16. Kapitel
Der Yoga der Unterscheidung zwischen der Art der Götter und Asuras
1.-3. Der Erhabene sprach:
Dies sind die Reichtümer des Menschen, der in die Art des Deva hineingeboren wurde: Furchtlosigkeit, Läuterung des Temperaments, Beständigkeit im Yoga des Wissens, Geben, Selbstbeherrschung, Opferbereitschaft, das Studium der Schriften, Askese, Aufrichtigkeit und Geradheit, Nichtschädigung anderer, Wahrhaftigkeit, Freisein von Zorn, Selbstverleugnung, Ruhe, Freisein vom Suchen nach Kritik, Mitleid mit allen Wesen, Freisein von Habgier, Güte, Bescheidenheit, Freisein von Ruhelosigkeit, Energie, Versöhnlichkeit, Geduld, Reinlichkeit, Freisein von Neid und Stolz.
4. Und dies, O Partha, ist der Besitz des Menschen, der in die Art des Asura hineingeboren wurde: Hochmut, Anmaßung, maßloser Eigendünkel, Zorn, Hartherzigkeit und Unwissenheit.
5. Die Eigenschaften des Deva führen zur Befreiung, die Eigenschaften des Asura zur Gebundenheit. Sei unbesorgt, O Pandava, du bist in die Art des Deva hineingeboren.
6. Es gibt zwei Arten von Geschöpfen in dieser materiellen Welt: die von der Art der Devas und die von der Art der Asuras. Die Natur des Deva habe Ich dir ausführlich beschrieben. Höre nun, O Partha, auch über die Natur des Asura.
7. Die asurischen Menschen haben kein wahres Wissen über den Weg des Handelns oder über den Weg der Enthaltung. In ihnen ist keine Wahrheit, kein reines Leben und kein rechtes Verhalten und keine Beachtung der Regeln.
8. „Die Welt ist ohne Gott“, sagen sie, „sie ist nicht wirklich, nicht auf die Wahrheit gegründet, zustande gekommen durch wechselseitige Vereinigung, mit Begehren als einziger Ursache, eine Welt des Zufalls.“
9. Die asurischen Menschen stützen sich auf diese Weltanschauung. Durch deren Unwahrheit zerstören sie ihre Seele und ihre Vernunft und werden zum Zentrum oder Werkzeug einer wilden, titanischen, gewalttätigen Aktion, eine Macht der Zerstörung in der Welt, eine Quelle der Rechtsverletzung und des Bösen.
10. Ihrer unersättlichen Begierde frönend, anmaßend, überheblich und trunken vor Hochmut, betören sich diese fehlgeleiteten Seelen selbst, beharren sie auf ihren falschen und eigensinnigen Zielen und verfolgen stur den unreinen Entschluss ihres Verlangens.
11. Sie bilden sich ein, Begierde und Genuss seien das einzige Ziel des Lebens, und sind (in ihrem unbeherrschten und unersättlichen Jagen nach diesem Ziel) bis zum Augenblick ihres Todes die Beute verzehrender, maßlos zunehmender Sorge und Gedanken, Anstrengung und Angst.
12.-15. Durch hundert Fesseln gebunden, von Zorn und Lust verzehrt, unermüdlich davon besessen, ungerechte Gewinne anzuhäufen, die ihrem Lebensgenuss und der Befriedigung ihrer Begierden dienen sollen, haben sie immer nur den einen Gedanken: „Heute habe ich diesen Gegenstand, den ich begehrte, gewonnen; morgen werde ich jenen anderen haben. Heute besitze ich soviel Reichtum; morgen werde ich noch mehr bekommen. Diesen meiner Feinde habe ich umgebracht; die Übrigen werde ich auch noch umbringen. Ich bin der Herr und König der Menschen. Ich bin vollkommen, tadellos, stark, glücklich, erfolgreich. Ich habe das Privileg, die Welt zu genießen. Reich bin ich und von hoher Geburt. Wer kommt mir gleich? Ich werde opfern, ich werde geben, ich werde genießen.“
16. Derart besessen von vielen egoistischen Gedanken, Illusionen hingegeben und der Befriedigung des Begehrens zugetan (verrichten sie Werke, aber auf falsche Weise, sind sie ungemein aktiv, aber nur für sich selbst, ihre Begierde und ihren Genuss, nicht für Gott in ihrem eigenen Inneren und Gott im Menschen), stürzen sie hinab in die unreine Hölle ihres eigenen Übels.
17. Sie opfern und geben nicht gemäß der rechten Ordnung, sondern aus selbstbezogener Prahlerei, aus Eitelkeit und mit unverschämtem und törichtem Stolz.
18. Im Egoismus ihrer Stärke und Macht, in der Gewalttätigkeit ihres Zorns und ihrer Anmaßung hassen, verachten und schmähen sie Gott, der verborgen in ihnen wohnt, und Gott im Menschen.
19. Diese hochmütigen Hasser (des Guten und Gottes), diese Bösen, Grausamen, Gemeinsten unter den Menschen in der Welt, schleudere Ich ständig wieder hinunter in immer mehr asurische Geburten.
20. In asurische Schöße geworfen, von Geburt zu Geburt irregeführt, finden sie Mich nicht (da sie nicht nach Mir suchen) und sinken in den niedrigsten Zustand der Seele hinab.
21. Dreifach sind die Tore zur Hölle, die Zerstörer der Seele – Begehren, Zorn und Habgier: Darum soll sich der Mensch von ihnen lossagen.
22. Frei geworden von diesen Toren der Finsternis, O Sohn der Kunti, begibt sich der Mensch auf den Weg zu seinem eigenen höheren Wohl und gelangt zum höchsten Zustand der Seele.
23. Wer die Gebote des Shastra verworfen hat und den Verführungen des Begehrens folgt, erlangt nicht Vollkommenheit, nicht Glück, nicht den höchsten Zustand der Seele.
24. Darum lass das Shastra deine Autorität sein, die darüber entscheidet, was getan und was nicht getan werden soll! Im Wissen um das, was durch die Gebote des Shastra verkündet worden ist, solltest du in dieser Welt dein Werk verrichten.

Om tat sat. So endet in der vom Herrn gesungenen Upanishad, der Wissenschaft von Brahman, der Schrift vom Yoga und dem Dialog zwischen Sri Krishna und Arjuna das sechzehnte Kapitel mit dem Titel „Der Yoga der Unterscheidung zwischen der Art der Götter und Asuras“.

