Teil 2 WAHRE MEDITATION
Kapitel 1
Innere Kontemplation
Worte der Mutter
Wie oft im Leben erleben wir eine Art Leere, einen Moment, in dem wir nichts zu tun haben, manchmal nur ein paar Minuten, bisweilen länger. Und was tun wir? Wir versuchen sofort, uns abzulenken, und man denkt sich irgendeine Torheit aus, mit der man seine Zeit verbringt. So ist das nun mal. Alle Menschen, die jüngsten wie die ältesten, verbringen den Großteil ihrer Zeit in dem Bemühen, sich nicht zu langweilen. Gegen nichts hegen sie eine größere Abneigung als gegen die Langeweile, und der Langeweile entkommt man am besten, indem man sich töricht benimmt.
Es gibt aber noch eine bessere Alternative, nämlich sich etwas zu vergegenwärtigen.
Wenn du ein bisschen Zeit hast, sei es eine Stunde oder auch nur ein paar Minuten, sage dir: „Endlich habe ich etwas Zeit, mich zu konzentrieren, mich zu sammeln, mir erneut den Sinn meines Lebens vor Augen zu führen, mich dem Wahren und Ewigen zu widmen.“ Tust du dies immer dann, wenn nicht gerade äußere Umstände auf dich einstürmen, wirst du feststellen, dass du auf dem Weg deiner Entwicklung große Fortschritte machst. Anstelle deine Zeit zu verschwenden, indem du schwätzt, sinnlose Dinge tust, Dinge liest, die dein Bewusstsein nach unten ziehen – und ich nenne nur die besten Beispiele, es gibt noch ganz andere, viel schwerwiegendere Dummheiten –, statt dass du also versuchst, dich zu zerstreuen und du die ohnehin so knapp bemessene Zeit noch weiter verkürzt, nur um am Ende deines Lebens festzustellen, dass du Dreiviertel deiner Chancen vertan hast – und dann versuchst, die doppelte Zeit aufzubringen, was aber nicht funktioniert –, sei lieber bescheiden, ausgeglichen, geduldig, ruhig und nutze jede dir gegebene Gelegenheit, den Moment der Muße dem wahren Sinn und Zweck zu widmen.
Wenn du nichts zu tun hast, wirst du unruhig und fängst an, durch die Gegend zu rennen, dich mit Freunden zu treffen, spazieren zu gehen – um nur die positivsten Beispiele zu nennen, ganz zu schweigen von denen, die man überhaupt unterlassen sollte. Setze dich lieber unter den Himmel, ans Meer oder unter einen Baum, was sich gerade anbietet – hier stehen dir alle Möglichkeiten offen – und versuche, die Antwort auf eine der folgenden Fragen zu finden: Warum lebst du, wie solltest du leben, was willst du tun, und wie sollte es getan werden, wie kannst du am besten der Unwissenheit, der Falschheit und dem Schmerz entkommen, in dem zu lebst?

Worte der Mutter
Mit ziemlicher Sicherheit kann man die Freiheit des Geistes nicht allein dadurch erlangen, dass man alleine isst, alleine schläft und alleine im Wald lebt.
Man hat festgestellt, dass die meisten Menschen, die alleine im Wald leben, sich mit den sie umgebenden Tieren und Pflanzen anfreunden. Die Gabe, sich in innere Kontemplation zu begeben und in Einklang mit der Höchsten Wahrheit zu leben, ist jedoch keineswegs auf das Alleinsein zurückzuführen. Es mag die Sache erleichtern, wenn man aufgrund äußerer Umstände nichts anderes zu tun hat, aber ich habe meine Zweifel. Irgendeine Beschäftigung fällt einem doch immer ein, und mir hat meine Lebenserfahrung gezeigt, dass die dabei gewonnenen Erkenntnisse unendlich wahrer, tiefgründiger und dauerhafter sind, wenn es einem gelingt, seinen inneren Drang im Angesicht von Schwierigkeiten zu unterdrücken, wenn man sich bemüht, zusammen mit der ewigen Gegenwart in sich selbst ganz allein zu sein, und zwar in eben jenem Umfeld, welches uns die Gnade hat zuteil werden lassen.
