. Sie trinken ihn pur, und nach einiger Zeit werden sie krank. Sie haben zerebrale Störungen. Ich kannte Leute dieser Art. Das Gehirn war gestört, es funktionierte nicht mehr. Und Tabak – Nikotin ist ein sehr schweres Gift. Es ist ein Gift, das die Zellen zerstört. Ich habe gesagt, es ist ein langsames Gift, weil man es nicht sofort spürt, außer wenn man das erste Mal raucht und es einen krank macht. Und das sollte dich verstehen lassen, dass man es nicht tun sollte. Nur sind Leute so dumm, dass sie es für eine Schwäche halten und deshalb fortfahren, bis sie sich an das Gift gewöhnt haben. Und der Körper reagiert nicht länger, er gestattet es, zerstört zu werden, ohne zu reagieren: du wirst die Reaktion los.
Das verhält sich physisch ebenso wie moralisch. Tust du etwas, das du nicht tun solltest und dein seelisches Wesen sagt dir in seiner noch zarten Stimme, es zu unterlassen, dann wird es dir, wenn du ihm dennoch zuwiderhandelst, nach einer Weile nichts mehr mitteilen, und du wirst überhaupt keine inneren Reaktionen auf all deine schlechten Handlungen mehr erfahren, weil du dich geweigert hast, der Stimme zu gehorchen, als sie zu dir sprach. Und dann entwickelst du dich natürlich vom Schlechten zum Schlimmeren und stolperst in ein Loch. Nun, mit dem Tabak ist es das gleiche: beim ersten Mal reagiert dein Körper heftig, er erbricht sich, er sagt zu dir: „Ich will das um keinen Preis.“ Du unterwirfst ihn mit deiner vitalen und mentalen Dummheit, du zwingst ihn, es zu tun. Er antwortet nicht mehr und lässt es zu, allmählich vergiftet zu werden, bis er zerfällt. Die Funktionsfähigkeit wird vermindert; die Nerven werden betroffen. Sie übertragen den Willen nicht länger, weil sie angegriffen sind, sie sind vergiftet. Und letztendlich beginnen die Leute zu zittern, sie haben nervöse Zuckungen. Davon gibt es ziemlich viele, man braucht nicht weit zu gehen, um sie zu finden. Und sie sind nur so, weil sie sich Exzessen hingegeben haben: sie tranken und rauchten. Und wenn sie einen Gegenstand heben, zittern ihre Hände (Geste). Das bekommt man, indem man sich so verhält.