17. Kapitel
Der Yoga des dreifachen Glaubens
1. Arjuna sprach:
Wenn die Menschen, von Glauben erfüllt, Gott oder den Göttern opfern, aber das Gesetz des Shastra aufgegeben haben, von welcher Art ist jener konzentrierte Wille verehrungsvoller Hingabe in ihnen, niṣṭhā, der ihnen diesen Glauben gibt und sie zu dieser Art des Handelns bewegt, O Krishna? Ist er aus Sattwa, Rajas oder Tamas?
2. Der Erhabene sprach:
Der Glaube in den verkörperten Wesen ist wie alle Dinge in der Natur von dreifacher Art und unterschiedlich gemäß der in ihrer Natur vorherrschenden Eigenschaft: Sattwa, Rajas oder Tamas. Höre nun von diesen!
3. Der Glaube eines jeden Menschen, O Bharata, nimmt die Prägung an, die ihm durch den Stoff seines Wesens (das ihn ausmachende Temperament) gegeben wird. Dieser Purusha, diese Seele im Menschen, ist gleichsam aus Shraddha gebildet: aus einem Glauben, einem Willen zum Dasein, einem Vertrauen auf das eigene Selbst und auf das Sein. Und was auch immer in ihm dieser Wille, dieses Vertrauen oder dieser grundlegende Glaube ist, er ist jenes, und jenes ist er.
4. Die sattwischen Menschen bringen ihre Opfer den Göttern dar, die rajasischen den Yakshas (Hütern des Reichtums) und den Kräften der Rakshasas. Die Übrigen, die tamasischen Menschen verehren mit ihrem Opfer die elementaren Mächte und niederen Geister.
5.-6. Die Menschen, die im Gegensatz zum Shastra, voll Anmaßung und Egoismus, gewaltsame Kasteiungen vornehmen, die unter dem Zwang ihrer Begierden und Leidenschaften stehen, deren Verstand noch so unreif ist, dass sie den Organismus der Elemente, die ihren Körper bilden, quälen, und die auch Mich beunruhigen, der Ich im Körper wohne, von diesen Menschen wisse, dass sie in ihren Entschlüssen asurisch sind.
7. Auch die Nahrung, die einer gern hat, ist von dreifachem Charakter, ebenso wie sein Opfer, seine Askese, seine Gaben. Höre dies über ihren Unterschied!
8. Das sattwische Temperament im mentalen und physischen Körper wendet sich seiner Natur gemäß den Dingen zu, die das Leben, die innere und äußere Stärke vermehren und sowohl die mentale, vitale und physische Kraft nähren, wie sie auch die Freuden, die Befriedigung und das Wohlbefinden von Mental, Leben und Körper erhöhen, also allem was kraftvoll und mild, stärkend und hungerstillend ist.
9. Das rajasische Temperament bevorzugt seiner Natur gemäß eine Nahrung, die stark säuernd, scharf, heiß, beißend, roh, zu schwer und brennend ist, Speisen, die sich als gesundheitsschädigend und im Unwohlsein von Mental und Körper auswirken.
10. Das tamasische Temperament findet ein perverses Vergnügen an kalter, unreiner, verdorbener, fauler oder geschmackloser Nahrung oder akzeptiert sogar wie die Tiere halb aufgegessene Überreste von anderen.
11. Sattwisch ist das Opfer, das von Menschen dargebracht wird ohne Begehren der persönlichen Frucht und das nach den richtigen Prinzipien vollzogen wird und mit einem Mental, das darauf konzentriert ist, dass jede Tat, die getan wird, als Opfer getan wird.
12. Von rajasischer Natur sollst du, O Bester der Bharatas, dasjenige Opfer ansehen, das um des persönlichen Lohnes und auch um der Prahlerei willen dargebracht wurde.
13. Als tamasisch gilt ein Opfer, wenn es nicht im Einklang mit der rechten Ordnung des Shastra vollzogen wurde, wenn keine Nahrung dargebracht, kein Mantra verwendet und keine Gabe geopfert wurde und es leer ist an Glauben.
14. Die Verehrung, die man der Gottheit darbringt, dem Zweifach-Geborenen, dem spirituellen Führer, dem Weisen; ferner Sauberkeit, Aufrichtigkeit im Umgang, sexuelle Reinheit, das Vermeiden des Tötens und des Verletzens anderer, all das wird als die Askese des Körpers bezeichnet.
15. Wenn die Rede anderen keine Angst einflößt, keinen Kummer und keine Unannehmlichkeiten bereitet, wahrhaftig, freundlich und wohltuend ist und die Schriften studiert werden dann spricht man von der Askese der Rede.
16. Eine klare und ruhige Heiterkeit des Gemüts, Freundlichkeit, Schweigsamkeit, Selbstbeherrschung, Läuterung des gesamten Temperaments –, all das wird als Askese des Mentals bezeichnet.
17. Sattwisch nennt man diese dreifache Askese, wenn sie im höchsten erleuchteten Glauben, ohne Verlangen nach Belohnung und harmonisch ausgeübt wird.
18. Rajasisch heißt die Askese, die unbeständig und flüchtig ist und unternommen wird, um Ehre und Verehrung von den Menschen zu ernten, um des äußeren Ruhmes und der eigenen Größe und Prahlerei willen.
19. Als tamasisch wird die Askese bezeichnet, wenn ihr eine nebelhafte oder illusionäre Idee zugrunde liegt, wenn sie unter Anstrengungen und selbstauferlegten Leiden durchgeführt wird oder sonst mit einer besonderen Kraftanstrengung in der Absicht, anderen Schaden zuzufügen.
20. Geben geschieht nach sattwischer Art, wo man es um des Gebens und Wohltuns willen tut und den beschenkt, der die Wohltat nicht erwidert und die Gabe unter den rechten Umständen von Zeit und Ort und an den richtigen Empfänger austeilt (der würdig ist und für den die Gabe eine wirkliche Hilfe bedeuten kann).
21. Geben ist von der Art des Rajas, wenn die Gabe unwillig gegeben wird oder unter Vergewaltigung seiner selbst oder mit persönlichem und egoistischem Zweck oder in der Hoffnung auf Rückerstattung in irgendeiner Form.
22. Geben ist von der Art des Tamas, wenn die Gabe ohne jede Erwägung der rechten Umstände von Zeit, Ort und Zweck, wenn sie ohne Rücksicht auf die Gefühle des Empfängers gegeben wird, so dass dieser sie verachtet, selbst wenn er sie annimmt.
23. Die Formel OM, Tat, Sat ist die dreifache Bestimmung des Brahman, durch den in alten Zeiten die Brahmanas, die Veden und die Opfer geschaffen wurden.
24. Darum werden von den Kennern Brahmans die Opferhandlungen, das Geben und die Askese stets mit dem Aussprechen von OM eingeleitet, wie es in den Regeln niedergelegt ist.
25. Mit dem Aussprechen von Tat und ohne Verlangen nach Lohn werden von den Suchern nach Befreiung die mannigfachen Handlungen des Opfers, der Askese und des Gebens vollzogen.
26. Sat bedeutet „gut“, und es bedeutet auch „Sein“. Darum, O Partha, wird dieses Wort auch verwendet im Sinne eines guten Werkes (denn alle guten Werke bereiten die Seele für die höhere Wirklichkeit unseres Seins zu).
27. Sat ist alle Beständigkeit im Opfern, Geben und in der Askese, und alle Werke, die unter diesem zentralen Gesichtspunkt getan werden als Opfer, Gabe und Askese, sind Sat (denn diese Handlungen bilden die Grundlage für die höchste Wahrheit unseres Geistes).
28. Was immer getan wird ohne Glauben, O Partha, sei es die Opfergabe, das Geben, die Askese oder sonst ein Werk, wird Asat genannt. Es hat hier und auch im Jenseits keinen Wert.