Vor Schwierigkeiten wegzulaufen, um sie auf diese Weise zu meistern, ist keine Lösung. Allerdings ist das sehr verlockend. Wer nach spirituellem Leben strebt, dem sagt eine innere Stimme: „Wie schön wäre es, wenn du dich alleine zum Meditieren unter einen Baum setzen könntest. Nichts würde dich in Versuchung führen zu reden oder etwas zu tun!“ Man hört diese Stimme, weil das eine weit verbreitete Vorstellung ist, jedoch ist das eine Illusion.
Die besten Meditationen sind diejenigen, die man urplötzlich hat, weil sie wie eine zwingende Notwendigkeit von einem Besitz ergreifen. Man hat gar keine andere Wahl: Man muss sich konzentrieren, meditieren und über die äußeren Erscheinungen hinausblicken. Ergriffen wird man nicht unbedingt in der Einsamkeit des Waldes. Es geschieht, wenn etwas in dir bereit ist, wenn die Zeit reif ist, wenn du dieses Bedürfnis wahrhaftig verspürst, wenn die Gnade mit dir ist.
Ich habe den Eindruck, dass die Menschheit sich ein Stück weiterentwickelt hat und der wahre Sieg nun im Leben selbst zu erringen ist.
Dazu muss man in der Lage sein, allein mit dem Ewigen und Unendlichen inmitten aller Umstände zu leben. Man muss, begleitet vom Höchsten, inmitten aller Beschäftigungen frei sein können. Das ist der wahre Sieg.

Worte der Mutter
Um das Ausmaß der Täuschung zu sehen, genügt es, von den stürmischen Kräften einen Schritt Abstand zu nehmen und in die ruhigen Regionen einzutreten. Von dort aus sehen die Menschen wie eine Masse blinder Geschöpfe aus, die in alle Richtungen hetzen und ständig übereinander stolpern und zusammenstoßen, ohne zu wissen, was sie tun und warum sie es tun. Und das nennen sie Tätigkeit und Leben! Es ist bloß leere Betriebsamkeit, gewiss kein wirkliches Tätigsein und auch kein wahres Leben.
Ich sagte einmal, man müsse, um nutzbringend zehn Minuten lang zu reden, zehn Tage lang ruhig bleiben. Ich könnte hinzufügen: Um einen Tag lang nützlich zu handeln, muss man sich ein Jahr lang ruhig verhalten. Natürlich spreche ich nicht von den gewöhnlichen Verrichtungen des täglichen Lebens, denn die sind nötig, um es aufrecht zu erhalten. Ich spreche von Menschen, die für die Welt etwas zu tun haben oder meinen, etwas für sie zu tun zu haben. Und das Schweigen, von dem ich spreche, ist die innere Gelassenheit, die nur jene haben, die handeln können, ohne sich mit ihrer Tätigkeit gleichzusetzen und sich in ihr zu verlieren, vom Lärm ihres eigenen Treibens betäubt und geblendet. Halte dich über ihrem Tun, steige auf eine Höhe, die diese zeitlichen Bewegungen überragt, tritt in das Bewusstsein der Ewigkeit ein. Dann wirst du wissen, was wirkliches Handeln ist.

Kapitel 2
Pseudo-Meditation und wahre Demut
Worte der Mutter
„Es gibt welche, die beim Meditieren in einen Zustand treten, der ihnen sehr bedeutend und köstlich erscheint.“ (Questions and Answers 1929-1931, 21. April 1929)
Was ist das für ein Zustand?
Welcher auch immer – er erscheint ihnen köstlich und bedeutend. Sie haben eine sehr hohe Meinung von sich. Sie halten sich für beachtliche Leute, weil sie still und unbewegt sitzen können, und wenn sie dabei an nichts denken, ist das auch beachtenswert. Doch im Allgemeinen läuft in ihrem Kopf eine Art Kaleidoskop, und sie merken es nicht einmal. Jedenfalls haben jene, die eine Weile ohne zu reden oder zu denken sitzen können, eine hohe Meinung von sich. Nur eben, wenn sie da herausgeholt werden, wenn man an die Tür klopft und ihnen sagt: „Jemand erwartet Sie“, oder: „Madame, das Kind schreit“, dann werden sie wütend und schimpfen: „Meine Meditation ist hin! Alles ist verdorben!“ So etwas habe ich mit eigenen Augen gesehen. Leute, die ihre Meditation sehr wichtig nahmen, ließen sich nicht unterbrechen, ohne furchtbar wütend zu werden… Das zeugt natürlich nicht von großem spirituellen Fortschritt. Sie wetterten gegen alle Welt, weil man sie aus ihrer glückseligen Meditation gerissen hat.
