Zweiter Canto
Satyavan
An diesem Schicksalstag kam ihr alles in den Sinn,
Die Straße, die nicht in ernste Tiefen einzudringen wagte
Sondern sich abwandte, fliehend menschlichen Heimen zu,
Die Wildnis mit ihrer gewaltigen Eintönigkeit,
Der Morgen, wie ein glanzvoller Seher droben,
Die Passion der Gipfel, die im Himmel sich verlieren,
Das titanische Geraune der endlosen Wälder.
Als wäre ein kleines Türchen zur Freude dort,
Eingerahmt von stimmlosem Hinweis und magischem Wink,
Lag da am Rande einer unbekannten Welt
Die Rundung einer sonnigen Abgeschiedenheit;
Haine mit seltsamen Blumen wie Augen neugieriger Nymphen
Spähten aus ihrer Verborgenheit in den offenen Raum,
Zweige, wispernd einem beständigen Lichte zu,
Bargen in sich eine gedämpfte und geschirmte Glückseligkeit,
Und langsam wehte ein träger unsteter Wind
Wie ein flüchtiger Seufzer des Glückes dahin
Über schläfriges Gras, verziert mit Grün und Gold.
Verborgen in des Waldes Schoße der Einsamkeit
Riefen zwischen den Blättern die Stimmen der Bewohner,
Süß wie Sehnsüchte, verliebt und ungesehen,
Schrei gab Antwort dem leis beharrlichen Schrei.
Dahinter schliefen smaragdgrüne stumme Abgeschiedenheiten,
Schlupfwinkel einer inbrünstigen Natur, verborgen, allem verschlossen
Außer für ihre eigene verlorene und wilde Schau.
Die Erde, in diesem herrlichen Refugium frei von Sorgen,
Summte der Seele ein Lied von Kraft und Frieden.
Nur ein Zeichen war da von einem menschlichen Schritt:
Ein einziger Pfad, schmal und pfeilartig geschossen
In den Schoß dieses weiten und geheimen Lebens,
Durchdrang den ungeheuren Traum der Einsamkeit.
Hier traf sie zum ersten Mal auf der ungewissen Erde
Den einen, für den ihr Herz von so weit gekommen war.
Gleich einer Seele, die vor dem Hintergrund der Natur
Für einen Augenblick in einem Haus des Traumes heraussticht,
Erschaffen vom glühenden Atem des Lebens,
So erschien er vor dem Saum des Waldes,
Eingebettet zwischen grünem Relief und goldnem Strahl.
Wie eine Waffe des lebendigen Lichtes,
Aufrecht und erhaben wie eine Lanze Gottes,
Führte seine Gestalt den Glanz des Morgens.
Edel und klar wie die weiten friedvollen Himmel,
War seine Stirn eine Tafel junger Weisheit;
Die gebieterische Schönheit der Freiheit zeichnete seine Glieder,
Die Freude des Lebens lag auf seinem offenen Gesicht.
Sein Blick war ein weiter Tagesanbruch der Götter,
Sein Haupt war das eines jugendlichen Rishis, berührt vom Licht,
Sein Körper war der eines Liebhabers und eines Königs.
In der herrlichen Morgendämmerung seiner Kraft,
Erbaut wie eine sich bewegende Statue beseligender Freude,
Illuminierte er den Saum der Waldseite.
Aus der unwissend eifrigen Mühsal der Jahre,
Verlassend das laute Drama der Menschen, war er gekommen,
Hergeführt von der Weisheit eines widrigen Schicksals,
Um die uralte Mutter in ihren Hainen zu treffen.
Gediehen war er in ihrer göttlichen Gemeinschaft
Als Pflegekind der Schönheit und Einsamkeit,
Erbe von Jahrhunderten einsamer Weiser,
Ein Bruder von Sonnenschein und Himmel,
Ein Wanderer, der mit Tiefe und Schneide verkehrt.
Als Veda-Kenner des ungeschriebenen Buches,
Der die mystische Schrift ihrer Formen sorgfältig liest,
Hatte er ihre Hierophant-Bedeutungen erfasst,
Ihre sphärisch unermesslichen Vorstellungen erfahren,
Belehrt durch Erhabenheiten von Fluss und Wald,
Durch Stimmen von Sonne, Stern und Flamme,
Durch Gesang der zauberhaften Sänger auf den Zweigen
Und der wortlosen Belehrung von vierfüßigen Wesen.
Vertrauensvoll ihren bedächtig großen Händen helfend,
Gab er sich ihrem Einfluss hin wie die Blume dem Regen
Und ward, wie Blume und Baum natürlich wachsen,
Weiter durch die Berührungen ihrer formenden Stunden.
Die Meisterschaft freier Naturen war die seine
Sowie deren Bejahen von Freude und geräumiger Ruhe;
Eins mit dem einzigen Geist, der in allem wohnt,
Legte Erfahrung er der Gottheit zu Füßen;
Sein mentaler Geist war offen für ihren unendlichen Geist,
Sein Tun war im Einklang mit ihrer Urkraft;
Sein sterblich Denken hatte er dem ihren unterworfen.
An diesem Tag war er von seinen gewohnten Wegen abgeschweift;
Denn Einer, kennend die Last eines jeden Augenblicks,
Der in all unseren bedachten oder sorglosen Schritten gehen kann,
Hatte den Bann des Schicksals auf seine Füße gelegt
Und ihn zum blühenden Waldesrande gelockt.
Ihr erster Blick, der des Lebens Millionen Formen
Unbefangen aufnahm, um sein Schatzhaus zu füllen
Zusammen mit Himmel, Blume, Berg und Stern,
Verweilte eher auf dem hellen harmonischen Bild.
Dieser sah das grüne Gold der schläfrigen Wiese,
Die Gräser, die beim sachten Schreiten des Windes zitterten,
Die Zweige, heimgesucht vom Ruf des wilden Vogels.
Wach für die Natur, des Lebens halb erst gewahr,
Der begierige Gefangene aus dem Unendlichen,
Der unsterbliche Ringer in seinem sterblichen Haus
Voll Stolz, Macht und Leidenschaft eines kämpfenden Gottes,
Sah er dieses Bild einer verhüllten Gottheit,
Dies denkend Meistergeschöpf der Erde,
Dies jüngste Werk der Schönheit der Sterne,
Sah aber diese wie andere schöne und gewöhnliche Formen,
Die der Künstler-Geist nicht braucht für sein Werk
Und in schattigen Räumen der Erinnerung beiseite legt.
Ein Blick, eine Wendung fügt unser schwankend Geschick.
So in der Stunde, die am tiefsten sie berührte,
Wandernd ungewarnt vom bedächtigen äußeren Mental,
Bewunderte der unachtsame Späher unter ihrer Augenlider Zelt
Unbekümmert Schönheit und weckte nicht
Den Geist ihres Körpers für seinen König.
So wäre auf zufällig unwissenden Straßen sie fast vorbeigegangen,
Verfehlend den Ruf des Himmels, verlierend das Ziel des Lebens,
Doch der Gott berührte zur rechten Zeit ihre bewusste Seele noch.
Ihr Blick wurde fest, eingefangen und alles wurde anders.
In idealen Träumen weilte ihr mentaler Geist zunächst,
Jene vertrauten Verwandler irdischer Zeichen,
Die aus Bekanntem einen Hinweis auf ungesehene Sphären machen,
Und sah in ihm den Genius dieses Ortes,
Eine Symbolgestalt, die inmitten der Erde Szenen steht,
Ein König des Lebens, umrissen in zarter Luft.
Doch war dies nur die Träumerei eines Augenblicks;
Denn plötzlich sah ihr Herz ihn an,
Das inbrünstige Sehen, wie es Denken nicht vermag,
Und wusste ihn sich näher als die eigenen Fasern.
Alles war augenblicklich gepackt und überwältigt,
Alles in nichtbewusste Ekstase Gehüllte
Oder unter der Einbildung bunten Lidern
In einer weiten Siegelluft des Traumes Gehobene
Brach flammend hervor, um die Welt neu zu erschaffen,
Und in dieser Flamme wurde sie zu Neuem geboren.
Aus ihren Tiefen erhob sich ein mystischer Tumult;
Kraftvoll, aufgeschreckt wie ein sorglos Träumender,
Stürmte Leben, um aus jedem Sinnestor zu äugen:
Gedanken, unklar und froh in Mondnebel-Himmeln,
Gefühle, wie wenn ein Universum sich gebiert,
Fegten durch den Trubel im Raume ihrer Brust,
Worin ein Schwarm von goldnen Göttern drang:
Erhoben zu einer Hymne der Priester des Wunders
Tat ihre Seele die Tore weit für diese neue Sonne auf.
Eine Alchemie war am Werk, die Verwandlung kam;
Das gesandte Antlitz hatte den Bann des Meisters gewirkt.
In dem namenlosen Licht zwei sich nahender Augen
Traf ihre Tage eine geschwinde und schicksalhafte Wende
Und spannte sich zu einem Schimmer unbekannter Welten.
Erzitternd vom mystischen Schock schlug hoch dann ihr Herz
In ihrer Brust und schrie wie ein Vogel auf,
Der den Gefährten hört auf einem Nachbarzweig.
Rasch trampelnde Hufe, stockende Räder hielten an;
Der Wagen stand wie ein gebremster Wind.
Und Satyavan schaute aus den Pforten seiner Seele
Und fühlte den Zauber ihrer wohlklingenden Stimme
Die Purpur-Atmosphäre seiner Jugend erfüllen und ertrug
Das eindringliche Wunder eines perfekten Angesichts.
Überwältigt vom Nektar eines seltsamen Blumenmundes,
Angezogen von Seelenräumen, die um eine Stirn sich auftun,
Gab er dem Anblick sich hin wie ein Meer dem Mond
Und erlitt einen Traum von Schönheit und Wandlung,
Entdeckte den Strahlenkranz um das Haupt eines Sterblichen,
Bewunderte eine neue Göttlichkeit in Dingen.
Seine selbstbezogene Natur verging wie im Feuer;
Sein Leben ward hineingenommen in das Leben eines anderen.
Die prachtvollen einsamen Idole seines Gehirns
Warfen sich nieder aus ihren hellen Genügsamkeiten,
Wie bei der Berührung von einer neuen Unendlichkeit,
Um eine Gottheit zu verehren, größer als die eigene.
Eine unbekannte gebieterische Kraft zog ihn zu ihr.
Staunend kam er über das goldne Gras:
Blick traf auf Blick und verharrte in des Sehens Umarmung.
Da war ein Antlitz, edel, ruhig und herrlich,
Gleichsam umgeben von einem Strahlenglanz des Denkens,
Eine Spanne, ein Bogen meditierenden Lichtes,
Als wäre ein geheimer Nimbus halb zu sehen;
Ihr inneres Sehen, sich noch erinnernd, erkannte
Eine Stirn, die die Krone ihrer ganzen Vergangenheit trug,
Zwei Augen, ihre treuen und ewigen Sterne,
Freund- und Herrscheraugen, die ihre Seele erheischten,
Augenlider, bekannt durch viele Leben, weite Rahmen der Liebe.
Er traf in ihrem Schauen seiner Zukunft Blick,
Eine Verheißung und eine Gegenwart und ein Feuer,
Sah eine Verkörperung von äonischen Träumen,
Ein Mysterium des Entzückens, nach dem alles
In dieser Welt der kurzen Sterblichkeit sich sehnt,
Ihm ganz zu eigen gemacht in stofflicher Form.
Diese goldne Gestalt, gegeben in seine Hand,
Verbarg in ihrer Brust den Schlüssel zu allen seinen Zielen,
Ein Zauber, um die Seligkeit des Unsterblichen auf die Erde zu bringen,
Um des Himmels Wahrheit mit unserem sterblichen Denken zu einen,
Um Erdenherzen näher an die Sonne des Ewigen zu heben.
In diesen Geistesgrößen, nun leibhaft hier,
Brachte der Gott der Liebe Macht aus Ewigkeit herab,
Dass Leben sein neuer unvergänglicher Boden werde.
Aus unergründlichen Tiefen wogte ein Schwall seiner Leidenschaft;
Diese sprang zur Erde aus fern vergessenen Höhen,
Doch wahrte ihre Natur der Unendlichkeit.
Obwohl auf der stummen Brust dieser erinnerungslosen Weltkugel
Einander wir begegnen wie Unbekannte,
Sind unsere Leben weder fremd einander noch treffen wir als Fremde uns,
Zueinander hinbewegt von einer ursachlosen Kraft.
Die Seele kann jene Seele erkennen, die ihr Antwort gibt,
Durch trennende Zeit hinweg und, als Reisende auf des Lebens Wegen
Aufgesogen und vertieft, sich wendend wiederfinden
Vertraute Herrlichkeit in einem unbekannten Angesicht
Und berührt vom Fingerzeig jäher Liebe
Abermals Erschauern vor unsterblicher Freude,
Tragend nun für Wonne einen sterblichen Körper.
Es gibt eine Macht im Innern, die mehr weiß
Als all unsere Erkenntnisse; wir sind größer als unsere Gedanken,
Und manchmal enthüllt die Erde hier jene Schau.
Zu leben, zu lieben sind Zeichen unendlicher Dinge,
Liebe ist eine Glorie aus Sphären der Ewigkeit.
Entwürdigt, entstellt, verhöhnt von niederen Mächten,
Die ihm Namen und Gestalt und Ekstase stehlen,
Ist Liebe dennoch der Gott, der alles verändern kann.
Ein Mysterium erwacht in unserem unbewussten Gewebe,
Eine Seligkeit ist geboren, die unser Leben neu erschaffen kann.
Der Gott der Liebe wohnt in uns gleich einer ungeöffneten Blüte
Und wartet auf einen lichten Moment der Seele, oder er schweift
In seinem bezaubernden Schlaf zwischen Gedanken und Dingen;
Der Kind-Gott ist am Spielen, er sucht sich selbst
In vielen Herzen und Gemütern und lebendigen Formen:
Er verlangt nach einem Zeichen, das er zu erkennen vermag,
Und wenn es kommt, erwacht er blindlings zu einer Stimme,
Einem Blick, einer Berührung, der Kunde eines Gesichtes.
Sein Instrument das dumpfe körperliche Mental,
Himmlischer Einsicht nun nicht mehr eingedenk,
Ergreift er nun irgendein Zeichen äußeren Reizes
Als Führer im Gewimmel von Hinweisen der Natur,
Liest himmlische Wahrheiten in ähnlichen Erscheinungen der Erde,
Begehrt das Ebenbild um der Gottheit Willen,
Erahnt die Unvergänglichkeiten der Form
Und nimmt den Körper an als die Skulptur der Seele.
Der Liebe Verehrung blickt gleich mystischem Seher
Durch das Angeschaute hindurch zum Unsichtbaren,
Findet im Alphabet der Erde einen gottgleichen Sinn;
Doch der mentale Geist denkt nur: „Sieh den Einzigsten,
Auf den mein Leben lang unerfüllt gewartet hat,
Sieh den plötzlichen Beherrscher meiner Tage.“
Herz spürt nach Herz, Glied schreit nach antwortgebendem Glied;
Alles ringt nach Einheit, die es eigentlich ist.
Vom Göttlichen allzu fern, sucht der Gott der Liebe seine Wahrheit,
Blind ist das Leben und trügerisch die Instrumente
Und Mächte gibt es, die erniedrigen wollen.
Noch kann die Vision kommen, die Freude sich einfinden.
Der Kelch, der für den Nektar-Wein der Liebe taugt, ist so selten
Wie das Gefäß, dass Gottes Geburt fassen kann;
Eine Seele, vorbereitet durch tausend Jahre,
Dient einer erhabenen Herabkunft als lebendige Form.
Diese erkannten einander auch in fremder Gestalt.
Obgleich dem Sehen unvertraut, obgleich Leben und Mental
Sich verändert hatten, um neues auszudrücken,
Umfassten diese Körper doch den Lauf zahlloser Geburten
Und der Geist blieb dem Geist derselbe.
Überrascht von einer Freude, auf die sie lange gewartet hatten,
Trafen sich die Liebenden auf ihren eigenen Wegen
Als Reisende über die unbegrenzten Ebenen der Zeit,
Einander zugeführt durch schicksalsgeleitete Wanderungen in der
Selbstverschlossenen Einsamkeit ihrer menschlichen Vergangenheit
Zu einem raschen verzückten Traum künftiger Freude
Und der unverhofften Gegenwart dieser Augen.
Durch die enthüllende Herrlichkeit eines Blickes
Erwachte im Sinn formzerschmettert des Geistes Erinnerung.
Der Nebel ward zerrissen, der zwischen zwei Leben lag;
Ihr Herz unverhüllt und seines ihr zugewandt, um sie zu finden;
Angezogen wie Stern von Stern im Himmel
Staunten sie voll Freude einander an
Und woben Wesensverwandtschaft im stillen Schauen.
Es verging ein Augenblick, der ein Strahl der Ewigkeit war,
Eine Stunde begann, die Matrix einer neuen Zeit.
Ende des zweiten Cantos
Dritter Canto
Satyavan und Savitri
Aus dem stummen Mysterium der Vergangenheit
Trafen im Jetzt, uneingedenk vergessener Bindungen,
Sich diese Geistwesen auf den Straßen der Zeit.
Doch ward im Herz ihr geheimes bewusstes Selbst
Sogleich einander gewahr und eins ans andere gemahnt
Beim ersten Ruf einer lieblichen Stimme
Und erstem Anblick des vorbestimmten Angesichts.
Wie Wesen nach Wesen schreit aus seinen Tiefen
Hinter dem Schirm der äußeren Sinne
Und das herzenthüllende Wort zu finden sucht,
Die inbrünstige Rede, die das Bedürfnis der Seele kundtut,
Doch die Unwissenheit des Mentals den inneren Blick verschleiert
Und Weniges nur durch unsere erdgemachten Grenzen bricht,
So begegneten sie einander in jener bedeutsamen Stunde,
So äußert sich das Wiedererkennen in den Tiefen,
Die Erinnerung verloren, das Einssein gefühlt und vermisst.
Da sprach erst Satyavan zu Savitri:
„O du, die zu mir kam aus dem Schweigen der Zeit,
Deine Stimme weckte mein Herz zu unbekannter Seligkeit,
Unsterbliche, oder sterblich nur in deiner Gestalt,
Denn mehr als Erde spricht zu mir aus deiner Seele
Und mehr als Erde umfängt mich in deinem Blick,
Wie wirst du genannt unter den Söhnen der Menschen?
Von woher bist du erschienen, meines Geistes Tage erfüllend,
Heller als Sommer, heller als meine Blumen,
In die einsamen Grenzen meines Lebens,
O Sonnenschein, gestaltet wie eine goldne Maid?
Ich weiß, dass mächtige Götter Freunde der Erde sind.
Inmitten der Festgepränge von Tag und Abend
Bin lang ich mit meiner Pilgerseele gereist,
Vom Wunder der vertrauten Dinge bewegt.
Die Erde konnte vor mir nicht die Mächte verbergen, die sie verhüllt:
Auch wenn ich durch eine irdische Kulisse
Und über die gewöhnlichen Flächen der Erdenwelt wanderte,
War meine Schau ungeblendet von all ihren Formen;
Aus vertrauten Szenen schaute mich die Gottheit an.