Om tat sat. So endet in der vom Herrn gesungenen Upanishad, der Wissenschaft von Brahman, der Schrift vom Yoga und dem Dialog zwischen Sri Krishna und Arjuna das siebzehnte Kapitel mit dem Titel „Der Yoga des dreifachen Glaubens“.

18. Kapitel
Der Yoga der Befreiung
1. Arjuna sprach:
Ich möchte, O Starkarmiger, das Prinzip von Sannyasa kennenlernen, das Prinzip von Tyaga, O Hrishikesha, und den Unterschied zwischen beiden, O Keshinishudana.
2. Der Erhabene sprach:
Die Weisen haben unter Sannyasa das Ablegen (oder Beiseitelegen) begehrenswerter Handlungen verstanden. Tyaga ist der Name, den die Weisen einem völligen Aufgeben der Bindung an die Frucht des Handelns gegeben haben.
3. „Von jeglichem Handeln sollte man Abstand nehmen, weil es ein Übel ist“, erklären einige gelehrte Männer. „Die Handlungen des Opferns, des Gebens und der Askese dürfen nicht aufgegeben werden“, sagen andere.
4. Höre, wie Ich Mich hinsichtlich der Entsagung (Tyaga) entschieden habe, O Bester der Bharatas. Denn auch die Entsagung im Handeln ist, O Tiger der Menschen, als von dreifacher Art erklärt worden.
5. Auf die Handlungen des Opferns, des Gebens und der Askese sollte auf keinen Fall verzichtet werden. Sie sollen vollzogen werden, denn sie läutern den Weisen.
6. Aber, O Partha, selbst diese Handlungen sollen unbedingt vollzogen werden, indem man Bindung und Lohn beiseite lässt.
7. Verzicht auf das recht geordnete Handeln ist wahrlich nicht geeignet. Verzichtet man aus Unwissenheit auf sie, ist das ein tamasischer Verzicht.
8. Wer das Wirken aufgibt, weil es Sorgen oder dem Fleisch Kummer bereitet, leistet damit einen rajasischen Verzicht und erlangt nicht die Frucht seiner Entsagung.
9. Wer aber eine recht geordnete Handlung vollzieht, weil sie getan werden muss, und dabei keine Bindung, weder zur Handlung als solcher, noch zur Frucht dieses Handelns, entsteht, dessen Entsagung gilt als sattwisch.
10. Der weise Mensch, der sich der Zweifel entledigt hat und der Entsagung übt im Licht seines völlig sattwischen Mentals, hat keine Abneigung gegen unerfreuliches und keine Bindung an erfreuliches Handeln.
11. In der Tat können die verkörperten Wesen nicht auf jegliches Wirken verzichten. Wer aber die Frucht seines Handelns aufgibt, vom dem sagt man mit Recht, dass er ein Entsagender ist.
12. Die drei Arten von Ergebnis – erfreulich, unerfreulich und vermischt – existieren in dieser oder jener Welt, in diesem oder jenem Leben nur für die Sklaven des Begehrens und des Ego. Am freien Geist bleiben diese Dinge nicht haften.
13. Erfahre von Mir, O Starkarmiger, die folgenden fünf Ursachen, wie sie vom Sankhya für die Vollendung allen Wirkens niedergelegt worden sind.
14. Diese fünf sind: Der Körper, die handelnde Person, die verschiedenen Werkzeuge, die vielerlei Bemühungen und schließlich das Schicksal.
15. Diese fünf Elemente bilden unter allem anderen die wirksamen Ursachen, kāraṇa, die Form und Ergebnis von jeglichem Werk bestimmen, das der Mensch mit Mental, Rede und Körper ausführt.
16. Da es sich so verhält, hat wahrlich derjenige, der aus unwissendem Verstand sich selbst als den Täter ansieht, eine verdrehte Intelligenz. Er erkennt nicht.
17. Wer frei ist vom Ego-Sinn und in seiner Intelligenz nicht beeinträchtigt wird, der tötet nicht, auch wenn er diese Völker erschlagen würde, und wird durch sein Handeln nicht gebunden.
18. Die Erkenntnis, der Gegenstand der Erkenntnis und der Erkennende sind drei Dinge, die den mentalen Impuls zum Handeln bilden. Ferner gibt es drei Dinge, die die Handlungen zusammenhalten und möglich machen: Der Handelnde, das Instrument und das vollzogene Werk.
19. Erkenntnis, Handlung und Täter sind, nach dem Sankhya, von dreifacher Art gemäß der Verschiedenheit der Gunas (Eigenschaften). Erfahre auch über diese entsprechend.
20. Erkenne als sattwisch jene Erkenntnis, durch die man das eine unvergängliche Sein in allem Werden und das eine unteilbare Ganze in allen diesen Teilerscheinungen wahrnimmt.
21. Betrachte als rajasisch jene Erkenntnis, die in allen diesen Daseinsformen die Vielfalt der Dinge nur in der Getrenntheit und Verschiedenheit ihrer Wirkensweisen sieht.
22. Die tamasische Erkenntnis ist eine kleinliche und enge Art, die Dinge zu betrachten, die keinen Blick hat für die wirkliche Natur der Welt. Sie klammert sich an einen einzigen Prozess oder an ein einziges gewohntes Verfahren des Wirkens, als ob dies das Ganze wäre (ohne Vorausschau oder eine das Ganze überblickende Intelligenz).
23. Wird eine Handlung nach der rechten Ordnung vollzogen ohne Bindung, ohne Vorliebe oder Abneigung (an ihrem Reiz oder ihrer Langweiligkeit) von einem Menschen, der kein Begehren nach ihrer Frucht hegt, dann wird sie sattwisch genannt.
24. Wird aber eine Handlung von einem Menschen unternommen unter der Herrschaft des Begehrens oder mit egoistischem Gefühl der eigenen Person beim Handeln oder wird sie mit ungewöhnlichem Kraftaufwand ausgeführt (mit angespanntem Willen, um das Ziel des Begehrens zu erreichen), nennt man sie rajasisch.
25. Wird die Handlung unter Selbsttäuschung begangen (im mechanischen Gehorsam gegenüber Instinkten, Trieben und blinden Ideen) ohne Rücksicht auf die eigene Kraft und Fähigkeit, ohne Vorausschau auf die Folgen, auf die Kraftvergeudung und das anderen zugefügte Unrecht, dann gilt sie als tamasisch.
