16. Kapitel
Deva und Asura
Die Gita hat darauf bestanden, dass man alle Handlungen tun muss, sarvāṇi karmāṇi, kṛtsna-karmakṛt. Sie hat gesagt, in welcher Art der vollendete Yogin auch lebt und handelt; immer lebt und handelt er in Gott. Das kann nur sein, wenn auch seine Art in ihrer Dynamik und in ihrem Wirken göttlich wird und zu einer Macht, die unerschütterlich, unberührbar, unverletzlich, rein ist und durch die Reaktionen der niederen Prakriti nicht gestört wird. Wie und durch welche Schritte soll diese höchst schwierige Umwandlung bewirkt werden? Wie lautet dies letzte Geheimnis der Vollkommenheit der Seele? Welches ist das Prinzip oder der Prozess dieser Umwandlung unseres menschlichen und irdischen Wesens? (462)
Die sattwische Eigenschaft ist der erste Vermittler zwischen der höheren und der niederen Natur. In der Tat muss das Sattwa an einem gewissen Punkt sich selbst umwandeln oder sich selbst entkommen, sich zertrümmern und in seinen Ursprung auflösen. Sein durch die äußeren Bedingungen eingeschränktes, abgeleitetes Suchen nach Licht und sein sorgfältig konstruiertes Handeln, müssen sich in die freie, unmittelbare Dynamik und das unwillkürliche Licht des Geistes verwandeln. Inzwischen vermehrt sich aber die sattwische Macht in hohem Maß und befreit uns weithin von den uns untauglich machenden Wirkungen von Tamas und Rajas. Werden wir nun nicht zu sehr durch Rajas und Tamas herabgezogen, kann die eigene Untauglichkeit des Sattwa mit größerer Leichtigkeit überwunden werden. Bei dieser vorbereitenden Disziplin der Natur ist also erste Bedingung, das Sattwa so weit zu entwickeln, dass es von spirituellem Licht, von Ruhe und Glück erfüllt wird.
Wir werden sehen, dass das die ganze Absicht der verbleibenden Kapitel der Gita ist. Vor Betrachtung dieser erleuchtenden Bewegung unterscheidet sie aber zunächst zwei Arten von Wesen, Deva und Asura. Der Deva ist fähig zu einer hohen, sich selbst umwandelnden sattwischen Wirksamkeit; nicht so der Asura. Wir müssen erkennen, was die Absicht dieser einleitenden Darstellung und die Tragweite dieser Unterscheidung ist. Die allgemeine Art aller menschlichen Wesen ist dieselbe. Sie ist eine Mischung der drei Gunas. Es könnte so aussehen, als ob in allen sich die Befähigung finden müsste, das sattwische Element zu entwickeln und zu verstärken, um es dann aufwärts zu wenden zu den Höhen der göttlichen Transformation. Wir sollten meinen, unsere gewöhnliche Neigung, Vernunft und Willen zu Dienern unseres Egoismus nach der Art von Rajas oder Tamas zu machen, zu Gehilfen unseres ruhelosen und falsch ausgewogenen beweglichen Begehrens oder unserer dem Ego nachgebenden Stumpfheit und Trägheit, wäre nur ein vorübergehendes Merkmal unseres unentwickelten spirituellen Wesens, eine primitive Stufe in unserer unvollkommenen Entwicklung, die verschwinden muss, wenn unser Bewusstsein auf der spirituellen Leiter höher hinaufsteigt. In Wirklichkeit können wir aber sehen, dass Menschen, zumindest Menschen oberhalb eines gewissen Niveaus, weithin in zwei Gruppen zerfallen: in jene, bei denen die sattwische Art vorherrscht, die sich der Erkenntnis, Selbstbeherrschung, Güte und Vollkommenheit zuwendet, und solche, bei denen die rajasische Art vorherrscht, deren Tendenz auf egoistische Bedeutung, Wunschbefriedigung, Befriedigung ihres eigenen starken Willens und ihrer Persönlichkeit gerichtet ist, die sie der Welt aufzwingen wollen, nicht um Mensch oder Gott zu dienen sondern um ihres eigenen Stolzes, Ruhmes und Vergnügens willen. Das sind die menschlichen Repräsentanten der Devas und Danavas oder Asuras, der Götter und der Titanen. In der indischen Religions-Symbolik ist diese Unterscheidung sehr alt. Der grundlegende Gedanke des Rig Veda ist ein Kampf zwischen den Göttern und ihren finsteren Gegnern, zwischen den Herren des Lichts, den Söhnen der Unendlichkeit, und den Kindern der Zertrennung und der Nacht. Das ist eine Schlacht, an der auch der Mensch teilnimmt und die in seinem ganzen inneren Leben und in seinem Handeln ihren Widerschein findet. Dies war auch das fundamentale Prinzip der Religion des Zoroaster. Dieselbe Idee ist in der späteren Literatur vorherrschend. In seiner ethischen Absicht ist das Ramayana die Parabel von einem gewaltigen Ringen zwischen dem Deva in menschlicher Gestalt und dem verkörperten Rakshasa, zwischen dem Repräsentanten einer hohen Kultur, eines hohen Dharma und dem einer riesigen, zügellosen Kraft, einer gigantischen Zivilisation des übertriebenen Ego. Das Mahabharata, zu dem die Gita als Abschnitt gehört, hat als Thema einen lebenslangen Konflikt zwischen Devas und Asuras, den Menschen der Macht, den Söhnen der Götter, die vom Licht eines hohen ethischen Dharma geleitet werden, und ihren Gegnern, die verkörperte Titanen sind, Machtmenschen, die nur darauf aus sind, ihrem intellektuellen, vitalen und physischen Ego zu dienen. In den alten Zeiten war das Mental für die Wahrheit der Dinge hinter dem physischen Vorhang offener als das unsrige. Man sah hinter dem Leben des Menschen gewaltige kosmische Mächte oder Wesen, die bestimmte Seiten oder Grade der universalen Shakti darstellen: göttliche, titanische, gigantische, dämonische. Und die Menschen, die in sich diese Wesensarten in besonderem Maße repräsentierten, wurden als Devas, Asuras, Rakshasas, Pisachas angesehen. Die Gita hält sich für ihre Zwecke an diese Unterscheidung und behandelt ausführlich den Unterschied beider Wesensarten, dvau bhūtasargau. Sie hat früher schon von der Art gesprochen, die dem Asura und Rakshasa eigen ist, von Wesen, die sich der Gottes-Erkenntnis, der Erlösung und der Vervollkommnung widersetzen. Nun stellt sie diese der Art der Devas gegenüber, die den göttlichen Dingen zugeneigt ist. (469-70)
16.1-3
Der Erhabene sprach:
Dies sind die Reichtümer des Menschen, der in die Art des Deva hineingeboren wurde: Furchtlosigkeit, Läuterung des Temperaments, Beständigkeit im Yoga des Wissens, Geben, Selbstbeherrschung, Opferbereitschaft, das Studium der Schriften, Askese, Aufrichtigkeit und Geradheit, Nichtschädigung anderer, Wahrhaftigkeit, Freisein von Zorn, Selbstverleugnung, Ruhe, Freisein vom Suchen nach Kritik, Mitleid mit allen Wesen, Freisein von Habgier, Güte, Bescheidenheit, Freisein von Ruhelosigkeit, Energie, Versöhnlichkeit, Geduld, Reinlichkeit, Freisein von Neid und Stolz.
Die vornehme Güte der Deva-Art, ihre Selbst-Verleugnung und Selbst-Beherrschung sind frei von aller Schwäche: Sie bedeutet Energie und Seelenkraft, starke Entschlussfähigkeit, Furchtlosigkeit der Seele, die im Recht daheim ist und sowohl im Einklang mit der Wahrheit lebt wie mit der Absicht, niemandem Schaden zuzufügen, tejaḥ, abhayam, dhṛtiḥ, ahiṁsā, satyam. Das ganze Wesen, das ganze Temperament ist vollständig rein. Es gibt die Suche nach Erkenntnis und das ruhige und feste Sich-Verankern im Wissen. Das ist der Reichtum, die Vollkommenheit des Menschen, der in die Deva-Art hineingeboren wurde. (472)
16.4
Und dies, O Partha, ist der Besitz des Menschen, der in die Art des Asura hineingeboren wurde: Hochmut, Anmaßung, maßloser Eigendünkel, Zorn, Hartherzigkeit und Unwissenheit.
16.5
Die Eigenschaften des Deva führen zur Befreiung, die Eigenschaften des Asura zur Gebundenheit. Sei unbesorgt, O Pandava, du bist in die Art des Deva hineingeboren.
Der Lehrer sagt, Arjuna ist von der Art des Deva. Er braucht sich nicht mit dem Gedanken abzuquälen, er gebe den Impulsen des Asura nach, wenn er Kampf und Schlacht annimmt. Die Aktion, um die sich alles dreht, die Schlacht, die Arjuna auf Befehl des Herrn der Welt, der ihm als der Zeit-Geist erscheint, auszukämpfen hat, wobei die inkarnierte Gottheit als sein Wagenlenker fungiert, ist ein Kampf, um das Königtum des Dharma aufzurichten, das Reich der Wahrheit, des Rechts und der Gerechtigkeit. Er selbst ist in die Art des Deva hineingeboren. Er hat in sich das sattwische Wesen entwickelt, bis er jetzt an einen Punkt gekommen ist, wo er zu hoher Umwandlung und zur Befreiung von traiguṇya, deshalb auch von der sattwischen Natur fähig ist. (470-71)
16.6
Es gibt zwei Arten von Geschöpfen in dieser materiellen Welt: die von der Art der Devas und die von der Art der Asuras. Die Natur des Deva habe Ich dir ausführlich beschrieben. Höre nun, O Partha, auch über die Natur des Asura.
Die Unterscheidung zwischen dem Deva und dem Asura lässt sich aber nicht auf die ganze Menschheit anwenden, sie ist nicht in strengem Sinn für alle Individuen zutreffend. Und sie ist auch nicht auf allen Stufen der moralischen und spirituellen Geschichte der Menschheit oder in allen Phasen der individuellen Entwicklung scharf umrissen und endgültig. Der tamasische Mensch, der einen so großen Teil des Ganzen ausmacht, fällt unter keine der beiden Kategorien, wie sie hier beschrieben werden, obwohl er in geringem Umfang beide Elemente in sich haben kann und größtenteils den niederen Eigenschaften lau dient. Der gewöhnliche Mensch ist im Allgemeinen eine Mischung. Doch ist die eine oder andere Tendenz in ihm ausgeprägter und macht ihn zu einem vorwiegend rajaso-tamasischen oder sattwo-rajasischen Charakter. Man kann von ihm sagen, das bereite ihn für jede der beiden höchsten Typen vor: für die göttliche Klarheit und für die titanische Wildheit. Denn das, was hier infrage steht, ist ein gewisser Höhepunkt in der Entwicklung der qualitativen Natur, wie aus den im Text gegebenen Beschreibungen hervorgeht. Auf der einen Seite kann es zu einer gewissen Verfeinerung der sattwischen Eigenschaft kommen, zur höchsten Gestalt oder Manifestation des ungeborenen Deva. Auf der anderen Seite kann es zur Sublimierung der auf das Rajas gerichteten Seele in der Natur kommen, zur völligen Geburt des Asura. Die eine führt zu jener Tendenz der Befreiung, die die Gita hier hervorheben will. Sie macht es möglich, dass die sattwische Qualität hoch über das Ego hinausführt und es in die Ebenbildlichkeit mit dem göttlichen Wesen umwandelt, vimokṣāya. Die andere führt den Menschen weg von dieser universalen Macht-Möglichkeit und stürzt ihn hinab in eine stärkere Gebundenheit an das Ego. Dies ist der Punkt, in dem sie sich unterscheiden. (471)
16.7
Die asurischen Menschen haben kein wahres Wissen über den Weg des Handelns oder über den Weg der Enthaltung. In ihnen ist keine Wahrheit, kein reines Leben und kein rechtes Verhalten und keine Beachtung der Regeln.