Ich bezeugte die jungfräulichen Bräute der Morgendämmerung
Hinter den glühenden Schleiern des Firmaments
Oder wetteiferte in Freude mit den Schritten des hellen Morgens,
Lief an den schläfrigen Küsten des Mittags entlang
Oder durchquerte die goldne Wüste des Sonnenlichtes
Über große Öden von Herrlichkeit und Feuer hinweg,
Oder traf den Mond, der staunend durch den Himmel glitt
In der ungewissen Weite der Nacht,
Oder die Sterne marschierten auf ihren langen Schildwachwegen,
Zielend mit ihrem Speer durch die Unendlichkeiten:
Tag und Abend enthüllten mir verborgene Formen;
Gestalten kamen von geheimen Ufern zu mir
Und aus Strahl und Flamme blickten glückliche Gesichter.
Ich habe durch Ätherwellen seltsame Stimmen gehört,
Der Zaubergesang des Zentauren hat mein Ohr betört;
Ich habe die Apsaras beim Baden in den Teichen erspäht,
Ich habe die Waldnymphen verstohlen durch die Blätter blicken sehen;
Mir zeigten die Winde ihre reitenden Herren,
Ich habe die Prinzen der Sonne wahrgenommen,
Die da brennen in den tausendsäuligen Heimen des Lichtes.
So könnt nun träumen mein Verstand und bangen mein Herz,
Dass von einem wundersamen Lager jenseits unserer Luft
Erhoben, an einem herrlichen Morgen der Götter
Aus den Welten des Donners deine Pferde du lenkst.
Obwohl deine Schönheit mit dem Himmel verbündet scheint,
Erfreute es meine Gedanken viel lieber zu wissen,
Dass sterbliche Süße zwischen deinen Lidern lächelt
Und dein Herz unter einem Menschenblick schlagen kann
Und dein goldner Busen von einem Blick erschauern
Und einer erdgeborenen Stimme antworten seine Glut.
Wenn du unsere zeitbedrängte Zuneigung fühlen kannst,
Der Erde Natürlichkeit einfacher Dinge dir genügen kann,
Wenn dein Blick auf irdischem Boden zufrieden verweilen kann,
Und dieser himmlische Inbegriff der Wonne,
Dein goldner Leib, mit mühseliger Arbeit tändeln kann,
Unsere Landschaft mit seiner Anmut drückend, während
Der schwache flüchtige süße Geschmack irdischer Kost
Dich aufhält und des Wildbachs springender Wein,
Steig hernieder. Beende deine Reise, komm zu uns herab.
Nah liegt meines Vaters umrankte Einsiedelei,
Abgeschirmt von den hohen Reihen dieser schweigenden Könige,
Besungen von den Stimmen der buntgewandeten Chöre,
Deren Gesänge, übertragen in Noten der Musik,
Die leidenschaftliche Farbenschrift der Zweige wiederholen
Und die Stunden mit ihrem melodischen Rufen erfüllen.
Mit dem Willkommensgesumm der unzähligen Bienen
Tritt ein in unser honigsüßes Königreich der Wälder;
Dort lass mich in ein blühendes Dasein dich führen.
Karg, schlicht ist das Eremitenleben im Wald;
Doch ist es geschmückt mit den Kostbarkeiten der Erde.
Wilde Winde wehen – Besucher sich wiegender Wipfel,
In den ruhigen Tagen blicken des Himmels Friedenswachen,
Gebettet auf dem purpurnen Gewand des Firmaments da oben,
Herab auf eine reiche Heimlichkeit und Stille,
Und darin singen die gekammerten Hochzeitsgewässer.
Riesige, raunend und vielgestaltig rundherum,
Hochwaldgötter haben in ihre Arme geschlossen
Die menschliche Stunde, ein Gast ihrer jahrhundertealten Pracht.
Gekleidet sind die Morgen in Gold und Grün,
Sonnenlicht und Schatten weben die Wandbehänge,
Um ein Ruhegemach zu schaffen, wie es dir gebührt.“
Eine Weile schwieg sie, als lauschte sie seiner Stimme noch,
Unwillig, den Bann zu brechen, sprach sie dann langsam.
Sinnierend antwortete sie: „Ich bin Savitri,
Prinzessin von Madra. Wer bist du? Welcher Name,
Wie Musik erklingend, drückt dich auf Erden den Menschen aus?
Welcher Stamm von Königen, getränkt von glückbringenden Strömen,
Hat schließlich in einem glücklichen Zweige geblüht?
Warum wohnst du in dem unwegsamen Walde
Fern von den Taten, die deine glorreiche Jugend fordert,
Einem Ort der Einsiedler und der Erde wilden Sippen,
Wo einzig mit deinem Selbst als Zeugen du umherstreifst
In der grünen unmenschlichen Einsamkeit der Natur,
Umgeben von gewaltigem Schweigen
Und dem blinden Raunen der urzeitlichen Stille?“
Und Satyavan antwortete Savitri:
„In Tagen, als er noch klar auf das Leben sah,
Regierte König Dyumatsena, der Shalwa, einst
Im ganzen Lande jenseits dieser Gipfel,
Das sich durch Tage smaragdgrüner Wonne
In trautem Umgang mit den reisenden Winden erstreckt,
Zurückblickend auf die südlichen Himmel,
Und seine Flanke an die sinnenden Berge lehnt.
Doch gleichmütiges Schicksal entzog die schirmende Hand.
Eine lebendige Nacht umgab die Pfade des starken Mannes,
Zurück nahmen des Himmels strahlende Götter ihre sorglosen Gaben,
Entzogen leeren Augen ihren frohen und helfenden Strahl
Und führten von seiner Seite die zweifelhafte Göttin fort.
Verstoßen aus dem Reiche des äußeren Lichtes,
Verloren für die Kameradschaft sehender Menschen,
Weilt er in zwei Abgeschiedenheiten, im Innern
Und im feierlichen Rauschen der Wälder.
Als Sohn jenes Königs lebte ich, Satyavan,
Zufrieden, denn deiner noch nicht gewahr,
In meiner hehr bevölkerten Einsamkeit des Geistes
Und in diesem riesigen vitalen Raunen, mir verwandt,
Aufgezogen von der Weite, Schüler der Einsamkeit.
Erhabene Natur kam zu ihrem wiedergefundenen Kind;
Ich herrschte in einem Königreich von edlerer Art
Als Menschen auf dem Boden dumpfer Materie errichten können;
Ich fand die Freimütigkeit der ursprünglichen Erde,
Ich genoss den vertrauten Umgang mit kindlichem Gott.
In den großen behangenen Gemächern ihres Staates
Habe ich frei in ihrem grenzenlosen Palast gewohnt,
Verwöhnt von unser aller herzlichen Mutter,
Aufgewachsen mit meinen natürlichen Brüdern in ihrem Hause.
Ich lag in der weiten nackten Umarmung des Himmels,
Des Sonnenlichts strahlender Segen umfing meine Stirn,
Des Mondscheins silberne Ekstase küsste bei Nacht
Meine trüben Lider in den Schlaf. Der Erde Morgen war mein;
Gelockt von leisem Gemurmel streifte ich vertieft durch Wälder
Mit den grüngewandeten Stunden, empfänglich für die Stimme
Von Wind und Wasser, Gefährte der Sonne Freude,
Ein Lauschender der universellen Rede:
Mein Geist, zufrieden in mir, wusste
Gottgleich unser Geburtsrecht, üppig unser Leben,
Dessen ganzes Hab und Gut Erde und Himmeln gehören.
Bevor mich Schicksal in diese smaragdgrüne Welt führte,
Nahte, von ahnungsvoller Berührung im Innern geweckt,
Ein frühes Vorauswissen in meinem Verstande sich
Dem großen stummen Tier-Bewusstsein der Erde,
Nun so vertraut geworden mir, der ich einstigen Prunk verließ,
Um in diesem grandiosen Raunen, dumpf und weit, zu leben.
Im Traume meines Geistes begegnete ich ihr schon.
Übertragend gleichsam in ein tieferes Land der Seele
Die lebhaften Bilder der Erde,
Erwachte etwas durch inneres Sehen und Fühlen.
Ein visionärer Zauber durchzog die Stunden meiner Kindheit,
Alles vom Auge in bunten Linien erhaschte
Nahm das deutende Mental von neuem wahr
Und strebte, die Seele in der Gestalt zu fassen.
Ein früher Kindgott nahm meine Hand, die da hielt,
Bewegt und geführt vom Suchen seiner Berührung,
Lichte Formen und Farben, die durch seine Sicht flohen;
Gemalt auf Blatt und Stein, sprachen sie zum Menschen.
Besucher hoher Schönheit waren mir vertraut.
Der wiehernde Stolz schnellen Lebens, das windmähnig
Durch unser Grasland schweift, warf auf mein sehendes Gemüt
Formen der Schnelligkeit; Rudel von gefleckten Hirschen
Wurden vor dem späten dämmrigen Firmament
Zum Abendlied des Schweigens meiner Seele.
Ich erhaschte für ein ewiges Auge den plötzlichen
Königsfischer, blitzend in einen dunkelnden Teich;
Einen langsamen Schwan, versilbernd den azurblauen See,
Eine Gestalt von magischer Weiße, durchsegelte Traum;
Blätter, zitternd von der Leidenschaft des Windes,
Verzierte Schmetterlinge, die bewussten Blumen der Luft,
Und wandernde Schwingen in blauer Unendlichkeit
Lebten auf Tafeln meiner inneren Sicht;
Berge und Bäume standen da wie Gedanken Gottes.
Die schillernden Langschnäbel in ihrem farbigen Kleid,
Der Pfau, der in die Brise seinen Mondschweif spreizt,
Bemalten mein Gedächtnis wie eine freskierte Wand.
Ich schnitzte meine Schau aus Holz und Stein;
Ich fing den Widerhall eines erhabenen Wortes ein
Und gab den Rhythmusschlägen der Unendlichkeit einen Vers
Und lauschte nach der ewigen Stimme durch Musik.
Ich spürte eine verdeckte Berührung, ich hörte einen Ruf,
Doch konnte ich nicht den Körper meines Gottes fassen
Oder zwischen meinen Händen die Füße der Weltmutter halten.
In Menschen traf ich seltsame Teile von einem Selbst,
Die nach Fragmenten suchten und in Fragmenten lebten:
Jeder lebte in sich und für sich allein
Und knüpfte mit anderen nur vergängliches Band;
Die eigene oberflächliche Freude und Not erregte einen jeden
Und sah den Ewigen in seinem geheimen Hause nicht.
Ich verkehrte mit der Natur, sinnierte mit den wandellosen Sternen,
Gottes Wachfeuer, die in der unwissenden Nacht brennen,
Und gewahrte auf ihrem mächtigen Angesicht
Einen Strahl, der des Ewigen Sonne ahnen ließ.
Ich saß mit den Weisen des Waldes in ihrer Trance zusammen:
Dort flossen erweckende Ströme von diamantenem Licht,
Ich erblickte die Gegenwart des Einen in allem.
Dennoch fehlte dort die letzte transzendente Macht
Und Materie schlief noch immer bar ihres Herrn.
Der Geist war gerettet, doch der Körper, verloren und stumm,
Lebte noch immer mit Tod und uralter Unwissenheit;
Das Nichtbewusste war sein Grund, das Leere sein Schicksal.
Doch du bist gekommen und alles wird gewiss sich wandeln:
Die Weltmutter werde ich in deinen goldnen Gliedern fühlen
Und ihre Weisheit in deiner heiligen Stimme vernehmen.
Das Kind der Leere wird neu geboren in Gott,
Meine Materie wird der Trance des Nichtbewussten entgehen.
Mein Körper wird frei wie mein Geist sein.
Er wird Tod und Unwissenheit entrinnen.“
Und Savitri, immer noch sinnend, sprach zu ihm:
„Sprich mehr zu mir, sprich mehr, O Satyavan,
Sprich von dir und allem, was du im Innern bist;
Ich möchte dich kennen, als hätten schon immer wir
Zusammen in der Kammer unserer Seelen gelebt.
Sprich, bis ein Licht in meinem Herzen aufgeht
Und mein bewegter sterblicher Verstand begreift,
Was das ganze todlose Wesen in mir fühlt.
Es weiß, dass du der bist, den mein Geist gesucht hat
Unter all den Gesichtern und Gestalten der Erde
Durch die goldnen Räume meines Lebens hin.“
Und Satyavan, einer Harfe gleich,
Die dem eindringlichen Ruf einer Flöte erwidert,
Gab Antwort ihrem Fragen und ließ sein Herz
In reichgetönten Wogen der Sprache zu ihr strömen:
„O goldne Prinzessin, vollkommene Savitri,
Mehr möchte ich sagen, als Worte es vermögen,
Von allem, was du, noch unbekannt, mir bedeutest,
Von allem, was der Blitzstrahl der Liebe offenbart
In einer großen Stunde enthüllender Götter.
Schon eine kurze Zeit der Nähe hat mein Leben umgewandelt.
Nun weiß ich, dass sich alles, was ich gelebt und gewesen war,
Auf diesen Moment der Wiedergeburt meines Herzens hinbewegt hat;
Ich schaue zurück auf den Sinn meiner selbst,
Einer Seele, die auf irdischem Boden für dich bereitet ward.
Einst waren meine Tage wie anderer Menschen Tage:
Zu denken und zu handeln war alles, zu genießen und zu atmen;
Dies war die Weite und Höhe sterblicher Hoffnung:
Doch es gab Einblicke in ein tieferes Selbst,
Das da lebt hinter dem Leben, dessen Schauspiel ihm als Bühne dient.
Eine Wahrheit war spürbar, die ihre Form vor dem Mental verbarg,
Eine Größe, die auf ein verborgenes Ziel hinwirkt,
Und durch die Formen der Erde schaute vage
Etwas, das Leben noch nicht ist aber werden muss.
Ich tappte mit der Laterne, dem Denken, nach dem Mysterium.
Sein Schimmern beleuchtete mit dem abstrakten Wort
Einen halb sichtbaren Boden und kartografierte Meter für Meter
Ein System vom Selbst und von Gott.
Ich konnte die Wahrheit nicht leben, die es sprach und dachte.
Ich suchte seine Form in sichtbaren Dingen zu fassen,
Hoffend, seine Ordnung durch sterblichen Verstand festzulegen,
Zwang eine enge Struktur von Weltgesetz
Der Freiheit des Unendlichen auf,
Ein hartes starres Skelett von äußerer Wahrheit,
Ein mentales Schema einer mechanischen Kraft.
Dieses Licht zeigte mehr die Dunkelheiten, die nicht erforscht waren;
Es machte das ursprüngliche Geheimnis noch rätselhafter;
Es konnte seinen kosmischen Schleier nicht analysieren
Oder die verborgene Hand des Wunderwirkers erahnen
Und das Muster seines magischen Plans ermitteln.
Ich tauchte in ein inneres sehendes Mental ein
Und erkannte die geheimen Gesetze und Zaubereien,
Die Materie zur verwirrten Sklavin des Mentals machen:
Das Mysterium war nicht gelöst, es vertiefte sich.
Ich versuchte, durch Schönheit und Kunst seine Spuren zu finden,
Doch Form kann die innewohnende Macht nicht enthüllen;
Sie wirft unserem Herz nur ihre Symbole zu.
Sie rief ein Gefühl des Selbstes hervor, beschwor ein Zeichen
Von all der brütenden Herrlichkeit, versteckt im Sinn:
Ich lebte im Strahl und war nicht der Sonne zugewandt.
Ich blickte auf die Welt und verfehlte das Selbst,
Und als ich das Selbst fand, verlor ich die Welt,
Verlor ich meine anderen Selbste und den Körper Gottes,
Die Verbindung zwischen dem Endlichen und dem Unendlichen,
Die Brücke zwischen der Erscheinung und der Wahrheit,
Das mystische Ziel, wofür die Welt geschaffen ward,
Den menschlichen Sinn der Unsterblichkeit.
Doch nun kommt mit deinen Füßen das goldne Band zu mir
Und Seine goldne Sonne scheint aus deinem Gesicht auf mich.
Denn jetzt naht mit dir ein anderes Reich
Und jetzt erfüllen göttlichere Stimmen mein Ohr,
Eine fremde neue Welt schwimmt zu mir in deinem Blick,
Sich nahend wie ein Stern aus unbekannten Himmeln;
Ein Ruf der Sphären kommt mit dir und ein Lied
Von flammenden Göttern. Ich schöpfe einen reicheren Atem
Und bewege mich in einem feurigeren Marsch der Augenblicke.
Mein mentaler Geist verklärt sich zum verzückten Seher.
Ein Schaumspritzer von den Wogen der Seligkeit
Hat mein Herz verändert und wandelt die Erde ringsum:
Alles erfüllst du mit deinem Kommen. Luft, Boden und Strom
Tragen den Brautschmuck, um für dich schicklich zu sein,
Und Sonnenlicht wird zum Schatten deines Farbtons
Durch diese Wandlung in mir von deinem Blicke.
Komm näher zu mir aus deinem Lichtgefährt
Auf diese grüne Wiese und verachte unseren Boden nicht.
Denn für dich sind hier geheime Räume geschaffen,
Deren Smaragdhöhlen deine Gestalt zu verbergen suchen.
Willst du nicht diese sterbliche Seligkeit zu deiner Sphäre machen?
Steig nieder, O Glückseligkeit, mit deinen mondgoldnen Füßen
Und bereichere den Erdgrund, auf dessen Schlummer wir ruhen.
O Prinzessin Savitri, meine strahlende Schönheit,
Von meiner Wonne und deiner eigenen Freude bedrängt
Betritt mein Leben, dein Gemach und dein Heiligtum.
In der großen Stille, wo Geistwesen sich treffen,
Von meinem stillen Sehnen in meine Wälder geführt,
Lass das dumpf rauschende Gewölbe sich über dich neigen;
Eins mit dem Atem ewiger Dinge lebe,
Dein Herzschlag nah bei meinem, bis sich
Vom Duft der Blumen verzaubert
Ein Augenblick ereignet, den alles Raunen bewahren
Und jeder Vogel in seinem Ruf erinnern soll.“
Von seinen leidenschaftlichen Worten an die Wimpern gelockt
Sah ihre unergründliche Seele ihn aus ihren Augen an;
Über ihre Lippen sprachen diese in wohlklingendem Ton.
Dies Wort nur äußerte sie und sagte damit alles:
„O Satyavan, ich habe dich gehört und weiß es jetzt;
Ich weiß, dass du und nur du allein er bist.“
Dann stieg sie von ihrem hohen beschnitzten Wagen
Herab in sanfter und verhaltener Eile;
Ihr farbenprächtiges Gewand glitzerte im Lichte
Und schwebte einen Augenblick lang über das windbewegte Gras,
Vermischt mit einem Schimmer von ihres Körpers Lichtstrahl
Wie das schöne Gefieder eines sich niederlassenden Vogels.