26. Handelt der Täter frei von Bindung, frei von Egoismus, voll fester, unpersönlicher Entschlossenheit, mit ruhiger Geradheit seiner Hingabe, weder hochgestimmt bei Erfolg, noch niedergeschlagen bei Misserfolg, dann wird er sattwisch genannt.
27. Hängt der Handelnde voll Eifer an seinem Werk, ist er leidenschaftlich verlangend nach dessen Frucht, ist er habgierig, unrein, oft gewalttätig, grausam und brutal in den Mitteln, die er anwendet, voll Freude (bei Erfolg) und voll Kummer (bei Misserfolg), dann gilt er als rajasisch.
28. Handelt jemand nur unter mechanischem Einsatz seiner mentalen Kräfte (setzt er sich bei seinem Tun nicht richtig ein), ist er stupide und eigensinnig, verschlagen und anmaßend, träge, leicht entmutigt und zaudernd, dann gilt er als tamasisch.
29. Auch die Vernunft und Beharrlichkeit sind gemäß den Eigenschaften der Natur von dreierlei Art. Vernimm, wie sie miteinander verbunden und getrennt sind, O Dhananjaya!
30. Jener Verstand, der das Gesetz des Handelns und das Gesetz des Verzichts auf das Handeln erkennt, der die Sache, die getan werden soll, zu unterscheiden vermag von der Sache, die man unterlassen soll, und das, was man fürchten soll, von dem, wovor man sich nicht fürchten soll, und der erkennt, was den Geist des Menschen fesselt und was ihn befreit, ein solcher Verstand, O Partha, ist sattwisch.
31. Jener Verstand, der nur auf verkehrte Weise zwischen Recht und Unrecht unterscheidet, zwischen dem, was getan werden muss, und dem, was nicht getan werden darf, dieser Verstand, O Partha, ist rajasisch.
32. Jener Verstand, in Dunkelheit gehüllt, der sich an das hält, was nicht das wahre Gesetz ist, und dies zum geltenden Gesetz erklärt, der alle Dinge getrübt durch falsche Auffassungen sieht, dieser Verstand, O Partha, ist tamasisch.
33. Jene unerschütterliche Beharrlichkeit, (dhṛti), mit der man durch Yoga das Mental und die Sinne und das Leben beherrscht, O Partha, diese Beharrlichkeit ist von sattwischer Art.
34. Jene Beharrlichkeit jedoch, O Arjuna, mit der man Recht und Gerechtigkeit (Dharma) festhält, mit Interesse (Artha) und Vergnügen (Kama) und mit starker Bindung die Früchte seines Wirkens begehrt, eine solche Beharrlichkeit, O Partha, ist von rajasischer Art.
35. Jene Beharrlichkeit, mit der man aus Unwissenheit nicht ablässt von Verschlafenheit, Furcht, Kummer, Niedergeschlagenheit und Hochmut, die, O Partha, ist von tamasischer Art.
36.-37. Und nun höre noch von Mir, du Stier der Bharatas, wie auch die Freude von dreifacher Art ist. Als sattwisch gilt die Freude, in der man durch Selbstdisziplin zum wahren Glück gelangt und die dem Leiden ein Ende bereitet. Am Anfang schmeckt sie wie Gift, aber am Ende ist sie wie Nektar. Diese Freude entspringt aus der Zufriedenheit des höheren Mentals und des Geistes.
38. Als rajasisch wird jene Freude gewertet, die aus der Berührung der Sinne mit ihren Gegenständen entspringt. Am Anfang schmeckt sie wie Nektar, aber am Ende wie Gift.
39. Als tamasisch wird jene Freude bezeichnet, an deren Anfang Selbsttäuschung steht und Enttäuschung die Folge ist, die aus Verschlafenheit, Trägheit und Unwissenheit hervorgeht.
40. Es gibt keine Wesenheit, weder auf Erden noch im Himmel unter den Göttern, die nicht den Wirkensweisen dieser drei Gunas unterworfen wäre, die in der Natur ihren Ursprung haben.
41. Die Werke der Brahmanen, der Kshatriyas, der Vaishyas und der Shudras werden gemäß den Gunas eingeteilt, die in ihrer eigenen inneren Natur ihren Ursprung haben.
42. Das Werk des Brahmanen ist bestimmt von Stille, Selbstbeherrschung und Askese, von Reinheit, geduldigem Ertragen, Redlichkeit, Erkenntnis und Anerkennung der spirituellen Wahrheit. Es hat seinen Ursprung in seinem svabhāva.
43. Das seinem Wesen entsprechende Werk des Kshatriyas liegt im Heldentum und in der Begeisterung, in der Entschlossenheit und in der Tüchtigkeit, im Nicht-Fliehen in der Schlacht, im Geben reicher Gaben, in seiner Herrschaft (īśvara-bhāva, dem Temperament des Herrschers und Führers).
44. Das seinem Wesen entsprechende Werk des Vaishyas besteht in Ackerbau und Viehzucht, im Handel einschließlich der Arbeit des Handwerkers und des Künstlers. Alles Handeln, das den Charakter des Dienens hat, fällt unter die natürlichen Obliegenheiten des Shudras.
45. Der Mensch, der bedacht ist auf das seiner eigenen Wesensart entsprechende Werk, erlangt Vollkommenheit. Höre nun, wie derjenige Vollkommenheit erlangt, der sein ihm angeborenes Werk verrichtet!
46. Wenn er durch sein eigenes Werk Ihn verehrt, in dem alle Wesen ihren Ursprung haben, von dem dies ganze Weltall durchwaltet ist, dann erlangt ein Mensch Vollkommenheit.
47. Es ist besser, Werke entsprechend dem eigenen Wesensgesetz auszuführen, auch wenn dies in sich selbst unvollkommen ist, als ein seinem Wesen fremdes Gesetz gut auszuführen. Wenn man in Übereinstimmung mit dem Gesetz der eigenen Natur handelt, begeht man keine Sünde.
48. Das dir eingeborene Werk, O Sohn der Kunti, darfst du nicht aufgeben, auch wenn es mit Mängeln behaftet ist. Alle Handlungen (innerhalb der drei Gunas) sind mit Mängeln behaftet, so wie das Feuer vom Rauch verhüllt ist.
49. Wenn der Verstand nicht an die Dinge gebunden ist, die Seele selbstbeherrscht ist und frei von Begehren, dann erlangt ein Mensch durch Entsagung die höchste Vollkommenheit des naiṣkarmya.