Unter denen, die meditieren, gibt es einige, die wissen, wie man meditiert. Einige konzentrieren sich nicht auf eine Idee, sondern sammeln sich in einem Schweigen, in einer inneren Kontemplation, wo sie – wie sie sagen – bis zur Vereinigung mit dem Göttlichen gelangen. Das ist ausgezeichnet. Andere können eine Idee aufmerksam verfolgen, wobei sie sie ganz zu ergründen suchen. Auch das ist gut. Meistens allerdings sinken die Leute, wenn sie sich zu konzentrieren versuchen, in eine Art Dämmerschlaf, jedenfalls in einen sehr tamasischen, trägen, Zustand. Sie werden zu etwas Stumpfem: Das Denken ist träge, das Fühlen ist träge, der Körper ist reglos. So können sie stundenlang verharren, denn es gibt nichts Dauerhafteres als die Trägheit! Das alles sind Erfahrungen mit Leuten, denen ich begegnet bin. Wenn diese aus ihrer Meditation herauskommen, glauben sie ernsthaft, etwas ganz Großes getan zu haben. Doch sie haben sich einfach in die Trägheit, ins Unterbewusste hinabbegeben. Es gibt nur wenige, die meditieren können. Und selbst da… Nehmen wir an, es sei dir durch große Disziplin und jahrelange Bemühungen gelungen, in der Meditation in bewusste Verbindung mit der göttlichen Gegenwart zu treten. Das ist offensichtlich ein Ergebnis, und es muss sich auf deinen Charakter und dein Leben auswirken. Doch diese Auswirkung ist von Fall zu Fall verschieden. Es gibt Menschen, die in sich so radikal gespalten werden, dass sie in ihrer Meditation mit dem Göttlichen in Verbindung treten und diese höchste Seligkeit der Wesenseinung haben können, und wenn sie da herauskommen und tätig werden und ihr tägliches Leben führen, können sie die allergewöhnlichsten Leute sein, mit den ordinärsten, ja gelegentlich den vulgärsten Reaktionen. Auch solche Menschen kenne ich. Sie tun all das, was man nicht tun sollte, zum Beispiel seine Zeit damit verbringen, über andere zu reden, nur an sich selbst zu denken, alle egoistischen Reaktionen an den Tag zu legen und das Leben für ihr kleines persönliches Wohl organisieren zu wollen. An andere denken sie überhaupt nicht und leisten nie jemandem einen Dienst. Allgemeinsinn geht ihnen völlig ab. Und dennoch haben sie in ihrer Meditation diese Verbindung gehabt. Und das lässt jene dann ausrufen, die gemerkt haben, wie schwer diese kleine äußere Natur zu ändern ist, die man mit seinem Körper zugleich angenommen hat, wie schwer es fällt, über sich selbst hinauszugehen und seine Regungen umzuwandeln: „Es ist unmöglich, es ist vergebliche Liebesmüh! Wenn ihr zur Welt kommt, nehmt ihr einen Körper aus Staub an, den ihr nur ablegen könnt, um euch davonzumachen und die Welt so zu belassen, wie sie ist. Es gibt nur einen Ausweg: so schnell wie möglich zu entfliehen – wenn jedermann entflieht, gibt es keine Welt mehr und folglich auch kein Elend.“ Das ist eine Logik! Hält man ihnen entgegen: „Aber vielleicht ist das, was Sie da verkünden, ziemlich egoistisch, sich davonzumachen und die anderen zappeln zu lassen?“ – „Nun, sie brauchen es ja nur so zu machen wie ich. Täte jedermann dasselbe wie ich, würden sich alle zurückziehen. So gäbe es keine Welt und kein Elend mehr.“ Als könnte das vom Willen der Einzelnen abhängen, die nicht einmal an der Erschaffung der Welt teilgenommen haben! Wie können sie hoffen, ihr Ende zu bewerkstelligen? Wenn sie die Welt wenigstens geschaffen hätten, könnten sie den Vorgang kennen und versuchen, das Ganze rückgängig zu machen – obwohl es nicht immer leicht ist, etwas Getanes rückgängig zu machen –, aber sie haben die Welt nun mal nicht gemacht! Sie wissen überhaupt nicht, wie das geschah! Und sie maßen sich an, sie aufzulösen, weil sie sich einbilden, sie persönlich könnten sich davonmachen… Ich glaube nicht, dass es möglich ist. Man kann nicht fliehen, auch wenn man es versucht. Aber das ist ein anderes Thema. Was mich betrifft und meine Erfahrung – die ziemlich lang ist, denn ich kümmere mich nun schon fast dreiundfünfzig Jahre um Menschen, ihren Yoga, ihre inneren Bemühungen. Ich habe viel gesehen, hier und da, so ziemlich überall auf der Welt –, ich glaube jedenfalls nicht, dass du dich durch Meditation umwandeln kannst. Ich bin sogar vom Gegenteil überzeugt.