Ihre leuchtenden Füße auf der grüngoldnen Wiese
Verstreuten eine Erinnerung an schweifende Strahlen
Und drückten leicht das ungesagte Verlangen der Erde,
Gehegt in ihr beim allzu kurzen Streifen des Bodens.
Dann, huschend wie blassglänzende Falter, nahmen ihre Hände
Von des Waldrandes sonnenhellen Armen
Ein Büschel von Schwärmen ihrer Juwelengesichter,
Gefährten der Frühlingszeit und des Windes.
Einem aufrichtigen Blumengewinde von einfacher Form
Brachten ihre behänden Finger ein Blumenlied bei,
Die strophenartige Bewegung einer Hochzeitshymne.
Tief an Wohlgeruch und in Farbe getaucht
Mischten sie die bunten Zeichen ihrer Sehnsucht und machten
Das Blühen von deren Reinheit und Leidenschaft eins.
Ein Sakrament der Freude in wertschätzenden Handtellern
Brachte sie, Blumensymbol ihres hingegebenen Lebens,
Und legte dann mit erhobenen Händen, die nun ein wenig zitterten
Bei jener Nähe, die ihre Seele ersehnte,
Dies Band der Süße, Zeichen ihrer lichten Verbundenheit,
An die von ihrer Liebe begehrten Brust.
Wie hingeneigt vor einem gnädigen Gott,
Der aus dem Dunstschleier seiner Größe hervorschien,
Um mit Schönheit die Stunden seines Anbeters zu füllen,
Verbeugte sie sich und berührte seine Füße mit anbetenden Händen;
Sie machte ihr Leben zu seiner Welt, die zu betreten er vermag,
Und machte ihren Körper zum Raume seines Entzückens,
Ihr pochend Herz zum Mahner an Seligkeit.
Er beugte sich zu ihr und nahm ihrer beider vermählten Sehnsucht
In seine eigene, vereint wie verschlungene Hoffnungen;
Als würde eine ganze reiche Welt zu ihm selbst,
Vermählt mit allem, was einst er gewesen war,
Eine unerschöpfliche Freude auf einmal seine allein,
Nahm er Savitri ganz in seine Arme.
Um sie herum ward seine Umarmung zum Zeichen
Einer geschlossenen Nähe durch lange innige Jahre,
Ein erster süßer Inbegriff künftiger Wonne,
Knapp des ganzen Lebens Intensität.
In einem weiten Moment der Begegnung zweier Seelen
Fühlte sie ihr Wesen in ihn strömen wie wogend
Ein Fluss sich in ein mächtiges Meer ergießt.
Wie wenn sich eine Seele in Gott versenkt,
Um auf ewig in Ihm zu leben und Seine Freude zu kennen,
Ward ihr Bewusstsein ihn allein gewahr
Und ihr ganzes getrenntes Selbst verlor sich in seinem.
Wie ein Sternenhimmel glücklich die Erde umringt,
Schloss er sie in sich ein in einem Kreis von Seligkeit
Und schloss ein die Welt in sich und ihr.
Eine grenzenlose Isolation machte beide eins;
Er war sich gewahr, wie sie ihn umhüllte
Und ließ sie seine Seele zutiefst durchdringen
Wie eine Welt erfüllt wird vom Geist der Welt,
Wie das Sterbliche erwacht in die Ewigkeit,
Wie das Endliche sich öffnet dem Unendlichen.
Für eine Weile so ineinander versunken
Kamen sie dann aus der Trance ihrer langen Ekstase
Zurück in ein neues Selbst und in eine neue Welt.
Ein Teil der Einheit des anderen war jeder nun,
Die Welt war nur der Ort ihrer beider Selbstfindung
Oder ihres eigenen vermählten Seins größerer Rahmen.
Auf der hohen glühenden Kuppel des Tages
Knüpfte Schicksal einen Knoten aus den Fäden der Morgenpracht,
Während beim Dienst einer verheißungsvollen Stunde
Herzverknüpft vor der Sonne, ihrem Hochzeitsfeuer,
Die Heirat des ewigen Herrn und seiner Gattin
Auf Erden wieder stattfand in menschlicher Gestalt:
In einem neuen Akt des Dramas dieser Welt
Begannen vereint die Beiden ein größeres Zeitalter.
In der Stille und dem Raunen jener smaragdgrünen Welt
Und dem Murmeln der heiligen Verse des Priesterwindes,
Inmitten leisen Choral-Geflüsters der Blätter
Fand sich der Liebe Paar und wurde eins.
Das natürliche Wunder ward einmal mehr vollbracht:
In der unwandelbaren Idealwelt
Wurde ein menschlicher Augenblick für die Ewigkeit geschaffen.
Auf schmalem Pfade dann, wo beider Leben sich trafen,
Führte er sie und zeigte ihr ihre künftige Welt,
Der Liebe Zuflucht und Winkel glücklicher Einsamkeit.
Am Ende des Weges, durch einen grünen Spalt zwischen Bäumen,
Gewahrte sie eine Reihe von Hüttendächer einer Einsiedelei
Und sah erstmals das künftige Heim ihres Herzens,
Das Strohdach, das Satyavans Leben bedeckte.
Geziert von Ranken und roten kletternden Blumen
Schien es eine Waldschönheit in ihren Träumen zu sein,
Schlummernd mit braunem Körper und wirrem Haar
In ihrem unantastbaren Gemach aus smaragdgrünem Frieden.
Ringsum erstreckte sich das Eremiten-Gemüt des Waldes,
Verloren in den Tiefen seiner eigenen Einsamkeit.
Dann, von unsäglicher Freude bewegt,
Wovon in ihren Worten ein wenig bebte,
Rief ihre glückliche Stimme zu Satyavan:
„Mein Herz wird hier an diesem Waldesrand bleiben
Und nah bei dieser Strohbedachung sein, wenn auch fern ich bin:
Jetzt hat es kein Bedürfnis mehr zu wandern.
Doch muss ich zurückeilen zu meines Vaters Haus,
Das bald einen liebgewonnen und vertrauten Schritt vermissen
Und vergeblich nach einer einst geliebten Stimme lauschen wird.
Denn bald werde ich wiederkehren und niemals mehr
Darf Einheit ihre wiedergewonnene Seligkeit lösen
Noch Schicksal unsere Leben trennen, solange Leben uns gehört.“
So stieg sie wieder auf ihr beschnitztes Gefährt
Und unter der Glut eines feurigen Mittags,
Nicht so hell wie die Pracht ihrer Gedanken und Träume,
Eilte sie raschzüglig, raschherzig dahin und sah doch immer noch
In stiller Klarheit der inneren Welt des Sehens
Durch das üppige Dunkel des kühlduftenden Waldes
Auf schattigen Pfaden zwischen großen knorrigen Stämmen
Satyavan zu einer stillen Lichtung schreiten.
Ein Dom von Bäumen überwölbte das Eremitendach,
Die neue tief verborgene Stätte ihres Glückes,
Als Tempel und Heim ihrer Seele dem Himmel vorgezogen.
Dies blieb nun bei ihr, ihres Herzens ständiger Schauplatz.
Ende des dritten Cantos
Ende des fünften Buches
SECHSTES BUCH
Das Buch vom Schicksal
Erster Canto
Das Wort des Schicksals
In stillen Bereichen, die an die Ebene des Sterblichen grenzen,
Zog hin über eine weite Fläche von strahlendem Frieden
Narad, der himmlische Weise vom Paradies,
Singend durch die weite und glänzende Luft.
Angelockt von der goldnen Sommererde,
Die unter ihm lag wie eine glühende Schale
Auf einer Tafel der Götter übergekippt,
Sich drehend wie von unsichtbarer Hand bewegt,
Um die Wärme und Glut einer kleinen Sonne zu erhaschen,
Kam er herüber von den frohen Pfaden der Unsterblichen
In eine Welt der Mühe und Suche und des Kummers und Hoffens,
In diese Räume des Schaukelspiels von Leben und Tod.
Über eine nicht greifbare Grenze von Seelenraum
Ging er vom Mental in das Stoffliche über,
Mitten unter die Erfindungen des nichtbewussten Selbstes
Und die Arbeitsweisen einer blinden schlafwandelnden Kraft.
Unter ihm kreisend brannten Myriaden von Sonnen:
Er trug die Kräuselungen des ätherischen Meeres;
Eine Urluft brachte die erste Berührungsfreude;
Ein geheimer Geist schöpfte seinen gewaltigen Atem,
Zusammenziehend und ausdehnend diese riesige Welt
In ihrem ungeheuren Kreislauf durch das Leere;
Die geheime Macht des schöpferischen Feuers
Entfaltete ihre dreifache Kraft zum Erbauen und Gestalten,
Ihren webenden Tanz winziger Wellenfunken,
Ihre nebelartigen Einheiten, die Form und Masse begründen,
Magisches Fundament und Muster einer Welt,
Ihre Strahlkraft, die berstend zum Licht der Sterne wird;
Er spürte einen Saft des Lebens, einen Saft des Todes;
In die dichte Gemeinschaft fester Materie
Tauchend, ihre obskure Einheit der Formen,
Teilte er Wesenseinheit mit einem stummen Geist.
Er gewahrte das kosmische Wesen bei seinem Wirken,
Seine Augen maßen die Räume, schätzten die Tiefen,
Sein innerer Blick erfasste die Bewegungen der Seele,
Er sah die ewige Arbeit der Götter
Und schaute auf das Leben von Tier und Mensch.
Die Stimmung des Sängers änderte sich nun,
Ein Entzücken und ein Pathos ergriff seine Stimme;
Er sang nicht mehr vom Licht, das nie vergeht,
Von Einheit und reiner immerwährender Seligkeit,
Er besang nicht mehr das todlose Herz der Liebe,
Sein Gesang war eine Hymne von Unwissenheit und Schicksal.
Er sang den Namen Vishnus und von der Geburt
Und Freude und Passion der mystischen Welt,
Und wie die Sterne erschaffen wurden und das Leben begann
Und die stummen Regionen sich rührten mit dem Pochen einer Seele.
Er sang vom Nichtbewussten und seinem geheimen Selbst,
Seiner allmächtigen Kraft, die nicht weiß, was sie tut,
Alles gestaltend ohne Willen oder Denken oder Sinn,
Seinem blinden unfehlbaren okkulten Mysterium,
Und von Finsternis, die sich nach dem ewigen Lichte sehnt,
Und von Liebe, die im düsteren Schlunde brütet
Und auf die Antwort des menschlichen Herzens wartet,
Und vom Tod, der empor zur Unsterblichkeit klimmt.
Er sang von der Wahrheit, die aus der Nacht blinden Tiefen schreit,
Und der Mutterweisheit, die in der Brust der Natur sich verbirgt,
Von der Idee, die durch deren Stummheit wirkt,
Und vom Wunder ihrer verwandelnden Hände,
Vom Leben, das im Stein und in der Sonne schlummert,
Und vom subliminalen Mental im mentallosen Leben
Und dem Bewusstsein, das in Tier und Mensch erwacht.
Er sang von der Glorie und dem Wunder, die noch geboren werden,
Von Gottheit, die schließlich ihren Schleier abwirft,
Von göttlich gewordenen Körpern und selig gewordenem Leben,
Unsterblicher Süße, die unsterbliche Macht umarmt,
Herz das Herz empfindet, Denken geradewegs auf Denken blickt,
Und von der Wonne wenn jegliche Schranke fällt,
Und von der Verklärung und der Ekstase.
Und als er so sang, da weinten die Dämonen vor Freude,
Absehend das Ende ihres langen schrecklichen Werkes
Und die Niederlage, auf die sie vergeblich hofften,
Die freudige Erlösung von ihrem selbstgewählten Verderb
Und Heimkehr in den Einen, aus dem sie kamen.
Er, der die Sitze der Unsterblichen erobert hat,
Kam herab zu Menschen auf der Erde, der göttliche Mensch.
Als stieße nieder ein Blitz, fiel eine Glorie herab,
Sich nahend bis die entzückten Augen des Weisen
Aus leuchtender Wolke blickten und, eigenartig gezeichnet,
Sein Angesicht, eine wunderschöne Maske von uralter Freude,
Im Lichte erschien, herabkommend wo sich
Der Palast König Aswapatis zu den Winden
In Madra erhob, blühend empor in feinem Stein.
Dort hieß ihn der weise und besonnene König willkommen,
An seiner Seite ein Wesen, schön, leidenschaftlich, klug,
Aufstrebend wie eine Opferflamme
Von ihrem Erdsitz durch leuchtende Luft zum Himmel empor,
Von königlichem Ansehen, die menschliche Mutter von Savitri.
Dort für eine Stunde, unbehelligt von der Belagerung der Erde,
Ließen sie Alltagsleben und Sorgen hinter sich und saßen
Der hohen rhythmischen Stimme zugewandt,
Während der himmlische Seher in seinem gemessenen Gesang
Von den Mühen der Menschen sprach und wonach die Götter
Auf Erden trachten, und von der Freude, die hinter
Dem Wunder und dem Mysterium des Schmerzes pocht.
Er sang zu ihnen vom Lotusherz der Liebe
Mit all seinen tausend leuchtenden Knospen der Wahrheit,
Das zitternd schläft, verschleiert von äußeren Dingen.
Es bebt bei jeder Berührung, es strebt zu erwachen
Und eines Tages wird es eine selige Stimme hören
Und wird im Garten der Gemahlin erblühen,
Wenn sie von ihrem entdeckten Herrn ergriffen wird.
Eine machtvoll schauernde Windung von Ekstase
Ringelte sich durch das tiefe Innerste des Universums.
Aus der Benommenheit ihres Stoffes, den Träumen ihres Mentals,
Erwachte sie und schaute auf Gottes unverhülltes Antlitz.
Wie er sang und durch irdische Zeit Entzücken sich stahl
Und die Himmel packte, kam mit einem Ruf von Hufen,
Wie von ihrem geschwinden Herz angetrieben, Savitri;
Ihr strahlender Schritt schimmerte über den Boden her.
Ein glückliches Wunder in ihrem unergründlichen Blick,
Kam sie durch den Lichtkranz ihrer Liebe verklärt;
Ihre Augen reich an leuchtendem Hauch der Freude
Wie eine, die von einer himmlischen Gesandtschaft kommt
Und die stolze Sendung ihres Herzens erfüllt,
Eine, die da trägt die Einwilligung der Götter
Zu ihrer Liebe und deren leuchtenden Ewigkeit,
So stand sie vor dem Throne ihres mächtigen Vaters,
Und, begierig nach Schönheit auf der entdeckten Erde,
Die verwandelt und neu in ihres Herzens Zauberlicht,
Sah wie eine Rose des Wunders, anbetend,
Die feuergetönte Lieblichkeit des Himmelsohnes.
Er warf auf sie seinen weiten unsterblichen Blick;
Sein inneres Schauen umgab sie mit seinem Licht
Und zügelnd Wissen auf seinen unsterblichen Lippen
Rief er ihr zu: „Wer ist sie, die da kommt, die Braut,
Die Flammengeborene, und um ihr erleuchtetes Haupt
Die Lichter ihres hochzeitlichen Prunks verströmt,
Die sie blitzend umkreisen? Von welch grünem Lichtungsschimmer,
Der sich zurückzieht in taubenetzte Schweigsamkeiten
Oder halbsichtbare Ränder mondbetrogener Gewässer,
Bringst diese Glorie entzückter Augen du mit?
Die Erde hat goldne Flächen, schattige Hügel,
Die ihre träumenden Phantom-Häupter in Nacht einhüllen,
Und geschützt in einer klösterlichen Freude der Wälder
Sinken abgeschirmte Ufer in Glückseligkeit ab,
Ergriffen von den geschwungenen unaufhörlich sehnenden Händen
Und Wellenpassion des emporschauenden Stromes:
Im kühllippigen Gemurmel seiner reinen Umarmung
Verlieren sie ihre Seelen in Betten zitternden Schilfes.
Und all dies sind geheimnisvolle Gegenwarten,
In denen eines Geistes unsterbliche Seligkeit spürbar ist,
Und sie verleiten das erdgeborene Herz zur Freude.
Dort hast du verweilt und ertrugest bewundernd Augen
Dir unbekannt, oder hörtest eine Stimme, die dein Leben zwang,
Sein Glück durch deine lauschende Seele zu spannen?
Oder, traute mein Denken diesem schimmernden Blick,
Würde es sagen, du trankest nicht aus irdischem Kelch,
Sondern schreitend durch azurblaue Schleier des Mittags
Warst du umgeben rings an einem magischen Saum
Von helleren Gefilden als Menschenauge erträgt.
Bestürmt von Scharen von Stimmen der Wonne
Und ergriffen inmitten eines sonnenhellen Zaubers der Zweige
In Feenwäldern, hinabgeleitet die schimmernden Hänge
Von Gandhamadan, wo die Apsaras umherschweifen,
Nahmen deine Glieder an Spielen teil, die noch niemand sah,
Und in Gottwinkeln wandelte dein menschlich Schreiten,
Dein sterblicher Busen bebte von Gottsprache
Und deine Seele erwiderte einem unbekannten Wort.
Welch Götterfüße, welch bezaubernde Himmelsflöten
Haben hohe Weisen erschallen lassen, von nah und fern
Durch linde und schwelgende Lüfte hergeweht,
Die immer noch du verwundert hörst? Sie haben
Dein Schweigen mit roter seltsam verzückter Frucht genährt
Und du hast die blassen Mondgipfel der Seligkeit beschritten.
Tu kund, O mit Licht Beflügelte, woher du geflogen bist
Durch die grün verworrene Erde hellfarbig eilend,
Dein Körper im Rhythmus mit dem Ruf des Frühlingsvogels.
Die leeren Rosen deiner Hände sind gefüllt
Nur mit ihrer eigenen Schönheit und dem Schauer
Einer erinnerten Umarmung, und in dir glüht
Ein himmlisches Gefäß, dein festes inbrünstig-honigsüßes Herz,
Frisch überreich gefüllt mit einem süßen und nektarreichen Wein.
Du sprachest nicht mit den Königen der Pein.
Die gefährliche Musik des Lebens klingt noch in deinem Ohr
Weitmelodiös, schnell und großartig, der Gesang eines Zentauren,
Oder sanft wie Wasser, das zwischen Hängen plätschert,
Oder machtvoll wie ein großartiger Choral von vielen Winden.
Mondhell lebst du in deiner inneren Seligkeit.
Du kommst daher wie ein Silberreh durch Haine
Von Korallenblumen und Blüten glühender Träume,
Oder wehst einer Windgöttin gleich durch das Laub
Oder streifst, O rubinäugige und schneegefiederte Taube,
Flatternd durch Dickichte deiner reinen Wünsche
In der unversehrten Schönheit deiner Seele.
Dies alles sind nur Bilder für deine Erde,
Doch wahrste Wahrheit dessen, was in dir schläft.
Denn so ist dein Geist, eine Schwester der Götter,
Lieblich den Augen ist dein irdischer Körper
Und an Freude bist du verwandt mit den Söhnen des Himmels.
O du, die du kamst in diese große gefahrvolle Welt,
Die du jetzt durch den Glanz deiner Träume nur siehst,
Wo Liebe und Schönheit kaum sich behaupten können,
Du selbst ein Wesen gefährlich groß,
Allein hat eine Seele in einem goldnen Haus des Denkens
Ummauert von der Sicherheit deiner Träume gewohnt.