Worte der Mutter
Ich erinnere mich an einen Mann, der hierherkam – es ist schon sehr lange her –, um für das Abgeordnetenamt zu kandidieren Es ergab sich, dass er mir vorgestellt wurde, weil man meine Meinung über ihn hören wollte, und da stellte er mir Fragen über den Ashram und das Leben, das wir hier führen, und darüber, was ich als unerlässliche Lebensdisziplin begriff. Das war ein Mann, der den ganzen Tag rauchte und viel mehr trank als notwendig war, und dann beklagte er sich, dass er Erschöpfungszustände habe und sich manchmal nicht beherrschen könne. Ich sagte zu ihm: „Wissen Sie, zuerst müssen sie aufhören zu rauchen und dann müssen Sie aufhören zu trinken.“ Da schaute mich dieser Mann unglaublich verblüfft an und sagte zu mir: „Ja aber, wenn man weder raucht noch trinkt, dann ist das Leben nicht lebenswert!“ Da habe ich zu ihm gesagt: „Wenn Sie noch immer auf dieser Stufe sind, lohnt es sich nicht, weiter darüber zu sprechen.“
Und das findet man wesentlich öfter, als man denkt. Uns erscheint das absurd, denn wir haben etwas anderes, das offenkundig viel interessanter ist als zu rauchen und zu trinken. Aber für gewöhnliche Menschen besteht der Sinn des Daseins darin, ihre Begehrlichkeiten zu befriedigen. Das scheint für sie eine Bestätigung ihrer Unabhängigkeit und ihres Lebensinhaltes zu sein. Das aber ist nur eine Verirrung, eine Deformation, die eine Verneinung des Lebensinstinkts ist. Es ist ein schädliches Eingreifen des Denkens und des Vitaltriebes in das physische Leben. Das ist ein schädlicher Impuls, der normalerweise nicht vorhanden ist, auch nicht bei den Tieren. In diesem Fall ist deren Instinkt unendlich viel vernünftiger als der menschliche Instinkt – den es übrigens nicht mehr gibt. Er ist durch einen ganz verdorbenen Trieb ersetzt worden.
Perversion ist eine menschliche Krankheit, die nur sehr selten bei Tieren auftritt, und dann auch nur bei Tieren, die dem Menschen nahe gekommen sind und von seiner Perversion verdorben wurden.
Es gibt eine Geschichte von einigen Offizieren in Nordafrika, in Algerien, die einen Affen adoptiert hatten. Der Affe wohnte bei ihnen und eines Tages beim Abendessen hatten sie eine groteske Idee und gaben dem Affen etwas zu trinken. Sie gaben ihm Alkohol. Der Affe sah zuerst die anderen trinken, das schien ihm etwas sehr Interessantes, und er trank ein Glas, ein volles Glas Wein. Daraufhin wurde er krank, äußerst krank, er wälzte sich schmerzverzerrt unter dem Tisch und war wirklich in einer argen Situation. So gab er den Menschen ein Beispiel der spontanen Wirkung von Alkohol, wenn die physische Natur noch nicht pervertiert ist. Er starb beinahe an Vergiftung. Er erholte sich. Und einige Zeit später wurde ihm wieder erlaubt, zum Abendessen zu kommen, da er sich erholt hatte, und jemand stellte ihm ein Glas Wein hin. Der Affe griff es mit furchtbarem Zorn und schmiss es dem Mann, der es ihm gegeben hatte, an den Kopf… Dadurch demonstrierte er, dass er viel klüger als die Menschen war!
Es ist gut, wenn man in frühem Alter zu lernen beginnt, dass die Vernunft der Meister im eigenen Hause sein muss, wenn man ein effektives Leben führen und ein Maximum aus dem eigenen Körper herausholen möchte. Und es ist hier nicht die Frage von Yoga oder höherer Verwirklichung, es ist etwas, was man überall lehren sollte, in jeder Schule, jeder Familie, jedem Heim: der Mensch wurde geschaffen, um ein mentales Wesen zu sein, und um lediglich ein Mensch zu sein – wir sprechen nicht von irgendetwas anderem, wir sprechen nur davon, ein Mensch zu sein –, muss das Leben von der Vernunft beherrscht werden und nicht von vitalen Impulsen. Dies sollte man Kindern von frühestem Alter an beibringen. Wenn man nicht von der Vernunft dominiert wird, so ist man eine Bestie, tiefer als Tiere; denn diese haben keinen mentalen Geist oder Verstand, der sie dominieren könnte, sondern sie gehorchen dem Instinkt der Spezies. Es gibt einen Instinkt der Spezies, der ein äußerst vernünftiger Instinkt ist, welcher all ihre Aktivitäten zu ihrem eigenen Besten reguliert, und automatisch, ohne dass sie es wissen, sind sie diesem Instinkt der Spezies unterworfen, der vom Standpunkt jener Spezies aus, ja jeder Spezies, ganz und gar vernünftig ist. Und jene Tiere, die aus dem einen oder anderen Grund davon frei werden – wie ich vorhin gerade sagte, jene, die in der Nähe des Menschen leben und dem Menschen zu gehorchen beginnen, anstatt dem Instinkt der Spezies – werden pervertiert und verlieren die Eigenschaften ihrer Spezies. Aber ein Tier, das seinem natürlichen Leben überlassen bleibt und frei von menschlichem Einfluss ist, ist von seinem eigenen Standpunkt aus ein äußerst vernünftiges Wesen, denn es tut nur Dinge, die im Einklang mit seiner Natur und seinem eigenen Besten stehen. Natürlich stößt ihm dann und wann etwas zu, weil es sich ständig mit anderen Spezies im Krieg befindet, aber es selbst handelt nicht töricht. Dummheiten und Perversion beginnen mit einem bewussten Mental und der menschlichen Spezies. Es ist der falsche Gebrauch, den der Mensch von seiner mentalen Kapazität macht. Perversion beginnt mit der Menschheit.