16.8
„Die Welt ist ohne Gott“, sagen sie, „sie ist nicht wirklich, nicht auf die Wahrheit gegründet, zustande gekommen durch wechselseitige Vereinigung, mit Begehren als einziger Ursache, eine Welt des Zufalls.“
16.9
Die asurischen Menschen stützen sich auf diese Weltanschauung. Durch deren Unwahrheit zerstören sie ihre Seele und ihre Vernunft und werden zum Zentrum oder Werkzeug einer wilden, titanischen, gewalttätigen Aktion, eine Macht der Zerstörung in der Welt, eine Quelle der Rechtsverletzung und des Bösen.
16.10
Ihrer unersättlichen Begierde frönend, anmaßend, überheblich und trunken vor Hochmut, betören sich diese fehlgeleiteten Seelen selbst, beharren sie auf ihren falschen und eigensinnigen Zielen und verfolgen stur den unreinen Entschluss ihres Verlangens.
16.11
Sie bilden sich ein, Begierde und Genuss seien das einzige Ziel des Lebens, und sind (in ihrem unbeherrschten und unersättlichen Jagen nach diesem Ziel) bis zum Augenblick ihres Todes die Beute verzehrender, maßlos zunehmender Sorge und Gedanken, Anstrengung und Angst.
16.12-15
Durch hundert Fesseln gebunden, von Zorn und Lust verzehrt, unermüdlich davon besessen, ungerechte Gewinne anzuhäufen, die ihrem Lebensgenuss und der Befriedigung ihrer Begierden dienen sollen, haben sie immer nur den einen Gedanken: „Heute habe ich diesen Gegenstand, den ich begehrte, gewonnen; morgen werde ich jenen anderen haben. Heute besitze ich soviel Reichtum; morgen werde ich noch mehr bekommen. Diesen meiner Feinde habe ich umgebracht; die Übrigen werde ich auch noch umbringen. Ich bin der Herr und König der Menschen. Ich bin vollkommen, tadellos, stark, glücklich, erfolgreich. Ich habe das Privileg, die Welt zu genießen. Reich bin ich und von hoher Geburt. Wer kommt mir gleich? Ich werde opfern, ich werde geben, ich werde genießen.“
16.16
Derart besessen von vielen egoistischen Gedanken, Illusionen hingegeben und der Befriedigung des Begehrens zugetan (verrichten sie Werke, aber auf falsche Weise, sind sie ungemein aktiv, aber nur für sich selbst, ihre Begierde und ihren Genuss, nicht für Gott in ihrem eigenen Inneren und Gott im Menschen), stürzen sie hinab in die unreine Hölle ihres eigenen Übels.
16.17
Sie opfern und geben nicht gemäß der rechten Ordnung, sondern aus selbstbezogener Prahlerei, aus Eitelkeit und mit unverschämtem und törichtem Stolz.
16.18
Im Egoismus ihrer Stärke und Macht, in der Gewalttätigkeit ihres Zorns und ihrer Anmaßung hassen, verachten und schmähen sie Gott, der verborgen in ihnen wohnt, und Gott im Menschen.
16.19
Diese hochmütigen Hasser (des Guten und Gottes), diese Bösen, Grausamen, Gemeinsten unter den Menschen in der Welt, schleudere Ich ständig wieder hinunter in immer mehr asurische Geburten.
16.20
In asurische Schöße geworfen, von Geburt zu Geburt irregeführt, finden sie Mich nicht (da sie nicht nach Mir suchen) und sinken in den niedrigsten Zustand der Seele hinab.
Wenn diese plastische Beschreibung auch jener Unterscheidung, auf die es ihr ankommt, vollen Wert verleiht, so darf man doch nicht erwarten, dass sie mehr hergibt, als sie beabsichtigt. Wenn davon die Rede ist, dass es zwei Arten von Schöpfungen in der materiellen Welt gibt, den Deva und den Asura1, so ist damit nicht gemeint, dass die Seelen der Menschen von Anfang an von Gott so geschaffen wurden, dass jede ihre eigene unvermeidliche Lebensbahn in der Natur habe. Und es ist auch nicht gemeint, dass es eine starre spirituelle Prädestination gibt und die von Gott Verworfenen von Anfang an so blind gemacht wurden, dass sie in die ewige Verdammnis und in die Unreinheit der Hölle hinabgeschleudert werden müssen. Alle Seelen sind ein ewiger Wesensteil des Göttlichen, der Asura ebenso gut wie der Deva. Alle können zur Erlösung, zum Heil kommen. Auch der größte Sünder kann sich zu Gott bekehren. Aber die Evolution der Seele in der Natur ist ein Abenteuer, bei dem das Swabhava und das vom Swabhava regierte Karma stets die Hauptmächte sind. Wenn nun eine Maßlosigkeit in der Manifestation des Swabhava, des Selbst-Werdens der Seele, eine Unordnung der Kräfte in ihrem Spiel, das Wesensgesetz nach der verkehrten Seite wendet, wenn den rajasischen Eigenschaften die Oberhand gegeben wird, wenn sie unter Minderung des Sattwa gefördert werden, dann können die Tendenzen des Karma und dessen Ergebnisse notwendigerweise nicht bis in die Höhe des Sattwa emporkommen, das zum Gang auf die Befreiung hin fähig ist, sondern sie steigern sich im höchsten Maß in den Verkehrtheiten der niederen Art. Wenn der Mensch nicht vorher innehält und den Irrweg aufgibt, trägt er schließlich einen voll-ausgewachsenen Asura in sich. Sobald er aber diese schreckliche Wendung eingeschlagen hat, weg vom Licht und der Wahrheit, kann er seinen tödlich schnellen Absturz nicht mehr aufhalten. Zu ungeheuerlich hat er die göttliche Macht in sich missbraucht, als dass er in den Abgründen, in die er gestürzt ist, die Talsohle gefunden und gesehen hat, wohin sein Weg ihn führte, so dass die so missbrauchte göttliche Macht völlig erschöpft ist und er sich im tiefsten Zustand der Seelen-Art, in der Hölle befindet. Nur wenn er versteht und sich dem Licht zuwendet, kommt jene andere Wahrheit der Gita zur Geltung, dass selbst der größte Sünder, der unreinste und gewalttätigste Bösewicht, in dem Augenblick gerettet wird, da er umkehrt, um die Gottheit in seinem Inneren zu verehren und ihr zu folgen. Dann kommt er, schlicht dank dieser Umkehr, sehr bald auf den Weg des Sattwa, der zur Vollkommenheit und Freiheit führt. (473-74)
16.21
Dreifach sind die Tore zur Hölle, die Zerstörer der Seele – Begehren, Zorn und Habgier: Darum soll sich der Mensch von ihnen lossagen.
16.22
Frei geworden von diesen Toren der Finsternis, O Sohn der Kunti, begibt sich der Mensch auf den Weg zu seinem eigenen höheren Wohl und gelangt zum höchsten Zustand der Seele.
16.23
Wer die Gebote des Shastra verworfen hat und den Verführungen des Begehrens folgt, erlangt nicht Vollkommenheit, nicht Glück, nicht den höchsten Zustand der Seele.
16.24
Darum lass das Shastra deine Autorität sein, die darüber entscheidet, was getan und was nicht getan werden soll! Im Wissen um das, was durch die Gebote des Shastra verkündet worden ist, solltest du in dieser Welt dein Werk verrichten.
Dass wir dem Gesetz des Begehrens folgen, gehört nicht zur wahren Ordnung unseres Wesens. Es gibt einen höheren und gerechteren Maßstab für sein Wirken. Wo ist dieser aber verkörpert? Wo ist er zu finden? Erstens hat es in der menschlichen Rasse immer ein Suchen nach diesem gerechten und hohen Gesetz gegeben. Alles, was da entdeckt wurde, ist in ihrem Shastra verkörpert: in ihren Normen für die Wissenschaft und den Richtlinien für das Wissen, ihren Gesetzen der Ethik, ihren Geboten der Religion, ihren Normen des besten gesellschaftlichen Lebens und ihren Vorschriften für die rechte Beziehung zwischen Mensch, Gott und Natur. Shastra bedeutet aber nicht eine Masse von Gewohnheiten, deren einige gut, andere schlecht sind und die ohne Intelligenz vom herkömmlichen Routine-Mental des tamasischen Menschen befolgt werden. Shastra ist vielmehr das Wissen und die Lehre, die verfasst sind aufgrund der Intuition, Erfahrung und Weisheit, der Wissenschaft, Kunst und Sittlichkeit des Lebens, die besten für die Menschenart erreichbaren Maßstäbe. Der halb-erwachte Mensch, der die Beachtung der Normen des Shastra verlässt, um der Führung durch seine Instinkte und sein Begehren zu folgen, kann daraus zwar einen Lustgewinn haben, aber er wird dadurch nicht glücklich. Denn das innere Glück kann nur durch das rechte Leben kommen. Er kann nicht zur Vollkommenheit fortschreiten, er kann den höchsten spirituellen Zustand nicht erlangen. Das Gesetz von Instinkt und Begehren scheint in der Tierwelt an erster Stelle zu stehen. Die Menschlichkeit des Menschen wächst durch Trachten nach Wahrheit, Religion, Erkenntnis und einem rechten Leben. Das Shastra, das anerkannte Recht, das der Mensch aufgerichtet hat, um seine niederen Seiten durch seine Vernunft und seinen vernunftbegabten Willen zu regieren, muss darum zuerst beobachtet und zur Autorität gemacht werden: für Verhalten und Wirken, für das, was getan, und das, was nicht getan werden soll, bis die instinktive Begehrens-Natur erzogen und gemäßigt ist, bis sie durch die Gewohnheit der Selbstbeherrschung niedergehalten wird, bis der Mensch geeignet ist, zuerst zur freieren vernünftigen Selbst-Lenkung, dann für das höchste erhabene Gesetz und die größte Freiheit der spirituellen Art.
Denn das Shastra in seinem gewöhnlichen Aspekt ist nicht jenes spirituelle Gesetz, obwohl es auf seinem Höhepunkt, wenn es zu einer Wissenschaft und Kunst spirituellen Lebens geworden ist, Adhyatma-Shastra – die Gita beschreibt selber ihre Lehre als das höchste und geheimste Shastra –, eine Regel formuliert, der gemäß sich die sattwische Art selbst transzendiert und jene Disziplin entfaltet, die zur spirituellen Umwandlung führt. Dennoch ist alles Shastra auf eine Anzahl vorbereitender Voraussetzungen, auf Dharmas, aufgebaut. Es ist ein Mittel, aber nicht der Endzweck. Das höchste Ziel ist die Freiheit des Geistes, wenn die Seele alle Dharmas aufgegeben hat und sich Gott zuwendet als dem einzigen Gesetz ihres Handelns, wenn sie dann unmittelbar aus dem göttlichen Willen wirkt und in der Freiheit der göttlichen Art lebt, nicht mehr im Gesetz, sondern im Geist. Dies ist die Entwicklung der Lehre, die durch die folgende Frage Arjunas vorbereitet wird. (475-76)

1 Die Unterscheidung zwischen den beiden Schöpfungen hat ihre volle Wahrheit auf den supraphysischen Ebenen, wo das Gesetz der spirituellen Evolution den Gang der Dinge nicht beherrscht. Dort gibt es Welten der Devas und Welten der Asuras. In diesen Welten unseres Hintergrunds gibt es ständig Arten von Wesen, die das gesamte Spiel der Schöpfung unterstützen. Sie sind unentbehrlich für den Gang des Universums und beeinflussen auch die Erde, das Leben und die Art des Menschen auf dieser physischen Seins-Ebene.