50. Wie nun ein Mensch, wenn er dergestalt Vollkommenheit (von naiṣkarmya) erlangt hat, hingelangt zum Brahman, das vernimm von Mir, O Sohn der Kunti –, diese höchst konzentrierte Weisung des Wissens.
51.-53. Man ist fähig zum Brahman zu werden, wenn man die geläuterte Intelligenz (mit der reinen spirituellen Substanz in uns) in die Einheit eingehen lässt; wenn man sein ganzes Wesen mit festem und stetem Willen beherrscht; wenn man Verzicht übt auf den Ton und die anderen Gegenstände der Sinne; wenn man sich zurückzieht von jeder Vorliebe und Abneigung; wenn man die Abgeschiedenheit pflegt ohne egoistische Motive; wenn man enthaltsam lebt, Rede, Körper und Mental beherrscht; wenn man ständig geeint ist mit seinem innersten Selbst in der Meditation; wenn man Begehren und Bindung völlig aufgegeben hat; wenn man Egoismus, Gewalttätigkeit, Anmaßung, Verlangen, Zorn, den Sinn und Instinkt des Besitzen-Wollens abgelegt hat; wenn man frei geworden ist von „ich“ und „mein“; wenn man ruhig und heiter-gelassen ist.
54. Wenn man zum Brahman wurde, wenn man, ruhig im Selbst, sich nicht mehr grämt und nicht mehr begehrt, wenn man gleichmütig allen Wesen gegenüber wurde, dann erreicht man die höchste Liebe und Verehrung zu Mir.
55. Durch die Verehrung erkennt er, wer und welche Fülle Ich bin, Meine ganze Wirklichkeit und alle Grundsätze Meines Wesens. Wer Mich so erkannt hat, der geht ein in Jenen (Purushottama).
56. Und gründet er auch all seine Handlungen stets auf Mich, erlangt er durch Meine Gnade den ewigen und unvergänglichen Zustand.
57. Weihe Mir alles, was du bist, gib all dein Handeln im bewussten Mental auf und versenke es in Mir. Mache Gebrauch vom Yoga des Willens und der Intelligenz und sei ohne Unterlass in Herz und Bewusstsein eins mit Mir.
58. Bist du zu allen Zeiten eins mit Mir in Herz und Bewusstsein, dann wirst du durch Meine Gnade sicher durch jeden schwierigen und gefährlichen Engpass schreiten. Willst du aber aus Egoismus nicht hören, wirst du ins Verderben sinken.
59. Vergeblich ist dein Entschluss, den du in deinem Egoismus denkst, indem du sagst: „Ich will nicht kämpfen!“ Deine Natur soll dich zu deinem Werk berufen.
60. Und was aus deiner Selbsttäuschung heraus du nicht zu tun wünschst, O Kaunteya, das wirst du gegen deinen Willen tun, gebunden durch dein eigenes Handeln, das aus deinem Swabhava entspringt.
61. Der Herr, O Arjuna, wohnt im Herzen aller Daseinsformen und dreht sie alle im Kreise, auf einer Maschine montiert, durch seine Maya.
62. Zu Ihm nimm deine Zuflucht auf allen Wegen deines Seins! Durch Seine Gnade sollst du eingehen in den höchsten Frieden und ewigen Zustand.
63. So habe Ich dir ein Wissen mitgeteilt, das geheimer ist als alles, was verborgen ist. Wenn du gründlich darüber nachgedacht hast, handle wie du es für richtig hältst.
64. Höre weiter Mein allergeheimstes, Mein höchstes Wort, das Ich jetzt zu dir spreche! Zu deinem Besten sage Ich es dir, denn du bist Mir innig lieb.
65. Sei Mir zugeneigt! Werde Mein Mich Liebender und Verehrender, ein Mir Opfernder! Verneige dich vor Mir! Dann wirst du zu Mir gelangen. Dies ist Mein Wort und Versprechen an dich, denn du bist Mir lieb.
66. Gib alle Dharmas auf und nimm deine Zuflucht allein zu Mir! Ich werde dich von aller Sünde und allem Übel befreien, sei unbekümmert!
67. Nie sollst du hierüber zu jemandem sprechen, der nicht Askese übt, nie zu jemand, der nicht verehrt, nie zu dem, der nicht dient. Und gewiss nicht zu dem, der Mich verachtet und Meiner spottet (der Ich im menschlichen Körper wohne).
68. Doch wer in tiefster Verehrung für Mich dies erhabene Geheimnis unter Meinen Verehrern verkündigt, gelangt gewiss zu Mir.
69. Und es gibt niemanden unter den Menschen, der Mir Lieberes täte, und niemand in dieser Welt wird Mir lieber sein.
70. Wer sich in dieses unser heiliges Zwiegespräch vertieft, von dem werde Ich verehrt mit dem Opfer des Wissens.
71. Auch wer, erfüllt von Glauben und ohne Widerspruch, auf diese Botschaft lauscht, wird befreit und erlangt die seligen Welten des Gerechten.
72. Ist dies alles von dir, O Sohn Prithas, mit einem konzentrierten Mental aufgenommen worden? Ist deine Selbsttäuschung, O Dhananjaya, die begründet war in Unwissenheit, nun beseitigt?
73. Arjuna sprach:
Beseitigt ist meine Selbsttäuschung. Durch Deine Gnade, O Du Unfehlbarer, habe ich meine Erinnerung wiedergewonnen. Nun bin ich stark, und meine Zweifel sind zerstreut. Ich werde nach Deinen Worten handeln.
74. Sanjaya sprach:
So vernahm ich dies wunderbare Gespräch zwischen Vasudeva und Partha, der großen Seele, und es ließ mir die Haare zu Berge stehen.
75. Durch Vyasas Gnade erfuhr ich diesen Yoga, der das höchste Geheimnis ist, unmittelbar von Krishna, dem göttlichen Meister des Yoga, der es selbst verkündigt hat.
76. O König, wenn ich dessen gedenke und mich immer wieder dieser wunderbaren und heiligen Zwiesprache zwischen Keshava und Arjuna erinnere, bin ich stets von neuem entzückt.
77. Auch wenn ich immer wieder dieser wunderbaren Gestalt von Hari gedenke, O König, bin ich stets aufs neue entzückt.
78. Wo auch immer Krishna ist, der Meister des Yoga, und wo immer Partha ist, der Bogenschütze, dort sind zweifellos Ruhm, Sieg und Gedeihen. Und dort steht auch die unwandelbare Gerechtigkeit.