Wenn du tust, was du zu tun hast – ganz gleich was, welche Arbeit auch immer –, wenn du dabei darauf bedacht bist, das Göttliche nicht zu vergessen, und wenn du dem Göttlichen das, was du tust, darbringst, wenn du dich dem Erhabenen dergestalt zu geben versuchst, dass Er all deine Reaktionen wandeln kann – statt dass sie ichbezogen, kleinlich, dumm und unwissend bleiben –, lässt du sie zu etwas Hellem und Großzügigem werden und du hast einen Fortschritt gemacht. Und nicht nur hast du selbst einen Fortschritt gemacht, sondern auch dem allgemeinen Fortschritt geholfen. Ich habe noch nie gesehen, dass Leute, die alles liegenließen, um in einer mehr oder weniger leeren Kontemplation zu sitzen – denn sie ist mehr oder weniger leer –, Fortschritte gemacht hätten oder höchstens ganz winzige. Ich habe aber Menschen gesehen, die keinerlei Anspruch erhoben, Yoga zu üben, sondern die einfach begeistert waren von der Idee der irdischen Transformation und der Herabkunft des Göttlichen auf die Welt und die ihr bisschen Arbeit mit dieser Begeisterung im Herzen machten, indem sie sich ganz und gar, rückhaltlos gaben, ohne eigensüchtige Vorstellung von persönlichem Heil – und diese habe ich großartige, wirklich großartige Fortschritte machen sehen. Manchmal sind sie tatsächlich bewundernswürdig. Ich habe Sanyasins, Wandermönche, gesehen, auch Klosterleute, auch erklärte Yogis – und für zehn solche würde ich nicht einen von den anderen hergeben –, ich meine vom Standpunkt der irdischen Transformation und des Fortschritts der Welt aus, eben alles dessen, was wir anstreben: Dass diese Welt nicht länger bleibt, was sie ist, sondern tatsächlich das Werkzeug des göttlichen Willens werde, erfüllt vom göttlichen Bewusstsein. Durch Davonlaufen änderst du die Welt bestimmt nicht. Sondern indem du an ihr arbeitest, bescheiden, demütig, aber mit einer Flamme im Herzen – mit etwas, das wie eine Opfergabe brennt. So ist das.
Dann dient also die Meditation zu nichts?
Nein, und in dem Maße wie es nötig ist, kommt sie spontan. Auf einmal wirst du von etwas erfasst, das dich still macht, das dich auf die Schau einer Idee oder eines psychologischen Zustands sammelt. Es ergreift dich. Du darfst nicht widerstehen, dann machst du den nötigen Fortschritt. In jenem Augenblick siehst du, verstehst du etwas, und eine Minute später wendest du dich wieder deiner Arbeit zu, nachdem dies in dir gewonnen worden ist – doch ohne Dünkel. Am meisten graut mir vor den Leuten, die sich für außerordentlich halten, weil sie sich hinsetzen und meditieren. Das ist das Allergefährlichste, denn sie werden so eingebildet und selbstzufrieden, dass sie sich alle Wege des Fortschritts versperren… Eines ist immer gesagt, aber nicht verstanden worden, nämlich wie notwendig Demut ist. Das wird falsch aufgenommen, missverstanden und falsch angewendet. Sei demütig, wenn du es auf die wahre Weise sein kannst, vor allem aber sei es nicht auf die falsche Weise, denn das führt zu gar nichts. Es gibt nur eine Sache: Wenn du den Samen jenes Unkrauts ausmerzen kannst, der Eitelkeit heißt, hast du etwas geleistet. Doch wenn du wüsstest, wie schwer das ist! Du kannst nichts wirklich gut machen, keine gute Idee, keine gute Regung haben, keinen Fortschritt machen, ohne dich innerlich selbstgefällig aufzublasen – dessen du dir selbst gar nicht bewusst bist. Du musst schon mit dem Hammer draufschlagen, damit das zerbricht, und dann bleiben immer noch Stücke übrig. Und diese Stücke fangen dann wieder an zu sprießen. Man hat das ganze Leben damit zu tun: Nie darf man vergessen, fleißig dies Unkraut zu jäten, das immer wieder nachwächst, und zwar derart tückisch, dass du schon glaubst, frei davon zu sein, und du ganz demütig sagst: „Nicht ich habe das getan, ich fühle, es war das Göttliche; ohne das Göttliche bin ich gar nichts.“ – Und gleich darauf bist du so selbstzufrieden, nur weil du das gedacht hast!