17. Kapitel
Gunas, Glaube und Werke
Die Gita hat unterschieden zwischen einer Handlung aus der Ungehemmtheit des persönlichen Begehrens und einer Handlung, die man im Einklang mit dem Shastra tut. Unter dem letzteren müssen wir die anerkannte Wissenschaft und Kunst des Lebens verstehen, die das Ergebnis des kollektiven Zusammenlebens der Menschheit ist, ihre Kultur, Religion und Wissenschaft, ihre fortschreitende Entdeckung der besten Lebensordnung. Aber die Menschheit geht ihren Weg immer noch in der Unwissenheit und schreitet im Zwielicht dem Wissen entgegen. Das Wissen aus persönlichem Begehren gehört dem nicht erneuerten Zustand unserer Natur an und wird von der Unwissenheit oder falschen Erkenntnis und von einem ungeordneten oder schlecht geordneten rajasischen Egoismus diktiert. Die durch das Shastra überwachte Handlung ist Ergebnis der intellektuellen, ethischen, ästhetischen, sozialen und religiösen Kultur. Sie bildet den Versuch eines gewissen angemessenen Lebens, einer bestimmten Harmonie und rechten Ordnung. Offenbar ist es ein Bemühen des sattwischen Elements im Menschen, das je nach den Umständen genügend fortgeschritten ist, um seinen rajasischen oder tamasischen Egoismus zu überwinden, zu regulieren, zu kontrollieren oder dorthin zu lenken, wo er noch zugelassen werden muss. Es ist ein Mittel zu einem Schritt nach vorn. Darum muss die Menschheit zuerst durch das Shastra hindurchgehen und eher dieses zum Gesetz ihres Wirkens machen, als dem Antrieb ihrer persönlichen Wünsche zu gehorchen. Dies ist ein allgemeines Gesetz, das die Menschheit immer dann anerkannt hat, wenn sie zu einer Art geordneter und entwickelter Gesellschaft gekommen war. Sie hat eine Vorstellung von einer Ordnung, einem Gesetz, einem Maßstab für ihre Vollkommenheit. Das ist etwas ganz anderes als die Leitung durch ihre Begierden oder die primitive Lenkung durch rohe Antriebskräfte. Diese höhere Regel findet der Einzelne gewöhnlich außerhalb seiner selbst in einem mehr oder minder festgelegten Ergebnis der Erfahrung und Weisheit des Menschengeschlechtes, das er annimmt, dem sein Mental und die maßgebenden Seiten seines Wesens ihre Zustimmung oder Sanktion erteilen und das er sich nun dadurch zu eigen zu machen sucht, dass er es in seinem Mental, Wollen und Handeln lebt. Die Zustimmung seines Wesens, seine bewusste Annahme und sein Wille, zu vertrauen und zu verwirklichen, kann man mit dem Namen benennen, den die Gita ihm gibt: seinen Glauben, śraddhā. Die Religion, die Philosophie, das ethische Gesetz, die soziale und kulturelle Idee, in die ich mein volles Vertrauen setze, geben mir ein Gesetz für meine Natur und ihr Wirken, eine Idee von relativem Recht oder eine Idee von relativer oder absoluter Vollkommenheit. Und in dem Verhältnis, in dem ich aufrichtig und vollständig an dieses Gesetz glaube und den starken Willen habe, im Einklang mit diesem Glauben zu leben, kann ich zu dem werden, was es mir vor Augen stellt. Ich kann mich zu einer Verkörperung dieses Rechts und einem Beispiel dieser Vollkommenheit entwickeln.
Wir sehen aber auch, dass es eine freiere Tendenz im Menschen gibt, die etwas anderes ist als die Herrschaft seiner Begierden, etwas anderes als sein Wille, das Gesetz, die festgeformte Idee, die sicher lenkende Regel des Shastra anzunehmen. Beim Einzelnen finden wir häufig genug, in manchen Augenblicken ihres Daseins auch bei der Gemeinschaft, Abwendung vom Shastra. Man hat keine Geduld mehr mit ihm, man verliert jene Form des Willens und Glaubens, macht sich auf die Suche nach einem anderen Gesetz, das man jetzt mehr geneigt ist, als für das Leben geeignete Regel anzunehmen und als vitalere und höhere Wahrheit des Seins anzusehen. Das kann geschehen, wenn das geltende Shastra aufhört, lebendig zu sein, wenn es degeneriert oder in einer Unzahl von Gewohnheiten und Konventionen erstarrt. Das kann auch deshalb eintreten, weil man das Shastra als etwas Unvollkommenes oder als etwas für den erforderlichen Fortschritt nicht länger Brauchbares empfindet. Eine neue Wahrheit, ein vollkommeneres Lebensgesetz ist zwingend nötig geworden. Existiert es nicht, muss es durch das Bemühen des Volkes oder durch das Mental eines reinen, großen, erleuchteten Einzelnen entdeckt werden, der die Sehnsucht und das Suchen des Menschen verkörpert. Wird das Gesetz des Veda zur bloßen Konvention, erscheint der Buddha mit seiner neuen Lebensregel des achtfachen Pfades und dem Ziel des Nirvana. Und es ist bemerkenswert, dass er dies neue Lebensgesetz nicht als eine persönliche Erfindung vorträgt, sondern als die wahre Ordnung arischen Lebens, die ständig von dem Buddha, dem erleuchteten Mental, dem erwachten Geist entdeckt wird. Das bedeutet aber praktisch, dass es ein Ideal, ein ewiges Dharma gibt, das Religion, Ethik, Philosophie und die anderen Mächte im Menschen, die nach Wahrheit und Vollkommenheit streben, ja immer neuen Offenbarungen der Wissenschaft und der Kunst des inneren und äußeren Lebens, in einem neuen Shastra zu verkörpern bemüht sind. Man hat dem mosaischen Gesetz der religiösen, ethischen und sozialen Gerechtigkeit Enge und Unvollkommenheit vorgeworfen; und heute ist es zumeist eine Konvention. So tritt das Gesetz des Christus an seine Stelle. Er erhebt den Anspruch, zugleich die unvollkommene Form zu ersetzen und das Gesetz in einem tieferen und umfassenderen Licht und in der Macht des Geistes der Sache zu erfüllen, nach der es strebt: in der göttlichen Lebensordnung. Und das Suchen kommt hier nicht zu Ende. Es lässt vielmehr auch diese Formulierungen hinter sich und kehrt zu einer vergangenen Wahrheit zurück, die es verworfen hatte. Oder es bricht durch nach vorne zu einer neuen Wahrheit und Macht. Stets aber ist die Menschheit auf der Suche nach derselben Sache: nach dem Gesetz ihrer Vervollkommnung, nach der Ordnung eines angemessenen Lebens, nach ihrem vollendeten, höchsten und wesenhaften Selbst und der entsprechenden Art.
Diese Bewegung beginnt mit dem Einzelnen, der mit dem Gesetz nicht mehr zufrieden ist, da er findet, es entspreche nicht mehr seiner Idee und der umfassendsten oder stärksten Erfahrung seines Selbsts und Seins. Darum könne er ihm auch nicht mehr den Willen entgegenbringen, es für richtig zu halten und zu praktizieren. Es entspricht nicht mehr seiner inneren Seinsweise. Es ist für ihn nicht mehr sat, die Wahrheit, das angemessene höchste, beste, wirkliche Gute. Es ist nicht die Wahrheit und das Gesetz seines oder aller Wesen. Das Shastra ist für den Einzelnen etwas Apersonales, was Autorität gegenüber dem engen persönlichen Gesetz seiner Wesensseiten bedeutet. Gleichzeitig ist es persönlich gegenüber dem Kollektiv, ist es das Ergebnis seiner Erfahrung, seiner Kultur oder seiner Art. Es ist in seiner ganzen Form und seinem Geist nicht die ideale Richtschnur zur Erfüllung des Selbstes oder des ewigen Gesetzes des Herrn unseres Wesens, wenn es auch in größerem oder geringerem Umfang Andeutungen, Vorbereitungen, erleuchtende Einblicke in die weit größere Sache in sich enthalten mag. Und der Einzelne mag über das Kollektiv hinausgegangen und bereit sein für eine größere Wahrheit, einen höheren Lebensweg, eine tiefere Absicht des Lebens-Geistes. Was ihn dahin führt, dass er vom Shastra abweicht, muss nicht immer eine Regung höherer Art sein. Es kann die Form einer Revolte der egoistischen oder rajasischen Natur annehmen, die nach Freiheit vom Joch einer Sache sucht, die dem Gefühl des Revoltierenden nach seine Freiheit der Selbst-Findung und Selbst-Erfüllung einengt. Aber auch dann ist die Auflehnung oft durch eine Enge oder Unvollkommenheit des Shastra gerechtfertigt oder dadurch, dass der Strom der geläufigen Lebensordnung in eine nur einschränkende oder starre Konvention entartet ist. Und insofern ist diese neue Bewegung legitim. Sie appelliert an eine Wahrheit. Sie hat einen guten und gerechten Existenzgrund. Und selbst wenn sie den rechten Weg verfehlt, ist sie doch die freie Aktion des rajasischen Ego. Denn sie besitzt in sich mehr an Freiheit und Leben, und es ist darum besser, ihr zu folgen als der toten und engherzigen Konvention des Tamas. Was aus Rajas hervorgeht, ist stets stärker, von mehr Kraft inspiriert. Es enthält in sich mehr Möglichkeiten als die tamasische Natur. Aber die Lenkung dieser Bewegung kann in ihrem Kern auch aus Sattwa kommen. Sie kann eine Wendung zu einem umfassenderen und größeren Ideal sein, das uns einer vollständigen und umfassenden Wahrheit unseres Selbsts und des universalen Seins näher bringt, als man das bisher sah, und darum auch näher jenem höchsten Gesetz, das eins ist mit der göttlichen Freiheit. Und tatsächlich ist diese Bewegung gewöhnlich ein Versuch, eine vergessene Wahrheit wieder hervorzuholen oder vorwärtszugehen zu einer noch nicht entdeckten oder noch nicht gelebten Wahrheit unseres Wesens. Das ist nicht nur eine willkürliche Bewegung unserer ungeordneten Natur. Es hat seine spirituelle Rechtfertigung und ist für unseren spirituellen Fortschritt notwendig. Und selbst wenn das Shastra noch lebendig und die beste Regel für den Durchschnittsmenschen ist, so ist doch der Ausnahmemensch, der spirituelle, innerlich entwickelte Mensch, durch diesen Maßstab nicht gebunden. Er ist aufgerufen, weiterzugehen über die festgelegte Linie des Shastra hinaus. Denn dieses enthält die Richtlinien für die Führung, Kontrolle und relative Vervollkommnung des gewöhnlichen, unvollkommenen Menschen. Er aber muss zu einer absoluten Vollkommenheit vorstoßen. Jenes ist ein System von feststehenden Dharmas. Er aber muss lernen, in der Freiheit des Geistes zu leben.
Welches soll aber dann die gesicherte Grundlage für ein Wirken sein, das sich ebenso von der Lenkung durch das Begehren wie von dem gewöhnlichen Gesetz befreit? Denn die Lenkung durch das Begehren besitzt eine Autorität eigener Art. Sie ist für uns nicht mehr so sicher und befriedigend, wie sie es für das Tier ist oder wie sie es für die Menschheit auf ihrer primitiven Stufe gewesen sein mag. Sie ist aber doch noch, soweit das ausreicht, auf einen sehr lebendigen Teil unseres Wesens gegründet und wird durch dessen strenge Weisungen gesichert. Das Gesetz, das Shastra, hat die ganze Autorität seit langem feststehender Regeln für sich, alte erfolgreiche Sanktionen und eine gesicherte Erfahrung der Vergangenheit. Die neue Bewegung jedoch hat den Charakter eines machtvollen Abenteuers, eines Vorstoßes ins Unbekannte oder nur teilweise Bekannte, einer gewagten Entwicklung und einer neuen Eroberung. Was ist hier der Wegweiser, dem wir folgen sollen, jenes richtungweisende Licht, auf das wir uns verlassen können, jene starke Basis dieser Bewegung in unserem Wesen? Die Antwort heißt: Wegweisung und Hilfe müssen wir in śraddhā, im Glauben des Menschen, finden, in seinem Willen, jenem zu vertrauen und es zu leben, von dem er sieht oder denkt: Dies ist die Wahrheit meiner selbst und die Wahrheit des Seins. Mit anderen Worten, diese Bewegung ist der Ruf des Menschen an sein Selbst oder an etwas Machtvolles und Zwingendes in seinem Selbst oder im universalen Sein, um mit dessen Hilfe seine eigene Wahrheit, sein Lebensgesetz, seinen Weg zur Fülle und zur Vollkommenheit zu entdecken. Alles hängt dabei von der Art und Weise seines Glaubens ab, von jener Sache in ihm selbst oder in der universalen Seele – deren Wesensteil oder Manifestation er ist –, auf die er den Glauben richtet, und davon, wie nahe er dadurch zu seinem wirklichen Selbst und zum Selbst oder wahren Wesen des Universums kommt. Wenn der Mensch von der Art des Tamas ist, unklar, getrübt, wenn er einen unkundigen Glauben und untauglichen Willen hat, wird er nichts Wahres erreichen und in seine niedere Art zurückfallen. Wird er durch Irrlichter des Rajas verführt, kann er durch seinen Eigenwillen auf Nebenwege getrieben werden, die ihn in einen Sumpf oder Abgrund locken. In beiden Fällen liegt seine einzige Hoffnung auf Rettung darin, dass das Sattwa zu ihm zurückkehrt und dass dieses seinen Wesensseiten eine neue erleuchtete Ordnung und Regel auferlegt, die ihn vom gewalttätigen Irrtum seines Eigenwillens oder dem törichten Irrtum seiner Unwissenheit befreien werden. Wenn er andererseits von der Art des Sattwa ist, einen entsprechenden Glauben hat und seine Schritte dadurch gelenkt werden, wird er zur Schau einer höheren, noch unerreichten idealen Lebensordnung kommen, die ihn in seltenen Augenblicken noch über das sattwische Licht hinaus zumindest ein Stück weit zur höchsten göttlichen Erleuchtung und göttlichen Art führen mag, das zu sein und zu leben. Denn wenn das sattwische Licht in ihm so stark ist, dass es ihn zu seinem eigenen Gipfelpunkt bringt, wird er auch von diesem Punkt aus weiter vordringen und das Eingangstor in einem ersten Lichtkreis dessen entdecken, was das Göttliche, das Transzendente, das Absolute ist. In allem Bemühen, sein Selbst zu finden, gibt es diese Möglichkeiten. Sie gehören zu den Bedingungen dieses spirituellen Abenteuers.