Wenn auf Höhen des Glücks, das Verhängnis schlafend lassend,
Das ungesehen das unbewusste Leben der Menschen jagt,
Dein Herz eingeschlossen in das Gold des Ideals leben könnte,
So hoch, so glücklich könnte dein Wachen sein!
Dürfte Verhängnis schlummern für alle Zeit!“
Er sprach, doch hielt von den Worten sein Wissen zurück
Wie eine Wolke mit dem lebhaften Lachen der Blitze spielt,
Aber in ihrem Innersten noch den Donner verhält,
So ließ er nur helle Bilder entfliehen.
Seine Rede, gleich holder Musik, verbarg seine Gedanken;
So wie ein Wind die klare Sommerluft umschmeichelt,
Sprach die, voll Mitleid mit Sterblichen, nur zu ihnen
Von lebendiger Schönheit und gegenwärtiger Seligkeit:
Das Übrige verbarg er in seinem allwissenden Mental.
Für jene, die seine himmlische Stimme hörten,
Schien der Schleier, den Himmels Erbarmen über künftig Leid wirft,
Der Unsterblichen Gutheißung nie endender Freude zu sein.
Doch Aswapati antwortete dem Seher; –
Sein lauschend Mental hatte den zweideutigen Schluss bemerkt,
Hinter den Worten einen unheilvollen Schatten gespürt,
Doch ruhig wie einer, der stets im Antlitz des Schicksals thront,
Hier inmitten der gefahrvollen Konturen des Erdenlebens,
Erwiderte er auf verborgene Gedanken mit vorsichtiger Rede:
„O todloser Weiser, der du hier um alle Dinge weißt,
Könnte ich doch beim Lichtstrahl meines eigenen Wünschens
Durch den geschnitzten Schild der Symbolbilder lesen,
Den du vor dein himmlisches Mental gehalten hast,
So säh ich die Schritte eines jungen gottgleichen Lebens
Leuchtenden Auges auf Erden froh beginnen;
Zwischen dem Unkennbaren und dem Ungesehenen
Geboren an den Grenzen zweier Wunderwelten,
Flammt es Symbole des Unendlichen aus
Und lebt in einem großen Licht von inneren Sonnen.
Denn gelöst und gelesen hat es die Zaubersiegel;
Getrunken hat es von den Freudenquellen des Unsterblichen,
Geschaut hat es durch die Juwelenschranken des Himmels,
Betreten hat es die strebende Heimlichkeit,
Blickt über irdisch gewohnte Dinge hinaus
Und verkehrt mit den Mächten, die die Welten erbauen,
Bis durch die lichten Tore und mystischen Straßen
Der Stadt aus Lapislazuli und Perlen
Stolze Taten schreiten, eine Formation und ein Marsch von Göttern.
Obwohl in Pausen unserer Menschenleben
Die Erde einige kurze vollkommene Stunden dem Menschen schenkt,
In denen der unstete Schritt der Zeit
Wie der ewige Augenblick erscheint, den die Todlosen leben,
Ist dieser Hauch doch selten auf der Welt des Sterblichen:
Kaum werden eine Seele und ein Körper hier geboren
In dem gnadenlos beschwerlichen Lauf der Sterne,
Deren Leben die paradiesische Note zu halten vermag,
Sein Rhythmus die vielstimmige Melodie wiederholen,
Die unermüdlich durch die verzückte Luft pulsiert,
Erhascht in dem Gesang, der die Glieder der Apsara beschwingt
Wenn schimmernd sie wie eine Lichtwolke schwebt,
Eine Woge der Freude auf dem Mondscheinflur des Himmels.
Schau dies aus Licht und Liebe gegossene Bild,
Eine Strophe voll der Inbrunst der Götter,
Vollendet gereimt, ein säulenartiger Wellenschlag aus Gold!
Ihr Körper wie ein randgefüllter irdener Krug der Wonne
Ist geformt in einer Pracht von goldfarbener Bronze,
Wie um der Erde Wahrheit verborgener Seligkeit zu fassen.
Ihre Augen sind traumgeschaffene strahlende Spiegel,
Zart umhangen mit einem dunklen Schlummersaum,
Zutiefst bewahrend Himmels Widerschein.
So wie ihr Körper, ist sie auch im Innern.
Die strahlenden Morgen des Himmels gehen glorreich auf,
Wie Feuertropfen auf einem Silberblatt,
In ihrem jungen Geist, noch unberührt von Tränen.
Da scheint alles Schöne immerwährend und neu
Dem jungfräulichen Staunen in ihrer kristallnen Seele.
Das unveränderliche Blau enthüllt sein weiträumig Denken;
Zauberhaft gleitet der Mond durch verwunderte Lüfte;
Die Blumen der Erde erblühen und lachen über Zeit und Tod;
Was der Zauberer Leben verwandelt, das rennt entzückt
Wie strahlende Kinder den heiteren Stunden nach.
Könnt diese Lebensfreude doch nur dauern, nicht Leid
Seinen bronzenen Ton in den Rhythmus ihrer Tage stoßen!
Sieh sie an, du Sänger mit dem Blick der Vorsehung,
Und lass deinen Segen erklingen, dass dieses holde Kind
Den Nektar eines sorglosen Lebens
Aus ihrem lichterfüllten Herzen der Liebe um sich ergieße,
Mit ihrer Seligkeit die müde Brust der Erde heile
Und wie eine frohe Schlinge Glückseligkeit werfe.
So wie der große und goldne segensreiche Baum wächst,
Der an Alacanandas murmelnden Wellen blüht,
Wo mit verliebter Eile die Wasser strömen,
Lispelnd und plappernd in der Herrlichkeit des Morgens,
Und mit lyrischem Lachen die Knie der Himmelstöchter umschlingen,
Von deren mondgoldnen Gliedern und wolkigen Haaren
Perlenhell ein magischer Regen tropft,
So gleichen ihre Morgenröten juwelenbesetzten Blättern des Lichtes,
So streut sie ihre Glückseligkeit unter die Menschen aus.
Als eine Flamme strahlenden Glückes ward sie geboren
Und ganz gewiss wird diese Flamme die Erde entflammen:
Verhängnis wird gewiss sie ziehen lassen und kein Wort sagen!
Doch lässt die sorglose Mutter hier allzu oft
Ihre Auserwählten in den neidvollen Händen des Schicksals:
Die Harfe Gottes verstummt, ihr Ruf zur Seligkeit
Verklingt entmutigt inmitten betrübter Töne der Erde;
Die Saiten der Sirene Ekstase ertönen hier nicht
Oder verstummen recht bald im Herz des Menschen.
Des Kummers Lieder haben wir genug: Lass hier einmal
Heitere und unbeschwerte Tage den Himmel bringen.
Oder muss Feuer stets die großen Seelen prüfen?
Den furchtbaren Höhenweg der Götter entlang,
Ausgerüstet mit Liebe und Glauben und heiliger Freude,
Lass auf der Reise zum Hause des Ewigen
Einmal unversehrt ein sterblich Leben passieren.“
Doch Narad antwortete nicht; still saß er da,
Wissend, dass Worte vergebens sind und Schicksal Herr ist.
Er schaute in das Ungesehene mit sehenden Augen,
Dann, mit der Unwissenheit des Sterblichen tändelnd,
Fragend wie einer, der nicht weiß, rief er aus:
„In welcher hohen Mission eilten ihre Räder?
Woher kam sie mit dieser Glorie in ihrem Herzen
Und das Paradies sichtbar in ihren Augen?
Welch unverhofften Gott, welch hehres Angesicht traf sie?“
Darauf der König: „Die rote Asoka gewahrte
Ihr Fortgehen und sieht ihre Rückkehr jetzt.
In eine Luft flammender Morgenröte aufgeschwungen
Wie ein heller Vogel, müde seines einsamen Zweiges,
Den eigenen Herrn zu finden, da er auf Erden
Noch nicht zu ihr kam, zog fort diese Lieblichkeit,
Bahnend sich ihren Weg mit raschem Flügelschlag.
Geleitet von einem fernen Rufe glitt hin ihr vager schneller Flug
Durch Sommermorgen und sonnenhelle Gefilde.
Den frohen Rest bewahren ihre beladenen Lider noch
Und diese zauberhaften Wächterlippen hüten einen Schatz.
Jungfrau, die du kommst vollendet durch Freude,
Enthülle den Namen, den dein plötzlich Herzpochen erfuhr.
Wen hast du als den königlichsten aller Männer auserwählt?“
Und Savitri gab Antwort mit ihrer ruhigen sanften Stimme
Wie eine, die unter den Augen des Schicksals spricht:
„Vater und König, deinen Willen habe ich befolgt.
Den Einen, den ich suchte, fand ich in fernen Ländern;
Ich habe meinem Herzen gehorcht, ich habe seinen Ruf gehört.
An den Grenzen einer träumenden Wildnis,
Zwischen Shalwas gigantischen Bergen und sinnierenden Wäldern,
Dort wohnt in seiner strohbedeckten Klause Dyumatsena,
Erblindet, verbannt, ausgestoßen, einst ein mächtiger König.
Dem Sohn von Dyumatsena, Satyavan,
Begegnete ich am einsamen Rande des wilden Waldes.
Mein Vater, ich habe gewählt. Dies ist getan.“
Erstaunt saßen alle eine Weile still.
Dann blickte Aswapati nach innen und sah
Einen schweren Schatten über dem Namen schweben,
Vertrieben von einem plötzlichen und gewaltigen Licht;
Er blickte in die Augen seiner Tochter und sprach:
„Du hast gut getan und ich billige deine Wahl.
Ist dies alles, dann ist gewiss alles gut;
Ist aber mehr, kann alles gut noch werden.
Ob es dem Auge des Menschen gut oder schlecht erscheint,
Nur zum Guten kann der geheime Wille wirken.
Unser Geschick ist in Doppelbegriffen geschrieben:
Durch die Gegensätze der Natur nähern wir uns Gott;
Noch immer wachsen wir aus der Dunkelheit zum Licht.
Der Tod ist unser Weg zur Unsterblichkeit.
‚O weh, O weh’, klagen die verlorenen Stimmen dieser Welt,
Doch siegreich bleibt am Ende nur das ewig Gute.“
Es hätte wohl der Weise gesprochen, doch der König
Brach in Eile aus und hielt das gefährliche Wort auf:
„O Sänger der äußersten Ekstase,
Verleihe nicht den Blinden eine Schau voller Gefahr,
Weil klar du gesehen hast durch angeborenes Recht.
Auferlege nicht des Sterblichen banger Brust
Die schreckliche Prüfung, die Vorherwissen bringt;
Fordere jetzt nicht die Gottheit in unserem Tun.
Hier sind nicht frohe Gipfel, auf denen Himmelnymphen tummeln,
Nicht Kailas oder Vaikunthas Sternentreppe:
Schroffe, zerklüftete Berge, die einzig Mächtige erklimmen,
Sind hier, was schon zu denken wenige sich getrauen;
Ferne Stimmen rufen von den schwindelnden Felsen herab,
Eisig, rutschig, abschüssig sind die Pfade.
Zu hart sind die Götter mit dem zerbrechlichen Menschengeschlecht;
In ihren weiten Himmeln wohnen sie verschont vom Schicksal,
Die wunden Füße des Menschen vergessen sie,
Seine Glieder, die unter den Hieben des Schmerzes erlahmen,
Sein Herz, das die Schritte von Zeit und Tod hört.
Der Zukunft Straße ist verborgen vor sterblichem Blick:
Er bewegt sich auf ein verhülltes und geheimes Antlitz zu.
Einen Schritt voraus zu sein ist sein ganzes Hoffen,
Um ein wenig Kraft nur bittet er,
Das Geheimnis seiner verhüllten Schicksalsgöttin zu lüften.
Erwartet von einer unbestimmten und halbgesehenen Kraft,
Im Wissen um die Gefahr für seine ungewissen Stunden
Schützt er sein flackernd Sehnen vor ihrem Atem;
Er merkt nicht, wenn sich um ihn die grässlichen Finger schließen
Mit dem Griff, dem sich keiner entziehen kann.
Sprich nur dann, wenn du ihren Griff auch lösen kannst.
Vielleicht gibt es ein Entrinnen aus der ehernen Schlinge:
Unser Denkvermögen täuscht uns vielleicht mit seinen Worten
Und nennt Verhängnis jenes, was wir selbst erwählen;
Vielleicht ist die Blindheit unseres eigenen Willens das Schicksal.“
So sprach er, Narad aber gab dem König keine Antwort.
Doch nun erhob die Königin beunruhigt ihre Stimme:
„O Seher, deine lichte Ankunft kam zur rechten Zeit
Für diesen hohen Augenblick in einem glücklichen Leben;
So heiße darum mit der gütigen Rede sorgloser Sphären
Dies unbeschwerte Zusammentreffen zweier Gestirne gut
Und bekräftige Freude mit deiner himmlischen Stimme.
Ziehe hier nicht in die Gefahr unsere Gedanken,
Lass unsere Worte nicht das Unheil schaffen, das sie fürchten.
Hier gibt es keinen Anlass für Furcht, keine Möglichkeit für Trübsal
Ihr bedrohliches Haupt zu heben und Liebe anzustarren.
Ein einzigartiger Geist in einer Schar von Menschen,
Ist Satyavan glücklich unter Männern der Erde,
Den Savitri zu ihrem Gatten erkor,
Vom Heil begünstigt die Waldeinsiedelei,
Wo, verlassend ihren Palast und Reichtum und einen Thron,
Meine Savitri wohnen und den Himmel bringen wird.
Gib darum deinen Segen als Siegel der Unsterblichen
Auf das makellose Glück dieser beiden lichten Leben
Und vertreibe den unheilvollen Schatten von ihren Tagen.
Zu schwer fällt ein Schatten auf des Menschen Herz;
Es wagt nicht, auf Erden allzu glücklich zu sein.
Es fürchtet den Schlag, der lebhaften Freuden auf dem Fuße folgt,
Eine unsichtbare Geißel in der ausgestreckten Hand des Schicksals,
Die Gefahr, die in Glückes stolzem Außergewöhnlichen lauert,
Eine Spöttelei in Lebens nachsichtigem Lächeln,
Und zittert vor dem Lachen der Götter.
Kauert aber dort ungesehen ein Pantherverhängnis,
Kreisen Schwingen des Bösen über diesem Hause,
So sprich auch dann, dass wir uns abwenden noch,
Unser Leben retten vor der Gefahr des Untergangs am Wegesrand
Und der Zufallsverstrickung in ein fremdes Geschick.“
Darauf sprach Narad langsam zur Königin:
„Was könnte Voraussicht helfen den Getriebenen?
An Rettertüren, die geöffnet ganz nah rufen, gehen die Verdammten vorbei.
Ein Wissen um die Zukunft bedeutet zusätzliches Leid,
Eine quälende Last und ein fruchtloses Licht
Auf der riesigen Bühne, die das Schicksal erbaut hat.
Der ewige Dichter, universales Mental,
Hat jede Zeile seines großartigen Stückes verfasst;
Unsichtbar schreiten die Riesenakteure
Und der Mensch lebt wie die Maske eines geheimen Spielers.
Er weiß nicht einmal, was seine Lippen sprechen werden.
Denn eine rätselhafte Macht zwingt seinen Schritt
Und Leben ist stärker als seine zitternde Seele.
Niemand kann sich dem widersetzen, was die strenge Kraft verlangt:
Auf ihr mächtiges Ziel sind ihre Augen gerichtet;
Kein Schrei, kein Gebet bringt sie ab von ihrem Weg.
Ein Pfeil ist sie, von Gottes Bogen geschnellt.“
Dies waren Worte solcher, die vom Kummer unbezwungen leben
Und durch Ruhe den schwankenden Rädern des Lebens helfen,
Der langen Unrast vergänglicher Dinge
Und der Mühsal und Leidenschaft der unruhigen Welt.
Als hätte man ihr die Brust durchbohrt, so sah die Mutter
Das uralte menschliche Urteil ihr Kind treffen,
Seine Lieblichkeit, die doch ein anderes Los verdiente,
Mit umso größerem Maß an Tränen bedacht.
Strebend in Sehnsucht nach der Natur der Götter,
Ein mentaler Geist, hiebfest gerüstet mit mächtigen Gedanken,
Ein Wille, der hinter dem Schild der Weisheit kauert,
Obwohl sie zu stillen Himmeln des Wissens sich erhoben hatte,
Obwohl ruhig und weise und Aswapatis Königin,
War menschlich sie noch und öffnete ihre Tore dem Gram;
Sie klagte das steinäugige Unrecht
Der Marmor-Gottheit des unbeugsamen Gesetzes an,
Nicht suchte sie die Stärke, die äußerstes Unglück verleiht
Jenen Leben, die sich aufrecht der Weltmacht entgegenstellen:
Ihr Herz fochte den unparteiischen Richter an,
Beschuldigte den unpersönlichen Einen der Bosheit.
Ihren ruhigen Geist rief sie nicht zu Hilfe,
Aber wie ein einfacher Mensch unter seiner schweren Last
Ermattend seinen Schmerz in einfältige Worte haucht,
So klagte sie nun den gleichmütigen Willen der Welt an:
„Welch tückisch Verhängnis schlich über ihren Weg,
Aufgetaucht aus des dunklen Waldes grimmigen Herz,
Welch Übel stand lächelnd am Wege
Und trug die Schönheit des Shalwa-Knaben?
Vielleicht kam er als Feind aus ihrer Vergangenheit,
Gerüstet mit einer verdeckten Kraft aus uraltem Unrecht,
Selbst ahnungslos, und ergriff die Ahnungslose.
Fürchterlich verstrickt begegnen Liebe und Hass
Uns blinden Wanderern hier inmitten der Gefahren der Zeit.
Unsere Tage sind die Glieder einer unheilvollen Kette,
Notwendigkeit ahndet zufällige Schritte;
Alte Gräueltaten kehren unerkannt zurück,
Die Götter bedienen sich unserer vergessenen Taten.
Doch umsonst wurde das bittere Gesetz gemacht.
Unser eigener mentaler Geist ist der Richter des Verderbens.
Denn nichts haben wir gelernt, sondern wiederholen noch
Den groben Missbrauch unserer und der Seele anderer.
Es gibt schlimme Alchemien im menschlichen Herzen
Und aus seinem ätherischen Element gefallen
Verdunkelt sich der Gott der Liebe zum Geist von niederen Göttern.
Der fürchterliche Engel, zornig auf seine Freuden,
Die süß verwunden er doch nicht lassen kann,
Ist erbarmungslos zu jener Seele, die sein Blick entwaffnet,
Seine zitternde Beute sucht er mit seinen eigenen Qualen heim
Und zwingt uns, schmachtend an seinen Griff zu klammern
Als wären wir verliebt in unsere eigene Pein.
Dies ist das eine schmerzhafte Elend in der Welt
Und Gram hält andere Schlingen für unser Leben bereit.
Unser Mitleid wird zu unserem Peiniger.