Kapitel 11
Das einzige, was zählt: Die Wandlung des Bewusstseins
Worte Sri Aurobindos
Eine andere Schwierigkeit in Hinsicht auf die Transformation des Körpers besteht darin, dass er existenziell von Nahrung abhängt, und auch hierin sind die dumpfen körperlichen Instinkte, Impulse und Begierden verwickelt, die mit diesem schwierigen Faktor verbunden sind, das grundsätzliche Verlangen des Gaumens, die Gier nach Nahrung und animalischer Völlerei, die Verrohung des Mentals, wenn es im Morast der Sinne herumkriecht, seiner bloß animalischen Schicht in Knechtschaft hörig geworden ist und sich an seine Bindung an die Materie klammert. Das höhere Menschliche in uns sucht Zuflucht in einer gemäßigten Abwandlung all dessen, in Enthaltsamkeit und Abstinenz oder in Nachlässigkeit hinsichtlich des Körpers und seiner Wünsche, und indem es sich an höhere Dinge verliert. Der spirituelle Sucher, wie z.B. der Jain-Asket, nimmt oft Zuflucht zu langem, häufigem Fasten, das ihn, zumindest zeitweise, aus den Fesseln des körperlichen Verlangens löst und ihm hilft, in sich die reine Leere der weiten Räume des spirituellen Geistes zu fühlen. Aber all das ist noch keine Befreiung, und es mag sich die Frage erheben, ob sich das göttliche Leben ebenfalls nicht nur anfangs, sondern für immer dieser Notwendigkeit unterwerfen muss. Aber es könnte sich nur dann gänzlich befreien, wenn es den Weg ausfindig machen könnte, die universale Energie an sich zu ziehen, und zwar so, dass die Energie nicht nur die vitalen Schichten unserer Körperlichkeit erhalten würde, sondern auch die ihn aufbauende Materie, so dass keine äußere materielle Substanz zu seiner Aufrechterhaltung mehr nötig wäre. Es ist tatsächlich möglich, sogar während langer Fastenperioden, die volle Energie und Aktivität der Seele, des Mentals und des Vitals, ja sogar des Körpers zu erhalten, wach zu bleiben, doch alle Zeit im Yoga konzentriert, oder tief nachzudenken und Tag und Nacht zu schreiben, auf Schlaf zu verzichten, acht Stunden täglich zu marschieren, nur eine dieser Tätigkeiten oder aber alle miteinander zu verrichten und keinen Kräfteverlust zu spüren, keine Müdigkeit, keine Art von Versagen oder gar Zusammenbruch. Am Ende der Fastenzeit kann man sogar die normale oder gar eine größere als die normale Nahrungsmenge sofort zu sich nehmen, ohne einen Übergang oder irgendwelche Vorsichtsmaßnahmen zu beachten, wie sie die medizinische Wissenschaft empfiehlt, als ob beides, sowohl das völlige Fasten wie auch das Schlemmen ganz natürliche Verhaltensweisen seien, wobei man sofort und leichthin von einer zur anderen überwechseln kann, weil der Körper schon durch eine Art beginnender Transformation trainiert ist, ein Instrument der Kräfte und Aktivitäten des Yoga zu sein. Einer einzigen Folge wird man nicht entgehen können, nämlich dem Schwinden des stofflichen Körpergewebes, seiner fleischlichen Substanz. Es wäre denkbar, wenn nur ein praktischer Weg und die Mittel gefunden werden könnten, dieses letzte und unbesiegbar scheinende Hindernis ebenfalls erobern und den Körper erhalten zu können, und zwar durch einen Austausch seiner Kräfte mit den Kräften der materiellen Natur, indem er ihr die notwendigen Rechte einräumen und von ihr direkt die unterstützenden Energien aus ihrer universalen Existenz beziehen würde. Es wäre auch denkbar, dass man auf dem Höhepunkte der Entwicklung des Lebens jenes Phänomen wiederentdecken und zurückerobern könnte, das man als seine Basis betrachten kann, nämlich die Fähigkeit, die Mittel zur Erhaltung und Selbsterneuerung aus der Umgebung an sich zu ziehen. Oder aber, das entwickeltere Wesen könnte die noch größere Fähigkeit erwerben, diese Mittel von oben an sich zu ziehen statt von unten oder aus unserer Umgebung rundum. Bis wir aber irgendetwas dieser Art erreicht oder ermöglicht haben, müssen wir zu Nahrung und den bekannten materiellen Kräften der Natur zurückkehren.