Nun müssen wir sehen, wie die Gita diese Frage gemäß ihrer eigenen spirituellen Lehre und Selbst-Disziplin behandelt. Denn Arjuna stellt sofort eine suggestive Frage, aus der sich dieses Problem oder einer seiner Aspekte für uns erhebt. (477-81)
17.1
Arjuna sprach:
Wenn die Menschen, von Glauben erfüllt, Gott oder den Göttern opfern, aber das Gesetz des Shastra aufgegeben haben, von welcher Art ist jener konzentrierte Wille verehrungsvoller Hingabe in ihnen, niṣṭhā, der ihnen diesen Glauben gibt und sie zu dieser Art des Handelns bewegt, O Krishna? Ist er aus Sattwa, Rajas oder Tamas?
17.2
Der Erhabene sprach:
Der Glaube in den verkörperten Wesen ist wie alle Dinge in der Natur von dreifacher Art und unterschiedlich gemäß der in ihrer Natur vorherrschenden Eigenschaft: Sattwa, Rajas oder Tamas. Höre nun von diesen!
17.3
Der Glaube eines jeden Menschen, O Bharata, nimmt die Prägung an, die ihm durch den Stoff seines Wesens (das ihn ausmachende Temperament) gegeben wird. Dieser Purusha, diese Seele im Menschen, ist gleichsam aus Shraddha gebildet: aus einem Glauben, einem Willen zum Dasein, einem Vertrauen auf das eigene Selbst und auf das Sein. Und was auch immer in ihm dieser Wille, dieses Vertrauen oder dieser grundlegende Glaube ist, er ist jenes, und jenes ist er.
Wenn wir uns diesen gewichtigen Ausspruch etwas näher anschauen, finden wir, dass diese einzige Zeile in ihren wenigen kraftvollen Worten fast die ganze Theorie der modernen Lehre des Pragmatismus in ihren Andeutungen enthält. Denn wenn ein Mensch oder die Seele in einem Menschen aus dem Glauben besteht, der in ihm ist, in diesem tieferen Sinne genommen, so folgt daraus, dass die Wahrheit, die er sieht und zu leben bemüht ist, für ihn die Wahrheit seines Wesens, die Wahrheit seiner selbst ist, die er geschaffen hat oder die er erschafft; und es kann für ihn keine andere wirkliche Wahrheit geben. Diese Wahrheit ist eine Sache seines inneren und äußeren Wirkens, eine Sache seines Werdens, der Dynamik seiner Seele; doch ist das nicht eine Sache dessen in ihm, was sich niemals verändert. Er ist das, was er heute ist, durch einen Willen seines Wesens in der Vergangenheit, der in seiner Intelligenz und Vitalkraft durch den gegenwärtigen Willen, zu erkennen, Vertrauen zu haben und zu sein, gefördert und fortgesetzt wird. Und er wird geneigt sein, in der Zukunft das zu werden, was dieser in seiner eigentlichen Substanz aktiv gewordenen neuen Richtung seines Willens und Glaubens entspricht. Wir erschaffen die Wahrheit unseres Seins in unserem eigenen Handeln von Mental und Leben. Das ist eine andere Ausdrucksweise für den Satz: Wir erschaffen unser eigenes Selbst; wir sind unsere eigenen Schöpfer. Ganz offensichtlich ist das aber nur der eine Aspekt der Wahrheit. (482)
17.4
Die sattwischen Menschen bringen ihre Opfer den Göttern dar, die rajasischen den Yakshas (Hütern des Reichtums) und den Kräften der Rakshasas. Die Übrigen, die tamasischen Menschen verehren mit ihrem Opfer die elementaren Mächte und niederen Geister.
Der tamasische Mensch bringt sein Opfer nicht den Göttern dar, sondern den niederen elementaren Mächten oder jenen gröberen Geistern hinter dem Vorhang, die sich von seinen Werken nähren und sein Leben durch ihre Finsternis beherrschen. Der rajasische Mensch opfert den niederen Gottheiten oder den verkehrten Mächten: den Yakshas, den Hütern des Reichtums, oder den Kräften der Asuras und Rakshasas. Das sattwische Opfer wird als Opfer oder Dienst den Göttern, irgendeiner partiellen Macht oder einem Aspekt Gottes dargebracht, der in uns oder im Weltall geoffenbart worden ist. (486-87)
17.5-6
Die Menschen, die im Gegensatz zum Shastra, voll Anmaßung und Egoismus, gewaltsame Kasteiungen vornehmen, die unter dem Zwang ihrer Begierden und Leidenschaften stehen, deren Verstand noch so unreif ist, dass sie den Organismus der Elemente, die ihren Körper bilden, quälen, und die auch Mich beunruhigen, der Ich im Körper wohne, von diesen Menschen wisse, dass sie in ihren Entschlüssen asurisch sind.
Wenn auch dabei das Streben nach einem mehr innerlichen und edleren Ziel zur Schau gestellt wird und der Glaube und Wille von höherer Art sind, ist das alles doch unweise, asurische Tapasya von der Art des Rajas oder Rajo-Tamas, wenn sich in diese Askese irgendetwas von Arroganz, Hochmut oder eine große Kraft von gewalttätigem Ego-Willen oder Begehren einmischt, wenn die Askese eine kriminelle, gesetzlose oder schreckliche Handlung antreibt, die dem Shastra entgegengesetzt ist, wenn sie der rechten Ordnung des Lebens und Wirkens widerspricht und sich selbst oder anderen Schaden zufügt; wenn sie ihrer Natur nach eine Selbst-Quälerei ist und die mentalen, vitalen und physischen Elemente verletzt oder wenn sie dem Gott in uns Gewalt antut, der in unserem inneren subtilen Körper seinen Sitz hat. (489)
17.7
Auch die Nahrung, die einer gern hat, ist von dreifachem Charakter, ebenso wie sein Opfer, seine Askese, seine Gaben. Höre dies über ihren Unterschied!
In unserer Welt hier nimmt alles, einschließlich der physischen Dinge, an diesem dreifachen Charakter teil. Die Gita sagt uns, dass zum Beispiel auch unsere Nahrung von der Art des Sattwa, Rajas und Tamas ist, je nach ihrer Art und Wirkung auf den Körper. (485)
Opfer, Askese, Gaben: Man kann alles dynamische Handeln in seinen wesentlichen Seiten auf diese drei Elemente zurückführen. Denn alles dynamische Handeln, alle Kraft-Bewegungen der Natur schließen freiwillige oder unfreiwillige Tapasya oder Askese ein, einen Energismus und eine Konzentration unserer Kräfte oder Fähigkeiten oder einer Eigenschaft, die uns dazu hilft, etwas zu erreichen, zu erwerben oder zu werden, tapas. Jedes Handeln führt zu einem Hergeben von etwas, das wir sind oder haben, zu einem Aufgeben, das der Preis für das ist, was wir auf diese Weise erlangen, erwerben oder werden, dāna. Alles Handeln enthält auch ein Opfer an die elementaren oder universalen Mächte oder an den höchsten Herrn unseres Wirkens. Die Frage ist: Tun wir diese Dinge unbewusst, passiv oder bestenfalls mit einem uneinsichtigen, unwissenden, halb-bewussten Willen? Tun wir sie mit einem unweisen Krafteinsatz oder auf verkehrte Art? Oder handeln wir weise, mit bewusstem Willen, der im Wissen verwurzelt ist? Mit anderen Worten: Sind unsere Opfer, Gaben und unsere Askese ihrer Natur nach von der Art des Tamas, Rajas oder Sattwa? (484-85)
17.8
Das sattwische Temperament im mentalen und physischen Körper wendet sich seiner Natur gemäß den Dingen zu, die das Leben, die innere und äußere Stärke vermehren und sowohl die mentale, vitale und physische Kraft nähren, wie sie auch die Freuden, die Befriedigung und das Wohlbefinden von Mental, Leben und Körper erhöhen, also allem was kraftvoll und mild, stärkend und hungerstillend ist.
17.9
Das rajasische Temperament bevorzugt seiner Natur gemäß eine Nahrung, die stark säuernd, scharf, heiß, beißend, roh, zu schwer und brennend ist, Speisen, die sich als gesundheitsschädigend und im Unwohlsein von Mental und Körper auswirken.
17.10
Das tamasische Temperament findet ein perverses Vergnügen an kalter, unreiner, verdorbener, fauler oder geschmackloser Nahrung oder akzeptiert sogar wie die Tiere halb aufgegessene Überreste von anderen.
17.11
Sattwisch ist das Opfer, das von Menschen dargebracht wird ohne Begehren der persönlichen Frucht und das nach den richtigen Prinzipien vollzogen wird und mit einem Mental, das darauf konzentriert ist, dass jede Tat, die getan wird, als Opfer getan wird.
Dies sattwische Opfer kommt also dem Ideal sehr nahe und führt unmittelbar zu dem von der Gita geforderten Handeln. Es ist aber noch nicht das letzte und höchste Ideal. Es ist noch nicht das Handeln jenes vervollkommneten Menschen, der in der göttlichen Art lebt. Denn es wird noch als festgelegtes Dharma ausgeführt. Und es wird als Opfer oder Dienst den Göttern, irgendeiner partiellen Macht oder einem Aspekt Gottes dargebracht, der in uns oder im Weltall geoffenbart worden ist. Ein Werk, das aus einem von egoistischen Interessen freien religiösen Glauben oder selbstlos für die Menschheit dargebracht wird oder apersonal aus Hingabe an das Rechte oder an die Wahrheit getan wird, ist von dieser Art. Und ein Wirken dieser Art ist notwendig für unsere Vervollkommnung, denn es läutert unser Denken, unseren Willen und unser natürliches Wesen. Die höchste Entfaltung des sattwischen Handelns, zu der wir gelangen müssen, ist noch viel umfassender und freier. Es ist das höchste, letzte Opfer, das von uns dem erhabenen Göttlichen in seinem integralen Wesen dargebracht wird, mit einem Suchen nach dem Purushottama oder mit der Schau des Vasudeva in allem, was ist. Es ist das Wirken, das apersonal und universal, für das Wohl der Welt, für die Erfüllung des göttlichen Willens im Weltall, hingegeben wird. Dies höchste Opfer führt dazu, dass es sich transzendiert, zum unsterblichen Dharma. Denn dann kommt eine Freiheit, in der es überhaupt kein persönliches Wirken mehr gibt, keine sattwische Regeln eines Dharma, keine Begrenzung durch ein Shastra. Dann sind wir über die niedere Vernunft und ihren Willen an sich hinausgekommen. Nicht mehr sind sie es, sondern es ist eine höhere Weisheit, die das Wirken diktiert und sein Ziel bestimmt. Die Frage nach einem persönlichen Ergebnis kommt nicht mehr auf. Denn der Wille, der wirklich wirkt, ist nicht mehr unser Wille, sondern ein höchster Wille, dessen Werkzeug die Seele ist. Hier gibt es keine Rücksichtnahme auf das eigene Ego, aber auch keine Selbstlosigkeit mehr. Denn der Jiva, der ewige Wesensteil des Göttlichen, ist mit dem höchsten Selbst seines Seins geeint. Er und alle sind eines in jenem Selbst und Geist. Es gibt kein persönliches Wirken mehr. Denn alles Wirken ist hingegeben an den Herrn unseres Wirkens. Er ist es, der das Werk durch die vergöttlichte Prakriti ausführt. Es gibt kein Opfer mehr –, es sei denn wir sagen: Der Herr des Opferns bringt die Werke seiner Kraft im Jiva sich selbst in seiner kosmischen Gestalt dar. Das ist das höchste Emporkommen über das eigene Ego hinaus in einen Zustand, der durch das Wirken, das ein Opfern ist, erreicht wird. Dies ist die Vervollkommnung der Seele, die in der göttlichen Natur zu ihrem vollen Bewusstsein gekommen ist. (487-88)
17.12
Von rajasischer Natur sollst du, O Bester der Bharatas, dasjenige Opfer ansehen, das um des persönlichen Lohnes und auch um der Prahlerei willen dargebracht wurde.