Was ist die wahre und was die falsche Weise, demütig zu sein?
Ganz einfach: Wenn man den Leuten sagt: „Seid demütig“, denken sie sofort daran, gegenüber anderen Menschen demütig zu sein, und diese Demut ist nichts wert. Die wahre Demut ist die Demut gegenüber dem Göttlichen, das heißt die präzise, die konkrete Wahrnehmung, dass man ohne das Göttliche nichts ist, nichts kann und nichts versteht, dass selbst außerordentlich intelligent und begabt zu sein nichts ist im Vergleich zum göttlichen Bewusstsein. Und diese Demut muss man immer beibehalten, denn so nimmt man die wahre Haltung der Empfänglichkeit ein, einer demütigen Empfänglichkeit, die dem Göttlichen keinerlei persönlichen Anspruch entgegenstellt.

Worte der Mutter
Wenn man ganz einfach offen sein könnte, wirklich offen, in einer Einfachheit, die weiß, dass sie unwissend ist, so (Gebärde der Hingabe nach oben), bereit, alles zu empfangen, was kommt – dann kann sich etwas ergeben.
Und natürlich dieser Durst nach Fortschritt, Durst nach Wissen, Durst nach Umwandlung, und vor allem Durst nach Liebe und nach Wahrheit – wenn man das beibehalten kann, kommt man schneller voran. Ein Durst, wirklich ein Bedürfnis, ein Bedürfnis.
Alles Übrige ist unwichtig. Das ist es, was man braucht.
Sich an das zu klammern, was man zu wissen glaubt, sich an das zu klammern, was man fühlt, sich an das zu klammern, was man liebt, sich an seine Gewohnheiten zu klammern, sich an seinen vermeintlichen Bedarf zu klammern, sich an die Welt zu klammern, wie sie ist – das ist es, was einen bindet. Das alles muss man abbauen, eins nach dem anderen, alle Fesseln lösen.

Kapitel 3
Der Zustand von Samadhi und Fortschritt
Worte der Mutter
Ist der Trance- oder Samadhi-Zustand ein Zeichen des Fortschritts?
In alter Zeit wurde er als ein sehr hoher Zustand angesehen. Man dachte sogar, er sei das Zeichen einer großen Verwirklichung, und immer versuchten die Menschen, die Yoga oder Sadhana ausüben wollten, in einen Zustand wie diesen zu kommen. Man hat darüber alle möglichen wunderbaren Dinge erzählt, und weil die Leute, die in ihn eingetreten waren, nicht zu sagen vermochten, was mit ihnen geschieht, kann man also alles erzählen, was man will.