In Wirklichkeit beziehen wir ständig, wie unbewusst auch immer, universale Energie, die Kraft in der Materie, um unsere materielle Existenz und die mentalen, vitalen und anderen Fähigkeiten im Körper aufzufrischen: Wir tun es direkt in den unsichtbaren Austauschprozessen, die durch die Natur dauernd in Gang gehalten werden und durch spezielle Mittel, die sie erfunden hat; atmen ist eines dieser Mittel, schlafen und ruhen ebenso. Um aber den grobstofflichen Körper, sein Wirken und seine inneren Fähigkeiten zu erhalten und zu erneuern, hat die Natur als ihr grundlegendes Mittel das Aufnehmen von Materie von außen in Form von Nahrung gewählt, deren Verdauung, die Assimilierung dessen, was angleichbar ist, und die Ausscheidung dessen, was nicht angeeignet werden kann oder werden sollte; und das genügt zur bloßen Erhaltung; um aber dem Körper, der auf diese Weise erhalten wird, Gesundheit und Kraft zu verleihen, hat sie noch den Impuls zu Körperübungen und Spielen allerlei Art hinzugefügt, Wege der Verausgabung und Erneuerung der Energie, die Wahl oder die Notwendigkeit vielfältigen Handelns und Arbeitens. In dem neuen Leben wäre es, zumindest anfangs, nicht notwendig oder ratsam, eine übertriebene oder voreilige Zurückweisung der Nahrungsaufnahme zu fordern oder der althergebrachten natürlichen Art, den noch nicht völlig umgeformten Körper zu erhalten. Wenn diese Dinge überwunden werden müssen, dann muss der Entschluss aus dem erwachten Willen des Geistes kommen, eines Willens, der auch in der Materie selbst als gebieterischer Entwicklungszwang auftauchen müsste, als ein Akt der schöpferischen Transmutation der Zeit oder als eine Herabkunft aus dem Transzendenten. Unterdessen mag das Aufladen mit universeller Energie aus unserer Umwelt oder von oben durch bewussten Einsatz der höheren Kräfte unseres Wesens, durch Anrufen des für uns immer noch transzendenten Bewusstseins oder durch die Herabkunft und das Eindringen des Transzendenten selbst ein gelegentliches, ein häufiges oder ein ständiges Phänomen werden; und damit würde die Rolle, die die Nahrung und das Bedürfnis nach ihr spielt, immer mehr an Bedeutung verlieren und zu einer Nebensache werden, die uns nicht mehr wesentlich beschäftigt und von der wir immer weniger abhängig wären.
In der Zwischenzeit mögen Ernährung und die gewöhnlichen Naturprozesse akzeptiert werden, obwohl wir uns aus der Haft der Begierden und der gröberen unterschiedslosen Gelüste und aus dem Griff der Fleischeslust befreien müssten, die alle in den Bereich der Unwissenheit gehören; die körperlichen Prozesse müssen verfeinert und die gröbsten sollten ausgelöscht werden, und entweder müssen neue Verfahrensweisen gefunden werden oder neue Mittel auftauchen. Solange sie akzeptiert sind, mag ein verfeinertes Vergnügen an ihnen erlaubt sein, sogar ein begierdeloses Entzücken des Geschmackssinnes an die Stelle des körperlichen Genusses und des wählerischen Bevorzugens und Zurückweisens treten, unserer jetzigen unreifen Antwort auf das, was die Natur uns anbietet. Es muss daran erinnert werden, dass Erde und Materie in einem göttlichen Leben auf Erden gar nicht zurückgewiesen werden können und sollen, sondern zu sublimieren sind; sie sollen die Möglichkeiten des spirituellen Geistes in sich enthüllen, den höchsten Absichten des Geistes dienen und in Instrumente eines größeren Lebens umgeformt werden.