Die eigene Strafe zu tragen habe ich die Kraft
Und weiß sie gerecht, doch fassungslos auf dieser Erde,
Gepackt vom Schmerz der Gegeißelten und Hilflosen,
Versagt sie oft vor den leidenden Augen anderer.
Wir sind nicht wie die Götter, die Gram nicht kennen
Und ungerührt auf eine leidende Welt blicken,
Ruhig schauen sie auf die kleine menschliche Bühne herab
Und die kurzlebige Leidenschaft, die sterbliche Herzen durchzieht.
Eine alte Leidensgeschichte kann uns noch immer rühren,
Wir wahren den Schmerz von Herzen, die nicht mehr atmen,
Der Anblick menschlicher Not erschüttert uns,
Wir teilen das Elend, das andere fühlen.
Unser sind nicht die leidenschaftslosen Lider, die nicht altern können.
Zu hart für uns ist Himmels Gleichgültigkeit:
Unsere eigenen Tragödien sind uns nicht genug,
Alles Pathos und Leid machen wir uns zu eigen;
Wir trauern um eine verblichene Größe
Und fühlen die Spur der Tränen in Sterblichem.
Sogar die Pein eines Fremden zerreißt mein Herz,
Und dies, O Narad, ist mein geliebtes Kind.
Verbirg uns nicht das Unheil, steht Unheil uns bevor.
Dies ist das Schlimmste, ein unbekanntes Angesicht des Schicksals,
Ein Schrecken, unheilvoll, stumm, mehr gefühlt als gesehen
Hinter unserem Sitz bei Tag, an unserem Bett bei Nacht,
Ein Schicksal, das im Schatten unseres Herzen lauert,
Die Angst vor dem Ungesehenen, das darauf wartet, zuzuschlagen.
Am Besten ist Wissen, wie schwer es auch zu ertragen ist.“
Da sprach der Weise, durchbohrend der Mutter Herz,
Zwingend zu Stahl den Willen Savitris,
Und seine Worte setzten die Quelle kosmischen Schicksals frei.
Die großen Götter nutzen den Schmerz menschlicher Herzen
Als eine scharfe Axt, um ihren kosmischen Weg auszuhauen:
Großzügig verschwenden sie der Menschen Blut und Tränen
Für den Zweck eines Augenblicks in ihrem schicksalhaften Werke.
Dies Gleichgewicht der kosmischen Natur ist uns nicht zu eigen,
Auch nicht das mystische Maß ihres Bedarfs und Nutzens.
Ein einzig Wort löst weite Wirkungen aus;
Eine zufällige Tat bestimmt das Schicksal der Welt.
So setzte er jetzt frei zu jener Stunde das Geschick.
„Die Wahrheit hast du verlangt; ich gebe dir die Wahrheit.
Ein Wunder der Begegnung von Erde und Himmeln
Ist er, den Savitri unter all den Männern wählte,
Im Marsch der Natur ist seine Gestalt die Spitze,
Sein einzigartig Wesen überragt die Werke der Zeit.
Ein Saphir, geschnitten aus des Himmels Schlaf,
Ist zauberhaft die Seele von Satyavan,
Ein Strahl aus dem verzückten Unendlichen,
Eine Stille, die zu einer Hymne der Freude erwacht.
Ein Göttliches und Königliches krönt seine Stirn;
Seine Augen wahren eine Erinnerung an eine Welt der Seligkeit.
So strahlend wie ein einsamer Mond am Himmel,
Zart wie eine liebliche Knospe, die Frühling ersehnt,
Rein wie ein Strom, der stille Ufer küsst,
Nimmt er mit freudigem Handstreich Geist und Sinn ein.
Ein lebendiger Knoten des goldnen Paradieses,
Eine blaue Unermesslichkeit, so neigt er sich zur sehnenden Welt,
Der Zeit Freude, entliehen der Ewigkeit,
Ein Stern der Herrlichkeit oder eine Rose der Seligkeit.
In ihm sind Seele und Natur, gleichwertige Gegenwärtigkeiten,
Ausgewogen und verschmolzen in einer weiten Harmonie.
Die Herzen der Glückseligen in ihrem lichten Äther
Sind nicht süßer und wahrer als dies von sterblicher Art,
Das alle Freude nimmt als der Welt ureigenes Geschenk
Und allen Freude gibt als der Welt natürliches Recht.
Seine Rede trägt ein Licht innerer Wahrheit,
Und eine großäugige Kommunion mit der Macht
In Alltagsdingen hat ihm den mentalen Geist entschleiert,
Ein Seher in Erdgestaltungen der hüllenlosen Gottheit.
Eine ruhige Himmelsweite, windlos und still,
Die wie unerlotetes Denken auf die Welt blickt,
Ein schweigender Raum, andachtsvoll und erleuchtet,
Enthüllt vom Morgen für die Wonne,
Ein grüner Hain von Bäumen auf einem heiteren Hügel
Von Südwinden zu einem raunenden Nest gemacht,
Dieses sind seine Bilder und Entsprechungen,
Ihm gleich an Schönheit und an Tiefe ihm ebenbürtig.
Ein Wille hinaufzusteigen, hebt eine Freude zu leben,
Himmels Höhe Gefährte des Erdschönen Zaubers,
Ein sehnsuchtsvolles Streben nach der Luft der Unsterblichen
In den Schoß der sterblichen Ekstase gelegt.
Seine Süße und Freude ziehen alle Herzen an,
Um mit den seinigen in froher Gemeinschaft zu leben,
Seine Stärke gleicht einem Turm, erbaut um den Himmel zu ergreifen,
Einer Gottheit, gehauen aus den Steinen des Lebens.
O welch Verlust, wenn Tod in diesen Elementen,
Aus denen seine anmutige Hülle erschaffen ward,
Diese Vase zerschmettert noch ehe sie ihre Düfte verströmt,
Als könnt die Erde nicht allzu lang vom Himmel
Solch einzigartigen Schatz bewahren, entliehen von den Göttern,
Ein so seltenes Wesen, von so göttlicher Art gemacht!
In einem kurzen Jahr, wenn diese helle Stunde wieder flieht
Und sich sorglos niederlässt auf einem Zweige der Zeit,
Dann endet diese hoheitsvolle Glorie, die der Himmel der Erde lieh,
Schwindet die Herrlichkeit vom Firmament des Sterblichen:
Des Himmels Größe kam, zum Bleiben aber war sie zu groß.
Zwölf beflügelte Monde sind ihm und ihr gegeben;
Kehrt der heutige Tag zurück, muss Satyavan sterben.“
Wie ein Blitz, hell und nackt, fiel der Urteilsspruch.
Die Königin schrie auf: „So vergeblich kann des Himmels Gnade sein!
Der Himmel verhöhnt uns mit dem Glanz seiner Gaben,
Denn der Tod ist ein Mundschenk vom Wein
Allzu kurzer Freude, den sorglose Götter sterblichen Lippen
Für einen leidenschaftlichen Augenblick anbieten.
Ich aber lehne die Gnade ab und den Hohn.
Steig auf deinen Wagen und brich auf, O Savitri,
Reise noch einmal durch bevölkerte Lande.
Ach, in der grünen Freude der Wälder
Hat sich dein Herz einem irreführenden Ruf gebeugt.
Wähle noch einmal und lass ab von diesem unheilvollen Haupt,
Der Tod ist Gärtner von diesem Wunderbaum;
Der Liebe Süße schläft in seiner bleichen Marmorhand.
Weiterschreitend in einer honigsüßen Spur, doch versperrt,
Wäre ein bisschen Freude mit zu bitterem Ende erkauft.
Verteidige nicht deine Wahl, denn Tod hat sie vereitelt.
Deine Jugend und Ausstrahlung wurden nicht geboren,
Als abgelegte Schatulle auf schnödem Grunde leer dazuliegen;
Vielleicht beschert schlichtere Wahl ein froher Geschick.“
Doch Savitri entgegnete aus ihrem heftigen Herzen, –
Ihre Stimme ruhig, ihr Antlitz fest wie Stahl:
„Einmal wählte mein Herz und es wählt nicht wieder.
Das Wort, das ich gesprochen habe, lässt sich niemals löschen,
Geschrieben steht es in Gottes Urkundenbuch.
Die Wahrheit, einmal geäußert, aus der Luft der Erde getilgt,
Vom mentalen Geist vergessen, klingt doch unsterblich fort
Immerdar in der Erinnerung der Zeit.
Nur einmal fallen die Würfel, geworfen von der Hand des Schicksals
In einem ewigen Augenblick der Götter.
Mein Herz hat seine Treue zu Satyavan besiegelt:
Kein widriges Geschick kann seine Unterschrift löschen,
Weder Schicksal noch Tod oder Zeit sein Siegel brechen.
Wer will jene trennen, die im Innern zu einem Wesen wurden?
Des Todes Griff kann unsere Körper brechen, nicht unsere Seelen;
Wenn der Tod ihn nimmt, wüsste auch ich zu sterben.
Lasst die Schicksalsgöttin mit mir machen, was sie will oder kann;
Ich bin stärker als der Tod und größer als mein Schicksal;
Meine Liebe wird die Welt überdauern, Verhängnis fällt ab von mir
Hilflos gegenüber meiner Unsterblichkeit.
Schicksals Gesetz mag sich ändern, nicht aber meines Geistes Wille.“
Ein unnachgiebiger Wille, ihre Rede ergoss sich wie Bronze.
Doch im lauschenden mentalen Geist der Königin
Klangen die Worte wie die Stimme eines selbstgewählten Unheils,
Die jeglichen Ausweg des Entrinnens verneint.
Auf ihre eigene Verzweiflung antwortete die Mutter;
Sie rief wie eine, die in ihrem schweren Herz darum ringt,
Inmitten des Schluchzens ihrer Hoffnungen
Noch einen Ton der Hilfe den traurigen Saiten zu entlocken:
„O Kind, in der Erhabenheit deiner Seele,
Verweilend an der Grenze einer höheren Welt
Und geblendet von deinen übermenschlichen Gedanken,
Leihst du Ewigkeit dir für eine sterbliche Hoffnung.
Hier auf dieser unbeständigen und unwissenden Erde,
Wer ist da der Geliebte, wer der Freund?
Alles vergeht hier, nichts bleibt, wie es ist.
Auf diesem vergänglichen Erdball steht keiner jemandem zu.
Er, den du jetzt liebst, kam als ein Fremder
Und wird weiterziehen in eine ferne Fremde:
Ist ausgespielt seine Rolle auf des Lebens Bühne,
Ihm zugeteilt von innen für eine bestimmte Zeit,
Geht er zu anderen Szenen und anderen Spielern
Und lacht und weint zwischen neuen, unbekannten Gesichtern.
Der Leib, den du geliebt hast, wird weggeworfen
Inmitten den groben nie sich wandelnden Stoff der Welten
Teilnahmsloser gewaltiger Natur und wird
Zum Rohstoff für die Freude anderer Leben.
Unsere Seelen aber, die auf Gottes Rad
Sich ewig drehen, sie kommen und gehen,
Vermählt und geschieden in dem magischen Reigen
Des großartigen Tänzers des grenzenlosen Tanzes.
Unsere Gefühle sind nur hohe und sterbende Noten
Seiner wilden Musik, bezwingend verwandelt
Durch die leidenschaftlichen Regungen eines suchenden Herzens
Im Wechselhaften, das Stunde an Stunde knüpft.
Den fern antwortenden Gesang des Himmels herabzurufen,
Nach unerlangter Seligkeit zu schreien, ist alles, was wir wagen;
Einmal erlangt, verlieren wir den Sinn der himmlischen Musik;
Zu nah, ist der rhythmische Ruf verflogen oder verstummt;
Alle Lieblichkeiten sind nur verwirrende Symbole hier.
Schon vor dem Geliebten stirbt die Liebe in unserer Brust:
Unsere Freuden sind Düfte in einer spröden Vase.
O welch ein Schiffbruch ist dies, auf dem Ozean der Zeit
Die Segel des Lebens für den Orkan der Begierde zu hissen
Und das blinde Herz als Lotsen anzuheuern!
O Kind, willst du verkünden, willst du denn folgen
Zum Trotz dem Gesetz, das der ewige Wille ist,
Der Alleinherrschaft des ungestümen Titans Laune,
Dem sein eigener wilder Wille das einzige Gesetz ist
In einer Welt, wo weder Wahrheit noch Licht noch Gott ist?
Nur die Götter können sprechen, was du jetzt sprichst.
Du, die du menschlich bist, denke nicht wie ein Gott.
Dem Menschen, unter dem Gott, über dem Tier,
Ist die ruhige Vernunft als sein Führer gegeben;
Er wird nicht getrieben von einem unbedachten Willen
So wie das Tun von Vogel und wildem Tier;
Er wird nicht gedrängt von starrer Notwendigkeit
Wie der blindlings tappende Gang bewusstloser Dinge.
Der rasende Marsch des Riesen und Titanen
Klimmt empor, um das Reich der Götter an sich zu reißen,
Oder umkreist die dämonischen Gewalten der Hölle;
In der unbesonnenen Leidenschaft ihrer Herzen
Schmettern sie ihr Leben gegen das ewige Gesetz
Und fallen und brechen durch ihre eigene gewaltige Masse:
Der Mittelweg ist für den denkenden Mensch gemacht.
Seine Schritte im wachsamen Lichte der Vernunft zu wählen,
Seinen eigenen Pfad unter den vielen Pfaden zu wählen
Ist ihm gegeben, für jeden sein schweres Ziel
Aus unendlicher Möglichkeit herausgehauen.
Lass nicht ab von deinem Ziel, um einem schönen Gesicht zu folgen.
Erst wenn du dich über dein Mental erhoben hast
Und in der ruhigen Weite des Einen lebst
Kann Liebe ewig sein in der ewigen Seligkeit
Und göttliche Liebe ersetzt die menschliche Bindung.
Es gibt eine verhüllte Gesetzgebung, eine strenge Kraft:
Sie gebietet dir, deinen unsterblichen Geist zu stärken;
Sie gewährt ihre herben Wohltaten
Der Arbeit, des Denkens und der ernst gemessenen Freude
Als Stufen zu Gottes fernen geheimen Höhen.
Dann ist unser Leben eine beschauliche Pilgerreise,
Jedes Jahr ein Meilenstein auf dem himmlischen Weg,
Jeder Morgen geht auf in ein größeres Licht.
Deine Taten sind Helfer dir, alle Ereignisse sind Zeichen,
Wachen und Schlafen sind Gelegenheiten,
Dir gegeben von einer unsterblichen Macht.
So kannst du deinen reinen unbesiegten Geist erheben,
Bis himmelhoch ausgebreitet in einer weiten Abendruh,
Gleichmütig und sanft wie das Firmament,
Allmählich er in zeitlosen Frieden wächst.“
Doch Savitri erwiderte mit festem Blick:
„Mein Wille hat Teil am ewigen Willen,
Mein Schicksal ist, was die Stärke meines Geistes vermag,
Mein Schicksal ist, was die Stärke meines Geistes erträgt;
Meine Stärke ist nicht die eines Titanen; sie ist die Gottes.
Ich habe meine frohe Wirklichkeit entdeckt
Im Wesen eines anderen jenseits meines Körpers:
Ich habe die tiefe unwandelbare Seele der Liebe gefunden.
Wie soll ich also ein Gut allein für mich begehren,
Oder töten, strebend zu weiß leerem Frieden,
Die endlose Hoffnung, die meine Seele
Aus ihrem unendlichen Alleinsein und Schlaf entspringen ließ?
Mein Geist hat die Glorie erblickt, für die er kam,
Das Schlagen eines weiten Herzens in der Flamme der Dinge,
Meine Ewigkeit umfangen von seiner Ewigkeit
Und, nicht ermüdet von den süßen Abgründen der Zeit,
Die tiefe Möglichkeit allezeit zu lieben.
Dies, und nur dieses, ist die erste und letzte Freude,
Dagegen sind die Schätze von tausend glückerfüllten Jahren
Armseligkeit. Nichts sind mir Tod und Kummer
Oder gewöhnliches Leben und glückliche Tage.
Und was wären mir gewöhnliche Menschenseelen
Oder Augen und Lippen, wenn sie nicht von Satyavan sind?
Ich brauche mich nicht loszureißen aus seinen Armen
Und dem entdeckten Paradies seiner Liebe,
Um fortzuziehen in eine stille Unendlichkeit.
Einzig für meine Seele in Satyavan
Hege ich jetzt den reichen Umstand meiner Geburt:
Im Sonnenlicht und einem Traum von smaragdgrünen Wegen
Werde ich mit ihm wandeln wie Götter im Paradies.
Wenn für ein Jahr, ist dies Jahr mein ganzes Leben.
Und doch weiß ich, dies ist nicht mein ganzes Schicksal
Nur eine Weile zu leben und zu lieben und dann zu sterben.
Denn ich weiß jetzt, warum mein Geist auf die Erde kam
Und wer ich bin und wer er ist, den ich liebe.
Ich sah ihn an aus meinem unsterblichen Selbst,
Ich sah Gott mir zulächeln in Satyavan;
Ich sah den Ewigen in einem menschlichen Antlitz.“
Niemand konnte auf ihre Worte antworten. Schweigend
Saßen sie da und schauten in die Augen des Geschicks.
Ende des ersten Cantos
Zweiter Canto
Der Schicksalslauf und die Frage des Leidens
Ein Schweigen besiegelte den unwiderruflichen Entschluss,
Das Wort des Schicksals, das von himmlischen Lippen fiel,
Festlegend ein Verhängnis, das keine Macht abwenden konnte,
Es sei denn, des Himmels Wille ändere selber seinen Lauf.
So schien es: Doch dem Schweigen entstieg
Eine Stimme, die unabänderliches Geschick bestritt,
Ein Wille, der mit dem unwandelbaren Willen rang.
Einer Mutter Herz hatte die schicksalsschwere Rede vernommen,
Die wie eine Gutheißung zum Ruf des Todes klang
Und wie ein eisiger Schauer Leben und Hoffnung überkam.
Doch Zuversicht sank wie ein erlöschendes Feuer.
Sie fühlte die bleierne unentrinnbare Hand
In die Verborgenheit ihrer behüteten Seele eindringen
Und mit plötzlichem Schmerz deren stille Zufriedenheit schlagen
Und das Reich ihrer schwer erkämpften Ruhe.
Eine Weile sank sie auf die Ebene menschlichen Mentals,
Ein Feld des sterblichen Grams und des Gesetzes der Natur;
Sie teilte, sie trug das gewöhnliche Los der Menschen
Und empfand, was gewöhnliche Herzen in der Zeit erdulden müssen.
Der unergründlichen Macht die Frage der Erde stellend,
Wandte sich nun die Königin an den stillen reglosen Seher:
Bedrängt von der Unzufriedenheit in den Tiefen der Natur,
Gefährtin der Qualen stummer getriebener Dinge
Und all des Elends, all des unwissenden Schreis,
Sprach sie leidenschaftlich wie Leid, das Himmel verhört.
Ihre Stimme der Oberflächenseele auf Erden leihend,
Äußerte sie das stumme Herzleid der Welt
Und des Menschen Auflehnung gegen sein unwissend Los.