Nebenbei gesagt, hatte ich in allen Arten sogenannter spiritueller Literatur stets wunderbare Dinge über diesen Trance- oder Samadhi-Zustand gelesen, und es zeigte sich, dass ich ihn nie erlebt hatte. … Und als ich hierherkam, war eine meiner ersten Fragen an Sri Aurobindo: „Wie denkst du über Samadhi, diesen Trance-Zustand, an den man sich nicht erinnert? Man gerät in einen Zustand, der beseligend zu sein scheint, doch wenn man aus ihm herauskommt, weiß man überhaupt nicht, was geschehen ist.“ Da schaute er mich an – er verstand, was ich meinte – und sagte zu mir: „Das ist Unbewusstheit.“ Ich bat ihn um eine Erklärung und sagte zu ihm: „Wie?“ Er antwortete: „Ja, du kommst in den sogenannten Samadhi, wenn du dein bewusstes Wesen verlässt und in einen Teil deines Wesens eintrittst, der vollkommen unbewusst ist oder wo du überhaupt kein entsprechendes Bewusstsein hast. Du gehst über die Zone deines Bewusstseins hinaus und kommst in einen Bereich, in dem du kein Bewusstsein mehr hast. Du bist in einem unpersönlichen Zustand, also in einem Zustand, in dem du unbewusst bist. Und natürlich erinnerst du dich an nichts, weil du nicht bewusst warst.“1 Das hat mich beruhigt, und ich sagte zu ihm: „Also, mir ist das noch nie passiert.“ Er antwortete: „Mir auch nicht!“ (Gelächter)
Seitdem sage ich zu den Leuten, wenn sie mit mir über Samadhi reden: „Schön, versuchen Sie, Ihre innere Individualität zu entwickeln, und Sie werden in der Lage sein, genau diese Regionen mit vollem Bewusstsein zu betreten und die Freude des Einsseins mit den höchsten Bereichen haben, ohne darum alles Bewusstsein zu verlieren und mit einem Nichts anstatt mit einer Erfahrung zurückzukommen.“
Das ist in diesem Fall meine Antwort an den, der fragt, ob Samadhi oder Trance ein Zeichen von Fortschritt sei. Ein Zeichen von Fortschritt ist es, wenn es nichts Unbewusstes mehr gibt, wenn man in dieselben Bereiche emporsteigen kann, ohne in Trance zu geraten.

Worte der Mutter
Ich verstehe hier nicht: „Der Nachteil ist, dass die Ekstase unerlässlich wird und das Problem des Wachbewusstseins nicht gelöst ist, denn dieses bleibt unvollkommen.“ Das Problem des Wachbewusstseins ist nicht gelöst?
Selbstverständlich! Wenn du für eine Meditation oder um eine Verbindung mit der inneren Welt zu bekommen gezwungen bist, in den Samadhi einzutreten, bleibt dein Wachbewusstsein immer noch das, was es ist, ohne sich je zu ändern. Das sagte ich dir bereits mit anderen Worten, als ich erklärte, die Menschen hätten nur in einer sehr tiefen Meditation ein höheres Bewusstsein. Und wenn sie aus ihrer Meditation herauskommen, sind sie nicht besser als vorher, all ihre Fehler sind weiterhin vorhanden. Sie finden sie wieder, sobald sie ihr Wachbewusstsein wiederfinden. Sie machen nie einen Fortschritt, weil sie nie eine Verbindung zwischen ihrem tieferen Bewusstsein, der Wahrheit ihres Wesens, und ihrem äußeren Wesen herstellen. Sie entfernen ihr äußeres Wesen, als würden sie einen Mantel ausziehen, und legen es in eine Ecke. „Also, jetzt störe mich nicht, bleib still. Ich kann dich jetzt nicht gebrauchen.“ Und so gehen sie dann in eine Kontemplation, in ihre Meditation, in eine tiefe Erfahrung hinein. So kommen sie dann wieder zurück, ziehen den Mantel wieder an, der sich seinerseits nicht geändert hat – vielleicht noch schmutziger ist als vorher –, und sie bleiben genau das, was sie ohne Meditation waren.
Wenn man will, dass sich das äußere Wesen ändert, muss es einem bewusst sein, solange man die anderen Erfahrungen hat. Man darf den Kontakt mit seinem äußeren Bewusstsein nicht verlieren, wenn man will, dass es einen Nutzen von der Erfahrung hat. Viele Menschen…, ich kannte solche, die stundenlang meditierten, fast die ganze Zeit… Sie verbrachten ihre Zeit mit Meditieren, und wenn dann zufällig …, wenn jemand sie in ihrer Meditation störte, wenn sie etwas tun mussten, gerieten sie in Wut, in Raserei, sie verwünschten die ganze Welt, sie wurden noch unerträglicher, als ob sie nie meditiert hätten, noch unerträglicher als ein gewöhnliches Wesen. Und zwar deshalb, weil sie es versäumt hatten, ihr äußeres Wesen an ihrem tieferen Leben teilhaben zu lassen. Sie schneiden sich in zwei Teile: Da ist ein Stück innen, das Fortschritte macht, und ein Stück außen, das immer schlimmer wird, weil man es völlig vernachlässigt.