Worte der Mutter
Die Darstellung, die Sri Aurobindo hier1 von der Möglichkeit eines verlängerten Fastens gibt, wobei man alle Tätigkeiten beibehält, ist die Beschreibung seiner eigenen Erfahrung.
Er spricht nicht von einer Möglichkeit, sondern von etwas, das er getan hat. Doch wäre es ein großer Irrtum zu meinen, dass das ein Experiment ist, das man in seiner äußeren Form nachahmen kann; und selbst wenn man durch eine Willensanstrengung Erfolg hätte, wäre es vom spirituellen Standpunkt aus vollkommen nutzlos, wenn dem Experiment nicht eine Bewusstseinsänderung vorausgegangen ist, was eine Vor-Befreiung wäre.
Durch die Enthaltung von der Nahrung lässt sich kein spiritueller Fortschritt herbeiführen, sondern durch das Freisein von jeglicher Bindung an die Nahrung, von jeder Begierde nach ihr und jeder Sorge um sie und vor allem auch von jedem Bedürfnis, und zwar dadurch, dass man in einem Zustand ist, in dem all diese Dinge dem Bewusstsein so fremd sind, dass sie keinen Platz darin haben. In diesem Augenblick ergibt es sich spontan und natürlich, dass man nutzbringend mit dem Essen aufhören kann. Man könnte sagen, die Grundbedingung ist, dass man vergisst zu essen – dass man es vergisst, denn alle Energien des Wesens und die ganze Konzentration sind einer umfassenderen, wahreren inneren Verwirklichung zugewandt: dieser ständigen, unbedingten Beschäftigung um die Vereinigung des gesamten Wesens, einschließlich der Körperzellen, mit der Schwingung der göttlichen Kräfte, mit der supramentalen Kraft, die sich manifestiert, so dass dies das eigentliche Leben ist: nicht nur der Grund des Lebens, sondern die Essenz des Lebens; nicht nur ein unbedingtes Bedürfnis des Lebens, sondern seine ganze Freude und sein ganzer Sinn.
Wenn das da ist, wenn diese Verwirklichung erreicht ist, dann hat essen oder nicht essen, schlafen oder nicht schlafen, keinerlei Bedeutung mehr. Das ist ein äußerer Rhythmus, der dem Spiel der Kräfte in ihrer Gesamtheit überlassen bleibt und sich in den Umständen und den Personen, die einen umgeben, ausdrückt; und der Körper, vereint, vollkommen vereint mit der inneren Wahrheit, ist dann geschmeidig und befindet sich in ständiger Anpassung: Wenn Nahrung da ist, nimmt er sie; ist sie nicht da, denkt er nicht daran. Und so ist das mit allem anderen… Das ist ja nicht das Leben! Das sind Daseinsweisen, denen man sich anpasst, ohne irgendeinen Gedanken daran zu verschwenden. Das gibt dir eine Art Gefühl des Aufblühens, als öffne sich eine Blüte auf einem Pflanzenstängel, wie eine Aktivität, die nicht aus einem konzentrierten Willen hervorgeht, die aber in Harmonie ist mit allen dich umgebenden Kräften, eine Art und Weise der Anpassung an deine Lebensumstände, die absolut keine Bedeutung in sich selbst haben.
Es kommt ein Zeitpunkt, wo man, frei von allem, praktisch überhaupt nichts mehr braucht und alles benutzen, alles tun kann, ohne dass dies irgendeinen wirklichen Einfluss auf seinen gegenwärtigen Bewusstseinszustand hätte. Darauf kommt es an. Es mit äußeren Schritten oder willkürlichen Entscheidungen zu versuchen, die dem nach einem höheren Leben strebenden mentalen Bewusstsein entspringen, kann ein Mittel sein, das nicht sehr wirksam, aber doch eine Mahnung an das Wesen ist, dass es etwas anderes sein soll als es in seiner Tierhaftigkeit ist – aber das ist es nicht, das ist es überhaupt nicht! Jemand, der so vollständig in seine innere Aspiration vertieft sein könnte, dass er überhaupt keinen besorgten Gedanken an diese äußeren Dinge verschwendet, der einfach nähme, was kommt, und nicht daran dächte, wenn es nicht kommt, wäre unendlich viel weiter auf dem Weg, als jener, der sich zu asketischen Übungen zwingt mit der Vorstellung, das führe ihn zur Verwirklichung.
Das einzig wirklich Effektive ist die Wandlung des Bewusstseins; es ist die innere Befreiung durch eine innige, beständige, absolute, unausweichliche Vereinigung mit der Schwingung der supramentalen Kräfte. Diese Vereinigung mit den supramentalen Kräften, den göttlichen Kräften, ist die Hauptaufgabe in jeder Sekunde, der Wille aller Wesenselemente, die Aspiration des gesamten Wesens, einschließlich aller Körperzellen. Und man braucht sich überhaupt keine Gedanken mehr über die Konsequenzen zu machen. Was im Spiel der universellen Kräfte und ihrer Manifestation da sein soll, wird ganz natürlich, spontan und automatisch da sein, da braucht man sich keine Sorgen zu machen. Das einzige, was zählt, ist die ständige, totale, vollständige – die ständige, ja, die ständige – Verbindung mit der Kraft, dem Licht, der Wahrheit, der Macht und dieser unausdrückbaren Wonne des supramentalen Bewusstseins.
Das ist Aufrichtigkeit. Alles Übrige ist eine Imitation, es ist fast eine Komödie, die man sich selbst vorspielt.