Om tat sat. So endet in der vom Herrn gesungenen Upanishad, der Wissenschaft von Brahman, der Schrift vom Yoga und dem Dialog zwischen Sri Krishna und Arjuna das achtzehnte Kapitel mit dem Titel „Der Yoga der Befreiung“.

TEIL 3
Bhagavadgita – Sanskrit
atha prathamo ‘dhyāyaḥ – arjuna-viṣāda-yogaḥ
1. Kapitel: Der Yoga der Niedergeschlagenheit Arjunas

dhṛtarāṣṭra uvāca |
dharma-kṣetre kuru-kṣetre samavetā yuyutsavaḥ |
māmakāḥ pāṇḍavāś caiva kim akurvata sañjaya ||1||
1. Dhritarashtra sprach:
Als sie auf dem Feld von Kurukshetra versammelt waren, dem Feld der Ausarbeitung des Dharma, ungestüm zur Schlacht drängend, was taten sie da, O Sanjaya, mein Volk und die Pandavas?


sañjaya uvāca |
dṛṣṭvā tu pāṇḍavānīkaṁ vyūḍhaṁ duryodhanas tadā |
ācāryam upasaṅgamya rājā vacanam abravīt ||2||
2. Sanjaya sprach:
Als der Fürst Duryodhana gesehen hatte, dass das Heer der Pandavas in Schlachtordnung aufgestellt war, trat er an seinen Lehrer heran und sprach folgende Worte:


paśyaitāṁ pāṇḍu-putrāṇām ācārya mahatīṁ camūm |
vyūḍhāṁ drupada-putreṇa tava śiṣyeṇa dhīmatā ||3||
3. „Schau auf dieses gewaltige Heer der Söhne von Pandu, O Acharya, das hier von deinem klugen Schüler, dem Sohn des Drupada, aufgestellt worden ist.


atra śūrā maheṣvāsā bhīmārjuna-samā yudhi |
yuyudhāno virāṭaś ca drupadaś ca mahā-rathaḥ ||4||
dhṛṣṭaketuś cekitānaḥ kāśirājaś ca vīryavān |
purujit kuntibhojaś ca śaibyaś ca nara-puṅgavaḥ ||5||
yudhāmanyuś ca vikrānta uttamaujāś ca vīryavān |
saubhadro draupadeyāś ca sarva eva mahā-rathāḥ ||6||
4.-6. Da stehen in dieser mächtigen Armee Helden und berühmte Bogenschützen, die Bhima und Arjuna im Kampfe gleich sind; Yuyudhana, Virata und Drupada in seinem großen Kampfwagen; Dhrishtaketu, Chekitana und der tapfere Fürst von Kashi; Purujit, Kuntibhoja und Shaibya, der Anführer der Männer; Yudhamanyu, der Starke, und Uttamauja, der Siegreiche; Subhadras Sohn (Abhimanyu) und die Söhne der Draupadi; alles Männer von großer Tapferkeit.


asmākaṁ tu viśiṣṭā ye tān nibodha dvijottama |
nāyakā mama sainyasya saṁjñārthaṁ tān bravīmi te ||7||
7. Erfahre aber auch, wer auf unserer Seite die Hervorragendsten sind, O Bester der Zweifach-Geborenen, die Führer meines Heeres. Ich nenne sie dir zu deiner besonderen Beachtung.


bhavān bhīṣmaś ca karṇaś ca kṛpaś ca samitiñjayaḥ |
aśvatthāmā vikarṇaś ca saumadattis tathaiva ca ||8||
anye ca bahavaḥ śūrā mad-arthe tyakta-jīvitāḥ |
nānā-śastra-praharaṇāḥ sarve yuddha-viśāradāḥ ||9||
8.-9. Du selbst und Bhishma und Karna und Kripa, der Siegreiche im Kampf; Ashvatthama, Vikarna und auch Saumadatti; und viele andere Helden haben um meinetwillen ihr Leben eingesetzt. Sie alle sind mit mannigfaltigen Waffen und Geschossen ausgerüstet und wohlerfahren im Krieg.


aparyāptaṁ tad asmākaṁ balaṁ bhīṣmābhirakṣitam |
paryāptaṁ tv idam eteṣāṁ balaṁ bhīmābhirakṣitam ||10||
10. Unermesslich ist diese unsere Armee, die von Bhishma befehligt wird, während die ihrige Armee begrenzt ist und sich auf Bhima verlässt.


ayaneṣu ca sarveṣu yathā-bhāgam avasthitāḥ |
bhīṣmam evābhirakṣantu bhavantaḥ sarva eva hi ||11||
11. Darum ihr alle, die ihr in euren Formationen an den verschiedenen Abschnitten der Front steht: Gebt acht auf Bhishma!“


tasya sañjanayan harṣaṁ kuru-vṛddhaḥ pitāmahaḥ |
siṁha-nādaṁ vinadyoccaiḥ śaṅkhaṁ dadhmau pratāpavān ||12||
12. Um Begeisterung im Herzen Duryodhanas zu erwecken, blies der mächtige Ahnherr (Bhishma), der Älteste der Kurus, in seine Muschel, so dass es vom Schlachtfeld widerhallte wie Löwengebrüll.


tataḥ śaṅkhāś ca bheryaś ca paṇavānaka-gomukhāḥ |
sahasaivābhyahanyanta sa śabdas tumulo 'bhavat ||13||
13. Darauf erschollen plötzlich die Muscheln und Pauken, die Tamburine, Trommeln und Hörner, und das Getöse wurde gewaltig.


tataḥ śvetair hayair yukte mahati syandane sthitau |
mādhavaḥ pāṇḍavaś caiva divyau śaṅkhau pradadhmatuḥ ||14||
14. Positioniert auf ihrem großen, mit weißen Pferden bespannten Streitwagen, stießen dann Madhava (Sri Krishna) und der Sohn des Pandu (Arjuna) in ihre himmlischen Muscheln.