1 Bei der Veröffentlichung dieses Gesprächs fügte die Mutter den folgenden Kommentar hinzu: „Es gibt auch Leute, die in Bereiche eintreten, wo sie ein Bewusstsein haben, aber zwischen diesem bewussten Zustand und ihrem normalen Wachbewusstsein liegt eine Leere: Ihre Persönlichkeit hört zwischen diesem Wachzustand und diesem tieferen Zustand auf zu existieren; beim Übergang tritt dann das Vergessen ein. Sie können das Bewusstsein, das sie dort hatten, nicht in dieses Bewusstsein hier herüberbringen, weil dazwischen eine Leere ist. Es gibt sogar eine okkulte Disziplin, die darin besteht, Zwischenbereiche zu konstruieren, um sich an die Dinge erinnern zu können.“
Kapitel 4
Kräfte, die während der Meditation am Werk sind
Worte der Mutter
Was für Kräfte sind am Werk, wenn man schweigend meditiert?
Es kommt darauf an, wer meditiert.
Muss man sich denn nicht in der schweigenden Meditation völlig leer machen? Wie kann es also darauf ankommen, wer meditiert?
Wenn du dich leer machst, ändert das doch nicht die Natur deiner Aspiration und auch nicht ihren Bereich. In manchen bewegt sich die Aspiration auf der mentalen oder auf der vitalen Ebene, andere streben mit einer spirituellen Sehnsucht. Von der Art der Aspiration hängt es ab, wie die Kraft antwortet und wie sie wirkt. Sich in der Meditation leer zu machen schafft ein inneres Schweigen. Das heißt nicht, dass man nun nichts mehr oder nur eine träge und tote Masse sei. Wenn man sich zu einem leeren Gefäß macht, lädt man ein, was es füllen wird. Die Beschaffenheit des Bewusstseins und der gewohnte Grad des Spannungszustandes bestimmen jedoch nicht nur die ins Spiel gebrachten Kräfte, sondern auch ihre Wirkensweise: ob sie helfen und vollbringen oder ob sie fehlschlagen oder gar hindern und schaden werden.
Es gibt zahlreiche Bedingungen, unter denen man meditieren kann, und jede hat ihre Wirkung auf die herabkommenden und uns durchdringenden Kräfte. Meditierst du allein, zählt deine eigene innere und äußere Verfassung. Meditierst du in einer Gruppe, ist eure allgemeine Verfassung von größter Bedeutung. In beiden Fällen sind die Bedingungen immer verschieden, und die antwortenden Kräfte sind nie zweimal die gleichen. Eine richtig ausgeübte gemeinsame Konzentration kann eine bemerkenswerte Kraft haben. In einer alten Überlieferung heißt es, wenn zwölf aufrichtige Menschen ihren Willen und ihre Sehnsucht vereinen, um das Göttliche zu rufen, so müsse es sich offenbaren. Aber der Wille muss einsinnig, die Sehnsucht völlig aufrichtig sein. Denn diejenigen, die den Versuch machen, könnten auch in einer Art Trägheit oder gar in irrigem und verkehrtem Begehren vereint sein – und das Ergebnis ist dann schlimm.
Beim Meditieren ist ein Zustand völliger und unbedingter Aufrichtigkeit im gesamten Bewusstsein von allergrößter Bedeutung. Es ist entscheidend, dass man weder sich selbst noch die anderen täuscht und sich auch von ihnen nicht täuschen lässt. Wir haben schon gesagt, wie eitel und nutzlos es wäre, das Göttliche täuschen zu wollen. Oft wünschen die Leute gewisse Dinge, sie haben eine mentale oder vitale Vorliebe: Sie möchten, dass die Erfahrung auf bestimmte Weise geschehe oder eine gewisse Wendung nehme, die ihre Ideen, Begierden oder Vorlieben befriedigt. Sie bleiben nicht unparteilich, wie ein weißes Blatt bereit, das Geschehen treu und schlicht aufzunehmen. Wenn es ihnen dann nicht gefällt, können sie sich leicht selbst etwas vormachen: Sie sehen etwas, aber sie verdrehen es ein wenig und machen etwas anderes daraus. Sie biegen eine an sich schlichte und gerade Sache von ihrem Sinn ab, um sie zu einer außerordentlichen Erfahrung aufzubauschen. Wenn du dich in Meditation begibst, musst du so unverstellt und einfach sein wie ein Kind, nicht mit dem äußeren Mental dazwischenfunken, nichts erwarten, auf nichts bestehen. Hast du diesen Zustand erlangt, kommt alles auf die Sehnsucht an, die in dir ist. Erstrebst du zutiefst Frieden, gewährt er sich dir, ist es Kraft, Macht, Wissen, so gewähren auch sie sich – alle aber nur im Maße deines Fassungsvermögens. Und wenn du das Göttliche rufst, auch dann – vorausgesetzt, dass es deinen Ruf hört, das heißt dein Ruf genügend rein und stark ist, um es zu erreichen – empfängst du seine Antwort.