17.13
Als tamasisch gilt ein Opfer, wenn es nicht im Einklang mit der rechten Ordnung des Shastra vollzogen wurde, wenn keine Nahrung dargebracht, kein Mantra verwendet und keine Gabe geopfert wurde und es leer ist an Glauben.
Beim Opfer wird keine Nahrung dargebracht –, dieser Akt im indischen Ritual ist symbolisch für die Elemente einer hilfreichen Gabe, die innerlich zu jeder Handlung gehört, die ein wahres Opfer ist: das unentbehrliche Geben an andere, die nutzbringende Hilfe für andere, für die Welt, ohne die wir bei unserem Handeln nur unsere eigenen Interessen im Auge haben. So kommt es zu einer Verletzung des wahren, universalen Gesetzes der Solidarität und des Austausches. Das Werk wird ohne Dakshina geleistet, ohne das notwendige Geben oder Sich-Hingeben an die Leiter der Opferhandlung, sei es an den äußeren Lenker und Helfer unseres Wirkens, sei es an die verhüllte oder geoffenbarte Gottheit in unserem Inneren. Oder es wird ohne das Mantra geleistet, ohne den hingebenden Gedanken, der der heilige Körper unseres Willens und Wissens ist, der zu den Gottheiten emporgehoben wird, denen wir durch unser Opfer dienen. (486)
Die Gita beschreibt nun drei Arten von Askese nach der Art des Sattwa. (489)
17.14
Die Verehrung, die man der Gottheit darbringt, dem Zweifach-Geborenen, dem spirituellen Führer, dem Weisen; ferner Sauberkeit, Aufrichtigkeit im Umgang, sexuelle Reinheit, das Vermeiden des Tötens und des Verletzens anderer, all das wird als die Askese des Körpers bezeichnet.
17.15
Wenn die Rede anderen keine Angst einflößt, keinen Kummer und keine Unannehmlichkeiten bereitet, wahrhaftig, freundlich und wohltuend ist und die Schriften studiert werden dann spricht man von der Askese der Rede.
17.16
Eine klare und ruhige Heiterkeit des Gemüts, Freundlichkeit, Schweigsamkeit, Selbstbeherrschung, Läuterung des gesamten Temperaments –, all das wird als Askese des Mentals bezeichnet.
17.17
Sattwisch nennt man diese dreifache Askese, wenn sie im höchsten erleuchteten Glauben, ohne Verlangen nach Belohnung und harmonisch ausgeübt wird.
Hierzu gehört alles, was die Art von Rajas oder Egoismus beruhigt und diszipliniert. Ferner alles, was diese durch ein frohes und ruhiges Prinzip des Guten und Tugendhaften ersetzt. Das ist die Askese des sattwischen Dharma, die im System der alten indischen Kultur so hoch eingeschätzt wurde. Ihre höhere Verwirklichung wird eine umfassendere Reinheit von Vernunft und Willen sein, eine gleichmütige Seele, tiefer Friede und Ruhe, ein weitherziges Mitfühlen und eine Vorbereitung auf das Einssein, ein Widerschein göttlicher Wonne der inneren Seele in Mental, Leben und Körper. Hier, an diesem höchsten Punkt, geht das Ethische bereits über in die spirituelle Art und Eigenschaft. Und auf diesem Höhepunkt kann es auch zum Transzendieren kommen. Die Seele kann weiter emporkommen in ein freieres, höheres Licht. Sie kann übergehen in die gefestigte göttliche Kraft der höchsten Art. Was dann übrig bleibt, wird des Geistes unbeflecktes Tapas sein: ein höchster Wille; strahlende Kraft in allen Gliedern, die in einer weiten und soliden Ruhe und in einer tiefen und reinen spirituellen Seligkeit, Ananda, wirkt. Hier wird dann die Askese, Tapasya, nicht weiter nötig sein, da alles in natürlicher und leichter Weise göttlich ist: Alles ist jenes Tapas. Dort wird es kein besonderes Wirken des niederen Kräftepotentials geben, da die Energie der Prakriti ihre wahre Quelle und Grundlage im transzendenten Willen des Purushottama gefunden hat. Dann werden sich wegen dieser hohen Einleitung die Akte dieser Energie auf den niederen Ebenen genauso natürlich und spontan aus dem ihnen eingeborenen vollkommenen Willen und unter einer innerlich vollkommenen Führung vollziehen. Hier wird es keine Begrenzung durch eines der gegenwärtigen Dharmas geben. Denn es wird ein freies Wirken sein, das weit über der Art von Rajas und Tamas liegt, aber auch ebenso weit jenseits der allzu sorgfältigen und engen Begrenztheiten der sattwischen Regeln des Wirkens.
So wie Tapasya ist auch alles Geben vom Charakter eines unwissenden Tamas, eines großtuerischen Rajas oder eines uneigennützigen und erleuchteten Sattwa. (489-90)
17.18
Rajasisch heißt die Askese, die unbeständig und flüchtig ist und unternommen wird, um Ehre und Verehrung von den Menschen zu ernten, um des äußeren Ruhmes und der eigenen Größe und Prahlerei willen.
17.19
Als tamasisch wird die Askese bezeichnet, wenn ihr eine nebelhafte oder illusionäre Idee zugrunde liegt, wenn sie unter Anstrengungen und selbstauferlegten Leiden durchgeführt wird oder sonst mit einer besonderen Kraftanstrengung in der Absicht, anderen Schaden zuzufügen.
17.20
Geben geschieht nach sattwischer Art, wo man es um des Gebens und Wohltuns willen tut und den beschenkt, der die Wohltat nicht erwidert und die Gabe unter den rechten Umständen von Zeit und Ort und an den richtigen Empfänger austeilt (der würdig ist und für den die Gabe eine wirkliche Hilfe bedeuten kann).
Die höchste Steigerung der sattwischen Natur des dāna wird in dieses Wirken ein immer stärkeres Element von jener allumfassenden Selbst-Hingabe an andere, an die Welt und an Gott hineinbringen, ātma-dāna, ātma-samarpaṇa, das die hohe Weihe des Opfers der Werke ist, die von der Gita dringend nahegelegt wird. Geht dies Opfern in die göttliche Natur über, so wird es eine höchste Vollendung der Selbst-Darbringung sein, die sich auf die weiteste Erkenntnis unserer Existenz gründet. Dies ganze vielfältige Universum wird dadurch geboren und beständig in Gang gehalten, dass Gott sich selbst, seine Mächte und das verschwenderische Ausströmen seines Selbstes und Geistes in all diese Daseinsformen herschenkt. Der Veda sagt: Das universale Sein ist das Opfer des Purusha. Alles Wirken der vervollkommneten Seele wird gerade darin bestehen, dass sie sich selbst in solch ständiger göttlicher Hingabe ihrer selbst und ihrer Mächte verschenkt. Aus ihr strömen Wissen, Licht, Kraft und Liebe, Freude und die hilfreiche Shakti: alles, was sie in Gott besitzt. Und er strömt in sie ein und wieder aus ihr hervor auf alles in ihrer Umgebung, je nach deren Fähigkeit zu empfangen, oder auf diese ganze Welt und ihre Geschöpfe. Das vollendete Ergebnis von alledem wird sein, dass sich die Seele völlig an den Herrn unseres Seins hingibt. (491)
17.21
Geben ist von der Art des Rajas, wenn die Gabe unwillig gegeben wird oder unter Vergewaltigung seiner selbst oder mit persönlichem und egoistischem Zweck oder in der Hoffnung auf Rückerstattung in irgendeiner Form.
17.22
Geben ist von der Art des Tamas, wenn die Gabe ohne jede Erwägung der rechten Umstände von Zeit, Ort und Zweck, wenn sie ohne Rücksicht auf die Gefühle des Empfängers gegeben wird, so dass dieser sie verachtet, selbst wenn er sie annimmt.
17.23
Die Formel OM, Tat, Sat ist die dreifache Bestimmung des Brahman, durch den in alten Zeiten die Brahmanas, die Veden und die Opfer geschaffen wurden.
Tat, Jenes, weist auf das Absolute hin. Sat zeigt das Höchste, das universale Sein in seinem Prinzip an. OM ist das Symbol für den dreifachen Brahman: für den nach außen schauenden, für den inneren oder subtilen und den überbewussten, kausalen Purusha. Jeder Buchstabe von AUM weist auf eines von diesen in aufsteigender Ordnung hin, und die Silbe als Ganzes bringt den vierten Zustand, Turiya, zum Ausdruck, der sich zum Absoluten emporschwingt. (491)
17.24
Darum werden von den Kennern Brahmans die Opferhandlungen, das Geben und die Askese stets mit dem Aussprechen von OM eingeleitet, wie es in den Regeln niedergelegt ist.
OM ist die Silbe, die zu Beginn der heiligen Handlung ausgesprochen wird als ein segnendes Vorspiel, als eine Heiligung jeder Handlung des Opfers, über jedem Akt des Gebens und jedem Akt der Askese, eine Erinnerung daran, dass unser Wirken zu einem Ausdruck des dreifachen Göttlichen in unserem inneren Wesen gemacht und zu ihm in Idee und Motiv hingewandt sein soll. (491)
17.25
Mit dem Aussprechen von Tat und ohne Verlangen nach Lohn werden von den Suchern nach Befreiung die mannigfachen Handlungen des Opfers, der Askese und des Gebens vollzogen.
17.26
Sat bedeutet „gut“, und es bedeutet auch „Sein“. Darum, O Partha, wird dieses Wort auch verwendet im Sinne eines guten Werkes (denn alle guten Werke bereiten die Seele für die höhere Wirklichkeit unseres Seins zu).
17.27
Sat ist alle Beständigkeit im Opfern, Geben und in der Askese, und alle Werke, die unter diesem zentralen Gesichtspunkt getan werden als Opfer, Gabe und Askese, sind Sat (denn diese Handlungen bilden die Grundlage für die höchste Wahrheit unseres Geistes).
17.28
Was immer getan wird ohne Glauben, O Partha, sei es die Opfergabe, das Geben, die Askese oder sonst ein Werk, wird Asat genannt. Es hat hier und auch im Jenseits keinen Wert.