pāñcajanyaṁ hṛṣīkeśo devadattaṁ dhanañjayaḥ |
pauṇḍraṁ dadhmau mahā-śaṅkhaṁ bhīma-karmā vṛkodaraḥ ||15||
anantavijayaṁ rājā kuntī-putro yudhiṣṭhiraḥ |
nakulaḥ sahadevaś ca sughoṣa-maṇipuṣpakau ||16||
15.-16. Hrishikesha (Krishna) blies seine Panchajanya und Dhananjaya (Arjuna) seine (ihm von Gott gegebene) Devadatta. Vrikodara, der Held schrecklicher Taten, stieß in seine mächtige Muschel Paundra; König Yudhishthira, Sohn der Kunti, in die Anantavijaya; Nakula und Sahadeva in die Sughosha und in die Manipushpaka. (Vrikodara, Yudhishthira, Nakula und Sahadeva sind die vier Brüder Arjunas.)


kāśyaś ca parameṣvāsaḥ śikhaṇḍī ca mahā-rathaḥ |
dhṛṣṭadyumno virāṭaś ca sātyakiś cāparājitaḥ ||17||
drupado draupadeyāś ca sarvaśaḥ pṛthivī-pate |
saubhadraś ca mahā-bāhuḥ śaṅkhān dadhmuḥ pṛthak pṛthak ||18||
17.-18. Und Kashya mit seinem mächtigen Bogen und Shikhandi mit seinem großen Streitwagen, Dhrishtadyumna, Virata und der unbesiegte Satyaki, ferner Drupada und die Söhne Draupadis, O Herr der Erde, und Saubhadra mit den mächtigen Armen stießen von allen Seiten in ihre verschiedenen Muschelhörner.


sa ghoṣo dhārtarāṣṭrāṇāṁ hṛdayāni vyadārayat |
nabhaś ca pṛthivīṁ caiva tumulo 'bhyanunādayan ||19||
19. Diese ungeheure Aufruhr, über Erde und Himmel widerhallend, erschütterte die Herzen der Söhne des Dhritarashtra.


atha vyavasthitān dṛṣṭvā dhārtarāṣṭrān kapi-dhvajaḥ |
pravṛtte śastra-sampāte dhanur udyamya pāṇḍavaḥ |
hṛṣīkeśaṁ tadā vākyam idam āha mahī-pate ||20||
20. Als er auf die Söhne des Dhritarashtra, die in Schlachtordnung dastanden, schaute und schon die Geschosse zu fliegen begannen, da erhob der Sohn des Pandu (Arjuna), dessen Banner das Emblem von Kapi Hanuman trug, seinen Bogen und sagte zu Hrishikesha, dem Herrn der Erde, diese Worte:


arjuna uvāca |
senayor ubhayor madhye rathaṁ sthāpaya me 'cyuta ||21||
yāvad etān nirīkṣe 'haṁ yoddhu-kāmān avasthitān |
kair mayā saha yoddhavyam asmin raṇa-samudyame ||22||
yotsyamānān avekṣe 'haṁ ya ete 'tra samāgatāḥ |
dhārtarāṣṭrasya durbuddher yuddhe priya-cikīrṣavaḥ ||23||
21.-23. Arjuna sprach:
Halte, O Achyuta (Makelloser, Unerschütterlicher) meinen Wagen zwischen den beiden Heeren an, damit ich diese Myriaden mustern kann, die kampfbegierig dastehen und mit denen ich an diesem Festtag der Schlacht zusammenstoßen muss. Ich will jene sehen, die hierher kamen, um für die Sache des übelgesinnten Sohnes des Dhritarashtra einzutreten.


sañjaya uvāca |
evam ukto hṛṣīkeśo guḍākeśena bhārata |
senayor ubhayor madhye sthāpayitvā rathottamam ||24||
bhīṣma-droṇa-pramukhataḥ sarveṣāṁ ca mahīkṣitām |
uvāca pārtha paśyaitān samavetān kurūn iti ||25||
24.-25. Sanjaya sprach:
So angeredet von Gudakesha (einer, der den Schlaf überwunden hat, Arjuna), O Bharata, brachte Hrishikesha jenen besten der Streitwagen zwischen den beiden Heeren zum Stehen, gegenüber von Bhishma, Drona und all den Fürsten der Erde, und sprach: „Schau hin, O Partha, auf diese versammelten Kurus!“


tatrāpaśyat sthitān pārthaḥ pitṝn atha pitāmahān |
ācāryān mātulān bhrātṝn putrān pautrān sakhīṁs tathā |
śvaśurān suhṛdaś caiva senayor ubhayor api ||26||
26. Da sah Partha Onkel und Großväter, Lehrer, Vetter, Söhne und Enkel, Gefährten, Schwiegerväter, Wohltäter einander gegenüberstehend.


tān samīkṣya sa kaunteyaḥ sarvān bandhūn avasthitān |
kṛpayā parayāviṣṭo viṣīdann idam abravīt ||27||
27. Als er all diese Verwandten kampfbereit dastehen sah, wurde Kaunteya (Arjuna) von tiefem Mitleid ergriffen. Traurig und niedergeschlagen äußerte er sich wie folgt:


arjuna uvāca |
dṛṣṭvemaṁ svajanaṁ kṛṣṇa yuyutsuṁ samupasthitam |
sīdanti mama gātrāṇi mukhaṁ ca pariśuṣyati ||28||
vepathuś ca śarīre me roma-harṣaś ca jāyate |
gāṇḍīvaṁ sraṁsate hastāt tvak caiva paridahyate ||29||
28.-29. Arjuna sprach:
Wenn ich hier meine eigenen Verwandten in Schlachtordnung vor mir sehe, O Krishna, werden meine Glieder schwach, mein Mund dörrt mir aus, mein Leib erzittert, und meine Haare sträuben sich. Gandiva (der Bogen Arjunas) entgleitet meiner Hand, und meine ganze Haut scheint zu brennen.


na ca śaknomy avasthātuṁ bhramatīva ca me manaḥ |
nimittāni ca paśyāmi viparītāni keśava ||30||
30. Ich kann nicht mehr aufrecht stehen, und mir scheint sich der Kopf zu drehen; auch sehe ich schlechte Vorzeichen, O Keshava.


na ca śreyo 'nupaśyāmi hatvā sva-janam āhave |
na kāṅkṣe vijayaṁ kṛṣṇa na ca rājyaṁ sukhāni ca ||31||
31. Nichts Gutes erkenne ich darin, dass ich meine Verwandten in der Schlacht töte; O Krishna, ich begehre weder Sieg, noch Herrschaft, noch Freuden.