„O Seher, in diesem seltsam zweinaturigem Leben der Erde,
Durch welche erbarmungslose widrige Notwendigkeit
Oder welche kalte Laune eines Schöpfers Willen,
Durch welchen beiläufigen Umstand oder gelenkten Zufall,
Der wahllose Schritte zu einem Gesetze fügte
Und der aus Gefühlen einer Stunde Schicksal schuf, kam
In das unverständliche Mysterium der Zeit
Das schlimmere Mysterium von Leid und Schmerz?
Ist es dein Gott, der dies grausame Gesetz erließ?
Oder hat eine unheilvolle Macht sein Werk verdorben
Und er steht hilflos da und kann nicht schützen oder retten?
Eine fatale Saat ward beim Fehlstart des Lebens gesät
Als Böses mit Gutem sich paarte auf irdischem Grund.
Dann trat zuerst die Krankheit des mentalen Geistes auf,
Seine Pein des Denkens, seine Suche nach dem Ziel des Lebens.
Er verdrillte in Formen von Gut und Böse
Die unverstellte Einfachheit tierhaften Tuns;
Er verbog den geraden Pfad, ausgehauen durch des Körpers Götter,
Folgte dem Zickzackkurs des ungewissen Laufs
Des Lebens, das wandernd nach seinem Ziele sucht
Im blassen Sternenlicht, das von den Himmeln des Denkens fällt,
Seine Führer die vage Idee, der schwankende Wille.
Verloren war die sichere Einheit des Instinkts
Mit der Pfeilspitze innerster Schau des Wesens,
Gestört das sichere Schreiten der Natur einfachen Gang
Und Wahrheit und Freiheit in der wachsenden Seele.
Aus einer alterslosen Unschuld und aus dem Frieden,
Privileg der Seelen, noch nicht zur Geburt verleitet,
Hinabgeworfen, auf dieser hart gefahrvollen Erde zu leiden,
Begann unser Leben mit Schmerz und einem Schrei.
Heißt Erdnatur auch willkommen des Himmels Atem,
Der Materie mit dem Lebenswillen beseelt,
Bestürmen doch tausend Übel die Stunden des Sterblichen
Und tragen die natürliche Freude des Lebens ab;
Eine klug gemachte Maschine ist unser Körper,
Doch ebenso klug geplant für all seine Teile,
Mit dämonischem Geschick raffiniert erdacht,
Sein dazu passendes unvermeidliches Erbe
Von tödlicher Gefahr und eigentümlichem Schmerz,
Seine Steuerzahlung an die Zeit und an das Schicksal,
Seine Art zu leiden und seine Art zu sterben.
Dies ist das Lösegeld für unseren hohen Stand,
Das Zeichen und das Siegel unseres Menschentums.
Eine grausige Kumpanei von Krankheiten
Kommt mietberechtigt in das Körperhaus des Menschen,
Versorger des Todes und Peiniger des Lebens.
In den heimtückischen Höhlen dieser Welt,
In seinen unterbewussten Höhlengängen
Liegen sie im Hinterhalt, der Stunde harrend zum Sprung,
Umgebend mit Gefahr die belagerte Stadt des Lebens:
Hineingelassen in die Zitadelle der Menschentage
Untergraben seine Kraft sie und verstümmeln oder töten jäh.
Wir selbst nähren in uns todbringende Kräfte;
Wir nehmen unsere Feinde als Gäste auf:
Aus ihren Löchern kriechen sie wie Bestien und zernagen
Die Saiten der Leier des göttlichen Musikers
Bis klanglos und dünn die Musik erstirbt
Oder schrill zerbricht mit einem letzten tragischen Ton.
Alles, was wir sind, gleicht einer belagerten Festung:
Alles, was wir zu sein uns mühen, ändert sich wie ein Traum
In dem grauen Schlaf der Materie Unwissenheit.
Der mentale Geist leidet, gelähmt vom Missklang der Welt
Und der Lieblosigkeit menschlicher Dinge.
Ein Schatz, vertan oder schlecht, nutzlos verkauft
Auf dem Basar eines blinden Geschicks,
Ein Geschenk von unschätzbarem Wert von den Göttern der Zeit,
Verloren oder verlegt in einer gleichgültigen Welt,
Ist Leben ein verpasstes Wunder, eine schiefgegangene Kunst;
Ein Sucher an einem finsteren und obskuren Ort,
Ein schlechtgerüsteter Krieger, ausgesetzt einer furchtbaren Übermacht,
Ein unvollkommener Arbeiter mit einer verwirrenden Aufgabe,
Ein unwissender Richter vor Problemen, die Unwissenheit schuf,
Erreichen seine Höhenflüge Tore, verschlossen und schlüssellos,
Versickern seine ruhmreichen Ausbrüche im Schlamm.
Was Natur dem Menschen gibt behaftet ein Fluch:
Von den eigenen Gegensätzen umarmt wandelt alles,
Irrtum ist der Genosse unseres sterblichen Denkens
Und tief im Schoße der Wahrheit lauert Falschheit,
Sünde vergiftet mit ihren bunten Blumen der Freude
Oder hinterlässt ein rotes Wundmal, eingebrannt der Seele;
Tugend ist eine graue Knechtschaft und ein Kerker.
Bei jedem Schritt ist ein Fallstrick uns gelegt.
Fremd der Vernunft und dem Lichte des Geistes,
Entspringt der Quell unseres Handelns aus einer Finsternis;
In Unwissen und Nichtwissen sind wir verwurzelt.
Ein wachsendes Register von Unglücken
Ist der Vergangenheit Bericht, der Zukunft Schicksalsbuch:
Die Jahrhunderte türmen des Menschen Torheiten und Frevel
Auf die zahllose Menge der Übel der Natur;
Als wäre die Steinlast der Welt nicht genug,
Wird stur noch weiter eine Saat des Elends gestreut
In die Furchen der Götter von seiner eigenen Hand,
Der gewaltig wachsende unheilvolle Ertrag geerntet
Von alten Missetaten, die längst begrub vergessliche Zeit.
Er geht freiwillig in die Fallstricke der Hölle;
Dies sterbliche Geschöpf ist sein eigener ärgster Feind.
Seine Wissenschaft ist ein Schöpfer des Untergangs;
Er durchwühlt die Erde nach Mitteln, seiner Art zu schaden;
Er vernichtet sein Glück und das Wohl anderer.
Nichts hat er aus Zeit und deren Geschichte gelernt;
Wie einst in der rohen Jugend der Zeit,
Als die Erde unwissend auf den Straßen des Schicksals lief,
Haften an der Seele der Welt alte Formen des Bösen:
Krieg, der die süß lächelnde Ruhe des Lebens verjagt,
Schlacht und Plünderung, Zerstörung und Massaker
Sind noch immer der wilde Zeitvertreib streitender Menschenstämme;
Eine Stunde Tollheit zerstört, was Jahrhunderte erschufen,
Sein rücksichtsloser Zorn oder rasender Hass stürzt um
Die Schönheit und Größe, die sein Genius erwirkte,
Und das gewaltige Zeugnis der Arbeit eines Volkes.
Zum Abgrund zieht er alles, was er vollbrachte.
Seine Größe kehrt er in ein Epos von Untergang und Fall;
Seine Kleinheit kriecht zufrieden durch Schmutz und Schlamm,
Er ruft des Himmels Vergeltung auf sein Haupt
Und suhlt im selbstgeschaffenen Elend sich.
Als Mitverfasser der kosmischen Tragödie
Verschwört sich sein Wille mit Tod und Zeit und Schicksal.
Sein kurzer Auftritt auf der rätselhaften Erde
Wiederholt sich stets doch bringt nichts Hohes ein
Diesem Wanderer durch die Äonenringe Gottes,
Die sein Leben in ihre unermessliche Langlebigkeit einschließen.
Seiner Seele weite Suche und ewig wiederkehrendes Hoffen
Folgt dem nutzlosen Umlauf dieser Bahn
In einer vergeblichen Wiederholung von verlorenen Mühen
Auf einer Spur von bald vergessenen Leben.
Alles ist eine Episode in einer sinnlosen Geschichte.
Warum dies alles und wozu sind wir hier?
Wenn zu irgendeinem Wesen von ewiger Seligkeit
Zurückzukehren unseres Geistes Bestimmung ist
Oder zu einer unpersönlichen Höhe von endloser Ruhe,
Da wir doch Jenes sind und aus Jenem kamen,
Woher entstieg dann dies seltsame und fruchtlose Zwischenspiel,
Das sinnlos die unaufhörliche Zeit überdauert?
Wer wollte da ein Universum aufbauen oder vortäuschen
In der kalten und endlosen Leere des Raumes?
Oder wenn diese Wesen sein mussten und ihr kurzes Leben,
Wozu bedarf es einer Seele von Unwissenheit und Tränen?
Woher erhob sich der Ruf nach Kummer und Schmerz?
Oder kamen alle hilflos ohne einen Grund?
Welche Macht zwang den unsterblichen Geist zur Geburt?
Der einstmals ewige Zeuge der Ewigkeit,
Ein todloser Wanderer inmitten flüchtiger Kulissen,
Er kampiert im halbbeleuchteten Dunkel des Lebens
Zwischen dem Schutt seiner Gedanken und Träume.
Oder wer bewog ihn aus der Seligkeit zu fallen
Und sein unsterbliches Vorrecht zu vertun?
Wer legte ihm den unablässigen Willen auf
Als Wanderer in dieser schönen, sorgenvollen Welt zu leben
Und seine Last der Freude, des Kummers und der Liebe zu tragen?
Oder wenn auf die Werke der Zeit kein Wesen blickt,
Welch harte unpersönliche Notwendigkeit
Erzwingt dann das eitle Mühen kurzlebiger Dinge?
Eine großartige Illusion hätte dann die Sterne geformt.
Wo aber bleibt dann der Seele Gewissheit,
Ihr fester Stand in diesem Kreisen unwirklicher Sonnen?
Oder ist sie eine Wanderin fern der Heimat,
Abgeirrt in der Sackgasse von Zeit und Zufall
Und findet keinen Ausweg aus einer sinnlosen Welt.
Oder wo beginnt und endet das Reich der Illusion?
Vielleicht ist die Seele, die wir fühlen, nur ein Traum,
Das ewige Selbst eine in Trance verspürte Fiktion?“
Nach einem Schweigen gab Narad Antwort dann:
Seine Lippen auf irdischen Ton einstimmend sprach er,
Und etwas vom tiefen Sinn des Schicksals
Gewichtete die zarten Winke sterblicher Rede nun.
Seine Stirn erstrahlte in feierlicher Vision,
Zu einer Tafel überirdischer Gedanken gemacht,
Als ob Schriftzeichen einer ungeschriebenen Sprache
Ihre Inschriften der Götter hinterlassen hätten.
Entblößt in diesem Lichte rang der Zeitgeist, sein ungesehenes Wirken
Aufgedeckt; die unvollendeten Pläne, weitreichend und weitsichtig,
Die sein äonischer Flug entrollte,
Waren schon verzeichnet in jenem weltweiten Blick.
„War denn die Sonne nur ein Traum, weil die Nacht einbricht?
Im Herzen des Sterblichen lebt verborgen der Ewige:
Er lebt insgeheim in der Kammer deiner Seele,
Ein Licht scheint dort, das kein Schmerz und Kummer durchkreuzt.
Es steht eine Dunkelheit zwischen dir und ihm,
Nicht fühlen oder hören kannst du den herrlichen Gast,
Nicht sehen kannst du die beseligende Sonne.
O Königin, dein Denken ist ein Licht von der Unwissenheit,
Sein leuchtender Vorhang verbirgt vor dir Gottes Antlitz.
Es beleuchtet eine Welt, geboren aus dem Nichtbewussten,
Verbirgt aber des Unsterblichen Bedeutung in der Welt.
Das Licht deines Mentals verbirgt vor dir das Denken des Ewigen,
Deines Herzens Hoffnungen verbergen vor dir den Willen des Ewigen,
Der Erde Freuden verschließen dir die Seligkeit des Unsterblichen.
Daraus entstand die Notwendigkeit eines dunklen eindringenden Gottes,
Der Welt furchtbarer Lehrer, der Schöpfer, Schmerz.
Wo Unwissenheit ist, da muss auch das Leid kommen;
Dein Kummer ist ein Schrei der Finsternis nach dem Licht;
Schmerz war der Erstgeborene des Nichtbewussten,
Das der stumme Urgrund deines Körpers war;
Dort schlief schon des Schmerzes unterbewusste Form:
Ein Schatten in einem schattig düsteren Schoße,
So harrt er des Erwachens und des Seins, bis Leben sich regt.
Zugleich mit der Freude Spross kam die fürchterliche Macht hervor.
In des Lebens Brust ward er geboren, versteckend seinen Zwilling;
Schmerz kam zuerst, danach erst konnte Freude sein.
Schmerz pflügte den ersten harten Boden des Weltschlummers.
Durch Schmerz fing ein Geist im Lehm zu erwachen an,
Durch Schmerz brach Leben in der unterschwelligen Tiefe auf.
Gebunden, versenkt, verborgen in der Trance der Materie
Kam langsam zu sich der Träumer, das schlafende Mental;
Es schuf aus seinen Träumen ein sichtbares Reich,
Es schöpfte seine Formen aus den unterbewussten Tiefen,
Wandte sich dann um zur Welt, die es geschaffen hatte.
Durch Schmerz und Freude, dem lichten und düsteren Zwilling,
Nahm die unbelebte Welt ihre fühlende Seele wahr,
Sonst hätte das Nichtbewusste nie Wandlung erfahren.
Schmerz ist der Hammer der Götter,
Um einen toten Widerstand im Herzen des Sterblichen zu brechen,
Sein träges Beharren wie von lebendem Stein.
Wäre das Herz nicht gezwungen zu wünschen und zu weinen,
So läge seine Seele zufrieden da, ganz behaglich,
Und hätte nie daran gedacht, den Menschenbeginn zu überschreiten,
Und nie gelernt, zur Sonne emporzuklimmen.
Diese Erde ist voll von Mühsal, bepackt mit Schmerz;
Wehen einer endlosen Geburt martern sie noch immer;
Die Jahrhunderte enden, die Zeitalter gehen nutzlos dahin
Und doch ist in ihr die Gottheit noch nicht geboren.
Die uralte Mutter begegnet allem mit Freude,
Ruft nach dem brennenden Schmerz, der grandiosen Erregung;
Denn alle Schöpfung kommt unter Mühsal und Schmerz.
Diese Erde ist voll von den Qualen der Götter;
Immer mühen sie sich, angetrieben vom Sporn der Zeit,
Und streben danach, den ewigen Willen auszuarbeiten
Und das göttliche Leben in sterblichen Formen zu gestalten.
Sein Wille muss in menschlicher Brust ausgearbeitet werden
Entgegen dem Bösen, das aus den Schlünden aufsteigt,
Entgegen der Unwissenheit der Welt und ihre Hartnäckigkeit,
Entgegen den Verirrungen des Menschen entstellten Willens,
Entgegen der tiefen Torheit seines menschlichen Mentals,
Entgegen der blinden Störrigkeit seines Herzens.
Der Geist ist zu Schmerz verurteilt, bis frei ist der Mensch.
Da ist ein Kampfgetöse, ein Getrampel, ein Marsch:
Ein Schrei erhebt sich wie ein klagendes Meer,
Ein verzweifeltes Lachen unter den Schlägen des Todes,
Ein Fluch von Blut und Schweiß und Mühsal und Tränen.
Menschen sterben, damit der Mensch lebe und Gott geboren werde.
Ein ehrfürchtiges Schweigen blickt auf tragische Zeit.
Schmerz ist die Hand der Natur, die den Menschen
Zu Größe modelliert: Eine inspirierte Arbeit meißelt
Mit himmlischer Grausamkeit an einer störrischen Form.
Unerbittlich in der Leidenschaft ihres Willens,
Hebend die Hämmer titanischen Bemühens,
Wirken die Demiurgen des Universums;
Mit gigantischen Schlägen formen sie die Ihrigen; ihre Söhne
Sind geprägt von ihrem gewaltigen Feuerzeichen.
Obwohl die gewaltige Berührung des formgebenden Gottes
Eine unerträgliche Tortur für sterbliche Nerven ist,
Nimmt der feurige Geist im Innern an Stärke zu
Und fühlt eine Freude an jeder Titanenqual.
Wer sich selber retten will, lebt karg und ruhig;
Wer die Menschheit retten will, muss teilen ihren Schmerz:
Dies soll jener wissen, der dem grandiosen Drang gehorcht.
Die Großen, die kamen, diese leidende Welt zu retten
Und vom Schatten von Zeit und Gesetz zu erlösen,
Müssen durch unter dem Joch von Kummer und Schmerz;
Sie werden von dem Rad erfasst, das sie brechen wollten,
Auf ihren Schultern müssen sie des Menschen Schicksalslast tragen.
Himmels Schätze bringen sie, ihre Leiden zahlen den Preis
Oder sie bezahlen das Geschenk des Wissens mit ihrem Leben.
Der Sohn Gottes, geboren als der Sohn des Menschen,
Hat den bitteren Kelch geleert, der Gottheit Schuld anerkannt,
Die Schuld des Ewigen bei dem gefallenen Geschlecht,
Das sein Wille an Tod und ringendes Leben band,
Das vergebens sich nach Ruhe und endlosem Frieden sehnt.
Jetzt ist die Schuld beglichen, getilgt die alte Rechnung.
Der Ewige leidet in einer menschlichen Gestalt,
Er hat mit seinem Blut das Testament der Erlösung unterzeichnet:
Er hat die Tore zu seinem unvergänglichen Frieden geöffnet.
Die Gottheit gleicht den Anspruch des Geschöpfes aus,
Der Schöpfer nimmt das Gesetz von Schmerz und Tod auf sich;
Eine Vergeltung trifft den menschgewordenen Gott.
Seine Liebe hat dem Sterblichen den Weg zum Himmel gebahnt:
Er hat sein Leben und sein Licht gegeben, um hier
Das dunkle Konto sterblicher Unwissenheit auszugleichen.
Es ist vollbracht, das schreckliche mysteriöse Opfer,
Dargebracht der Welt von Gottes gemartertem Leib;
Gethsemane und Golgatha sind sein Los,
Er trägt das Kreuz, an das die Seele des Menschen genagelt ist;
Die Schmähungen der Volksmenge sind sein Geleit;
Schimpf und Spott sind die Anerkennung seines Rechts;
Zwei mitgeschundene Diebe verhöhnen seinen mächtigen Tod.
Er hat mit blutender Stirn den Weg des Heilands beschritten.
Er, der seine Wesenseinheit mit Gott gefunden hat,
Bezahlt mit des Körpers Tod das unermessliche Licht seiner Seele.
Sein Wissen triumphiert unsterblich durch seinen Tod.
Angeschlagen, gevierteilt auf dem Gerüst,
Verkündet seine gekreuzigte Stimme: ‚Ich, ich bin Gott;‘
‚Ja, alles ist Gott’, schallt des Himmels todloser Ruf zurück.