Und weil śraddhā das zentrale Prinzip unseres Seins ist, sind all diese Dinge etwas Unrichtiges, wenn sie ohne śraddhā getan werden, und haben dann keine wahre Bedeutung oder keine wahre Substanz auf Erden oder jenseits davon. Es ist dann keine Wirklichkeit da, keine Macht, fortzudauern oder zu erschaffen, weder hier in diesem Leben, noch nach dem sterblichen Leben in den höheren Regionen unseres bewussten Geistes. Der Glaube der Seele, nicht ein nur intellektuelles Fürwahrhalten, sondern der damit übereinstimmende Wille zu erkennen, zu sehen, als wahr zu begreifen und im Einklang mit der Schau und Erkenntnis des Glaubens zu handeln, das ist es, was durch seine Macht das Maß unserer Möglichkeiten zum Werden bestimmt. Dieser Glaube und dieser Wille, die in unserem ganzen inneren und äußeren Selbst, in unserer Natur und in unserem Handeln hingegeben werden an alles, was das Höchste, Göttlichste, Wirklichste und Ewige ist, sie werden uns dazu befähigen, die erhabene Vollkommenheit zu erlangen. (492)

18. Kapitel
Das höchste Geheimnis
Gunas, Mental und Werke
Noch hat die Gita nicht ihre Darlegung des Handelns vollendet im Licht der grundlegenden Idee der drei Gunas und ihrer Überschreitung durch die höchste sattwische Disziplin, die auf ihrem Höhepunkt sich selbst transzendiert. Hauptfaktor dabei ist der Glaube, śraddhā, der Wille, die Wahrheit, die wir erkannt haben, anzuerkennen, zu sein, zu wissen, zu leben und in die Tat umzusetzen. Er ist die unentbehrliche Kraft hinter einem das Selbst entwickelnden Handeln. Er ist vor allem die stärkste Macht hinter der Entfaltung der Seele durch ihr Wirken zu ihrer vollen spirituellen Art. Es gibt aber auch die mentalen Mächte, die Instrumente und Umstände, die miteinander dazu verhelfen, die Antriebskraft, Richtung und den Charakter der Aktivität zu bestimmen. Darum sind sie wichtig für ein volles Verstehen dieser psychologischen Disziplin. Die Gita gibt zuerst eine zusammenfassende psychologische Analyse dieser Dinge, bevor sie zu ihrem großen Finale weitergeht, zum Höhepunkt von allem, was sie lehrt, zum tiefsten Geheimnis: Wie wir durch den Geist über alle Dharmas hinauskommen und sie auf göttliche Weise transzendieren. Wir müssen den kurzen Beschreibungen der Gita, die summarisch und umfassend sind, gerade so weit folgen, dass wir ihre Hauptidee erfassen. Zwar sind dies zweitrangige Dinge, doch ist jede von ihnen an ihrem Platz und für ihren Zweck von großer Bedeutung. Ihre in die Art der Gunas geprägte Aktion müssen wir aus den kurzen Beschreibungen im Text herausarbeiten. Automatisch wird sich dann das Wesen der höchsten Entfaltung jeder von ihnen über die Gunas hinaus aus dem Charakter der allgemeinen Transzendenz ergeben. (495)
18.1
Arjuna sprach:
Ich möchte, O Starkarmiger, das Prinzip von Sannyasa kennenlernen, das Prinzip von Tyaga, O Hrishikesha, und den Unterschied zwischen beiden, O Keshinishudana.
Die Behandlung dieses Gegenstandes wird durch eine letzte Frage Arjunas nach dem Prinzip von Sannyasa und dem Prinzip von Tyaga eingeleitet. Die häufige Wiederholung und das immer neue Gewicht, das die Gita auf diesen entscheidenden Unterschied legt, ist sehr wohl gerechtfertigt durch die historische Entwicklung der Folgezeit im späteren indischen Denken und Verhalten, durch dessen ständige Verwechslung dieser beiden sehr verschiedenen Dinge und durch dessen starke Neigung, jede Art von Aktivität, wie sie von der Gita gelehrt wird, als höchstens etwas Vorläufiges herabzusetzen im Gegensatz zur höchsten Inaktivität, Sannyasa. Tatsächlich verstehen die Menschen, wenn sie von Tyaga, Entsagung, reden, bei diesem Wort immer den physischen Verzicht auf die Welt. Zumindest betonen sie diesen, während die Gita unbedingt die entgegengesetzte Auffassung vertritt: Das wahre Tyaga hat die Betätigung und das Wirken in der Welt als seine Grundlage. Es ist keine Flucht ins Kloster, in die Höhle oder auf den Berggipfel. Das wirkliche Tyaga ist das Handeln mit Verzicht auf das Begehren; und das ist auch das wahre Sannyasa. (493-94)
18.2
Der Erhabene sprach:
Die Weisen haben unter Sannyasa das Ablegen (oder Beiseitelegen) begehrenswerter Handlungen verstanden. Tyaga ist der Name, den die Weisen einem völligen Aufgeben der Bindung an die Frucht des Handelns gegeben haben.
Sannyasa bedeutet nach der gültigen Terminologie der Weisen das Ablegen oder Beiseitelassen von begehrenswerten Tätigkeiten. Tyaga – so unterscheidet die Gita – ist der Name, der von den Weisen dem mentalen und spirituellen Verzicht gegeben wird, der völlige Verzicht auf alles Gebundensein und Verlangen nach der Frucht unseres Wirkens, nach unserem Wirken selbst, der persönlichen Initiative oder dem rajasischen Impuls dazu. In diesem Sinn ist Tyaga der bessere Weg gegenüber Sannyasa. Nicht die begehrenswerten Handlungen sollen abgelegt werden, sondern das Begehren an sich, das ihnen diesen Charakter gibt, soll in uns ausgemerzt werden. Das Ergebnis, die Frucht unseres Wirkens, mag uns so zufallen, wie es der Gebieter des Wirkens verfügt. Es darf kein egoistisches Verlangen danach geben, als ob es eine Belohnung oder eine Vorbedingung für unser Wirken wäre. Selbst wenn die Frucht unseres Wirkens überhaupt nicht zustande kommen sollte, muss das Werk dennoch als die Sache durchgeführt werden, die getan werden muss, kartavyaṁ karma, als das, was der Gebieter in unserem Inneren von uns verlangt. Erfolg wie Fehlschlag liegen in seinen Händen, und er wird sie nach seinem allwissenden Willen und seinem unerforschlichen Ziel verordnen. Das Wirken, alles Wirken, muss in der Tat am Ende aufgegeben werden: aber nicht physisch durch den Verzicht auf das Wirken, durch ein Nichtbewegtsein zum Handeln, aus Trägheit. Sondern es soll spirituell in die Hand des Herrn unseres Wesens gelegt werden, durch dessen Macht allein Handeln zum Erfolg gebracht werden kann. Verzichtet werden muss auf die falsche Vorstellung, wir selbst seien die Täter. Denn in Wirklichkeit ist es die universale Shakti, die durch unsere Persönlichkeit und durch unser Ego wirkt. Nach der Lehre der Gita ist es wirkliches Sannyasa, wenn wir all unser Wirken spirituell dem Herrn und seiner Shakti überlassen. (494-95)
18.3
„Von jeglichem Handeln sollte man Abstand nehmen, weil es ein Übel ist“, erklären einige gelehrte Männer. „Die Handlungen des Opferns, des Gebens und der Askese dürfen nicht aufgegeben werden“, sagen andere.
18.4
Höre, wie Ich Mich hinsichtlich der Entsagung (Tyaga) entschieden habe, O Bester der Bharatas. Denn auch die Entsagung im Handeln ist, O Tiger der Menschen, als von dreifacher Art erklärt worden.
18.5
Auf die Handlungen des Opferns, des Gebens und der Askese sollte auf keinen Fall verzichtet werden. Sie sollen vollzogen werden, denn sie läutern den Weisen.
18.6
Aber, O Partha, selbst diese Handlungen sollen unbedingt vollzogen werden, indem man Bindung und Lohn beiseite lässt.
Einige möchten gern, dass alles Wirken aus unserem Leben ausgemerzt wird –, als wenn das möglich wäre. Das ist so lange nicht möglich, als wir im Körper und lebendig sind. Auch kann das Heil nicht darin bestehen, dass wir unser aktives Selbst durch Trance in die leblose Unbeweglichkeit des Lehmklumpens oder des Kieselsteins herabsetzen. Das Schweigen des Samadhi schaltet diese Schwierigkeit nicht aus; denn sobald der Atem wieder in den Körper zurückkehrt, sind wir in Aktion wie zuvor. Wir sind aus dieser Errettung durch spirituellen Schlaf heruntergefallen. Aber das wahre Heil, die Befreiung durch innere Lossagung vom Ego und durch Einung mit dem Purushottama bleibt immer, in welchem Zustand wir uns auch befinden. Sie dauert fort in dieser Welt und außerhalb von ihr, in welcher Welt auch immer und außerhalb von aller Welt. Sie ist selbst-seiend, sarvathā vartamāno‘ pi. Sie hängt weder von Untätigkeit noch von Tätigkeit ab. Welches sind also die Handlungen, die getan werden müssen? Die Antwort, die durchweg von den Asketen gegeben, aber von der Gita nicht erwähnt wird – vielleicht war sie zu jener Zeit nicht geläufig –, könnte sein, dass nur das Betteln, das Essen und die Meditation unter den willenhaften Tätigkeiten erlaubt sein sollen, darüber hinaus nur die notwendigen Tätigkeiten des Körpers. Die freiere und umfassendere Lösung war schließlich, dass die drei Aktivitäten, die am meisten dem Sattwa entsprechen, fortzusetzen sind: Opfern, Geben und Askese. Diese müssen ganz gewiss getan werden, sagt die Gita, denn sie läutern den Weisen. Aber in einem allgemeineren Sinne und im Verständnis dieser drei in ihrer weitesten Bedeutung ist es das recht geordnete Handeln, niyataṁ karma, das getan werden muss: Handeln, das durch das Shastra geregelt ist, durch Wissenschaft und Kunst des angemessenen Wissens, der angemessenen Werke, des rechten Lebens; oder geordnet durch die wesenhafte Art, svabhāva-niyataṁ karma, schließlich und am allerbesten, bestimmt durch den Willen des Göttlichen in und über uns. Letzteres ist das wahre und einzige Handeln des befreiten Menschen, muktasya karma. (495-96)
18.7
Verzicht auf das recht geordnete Handeln ist wahrlich nicht geeignet. Verzichtet man aus Unwissenheit auf sie, ist das ein tamasischer Verzicht.
18.8
Wer das Wirken aufgibt, weil es Sorgen oder dem Fleisch Kummer bereitet, leistet damit einen rajasischen Verzicht und erlangt nicht die Frucht seiner Entsagung.
18.9
Wer aber eine recht geordnete Handlung vollzieht, weil sie getan werden muss, und dabei keine Bindung, weder zur Handlung als solcher, noch zur Frucht dieses Handelns, entsteht, dessen Entsagung gilt als sattwisch.
Das sattwische Prinzip der Entsagung heißt: Wir sollen uns nicht vom Handeln zurückziehen, sondern auf den persönlichen Anspruch, auf den hinter ihm wirkenden Ego-Faktor verzichten. Wir sollen unsere Werke tun nicht unter dem Diktat des Begehrens, sondern gemäß dem Gesetz angemessenen Lebens; gemäß der wesenhaften Natur, ihrem Wissen, ihrem Ideal, ihrem Glauben an sich selbst und an die Wahrheit, die sie sieht, śraddhā. Oder die Werke werden auf einer höheren spirituellen Ebene vom Willen des Meisters diktiert und mit dem Mental, das im Yoga ist, ausgeführt, ohne dass sich unsere Person daran bindet, weder an das Wirken selbst, noch an die Frucht des Wirkens. Es muss zum völligen Verzicht auf alles Begehren und alles Entscheiden aus egoistischen Gründen, aus dem eigenen Ego-Impuls kommen. Und schließlich muss auch jener subtilere Egoismus des Willens wegfallen, der entweder sagt: „Das Werk gehört mir, ich bin der Täter“, oder sogar: „Das Werk gehört Gott, aber ich bin der Täter.“ Es darf dabei keine innere Bindung an das angenehme, begehrenswerte, gewinnbringende oder erfolgreiche Werk geben. Und man darf es auch nicht deshalb tun, weil es von dieser Art ist. Aber diese Art Werke müssen auch getan werden – ganz, ohne egoistisches Interesse und mit der Zustimmung des Geistes –, wenn es ein Handeln ist, das von oben her und aus unserem Inneren verlangt wird, kartavyaṁ karma. Es darf keine Abneigung gegen unangenehme, unerfreuliche oder nicht lohnende Arbeit geben oder gegen ein Werk das wahrscheinlich oder sicher Leiden mit sich bringt, Gefahr, harte Bedingungen und ungünstige Folgen. Denn auch das müssen wir annehmen, ganz selbstlos, mit tiefem Verständnis für seine Notwendigkeit und Bedeutung, wenn immer es das Werk ist, das geleistet werden muss, kartavyaṁ karma. (496-97)
18.10
Der weise Mensch, der sich der Zweifel entledigt hat und der Entsagung übt im Licht seines völlig sattwischen Mentals, hat keine Abneigung gegen unerfreuliches und keine Bindung an erfreuliches Handeln.