kiṁ no rājyena govinda kiṁ bhogair jīvitena vā |
yeṣām arthe kāṅkṣitaṁ no rājyaṁ bhogāḥ sukhāni ca ||32||
ta ime 'vasthitā yuddhe prāṇāṁs tyaktvā dhanāni ca |
ācāryāḥ pitaraḥ putrās tathaiva ca pitāmahāḥ ||33||
mātulāḥ śvaśurāḥ pautrāḥ śyālāḥ sambandhinas tathā |
etān na hantum icchāmi ghnato 'pi madhusūdana ||34||
api trailokya-rājyasya hetoḥ kiṁ nu mahī-kṛte |
nihatya dhārtarāṣṭrān naḥ kā prītiḥ syāj janārdana ||35||
32.-35. Was bedeutet Herrschaft für uns, O Govinda, was bedeuten uns Freuden, ja selbst das Leben? Jene, um derentwillen wir Herrschaft, Genüsse und Freuden begehren, stehen hier im Kampf und setzen ihr Blut und Gut ein – Lehrer, Väter und Söhne, auch Großväter, Onkel, Schwiegerväter, Enkel, Schwäger und sonstige Blutsverwandte. Nie brächte ich es über mich, sie zu erschlagen, O Madhusudana, und wenn ich selber erschlagen würde; nicht einmal für die Herrschaft über die drei Welten, geschweige denn über die Erde. Was bleiben uns schon für Freuden, wenn wir die Söhne des Dhritarashtra getötet haben, O Janardana?


pāpam evāśrayed asmān hatvaitān ātatāyinaḥ |
tasmān nārhā vayaṁ hantuṁ dhārtarāṣṭrān svabāndhavān |
svajanaṁ hi kathaṁ hatvā sukhinaḥ syāma mādhava ||36||
36. An uns wird die Sünde haften bleiben, wenn wir sie umbringen, auch wenn sie die Angreifer sind. Darum ist es nicht recht, dass wir die Söhne des Dhritarashtra töten, unsere eigenen Verwandten. In der Tat, wie können wir noch glücklich sein, O Madhava, wenn wir unsere eigenen Leute töten?


yadyapy ete na paśyanti lobhopahata-cetasaḥ |
kula-kṣaya-kṛtaṁ doṣaṁ mitra-drohe ca pātakam ||37||
kathaṁ na jñeyam asmābhiḥ pāpād asmān nivartitum |
kula-kṣaya-kṛtaṁ doṣaṁ prapaśyadbhir janārdana ||38||
37.-38. Wenn auch jene, von Habgier in ihrem Bewusstsein getrübt, in der Zerstörung ihrer Sippe keine Schuld erkennen und kein Verbrechen in der Feindschaft gegen Freunde, warum sollten nicht wir die Weisheit besitzen, vor solch einer Sünde zurückzuscheuen, O Janardana, die wir erkennen, dass die Vernichtung der Sippe von Übel ist!


kula-kṣaye praṇaśyanti kula-dharmāḥ sanātanāḥ |
dharme naṣṭe kulaṁ kṛtsnam adharmo 'bhibhavaty uta ||39||
39. Mit der Ausrottung der Sippe werden auch ihre ewigen Traditionen zerstört. Brechen diese Traditionen zusammen, überwältigt Gesetzlosigkeit die gesamte Sippe.


adharmābhibhavāt kṛṣṇa praduṣyanti kula-striyaḥ |
strīṣu duṣṭāsu vārṣṇeya jāyate varṇa-saṅkaraḥ ||40||
40. Wo aber Gesetzlosigkeit herrscht, O Krishna, werden die Frauen der Sippe verdorben; werden die Frauen verdorben, O Varshneya, gerät die feste Ordnung der varṇas durcheinander.


saṅkaro narakāyaiva kula-ghnānāṁ kulasya ca |
patanti pitaro hy eṣāṁ lupta-piṇḍodaka-kriyāḥ ||41||
41. Dies Chaos bringt für die Zerstörer der Sippe Verdammnis, aber auch für die Sippe; denn ihre Ahnen fallen, da sie das piṇḍa (Reisopfer) und die Spende des Tranks entbehren müssen.


doṣair etaiḥ kula-ghnānāṁ varṇa-saṅkara-kārakaiḥ |
utsādyante jāti-dharmāḥ kula-dharmāś ca śāśvatāḥ ||42||
42. So werden durch diese Untaten der Zerstörer der Sippe, die die Verwirrung der Ordnung zur Folge hat, die ewigen Gesetze des Volkes und die moralische Grundlage der Sippe vernichtet.


utsanna-kula-dharmāṇāṁ manuṣyāṇāṁ janārdana |
narake niyataṁ vāso bhavatīty anuśuśruma ||43||
43. Und die Menschen, deren Sippenmoral verdorben ist, leben für immer in der Hölle, O Janardana. So wurde es uns überliefert.


aho bata mahat pāpaṁ kartuṁ vyavasitā vayam |
yad rājya-sukha-lobhena hantuṁ sva-janam udyatāḥ ||44||
44. Wehe uns, die wir davor standen, eine schreckliche Sünde zu begehen, und unsere eigenen Verwandten aus Gier nach den Freuden der Macht töten wollten.


yadi mām apratīkāram aśastraṁ śastra-pāṇayaḥ |
dhārtarāṣṭrā raṇe hanyus tan me kṣemataraṁ bhavet ||45||
45. Viel eher gereicht mir zum Heil, dass die bewaffneten Söhne des Dhritarashtra mich, der ich waffenlos bin und keinen Widerstand leiste, erschlagen. (Ich will nicht kämpfen!)


sañjaya uvāca |
evam uktvārjunaḥ saṅkhye rathopastha upāviśat |
visṛjya sa-śaraṁ cāpaṁ śoka-saṁvigna-mānasaḥ ||46||
46. Sanjaya sprach:
Als Arjuna auf dem Schlachtfeld so gesprochen hatte, sank er auf den Sitz des Kampfwagens zurück, warf seinen göttlichen Bogen und den unerschöpflichen Köcher hin (die er von den Göttern für diese furchtbare Stunde erhalten hatte), und sein Geist war von Kummer überwältigt.

oṃ tat sat iti śrīmad-bhagavadgītāsūpaniṣatsu brahma-vidyāyāṃ yoga-śāstre śrī-kṛṣṇārjuna-saṃvāde 'rjunaviṣāda-yogo nāma prathamo 'dhyāyaḥ
Om tat sat. So endet in der vom Herrn gesungenen Upanishad, der Wissenschaft von Brahman, der Schrift vom Yoga und dem Dialog zwischen Sri Krishna und Arjuna das erste Kapitel mit dem Titel „Der Yoga der Niedergeschlagenheit Arjunas“.