Worte der Mutter
(Die Mutter liest:) „Sich in der Meditation leer zu machen schafft ein inneres Schweigen. Das heißt nicht, dass man nun nichts mehr oder nur eine träge und tote Masse sei. Wenn man sich zu einem leeren Gefäß macht, lädt man ein, was es füllen wird. Die Beschaffenheit des Bewusstseins und der gewohnte Grad des Spannungszustandes bestimmen jedoch nicht nur die ins Spiel gebrachten Kräfte, sondern auch ihre Wirkensweise: ob sie helfen und vollbringen oder ob sie fehlschlagen oder gar hindern und schaden werden.“ (Questions and Answers, 23. Juni 1929)
Was heißt „der gewohnte Grad des Spannungszustandes“?
Aspiration und Wille erzeugen einen Spannungszustand im Wesen. „Grad“ sage ich, weil es da auch noch den Punkt gibt, auf den die Spannung, der Druck, einwirkt.
„Sich leer machen“ heißt, die Spannung, den Druck des Bewusstseins auf Verwirklichung, auf das zu erreichende Ziel, sich beruhigen lassen. Die Spannung ist der Druck auf einen Punkt, was auf ihn gerichtet ist und auf Vollbringung drängt. Das Bewusstsein – des Wesens, das individuelle Bewusstsein – übt auf dieses Element einen Druck aus. Wir können das vorhin angeführte Beispiel nehmen: Du hast irgendeine chronische Krankheit, eine Entstellung, einen Körperfehler. Nun richtet dein Bewusstsein seine Aspiration und seinen Willen eindringlich auf das aus, was es vollbringen will, auf den zu heilenden Umstand.
Nun, wenn du dich beim Meditieren leer machst – was eine der Meditationsformen ist, wenn du so willst –, bedeutet das, dass du diese Willensausrichtung beendest: Dein Bewusstsein wird vorübergehend neutral. Seine Spannung, sein Druck betrifft diesen Punkt – oder andere, mehr oder weniger konkrete oder abstrakte –, jedenfalls ist der Druck auf ein einziges Element ausgerichtet. Wenn du dich also leer machst, hebst du diesen Druck, diese Spannung auf, und du bist wie ein leeres, unbeschriebenes Blatt. Das nenne ich „sich leer machen“ – jeglichen auf etwas ausgerichteten Willen aufheben. Wenn du dich so leer machst – wobei die Spannung, wie gesagt, innehält –, setzt du dich doch, in deinem schweigenden Streben, mit den Kräften in Verbindung, die durch deinen allgemeinen Tonus, durch das Maß, das dir normalerweise zu eigen ist, angezogen werden. Darum betonte ich, dass es auf die Person ankommt: Weil alles von ihrer gewohnten Aspiration abhängt, von dem, was sie für gewöhnlich ersehnt. Denn natürlich steht sie mit den Kräften in Verbindung, die auf ihr Streben antworten. Wenn man nun für einige Zeit den Einsatz der Aspiration anhält und in schweigender, passiver Empfänglichkeit verharrt – nun, dann bleibt die Wirkung des gewohnten Strebens dennoch und zieht gerade jene Kräfte an, die darauf antworten sollen.

Worte der Mutter
Liebe Mutter, wie kann man das Mental von allem Denken befreien? Wenn man es während der Meditation versucht, ist der Gedanke, dass man an nichts denken darf, immer vorhanden.
Nicht während der Meditation muss man lernen zu schweigen, denn schon die Tatsache, dass man es versucht, macht ein Geräusch.
Man muss lernen, seine Energien im Herzen zu konzentrieren. Wenn das gelingt, kommt die Stille automatisch.