Die Saat der Gottheit schlummert in sterblichen Herzen,
Die Blüte der Gottheit wächst am Weltbaum:
Alle werden Gott entdecken in sich und allem.
Kommt aber Gottes Botschafter der Welt zu helfen
Und die Seele der Erde zu Höherem zu führen,
Muss auch er tragen das Joch, das zu lösen er kam;
Auch muss er den Schmerz erdulden, den er heilen will:
Verschont und nicht betroffen vom Schicksal der Erde,
Wie könnte er heilen die Übel, die er nie verspürte?
Die Qual der Welt bedeckt er mit seiner Ruhe;
Erscheint dem äußeren Auge auch kein Zeichen
Und Frieden unserem zerrissenen Menschenherz geschenkt,
So ist der Kampf doch da und bezahlt wird der unsichtbare Preis;
Das Feuer, der Streit, das Ringen tobt im Innern.
Er trägt die leidende Welt in seiner Brust;
Ihre Sünden lasten auf seinen Gedanken, ihr Kummer ist der seine:
Schwer liegt auf seiner Seele die alte Bürde der Erde;
Die Nacht und ihre Mächte belauern seine schleppenden Schritte,
Den Würgegriff des Widersachers, des Titanen, hält er aus;
Sein Marsch ist eine Schlacht und eine Pilgerfahrt.
Des Lebens Übel schlägt zu, gramgebeugt ist er vom Weltschmerz:
Millionen Wunden klaffen in seinem geheimen Herzen.
Er wandert schlaflos durch eine nie endende Nacht;
Es wimmelt von Feindeskräften auf seinem Pfad;
Eine Belagerung, eine Schlacht ist sein inneres Leben.
Noch schlimmer mag der Preis sein, noch entsetzlicher der Schmerz:
Seine umfassende Wesenseinheit und alles beherbergende Liebe
Werden die kosmische Qual in seine Tiefen bringen,
Die Trübsal alles Lebendigen wird kommen
Und an seine Pforte klopfen und in seinem Hause leben;
Ein furchtbarer Strick des Mitgefühls kann
Alles Leid in sein einzelnes Leid binden und
Alle Qual in all den Welten zu seiner eigenen machen.
Er trifft auf eine uralte feindliche Kraft,
Er wird gepeitscht mit Geißeln, die der Welt zermürbtes Herz zerreißen;
Das Weinen der Jahrhunderte sucht seine Augen heim:
Er trägt das blutverklebte feurige Zentaurenhemd,
Das Gift der Welt hat seine Kehle gefärbt.
Auf dem Marktplatz der Hauptstadt der Materie,
Inmitten des Feilschens um jene Sache, die man Leben nennt,
Steht er gefesselt an dem Pfahl eines ständigen Feuers;
Er brennt an einem ungesehenen ursprünglichen Rande,
Auf dass Materie sich in Geistesstoff wandeln möge:
Er ist das Opfer in seiner eigenen Darbringung.
Der Unsterbliche, gebunden an die Sterblichkeit der Erde,
Erscheint und vergeht auf den Straßen der Zeit
Und erschafft durch den Puls der Ewigkeit die Augenblicke Gottes.
Er stirbt, auf dass die Welt neu geboren werde und lebe.
Auch wenn er den heftigsten Feuern entkommt,
Auch wenn die Welt nicht hereinbricht wie ein ertränkendes Meer,
Wird hoher Himmel nur durch hartes Opfer erlangt:
Wer Hölle bezwingen will, muss dem Kampf, der Pein sich stellen.
Eine dunkle Feindseligkeit haust insgeheim
In den menschlichen Tiefen, in dem verborgenen Herz der Zeit,
Die das Recht beansprucht, Gottes Werk zu ändern und zu stören.
Eine geheime Feindschaft überfällt hinterlistig den Marsch der Welt;
Sie hinterlässt ein Brandmal auf Denken, Sprechen und Handeln:
Alles Getane prägt sie mit Makel und Fehl;
Bis sie vernichtet ist, bleibt Frieden auf Erden versagt.
Da ist kein Feind zu sehen, doch das Unsichtbare
Umzingelt uns, ungreifbar belagern Kräfte uns,
Berührungen aus fremden Reichen, Gedanken, nicht die unsrigen,
Befallen uns und nötigen das fehlgehende Herz;
Unser Leben verfängt sich in einem zweideutigen Netz.
Eine feindselige Kraft ward vor langer Zeit geboren:
Als Eindringling im Leben des sterblichen Menschen
Verbirgt sie vor ihm den geraden unsterblichen Weg.
Eine Macht kam herein, um das ewige Licht zu verschleiern,
Eine Macht, die sich dem ewigen Willen widersetzt,
Lenkt die Botschaften des unfehlbaren Wortes ab,
Verzerrt die Konturen des kosmischen Plans:
Ein Flüstern lockt zum Bösen das menschliche Herz,
Sie versiegelt der Weisheit Augen, der Seele Blick,
Sie ist der Ursprung unseres Leidens hier,
Sie bindet die Erde an Unheil und Schmerz.
All dies muss bezwingen, wer Gottes Frieden herniederbringen will.
Diesen versteckten Feind, der da haust in der menschlichen Brust,
Muss der Mensch besiegen, oder sein höheres Geschick verfehlen.
Dies ist der innere Krieg, aus dem es kein Entrinnen gibt.
Hart ist die schwere Aufgabe des Welterlösers;
Die Welt selbst wird sein Widersacher,
Jene, die er retten will, sind seine Gegenspieler:
Verliebt ist diese Welt in ihre eigene Unwissenheit,
Ihre Finsternis wendet sich ab vom Erlöserlicht,
Sie gibt für die Krone das Kreuz zum Lohne.
Sein Werk ist ein Tropfen Glanz in einer langen Nacht;
Er sieht den langen Marsch der Zeit, das wenig Gewonnene;
Einige wenige sind gerettet, der Rest ringt weiter und scheitert:
Eine Sonne ging dahin, auf die Erde fällt der Schatten der Nacht.
Ja, es gibt glückliche Wege, die der Sonne Gottes nahe sind;
Aber nur wenige sind es, die den sonnenhellen Pfad beschreiten;
Nur die in der Seele rein sind, können im Lichte wandeln.
Ein Ausgang ist gezeigt, eine Straße schwierigen Entrinnens
Aus dem Leid und der Dunkelheit und der Verkettung;
Doch wie sollen ein paar Entkommene die Welt befreien?
Die Masse der Menschen schmachtet weiter unter dem Joch.
Flucht, wie hoch hinaus auch immer, erlöst das Leben nicht,
Leben, das auf einer gefallenen Erde zurückbleibt.
Flucht kann die preisgegebene Art nicht erheben
Oder ihr den Sieg und das Reich Gottes bringen.
Eine größere Macht muss kommen, ein helleres Licht.
Wächst auch auf Erden das Licht und weicht die Nacht,
Solange nicht das Böse vernichtet ist in seinem eigenen Haus
Und Licht in den nichtbewussten Grund der Welt eindringt
Und die gegnerische Kraft zugrunde ging,
Muss er weiter ringen, sein Werk erst halb getan.
Doch einer mag gewappnet kommen, unbesiegbar;
Unbewegt trifft sein Wille auf die bewegte Stunde;
Die Schläge der Welt können dies Siegerhaupt nicht beugen;
Ruhig und fest sind seine Schritte in der wachsenden Nacht;
Weicht das Ziel zurück, so treibt er sich nicht zur Eile,
Er wendet sich nicht an hohe Stimmen in der Nacht;
Er bittet nicht um Hilfe von den niederen Göttern;
Seine Augen sind fest auf sein unverrückbares Ziel gerichtet.
Die Menschen wenden sich ab oder wählen leichtere Wege;
Er hält sich an den einen hohen und schwierigen Pfad,
Der allein zu den Gipfeln des Ewigen führen kann;
Die unsagbaren Ebenen haben schon seinen Schritt gespürt;
Er hat Himmel und Erde zu seinen Instrumenten gemacht,
Doch fallen die Grenzen der Erde und des Himmels von ihm ab;
Ihr Gesetz übersteigt er, aber verwendet es als Mittel.
Er hat des Lebens Hände ergriffen, er hat sein eigenes Herz gemeistert.
Die Verstellungen der Natur täuschen nicht seinen Blick,
Unnachgiebig behält er das ferne Ziel der Wahrheit im Auge;
Des Schicksals tauber Widerstand kann seinen Willen nicht brechen.
In den furchtbaren Durchgängen, den verhängnisvollen Pfaden,
Unverwundbar seine Seele, sein Herz unversehrt,
Durchlebt er die Gegnerschaft der Erde Mächte
Und der Natur Hinterhalte und der Welt Attacken.
Seines Geistes Statur überragt Schmerz und Seligkeit,
Er begegnet Bösem und Gutem mit gleicher Ruhe.
Auch er muss sich mit der rätselhaften Sphinx auseinandersetzen
Und in ihre uralte Dunkelheit eintauchen.
Er ist in die Tiefen des Nichtbewussten eingedrungen,
Die sich sogar vor ihrem eigenen Blick verhüllen:
Er hat Gottes Schlummer diese magischen Welten erbauen sehen.
Er hat dem stummen Gott beim Formen der Materie zugesehen,
Der die Träume seines unwissentlichen Schlafes träumt,
Und beobachtete die unbewusste Kraft, die Sterne schuf.
Er hat die Wirkensweisen des Nichtbewussten und sein Gesetz erkannt,
Seine zusammenhanglosen Gedanken und starren Taten,
Seine launenhaften Verschwendungen von Antrieb und Idee,
Das Chaos seiner mechanischen Frequenzen,
Seine willkürlichen Rufe, seine scheinwahren Einflüsterungen,
Irreführer der vermummten lauschenden Seele.
Alles dringt an sein Ohr, aber nichts verbleibt;
Alles erhob sich aus der Stille, alles kehrt zurück in sein Schweigen.
Seine Schläfrigkeit begründet das Universum,
Sein obskures Wachsein lässt nichtig scheinen die Welt.
Dem Nichts entsprungen und dem Nichts zugewandt,
War sein dunkles und gewaltiges Nichtwissen der Beginn der Erde;
Es ist das Ödnishafte, aus dem alles geschaffen ward;
In seine Tiefen kann Schöpfung kollabieren.
Sein Widerstand hemmt den Marsch der Seele,
Es ist die Mutter unserer Unwissenheit.
In dessen finstere Schlünde muss Licht er rufen,
Sonst kann Wahrheit nie den Schlaf der Materie bezwingen
Und die ganze Erde Gott in die Augen schauen.
Sein Wissen muss alles Dunkle neu erhellen,
Seine Macht muss alles Verdrehte entwirren:
Er muss zum anderen Ufer des Meeres der Falschheit reisen,
Er muss die Dunkelheit der Welt betreten, um dort Licht hinzubringen.
Das Herz des Bösen muss vor seinen Augen entblößt werden,
Begreifen muss er dessen kosmisch dunkle Notwendigkeit,
Sein Recht und seine grässlichen Wurzeln im Boden der Natur.
Er muss den Gedanken kennen, der den Dämon zum Handeln bewegt
Und den irrenden Stolz des Titanen rechtfertigt
Und die Falschheit, die in schwindelhaften Träumen der Erde lauert:
Er muss die Ewigkeit der Nacht betreten
Und Gottes Finsternis kennen, wie er seine Sonne kennt.
Dazu muss er hinuntergehen in den Höllenschlund,
Dazu muss er eindringen in die schmerzvollen Weiten.
Unvergänglich und weise und unendlich,
Und doch muss er durch die Hölle gehen, um die Welt zu retten.
Emportauchen wird er in das ewige Licht,
An Grenzen, wo sich all die Welten treffen;
Dort, am Rande der Gipfelstufen der Natur,
Ist das geheime Gesetz jeden Dinges erfüllt,
Alle Gegenteile von ihrer langen Uneinigkeit geheilt.
Dort treffen und umarmen sich die ewigen Gegensätzlichkeiten,
Dort wird Schmerz zu einer heftig feurigen Freude;
Böses kehrt zurück zu seinem ursprünglichen Guten
Und Kummer liegt am Busen der Seligkeit:
Sie hat frohe Tränen des Glückes weinen gelernt,
Ihr Blick ist beseelt von wehmütiger Ekstase.
Dann wird das Gesetz des Schmerzes hier ein Ende haben.
Die Erde wird zu einer Heimat des Himmels Lichte werden,
Ein Seher, himmelgeboren, wird menschliche Brust bewohnen;
Der überbewusste Strahl wird die Augen der Menschen berühren
Und die wahrheitsbewusste Welt zur Erde herniederkommen
Und mit dem Strahl des Geistes in Materie eindringen,
Weckend ihr Schweigen zu unsterblichen Gedanken,
Weckend das stumme Herz zum lebendigen Worte.
Dies sterbliche Leben wird die Seligkeit des Ewigen beherbergen,
Das Selbst des Körpers wird Unsterblichkeit kosten.
Dann wird das Werk des Welterlösers vollbracht sein.
Bis dahin muss Leben seine Saat des Todes tragen
Und Kummers Klage in der langsamen Nacht erschallen.
O Sterbliche, ertrage das Gesetz des Schmerzes dieser großen Welt,
Auf deinem schweren Gang durch eine leidende Welt
Stütze dich auf die Stärke des Himmels für den Halt deiner Seele,
Wende dich hoher Wahrheit zu, strebe nach Liebe und Frieden.
Ein wenig Glückseligkeit wird dir von oben verliehen,
Ein göttlicher Hauch auf deinen menschlichen Tagen.
Mache aus deinem täglichen Weg eine Pilgerreise,
Denn durch kleine Freuden und Sorgen bewegst du dich hin zu Gott.
Eile nicht zur Gottheit auf einem gefahrvollen Wege,
Öffne nicht deine Pforten für eine namenlose Macht,
Klimme nicht empor zur Gottheit auf dem Wege des Titanen.
Dem Gesetz setzt er seinen alleinigen Willen entgegen,
Den Stolz seiner Macht stellt er ihm in den Weg.
Himmelwärts klettert er auf einer Treppe von Stürmen,
Trachtend nahe der todlosen Sonne zu leben.
Er ringt mit einer gigantischen Kraft, um mit Gewalt
Dem Leben und der Natur das Recht der Unsterblichen zu entreißen;
Die Welt und Schicksal und Himmel nimmt er im Sturm.
Er tritt nicht vor den Sitz des hohen Weltschöpfers,
Er wartet nicht auf die ausgestreckte Hand Gottes,
Dass sie ihn aus seiner Sterblichkeit hebe.
Alles will er sich zu eigen machen, nichts frei sein lassen,
Sein kleines Selbst aufblähend, um dem Unendlichen beizukommen.
Die offenen Wege der Götter versperrend, nimmt er
Die Luft und das Licht der Erde in Besitz;
Als Monopolist der Weltenergie
Beherrscht er das Leben gewöhnlicher Menschen.
Den eigenen Schmerz und den anderer macht er sich zunutze:
Auf Tod und Leid errichtet er seinen Thron.
In der Rasanz und dem Getöse seiner Machttaten,
In einer Schwelgerei und Ausschweifung von Ruhm und Schande,
Durch seine Maßlosigkeiten an Hass und Gewalt,
Durch das Beben der Welt unter seinem Schreiten,
Nimmt er es auf mit der Ruhe des Ewigen
Und fühlt in sich selbst die Größe von einem Gott:
Macht ist sein Abbild von himmlischem Selbst.
Das Herz des Titanen ist ein Meer von Feuer und Kraft;
Er frohlockt über den Tod der Dinge und den Untergang und Fall,
Er nährt seine Kraft mit seinem eigenen Schmerz und dem anderer;
An Pathos und Passion der Welt hat er seine Freude,
Sein Stolz, seine Macht verlangen nach Kampf und Schmerz.
Er weidet sich an den Leiden des Fleisches
Und bedeckt die Wundmale mit dem Namen des Stoikers.
Seine Augen, geblendet und schaulos, starren die Sonne an,
Der Blick des Suchers, von seinem Herzen zurückgewichen,
Kann nicht mehr das Licht der Ewigkeit finden;
Er sieht das Jenseits als eine seelenlose Leere
Und hält seine Nacht für eine dunkle Unendlichkeit.
Seine Wesensart verherrlicht die Öde des Unwirklichen
Und sieht im Nichts die einzige Wirklichkeit:
Der Welt will er sein einziges Bild aufprägen,
Der Welt Gerüchte mit seinem einzigartigen Namen heimsuchen.
Ihm sind seine Augenblicke Zentrum des weiten Universums.
Er sieht sein kleines Selbst als leibhaften Gott.
Sein kleines ‚Ich’ hat die ganze Welt verschlungen,
Sein Ego hat sich ins Unendliche gereckt.
Sein Mental, ein Pulsschlag im ursprünglichen Nichtsein,
Chiffriert sein Denken auf eine Schiefertafel stundenloser Zeit.
Auf einem mächtigen Seelenvakuum errichtet er
Eine große Philosophie des Nichtigseins.
Nirvana lebt und spricht und handelt in ihm,
Unmöglicherweise erschaffend ein Universum.
Eine ewige Null ist sein formlos Selbst,
Sein Geist das leere unpersönlich Absolute.
Mach diesen Schritt nicht, O wachsende Menschenseele;
Wirf nicht dein Selbst in diese Nacht Gottes.
Das Leiden der Seele ist nicht der Schlüssel zur Ewigkeit,
Noch Freikauf durch Kummer des Himmels Forderung ans Leben.
O Sterbliche, ertrage den Schlag, aber verlange nicht danach,
Zu bald schon finden Gram und Pein dich auf.
Für deinen Willen ist jenes Wagnis viel zu groß;
Nur in Grenzen kann des Menschen Stärke sicher sein;
Und dennoch ist Unendlichkeit deines Geistes Ziel;
Ihre Seligkeit ist dort hinter dem tränenreichen Antlitz der Welt.
Eine Macht ist in dir, die du nicht kennst;
Für den gefangenen Funken bist du ein Gefäß.
Befreiung sucht er von der Umhüllung der Zeit,
Und solange du ihn einschließt, bleibt Schmerz das Siegel:
Seligkeit ist die Krone der Gottheit, ewig und frei,
Unbelastet von des Lebens blindem Mysterium des Schmerzes:
Schmerz ist die Unterschrift der Unwissenheit
Und bezeugt den geheimen Gott, den Leben verneint:
Solange Leben ihn nicht findet, kann Schmerz nicht enden.
Ruhe ist des Selbstes Sieg, der Schicksal bezwingt.
Ertrage; du wirst letztlich deinen Weg zur Seligkeit finden.
Seligkeit ist der geheime Stoff von allem, was lebt,
Selbst Schmerz und Kummer sind Kleider einer Weltwonne,
Sie verbirgt sich hinter deinem Kummer und deinem Aufschrei.
Weil deine Stärke ein Teil und nicht Gottes Ganzheit ist,
Weil bedrängt von dem kleinen Selbst
Dein Bewusstsein vergisst, dass es göttlich ist
Wenn es da so wandelt im nebulösen Halbschatten des Fleisches
Und der Welt gewaltige Berührung nicht erträgt,
Jammerst du und klagst, dass da Schmerz ist.