18.11
In der Tat können die verkörperten Wesen nicht auf jegliches Wirken verzichten. Wer aber die Frucht seines Handelns aufgibt, vom dem sagt man mit Recht, dass er ein Entsagender ist.
Der befreite Mensch, der durch das innere Sannyasa all sein Wirken einer größeren Macht überantwortet hat, ist frei vom Karma. Er wird handeln; denn irgendeine Art von Handeln, mehr oder weniger, klein oder groß, ist unvermeidlich, natürlich, für die verkörperte Seele richtig. Dies Wirken ist ein Teil des göttlichen Lebensgesetzes. Es ist die hohe Dynamik des Geistes. Das innerlich Wesentliche der Entsagung, das wahre Tyaga, das wahre Sannyasa, ist keine über den Daumen gepeilte Regel der Untätigkeit, sondern es ist eine egolose Seele, ein egoloses Mental, im Übergang aus dem Ego zur freien, apersonalen und spirituellen Art. Der Geist dieser inneren Entsagung ist die erste mentale Voraussetzung dafür, dass die sattwische Disziplin ihren Höhepunkt erreicht. (497)
18.12
Die drei Arten von Ergebnis – erfreulich, unerfreulich und vermischt – existieren in dieser oder jener Welt, in diesem oder jenem Leben nur für die Sklaven des Begehrens und des Ego. Am freien Geist bleiben diese Dinge nicht haften.
18.13
Erfahre von Mir, O Starkarmiger, die folgenden fünf Ursachen, wie sie vom Sankhya für die Vollendung allen Wirkens niedergelegt worden sind.
18.14
Diese fünf sind: Der Körper, die handelnde Person, die verschiedenen Werkzeuge, die vielerlei Bemühungen und schließlich das Schicksal.
Die Gita spricht von den fünf Gründen oder unentbehrlichen Erfordernissen für das Wirken, damit es so, wie es durch das Sankhya niedergelegt ist, zur Vollendung kommt. Diese fünf sind: Erstens die Struktur von Körper, Leben und Mental; sie sind Basis oder Fundament für die Seele in der Natur, adhiṣṭhāna. An zweiter Stelle kommt der handelnde Mensch, der Täter, kartā. Drittens haben wir die verschiedenartige Instrumentation der Natur, karaṇa, viertens die vielen Arten von Anstrengungen, die zusammen die Kraft des Wirkens ausmachen, ceṣṭāḥ. An letzter Stelle steht das Schicksal, daivam, das heißt der Einfluss der Macht oder der Mächte, die außerhalb der menschlichen Faktoren und anders sind als der sichtbare Mechanismus der Natur. Sie stehen hinter diesen und gestalten das Wirken; sie teilen dessen Ergebnisse aus, je nach den Stufen des Aktes und seiner Konsequenzen. (497-98)
18.15
Diese fünf Elemente bilden unter allem anderen die wirksamen Ursachen, karaṇa, die Form und Ergebnis von jeglichem Werk bestimmen, das der Mensch mit Mental, Rede und Körper ausführt.
18.16
Da es sich so verhält, hat wahrlich derjenige, der aus unwissendem Verstand sich selbst als den Täter ansieht, eine verdrehte Intelligenz. Er erkennt nicht.
18.17
Wer frei ist vom Ego-Sinn und in seiner Intelligenz nicht beeinträchtigt wird, der tötet nicht, auch wenn er diese Völker erschlagen würde, und wird durch sein Handeln nicht gebunden.
Bei dem Handelnden nimmt man gewöhnlich an, er sei unser vordergründiges personales Ego. Das ist aber die falsche Vorstellung eines Verstehens, das noch nicht zum Wissen gelangt ist. Das Ego ist der scheinbare, der angebliche Handelnde. Aber das Ego und sein Wollen sind Schöpfung und Instrumente der Natur, mit denen das unwissende Verstehen fälschlich unser Selbst identifiziert. Sie sind auch nicht die einzigen bestimmenden Faktoren, nicht einmal des menschlichen Handelns, viel weniger seiner Richtung und seiner Konsequenz. Sobald wir vom Ego befreit sind, tritt unser wirkliches Selbst aus dem Hintergrund hervor. Es ist apersonal und universal; es sieht in der Selbst-Schau seiner Geeintheit mit dem universalen Geist, dass die universale Natur der Täter des Werks ist und dass der Göttliche Wille als der Gebieter der universalen Natur dahinter steht. Nur solange wir diese Erkenntnis noch nicht besitzen, sind wir durch den Charakter des Ego gebunden und dadurch, dass es der Täter sein will, dass wir selbst das Gute und das Böse tun und dabei die Befriedigung unserer Art von Tamas, Rajas und Sattwa haben. Sobald wir aber im höheren Wissen leben, können der Charakter und die Konsequenzen des Werks für die Freiheit des Geistes keinen Unterschied mehr machen. Von außen gesehen mag das Werk eine schreckliche Handlung sein wie die gewaltige Schlacht und das Gemetzel von Kurukshetra. Aber obwohl der befreite Mensch seinen Anteil an diesem Kampf auf sich nimmt, obwohl er diese Völker vernichtet, tötet er selbst doch keinen Menschen und ist er auch durch sein Werk nicht gebunden, da es das Werk des Herrn der Welten ist und dieser in seinem verborgenen allmächtigen Willen bereits all diese Armeen vernichtet hat. Dies Werk der Zerstörung war notwendig, damit sich die Menschheit vorwärtsbewegen kann zu einer anderen Schöpfung, zu einem neuen Ziel, damit sie, wie in einem Feuer, ihr vergangenes Karma der Ungerechtigkeit und Unterdrückung loswird und zu einem neuen Königreich des Dharma fortschreitet. Der befreite Mensch leistet das ihm zugewiesene Werk als das lebendige Instrument, das im Geist geeint ist mit dem universalen Geist. Und da er weiß, dass dies alles sein muss, und über die äußere Erscheinung hinausschaut, handelt er nicht für sich selbst, sondern für Gott, für den Menschen, für die menschliche und kosmische Ordnung1. Doch handelt tatsächlich nicht er selbst, sondern er ist sich der Gegenwart und Macht der göttlichen Kraft in seinen Taten und ihrem Ergebnis bewusst. Er weiß, dass die höchste Shakti in seinem mentalen und physischen Körper handelt, adhiṣṭhāna, und allein das Werk ausführt, das ihm durch sein Schicksal aufgetragen ist. Doch ist das in Wahrheit nicht ein Schicksal, nicht eine mechanische Gesetzmäßigkeit, sondern der weise und allsehende Wille, der hinter dem menschlichen Karma am Werk ist. Dies „schreckliche Werk“, um das sich die ganze Lehre der Gita dreht, ist ein extremes Beispiel für eine dem Anschein nach unheilvolle Handlung, akuśalam, wobei doch jenseits von diesem äußeren Anschein ein großes Gut liegt. Das Werk muss in apersonaler Weise von dem von Gott dafür beauftragten Menschen getan werden für den Zusammenhalt des Weltzwecks, loka-saṅgrahārtham, ohne eine persönliche Absicht oder ein Begehren, eben weil es der verordnete Dienst ist. (498-99)
18.18
Die Erkenntnis, der Gegenstand der Erkenntnis und der Erkennende sind drei Dinge, die den mentalen Impuls zum Handeln bilden. Ferner gibt es drei Dinge, die die Handlungen zusammenhalten und möglich machen: Der Handelnde, das Instrument und das vollzogene Werk.
18.19
Erkenntnis, Handlung und Täter sind, nach dem Sankhya, von dreifacher Art gemäß der Verschiedenheit der Gunas (Eigenschaften). Erfahre auch über diese entsprechend.
18.20
Erkenne als sattwisch jene Erkenntnis, durch die man das eine unvergängliche Sein in allem Werden und das eine unteilbare Ganze in allen diesen Teilerscheinungen wahrnimmt.
18.21
Betrachte als rajasisch jene Erkenntnis, die in allen diesen Daseinsformen die Vielfalt der Dinge nur in der Getrenntheit und Verschiedenheit ihrer Wirkensweisen sieht.
18.22
Die tamasische Erkenntnis ist eine kleinliche und enge Art, die Dinge zu betrachten, die keinen Blick hat für die wirkliche Natur der Welt. Sie klammert sich an einen einzigen Prozess oder an ein einziges gewohntes Verfahren des Wirkens, als ob dies das Ganze wäre (ohne Vorausschau oder eine das Ganze überblickende Intelligenz).
Das tamasische Mental schaut nicht aus nach der wirklichen Ursache und ihrer Auswirkung. Es verzehrt sich selbst in einer einzigen Bewegung oder in einer einzigen Routine mit stumpfsinniger Gebundenheit an diese. Es kann nichts sehen als nur den kleinen Ausschnitt seiner persönlichen Aktivität vor seinen Augen; es weiß tatsächlich nicht, was es tut. Es lässt einfach blind den natürlichen Antrieb sich durch seine Taten auswirken. Für deren Ergebnisse hat es keinen Begriff, keine Voraussicht, keine umfassende Intelligenz. Die rajasische Erkenntnis ist so, dass sie die Vielfalt der Dinge nur in ihrer Gesondertheit und der Verschiedenheit ihres Wirkens in all diesem Seienden sieht. Sie ist nicht in der Lage, ein wirkliches Prinzip der Einheit zu entdecken und ihren Willen sowie ihr Handeln richtig zu koordinieren. Vielmehr folgt sie der Neigung ihres Ego und Begehrens, der Aktivität ihres vielverzweigten egoistischen Willens und dem unterschiedlichen, vermischten Motiv in ihrer Reaktion auf die sie bedrängenden Impulse und Kräfte aus dem eigenen Inneren und der eigenen Umgebung. Dies Erkennen ist ein Gewirr der Bruchteile von Erkenntnis, oft von einander widersprechender Erkenntnis, das durch das Mental mit Gewalt zusammengesetzt ist, um einen Pfad durch den Dschungel unseres halben Wissens und halben Unwissenheit zu bahnen. Diese rajasische Erkenntnis ist andererseits auch eine rastlos bewegte, vielfältige Aktion, bei der kein höheres Ideal die sichere Lenkung ausübt und wo kein im Selbst gegründetes Gesetz eines wahren Lichts und einer Macht im Inneren wirkt. Im Gegensatz dazu sieht die sattwische Erkenntnis das Sein in all seinen Zerteilungen doch als ein einziges unteilbares Ganzes, als ein unvergängliches Sein in allen Erscheinungen des Werdens. Sie beherrscht das Prinzip ihres Wirkens und die Beziehung der besonderen Handlung zum totalen Zweck und Ziel des Seins. Sie setzt bei ihrem Vorgehen zur Vollkommenheit jeden Schritt auf seinen richtigen Platz. Dies Schauen wird auf seinem Höhepunkt zur Erkenntnis des einen Geistes in der Welt, der eins ist in all diesen vielen Daseinsformen. Diese Schau erkennt den einen Gebieter allen Wirkens, sieht in den Kräften des Kosmos die Ausdrucksformen der Gottheit. Sie macht die Erfahrung, dass das Werk selbst das vollziehende Wirken des höchsten Willens und der Weisheit Gottes im Menschen, in seinem Leben und in seiner wesenhaften Art ist. (499-500)
18.23
Wird eine Handlung nach der rechten Ordnung vollzogen ohne Bindung, ohne Vorliebe oder Abneigung (an ihrem Reiz oder ihrer Langweiligkeit) von einem Menschen, der kein Begehren nach ihrer Frucht hegt, dann wird sie sattwisch genannt.