1 Die Mutter bezieht sich auf den Text zuvor aus „The Supramental Manifestation, pp. 28-29“.
Kapitel 12
Allgemeine Hinweise und Ratschläge
Worte der Mutter
Was gefordert wird, ist, innerlich frei zu sein vom Trachten, von der Gier nach Nahrung und dem Verlangen nach Wohlschmeckendem, jedoch nicht die aufgenommene Nahrungsmenge unangemessen zu verringern oder gar ein Selbstaushungern. Man hat zur Erhaltung des Körpers, seiner Kraft und Gesundheit genügend Nahrung zu sich zu nehmen, doch ohne Abhängigkeit oder Begehren.

Worte der Mutter
Hast du ein Begehren, dann wirst du von der Sache, die du begehrst, beherrscht. Es nimmt dein Mental und dein Leben in Besitz, und du wirst ein Sklave. Hast du ein starkes Verlangen nach Nahrung, dann bist du nicht mehr Herr über das Essen, sondern es ist das Essen, das dich beherrscht.

Worte Sri Aurobindos
Diese Neigung der Natur [die Esslust] solltest du weder übergehen noch zu sehr beachten; man muss sich damit auseinandersetzen, sie läutern und bezähmen, ohne ihr zu große Bedeutung beizumessen. Es gibt zwei Wege, sie zu überwinden: den einen der Loslösung – das Essen lediglich als eine physische Notwendigkeit und die vitale Befriedigung des Magens und Gaumens als eine Sache ohne Belang zu betrachten lernen; der andere Weg besteht darin, ohne Beharrlichkeit oder Verlangen jedes angebotene Essen anzunehmen und – gleichgültig, ob andere es gut oder schlecht finden – den gleichen rasa in ihm zu finden, nicht den der Nahrung als solcher, sondern den des universalen Ananda.