Gleichgültigkeit, Schmerz und Freude, eine dreifache Verkleidung,
Gewand des verzückten Tänzers auf seinen Wegen,
Enthalten dir den Körper von Gottes Seligkeit vor.
Die Stärke deines Geistes wird dich einen mit Gott,
Deine Qual wird sich wandeln in Ekstase,
Gleichgültigkeit sich vertiefen in die Ruhe des Unendlichen
Und Freude wird nackt auf den Gipfeln des Absoluten lachen.
O Sterbliche, die du über Tod und Schicksal klagst,
Beschuldige niemanden des Unheils, das du selbst gerufen hast;
Diese geplagte Welt hast du zu deiner Heimat erkoren,
Du selbst bist die Urheberin deines Schmerzes.
Einst im unsterblich Grenzenlosen des Selbstes,
In einer Weite von Wahrheit und Bewusstsein und Licht
Hielt die Seele Ausschau aus ihrer Glückseligkeit.
Sie fühlte die endlose Seligkeit des Geistes,
Sie wusste sich als todlos, zeitlos, raumlos, eins,
Sie sah den Ewigen, lebte in dem Unendlichen.
Dann, neugierig auf einen Schatten, den Wahrheit warf,
Drängte sie nach einer Andersartigkeit ihrer selbst,
Zog es sie hin zu einem unbekannten Antlitz, das lugte durch Nacht.
Sie spürte eine negative Unendlichkeit,
Eine übernatürliche Leere, deren gewaltige Maßlosigkeit
Durch Nachahmung Gottes und immerwährender Zeit
Einen Boden bot für die widrige Geburt der Natur
Und die starre harte Unbewusstheit der Materie,
Beherbergend einer vergänglichen Seele Glanz,
Der Geburt und Tod und unwissendes Leben erhellt.
Ein Mental entstieg, das auf Nichtsein starrte,
Bis Figuren von dem sich formten, was nie konnte sein;
Sie behauste das Gegenteil von allem, was ist.
Eine Null erschien als des Seins gewaltige versiegelte Ursache,
Seine stumme Stütze in einem öden Unendlichen,
In dessen Schlund Geist verschwinden musste:
Eine verfinsterte Natur lebte und trug die Saat
Des Geistes, der verborgen ist und vorgibt, nicht zu sein.
Ewiges Bewusstsein ward zur Laune
Eines unbeseelt allmächtigen Nichtbewussten
Und, nicht geschöpft mehr als des Geistes natürliche Luft,
Seligkeit war ein Zwischenfall einer sterblichen Stunde,
Ein Fremdling im empfindungslosen Universum.
Wie jemand, der von der Erhabenheit der Leere angezogen wird,
Zog es die Seele in den Abgrund:
Sie sehnte sich nach dem Abenteuer der Unwissenheit
Und nach dem Wunder und Überraschendem des Unbekannten
Und der endlosen Möglichkeit, die da lauerte
Im Schoße des Chaos und im Schlunde des Nichts
Oder aus den unergründlichen Augen des Zufalls blickte.
Sie war ihres immer gleichen Glückes müde,
Sie wandte sich ab von der Unsterblichkeit:
Sie ward vom Ruf des Wagnisses und dem Reiz der Gefahr angezogen,
Sie sehnte sich nach dem Pathos des Leides, dem Drama des Schmerzes,
Der Gefahr des Untergangs, verwundet nacktem Entrinnen,
Der Musik des Ruins und seinem Zauber und Getöse,
Dem Geschmack von Mitleid und dem Glücksspiel der Liebe
Und Leidenschaft und dem vieldeutigen Antlitz des Schicksals.
Eine Welt von hartem Bestreben und schwieriger Mühe,
Und Kampf an gefährlichem Rande der Auslöschung,
Ein Zusammenprall der Kräfte, eine weite Ungewissheit,
Die Freude am Erschaffen aus dem Nichts,
Seltsame Begegnungen auf den Straßen der Unwissenheit
Und die Kameradschaft halb gekannter Seelen
Oder die einsam auf sich gestellte Größe und Kraft
Eines gesonderten Wesens, das sich seine Welt erobert,
Riefen sie aus ihrer zu sicheren Ewigkeit.
Ein ungeheurer Abstieg begann, ein gigantischer Fall:
Denn was der Geist sieht, schafft eine Wahrheit,
Und was die Seele sich vorstellt, wird zu einer Welt.
Ein Gedanke, der dem Zeitlosen entsprang, kann
Anzeichen von kosmischer Tragweite
Und Reiseplan der Götter werden,
Eine zyklische Bewegung in ewiger Zeit.
So entstand, geboren aus einer blind gewaltigen Wahl,
Diese große verstörte und unzufriedene Welt,
Diese Heimstatt der Unwissenheit, diese Stätte des Schmerzes:
Da sind der Begierde Zelte aufgeschlagen, Leids Hauptquartier.
Eine weite Verkleidung verbirgt die Seligkeit des Ewigen.“
Darauf erwiderte Aswapati dem Seher:
„Wird denn der Geist von einer äußeren Welt beherrscht?
O Seher, gibt es kein Mittel im Innern?
Was aber ist Schicksal, wenn es nicht des Geistes Wille ist,
Erfüllt nach langer Zeit durch kosmische Kraft?
Mir schien, es kam eine starke Macht mit ihr;
Ist diese Macht denn nicht Schicksals hoher Standesgenosse?“
Doch Narad antwortete, indem er Wahrheit mit Wahrheit verdeckte:
„O Aswapati, wie Zufall sehen die Wege aus,
An deren Rändern eure Schritte umherirren oder dahineilen
In beiläufigen Stunden oder Augenblicken der Götter,
Doch ist euer kleinstes Straucheln dort oben vorhergesehen.
Unfehlbar sind die Kurven des Lebens aufgezeichnet,
Die dem Strom der Zeit hin durch das Unbekannte folgen;
Den Faden halten die ruhigen Unsterblichen.
Diese kunstvolle Hieroglyphe prophetischer Morgen
Schreibt, symbolisch dargestellt, einen großartigeren Sinn
Als versiegelt Denken gewahrt, doch wie überzeugt
Von der hohen Schrift meine Stimme der Erde Geist?
Himmels weisere Liebe weist des Sterblichen Gebet zurück;
Vom Atem seines Begehrens ungeblendet,
Von Nebeln der Angst und Hoffnung unumwölkt,
Neigt sie sich über der Liebe Kampf mit dem Tod;
Sie wahrt für sie ihr Vorrecht des Schmerzes.
In der Seele deiner Tochter wohnt eine Größe,
Die sie und alles ringsherum verändern kann
Doch gehen muss auf Steinen des Leidens hin zum Ziel.
Obwohl geformt wie ein Nektarkelch des Himmels,
Aus himmlischem Äther gemacht, hat sie doch diese Luft gesucht,
Muss auch sie das menschliche Soll an Kummer teilen
Und all ihr Grund zur Freude wandeln sich in Schmerz.
Das Mental des sterblichen Menschen lässt sich von Worten führen,
Seine Sicht zieht sich hinter die Mauern des Denkens zurück
Und schaut nur durch halb geöffnete Pforten hinaus.
Er schneidet die grenzenlose Wahrheit in Himmelsstreifen
Und jeden Streifen hält er für den ganzen Himmel.
Er starrt auf unbegrenzte Möglichkeit
Und gibt der formbaren Weite den Namen Zufall;
Er sieht die Auswirkungen einer allweisen Kraft,
Die in endloser Zeit eine Folge von Schritten plant,
Doch hält deren Glieder für eine sinnlose Kette
Oder für die tote Hand einer kalten Notwendigkeit;
Dem Herz der mystischen Mutter antwortet er nicht,
Bemerkt nicht das glühende Beben ihrer Brust
Und fühlt kalte starre Glieder eines leblosen Gesetzes.
Den Willen des Zeitlosen, der sich in der Zeit ausarbeitet
In den freien absoluten Schritten der kosmischen Wahrheit,
Hält er für ein lebloses Getriebe oder besinnungsloses Geschick.
Die Formeln eines Magiers schufen die Gesetze der Materie,
Die alles binden solange sie währen;
Doch braucht es für jede Tat des Geistes Zustimmung
Und Freiheit geht im Gleichschritt mit dem Gesetz.
Wenn der Magier will kann alles sich ändern hier.
Könnte menschlicher Wille eins werden mit Gottes Willen,
Könnte menschliches Denken widerhallen Gottes Gedanken,
So wäre allwissend und allmächtig der Mensch;
Doch jetzt wandelt er im zweifelhaften Strahl der Natur.
Und doch kann das Mental des Menschen Gottes Licht empfangen,
Kann die Kraft des Menschen von Gottes Kraft getrieben werden,
Dann ist er ein Wunder, das Wunder vollbringt.
Nur so kann er über die Natur König sein.
Es ist beschlossen, Satyavan muss sterben;
Die Stunde steht fest, verhängt ist der Todesstreich.
Was sonst noch sein wird steht in ihrer Seele geschrieben,
Doch bis die Stunde die schicksalhafte Schrift erschließt,
Wartet die Schrift stumm und unlesbar.
Schicksal ist Wahrheit, die sich in Unwissenheit auswirkt.
O König, dein Schicksal wird ausgehandelt
Von Stunde zu Stunde zwischen der Natur und deiner Seele
Mit Gott als voraussehenden Schiedsrichter.
Schicksal ist eine Bilanz, gezogen im Buch der Bestimmung.
Der Mensch kann sein Schicksal annehmen, er kann es ablehnen.
Und wenn der Eine den ungesehenen Erlass doch aufrechterhält,
Schreibt er deine Ablehnung auf deiner Kreditseite gut:
Denn Verhängnis ist kein Schluss, kein mystisch Siegel.
Erstanden aus dem tragischen Absturz des Lebens,
Erstanden aus des Körpers Qual und Tod,
Steigt, mächtiger durch Niederlage, der Geist empor;
Seine gottgleichen Schwingen wachsen mit jedem Fall.
Seine prächtigen Misserfolge summieren sich zum Sieg.
O Mensch, was dir begegnet auf deinem Wege,
Trifft es deinen Körper und deine Seele auch mit Freude und Leid,
Ist nicht dein Schicksal, – es streift dich kurz und geht vorbei;
Sogar Tod kann nicht den Gang deines Geistes unterbrechen:
Dein Ziel, dein Weg, den du wählst, sind dein Schicksal.
Auf den Altar lege deine Gedanken, dein Herz, deine Werke,
Dein Schicksal ist ein langes Opfer an die Götter
Bis sie dir dein geheimes Selbst aufgetan
Und dich geeint haben mit dem innewohnenden Gott.
O Seele, Eindringling in die Unwissenheit der Natur,
Gewappnete Wanderin zu den ungesehenen Himmelshöhen,
Das Schicksal deines Geistes ist ein Kampf und endloser Marsch
Gegen unsichtbare Gegenmächte,
Ein Übergang von Materie in zeitloses Selbst.
Als Abenteurer durch blinde unvorhersehende Zeit,
Ein getriebener Marsch durch eine lange Reihe von Leben,
Drängt er seine Vorhut durch die Jahrhunderte.
Durch den Staub und den Morast der irdischen Ebene,
An vielen bewachten Grenzen und gefahrvollen Fronten,
In schrecklichen Angriffen, in wund schleppenden Rückzügen,
Haltend die umringte und zertrümmerte Festung des Ideals,
Oder auf einsamen Posten mit einer Übermacht kämpfend,
Oder harrend in der Nacht um Biwakfeuer
Der säumigen Trompeten des Morgengrauens,
Im Hunger und im Überfluss und im Schmerz,
Durch Gefahr und durch Triumph und durch Niederlage,
Durch der Lebensmacht grüne Wege und über ihren Wüstensand,
Das kahle Moor hinauf, den sonnenhellen Kamm entlang,
In dichten Kolonnen mit einer versprengten Nachhut,
Angeführt von den Signalfeuern der nomadischen Vorreiter,
Marschiert das Heer des wegverlorenen Gottes.
Spät wird dann die unsägliche Freude empfunden,
An sein vergessenes Selbst erinnert er sich dann;
Wiederentdeckt hat er die Himmel, aus denen er einst fiel.
Schließlich nimmt seine unbezwingbare Front
Die letzten Pässe der Unwissenheit ein:
Überschreitend die letzten bekannten Grenzen der Natur,
Erkundend das ungeheure Unbekannte,
Jenseits der Grenzsteine sichtbarer Dinge,
Klimmt diese empor durch eine wundersame höhere Luft
Bis er, besteigend die stumme Spitze der Welt,
Oben auf den prachtvollen Gipfeln Gottes steht.
Vergeblich beklagst du, dass Satyavan sterben muss;
Sein Tod ist der Beginn eines größeren Lebens,
Der Tod ist des Geistes Gelegenheit.
Eine weite Absicht hat zwei Seelen nahe gebracht
Und zu einem großen Ziel verschwören sich Liebe und Tod.
Denn aus Gefahr und Schmerz wird Himmelsglück kommen,
Der Zeit unerwartet Ereignis, Gottes geheimer Plan.
Diese Welt wurde nicht blindlings aufgebaut mit Steinen des Zufalls,
Der Architekt des Schicksals ist kein blinder Gott;
Eine bewusste Macht hat den Lebensplan entworfen,
In jedem Bogen, jeder Linie liegt ein Sinn.
Sie ist eine hohe und großartige Architektur
Mit vielen Baumeistern, namhaft und namenlos,
Wo Hände blindlings dem Ungesehenen gehorchen,
Und einer ihrer Meisterbildner ist sie.
Königin, suche nicht mehr, den geheimen Willen zu ändern;
Der Zeit Unglücke sind Stufen in ihrem weiten Plan.
Bringe nicht deine kurzen und hilflosen Menschentränen
In die unergründlichen Augenblicke eines Herzens,
Das weiß seinen Willen mit Gottes Willen eins:
Es kann sein feindliches Geschick umarmen;
Es sitzt allein mit Gram und sieht dem Tod ins Auge,
Trotzend einem widrigen Los, gewappnet und allein.
In dieser riesigen Welt abseits stehend
In der Machtfülle ihres schweigenden Geistes Wille,
In der Inbrunst ihrer opferbereiten Seele,
Stellt sich ihre einsame Stärke dem Universum entgegen,
Schicksal trotzend, und bittet weder Mensch noch Gott um Hilfe:
Manchmal ist ein Leben mit dem Schicksal der Erde belastet,
Es ruft nicht nach Beistand von den zeitgebundenen Mächten.
Sie allein ist ihrer mächtigen Aufgabe gewachsen.
Mische nicht in einen Streit dich ein, der zu groß ist für dich,
Einen Kampf, zu tief als dass sterblich Denken ihn ergründen könnte,
Seine Frage an die starren Grenzen dieser Natur
Wenn bar aller Hüllen die Seele vor dem Unendlichen steht,
Sein zu weites Thema eines einsamen sterblichen Willens,
Der das Schweigen der Ewigkeit durchschreitet.
Wie unbegleitet ein Stern am Himmel sich bewegt,
Unbeeindruckt von den Unermesslichkeiten des Raumes,
Bereisend Unendlichkeit im eigenen Lichte,
So sind die Großen am stärksten, wenn sie allein dastehen.
Ihre Kraft ist eine von Gott gegebene Wesensmacht,
Ihr Führer ein Strahl von des Selbstes Lichteinsamkeit;
Die Seele, die allein mit sich selbst leben kann, begegnet Gott;
Ihr abgeschiedenes Universum ist der beiden Rendezvous.
Ein Tag mag kommen, an dem sie ohne Hilfe dastehen muss
An einem gefahrvollen Rande vom Unheil der Welt und ihrem,
Tragend auf ihrer einsamen Brust die Zukunft der Welt,
Tragend in allein gelassenem Herzen die Hoffnung der Menschen,
Um zu siegen oder zu scheitern an einem letzten verzweifelten Rande,
Allein mit Tod und nahe am Saum der Auslöschung.
In dieser letzten schauerlichen Szene muss ihre einzigartige Größe
Alleine eine gefahrvolle Brücke in der Zeit überqueren
Und einen Gipfel der Weltbestimmung erreichen,
Wo für den Menschen alles gewonnen oder verloren ist.
Allein und vergessen in jener ungeheuren Stille
Einer Stunde, in der sich das Schicksal der Welt entscheidet,
Im Aufstieg ihrer Seele jenseits sterblicher Zeit,
Wenn einsam mit Tod oder einsam mit Gott sie steht
Abseits auf einem stillen ausweglosen Grat,
Allein mit ihrem Selbst und Tod und Geschick,
Wie auf einer Schwelle zwischen Zeit und Zeitlosigkeit,
Wo Dasein enden oder Leben seine Grundstruktur erneuern muss,
Muss allein sie siegen oder einsam fallen.
Kein menschlicher Beistand kann sie in dieser Stunde erreichen,
Kein gewappneter Gott steht strahlend ihr zur Seite.
Schrei nicht zum Himmel, denn retten kann nur einzig sie.
Zu diesem Zweck kam die stille Kraft herab;
In ihr nahm der bewusste Wille menschliche Gestalt an:
Nur sie kann sich retten und retten die Welt.
O Königin, bleibe diesem gewaltigen Schauplatz fern,
Tritt nicht zwischen sie und die Stunde ihres Schicksals.
Ihre Stunde wird kommen, und niemand kann eingreifen:
Suche nicht, sie von ihrem Himmelsauftrag abzuhalten,
Trachte nicht, sie vor ihrem eigenen hohen Willen zu retten.
Du hast keinen Platz in diesem gewaltigen Kampf;
Deine Liebe und Sehnsucht sind keine Schiedsrichter dort;
Überlass sie und das Los der Welt allein dem Schutze Gottes.
Auch wenn er sie ihrer alleinigen Stärke zu überlassen scheint,
Auch wenn alles wankt und fällt und ein Ende sieht
Und das Herz verzagt und nur Tod und Nacht es gibt,
Kann ihre gottgegebene Kraft das Verhängnis bekämpfen
Sogar am Rand, wo nah scheint nur der Tod
Und keine Menschenkraft verhindern oder helfen kann.
Denke nicht daran, beim verborgenen Willen einzuschreiten,
Dränge dich nicht zwischen ihren Geist und seine Kraft
Sondern überlasse sie dem Schicksal und ihrem mächtigen Selbst.“
Er sprach und verstummte und verließ den irdischen Platz.
Fort von Streit und Leid auf unserem Globus,
Wandte er sich seiner fernen seligen Heimat zu.
Ein leuchtender Pfeil, der geradewegs zum Himmel zeigt,
So bestürmte der strahlende Körper des ätherischen Sehers
Die purpurne Herrlichkeit des Mittags
Und verschwand wie ein schwindender Stern,
Eintauchend in das Licht des Ungesehenen.
Doch ward im Unendlichen noch ein Ruf zu hören,
Und der lauschenden Seele auf sterblicher Erde
Sang eine hohe und ferne unvergängliche Stimme
Immer noch die Hymne der ewigen Liebe.
Ende des zweiten Cantos
Ende des sechsten Buches