Worte Sri Aurobindos
Hunger auf diese Weise zu unterdrücken ist nicht gut, es bringt sehr oft Störungen mit sich. Ich bezweifle, ob Beleibtheit oder Schlankheit von gesunder Art etwas mit der aufgenommenen Nahrungsmenge zu tun hat – es gibt Menschen, die gut essen und schlank sind, und andere, die nur eine einzige Mahlzeit am Tag einnehmen und dick bleiben. Durch Unterernährung (weniger zu essen als der Körper wirklich braucht), wird man ausgezehrt, doch ist das kein gesunder Zustand. Die Ärzte sagen, dass es großenteils vom Funktionieren gewisser Drüsen abhängt. Auf jeden Fall ist es jetzt wichtig, die Stärke der Nerven zurückzuerlangen.
Auch hinsichtlich der Leber hilft wenig zu essen nicht, sehr oft macht es die Leber träge, so dass sie weniger gut arbeitet. Gegen Störungen der Leber wird empfohlen, fettes Essen und zu viel Süßigkeiten zu meiden. Aber zu wenig zu essen ist nicht gut – es mag für gewisse Magen- oder Darmerkrankungen richtig sein, aber nicht für eine gewöhnliche Leberstörung.

Worte der Mutter
Ich kann dir wirklich versichern, dass Magenschmerzen wie auch viele andere Beschwerden zu neunzig Prozent auf falsches Denken und lebhafte Einbildungskraft zurückzuführen sind – ich meine, die materielle Basis für sie ist praktisch gleich Null.

Worte Sri Aurobindos
Wenn du starke [Magen-] Schmerzen hast, kannst du für einen Tag oder zwei Tage die Arbeit ruhen lassen, bis sie abgeklungen sind. Wenn du natürlich glaubst, nur daran zu leiden, dass du keine flüssige Nahrung erhältst, löst es das Problem. Du kannst mit flüssiger Nahrung allein auskommen, doch wenn du nur flüssige Nahrung zu dir nimmst, wirst du zur Arbeit nicht kräftig genug sein. Gewöhnlich aber spielen die Gedanken bei der Festlegung dieser Dinge eine große Rolle. Das Mental hat den Eindruck, dass jede feste Nahrung Schmerz verursachen wird, und der Körper richtet sich danach – als natürliches Ergebnis beginnt daher jede feste Nahrung Schmerz zu verursachen.

Worte Sri Aurobindos
Das ist ganz natürlich. Körperübungen steigern immer den Appetit, weil der Körper mehr Nahrung benötigt, um die mehr verbrauchte Energie zu ersetzen. Je mehr physische Arbeit der Körper verrichtet, umso mehr Nahrung braucht er normalerweise. Auf der anderen Seite erfordert mentale Arbeit keine Steigerung der Nahrungsmenge – das wurde wissenschaftlich durch Experimente festgestellt. Hunger kann aufgrund anderer Ursachen zunehmen, wenn er aber damit zusammentrifft, dass du anstrengende Spiele oder Körperübungen aufgenommen hast, ist das ganz normal.

Worte Sri Aurobindos
Im vorgerückten Alter ist es wünschenswert, die Kost zu verringern.

Worte der Mutter
Eine zu starke Herdflamme verbrennt das Essen, beschädigt den Topf und verbraucht zu viel an Energie. Eine kleine Flamme bedeutet zwar eine längere Kochzeit, aber die Mahlzeit wird weitaus besser.
Hastige Arbeit ist immer eine schlechte Arbeit; man muss sich Zeit lassen, wünscht man ein gutes Resultat.

Alle Streitigkeiten an Orten, an denen Lebensmittel zubereitet werden, machen das Essen unverdaulich. Man muss in Ruhe und Harmonie kochen.