Das Handeln aus Sattwa führt ein Mensch in Ruhe aus, im klaren Licht der Vernunft und Erkenntnis und mit einem apersonalen Empfinden für das Richtige, für die Pflicht oder für die Forderung des Ideals an ihn, ohne Rücksicht auf den Erfolg, auf sich selbst, auf die Folgen in dieser oder einer anderen Welt. Es ist ein Werk, das er ohne Gebundenheit daran leistet; ohne dass Vorliebe ihn anspornt oder Abneigung ihn zurückhält; er vollzieht es allein zur Befriedigung seiner Vernunft und im Sinn für das Richtige in seiner hellen Intelligenz oder einem erleuchteten Willen; mit geläutertem, egolosem Mental und hohem gleichmütigen Geist. Auf dem Gipfel des Sattwa wird dieses umgewandelt. Es wird zu einem höchsten apersonalen Wirken, das vom Geist in unserem Inneren diktiert wird und nicht mehr von der Intelligenz. Das ist eine Wirksamkeit, die ihre Motive aus dem höchsten Gesetz der Natur empfängt und frei ist von jeder Begrenzung, sogar durch die beste Meinung, das edelste Begehren, den reinsten persönlichen Willen oder das höchste mentale Ideal. Keines dieser Hindernisse wird mehr da sein. An ihrer Stelle werden eine klare spirituelle Selbst-Erkenntnis und Erleuchtung stehen, das zwingende innige Gefühl für eine unfehlbare Macht, die handelt, und für das Werk, das für die Welt und für den Herrn der Welt getan werden muss. (501)
18.24
Wird aber eine Handlung von einem Menschen unternommen unter der Herrschaft des Begehrens oder mit egoistischem Gefühl der eigenen Person beim Handeln oder wird sie mit ungewöhnlichem Kraftaufwand ausgeführt (mit angespanntem Willen, um das Ziel des Begehrens zu erreichen), nennt man sie rajasisch.
18.25
Wird die Handlung unter Selbsttäuschung begangen (im mechanischen Gehorsam gegenüber Instinkten, Trieben und blinden Ideen) ohne Rücksicht auf die eigene Kraft und Fähigkeit, ohne Vorausschau auf die Folgen, auf die Kraftvergeudung und das anderen zugefügte Unrecht, dann gilt sie als tamasisch.
18.26
Handelt der Täter frei von Bindung, frei von Egoismus, voll fester, unpersönlicher Entschlossenheit, mit ruhiger Geradheit seiner Hingabe, weder hochgestimmt bei Erfolg, noch niedergeschlagen bei Misserfolg, dann wird er sattwisch genannt.
Der sattwisch Handelnde ist erfüllt von einer starken apersonalen Entschlossenheit, von ruhiger Redlichkeit seines Einsatzes; von hoher, reiner und selbstlosen Begeisterung bei dem Werk, das getan werden muss. Erreicht Sattwa seinen Höhepunkt, so wandeln sich dort und darüber hinaus diese Entschlossenheit, dieser Einsatz, diese Begeisterung zu einem spontanen Wirken spirituellen Tapas, schließlich zur höchsten Seelen-Kraft, unmittelbaren Gottes-Macht, starken und beständigen Bewegung einer göttlichen Kraft im menschlichen Instrument, den selbst-sicheren Schritten des Seher-Willens, der gnostischen Intelligenz und damit zur umfassenden Seligkeit des freien Geistes in den Werken der befreiten Art. (502)
18.27
Hängt der Handelnde voll Eifer an seinem Werk, ist er leidenschaftlich verlangend nach dessen Frucht, ist er habgierig, unrein, oft gewalttätig, grausam und brutal in den Mitteln, die er anwendet, voll Freude (bei Erfolg) und voll Kummer (bei Misserfolg), dann gilt er als rajasisch.
18.28
Handelt jemand nur unter mechanischem Einsatz seiner mentalen Kräfte (setzt er sich bei seinem Tun nicht richtig ein), ist er stupide und eigensinnig, verschlagen und anmaßend, träge, leicht entmutigt und zaudernd, dann gilt er als tamasisch.
18.29
Auch die Vernunft und Beharrlichkeit sind gemäß den Eigenschaften der Natur von dreierlei Art. Vernimm, wie sie miteinander verbunden und getrennt sind, O Dhananjaya!
Die mit dem intelligenten Willen gerüstete Vernunft wirkt im Menschen, in welcher Art und welchem Umfang er diese menschlichen Gaben auch besitzen mag, und ist ihnen entsprechend entweder angemessen oder verkehrt, getrübt oder erhellt, eng und klein oder umfassend und weit, genauso wie das Mental dessen ist, der sie besitzt. Es ist buddhi, die verstehende Macht seiner Natur, die das Werk für ihn auswählt oder, noch öfters, es billigt und die eine oder andere unter den vielen Empfehlungen seiner komplexen Instinkte, Impulse, Ideen oder Begierden gutheißt oder mit ihrer Sanktion versieht. Es ist das, was für ihn entscheidet, was richtig oder falsch ist, was getan werden soll oder nicht getan werden darf, Dharma oder Adharma. Und die Beharrlichkeit des Willens, dhṛti, ist jene kontinuierliche Kraft der mentalen Natur, die das Werk fördert und ihm seine Folgerichtigkeit und Dauer verleiht. Hier kommen wieder die Gunas ins Spiel. (502-03)
18.30
Jener Verstand, der das Gesetz des Handelns und das Gesetz des Verzichts auf das Handeln erkennt, der die Sache, die getan werden soll, zu unterscheiden vermag von der Sache, die man unterlassen soll, und das, was man fürchten soll, von dem, wovor man sich nicht fürchten soll, und der erkennt, was den Geist des Menschen fesselt und was ihn befreit, ein solcher Verstand, O Partha, ist sattwisch.
Die sattwische Intelligenz erreicht durch große Beharrlichkeit der strebenden Buddhi ihre Gipfelstufe, wenn sie ihren festen Stand in dem erlangt hat, was jenseits der gewöhnlichen Vernunft und des mentalen Willens liegt; wenn sie auf die Gipfelhöhen eingestellt ist; wenn sie sich einer ständigen Beherrschung der Sinne und des Lebens zugewandt und durch Yoga zu einer Einung mit dem höchsten Selbst des Menschen, mit dem universalen Göttlichen und mit dem transzendenten Geist bekehrt hat. Wenn man im Durchgang durch die sattwische Guna dorthin gelangt ist, kann man über die Gunas hinaus weiterkommen. Man kann über die Schranken des Mentals, seines Willens und seiner Intelligenz hinaus weiter empordringen. Sattwa selbst wird dann in jenen Bereich aufgehen, der oberhalb der Gunas und der instrumentalen Natur liegt. Dort befindet sich die Seele in einem heiligen Schrein von Licht und nimmt ihren Thron ein in enger Einung mit dem Selbst, dem Geist und der Gottheit. Sind wir auf diesem Gipfel angekommen, können wir es dem Höchsten überlassen, die Natur in unserem Organismus zu der freien, spontanen Unmittelbarkeit göttlichen Handelns zu führen; denn dort gibt es kein falsches oder verworrenes Wirken mehr. Dort findet sich kein Element von Irrtum oder Ohnmacht, das die erleuchtete Vollkommenheit und die Macht des Geistes verdunkeln oder entstellen könnte. Dort hören alle niederen Bedingungen, Gesetze und Dharmas auf, Macht auf uns auszuüben. Der Unendliche handelt im befreiten Menschen. Dort gibt es kein Gesetz mehr, sondern nur die unsterbliche Wahrheit und das Recht des freien Geistes, kein Karma mehr, keine Art von Gebundenheit. (504-05)
18.31
Jener Verstand, der nur auf verkehrte Weise zwischen Recht und Unrecht unterscheidet, zwischen dem, was getan werden muss, und dem, was nicht getan werden darf, dieser Verstand, O Partha, ist rajasisch.
Wenn der rajasische Verstand nicht absichtlich den Irrtum und das Böse um des Irrtums und des Bösen willen wählt, kann er unterscheiden zwischen Recht und Unrecht; zwischen dem, was getan werden soll, und dem, was zu unterlassen ist. Aber das geschieht nicht in angemessener Weise, sondern so, dass die wahren Maßstäbe verzerrt und ständig die Werte entstellt werden. Das geschieht, weil diese Vernunft und ihr Wille eine Vernunft des Ego und ein Wille des Begehrens sind und diese Mächte die Wahrheit und das Richtige falsch darstellen und verdrehen, um damit ihrem egoistischen Zweck zu dienen. (503-04)
18.32
Jener Verstand, in Dunkelheit gehüllt, der sich an das hält, was nicht das wahre Gesetz ist, und dies zum geltenden Gesetz erklärt, der alle Dinge getrübt durch falsche Auffassungen sieht, dieser Verstand, O Partha, ist tamasisch.
18.33
Jene unerschütterliche Beharrlichkeit, (dhṛti), mit der man durch Yoga das Mental und die Sinne und das Leben beherrscht, O Partha, diese Beharrlichkeit ist von sattwischer Art.
18.34
Jene Beharrlichkeit jedoch, O Arjuna, mit der man Recht und Gerechtigkeit (Dharma) festhält, mit Interesse (Artha) und Vergnügen (Kama) und mit starker Bindung die Früchte seines Wirkens begehrt, eine solche Beharrlichkeit, O Partha, ist von rajasischer Art.
Der rajasische Wille richtet beharrlich seine Aufmerksamkeit auf die Befriedigung der eigenen, ihn fesselnden Neigungen und Begierden im Verfolgen seines Interesses, seines Vergnügens und all dessen, von dem er denkt oder sich einbildet, es sei angemessen und gerecht, Dharma. Stets ist er geneigt, diese Dinge mit derjenigen Erklärung zu versehen, die seinem Begehren am meisten schmeichelt und es rechtfertigt. Dadurch will er die Mittel als recht und legitim darstellen, die ihm am meisten helfen, die begehrten Früchte seines Wirkens und Bemühens zu erlangen. Das ist die Ursache für drei Viertel an Lüge und Fehlverhalten in der Vernunft und im Willen der Menschen. Rajas ist mit seinem vehementen Festhalten am vitalen Ego der große Sünder und wirkliche Verführer. (504)
18.35
Jene Beharrlichkeit, mit der man aus Unwissenheit nicht ablässt von Verschlafenheit, Furcht, Kummer, Niedergeschlagenheit und Hochmut, die, O Partha, ist von tamasischer Art.
18.36-37
Und nun höre noch von Mir, du Stier der Bharatas, wie auch die Freude von dreifacher Art ist. Als sattwisch gilt die Freude, in der man durch Selbstdisziplin zum wahren Glück gelangt und die dem Leiden ein Ende bereitet. Am Anfang schmeckt sie wie Gift, aber am Ende ist sie wie Nektar. Diese Freude entspringt aus der Zufriedenheit des höheren Mentals und des Geistes.
18.38
Als rajasisch wird jene Freude gewertet, die aus der Berührung der Sinne mit ihren Gegenständen entspringt. Am Anfang schmeckt sie wie Nektar, aber am Ende wie Gift.
18.39
Als tamasisch wird jene Freude bezeichnet, an deren Anfang Selbsttäuschung steht und Enttäuschung die Folge ist, die aus Verschlafenheit, Trägheit und Unwissenheit hervorgeht.
Glücklich zu sein, ist tatsächlich die einzige Sache, wonach offen oder mittelbar unsere menschliche Natur strebt –, ein Glück, eine Ahnung davon oder ein Abglanz von ihm, irgendeine Freude oder ein Vergnügen, eine Befriedigung des Mentals, des Willens, der Leidenschaften und des Körpers. Schmerz ist eine Erfahrung, die unsere Natur zu akzeptieren hat, wenn sie muss: gegen ihren Willen, als eine Notwendigkeit, als ein unvermeidliches Ereignis der universalen Natur. Oder sie muss ihn freiwillig als Mittel annehmen, das zu erlangen, wonach wir streben; doch nicht als etwas um seiner selbst willen Begehrtes –, außer wenn man den Schmerz in verkehrtem Sinn sucht; oder mit einer Glut der Begeisterung für das Leiden, weil es die Erfahrung einer wilden Freude mit sich bringt; oder wegen der intensiven Kraft, die es entzündet. Es gibt aber verschiedene Arten von Glücklichsein oder Freude je nach der Qualität, die in unserer Natur dominiert. So wird das tamasische Mental wohl seine Freude finden in seiner Stumpfheit und Trägheit, in seiner Starrheit und Schläfrigkeit, in seiner Blindheit und in seinem Irrtum. Die Natur hat es mit dem Vorzug einer blasierten Genugtuung an seinem Stumpfsinn und seiner Unwissenheit gewappnet, an dem düsteren Licht in seiner Höhle, an seiner trägen Befriedigung, an seinen armseligen oder gemeinen Freuden und vulgären Vergnügungen. Selbsttäuschung ist der Anfang dieser Befriedigung, und Enttäuschung ist ihre Konsequenz. Doch ist dem Bewohner der Höhle noch eine dumpfe, keineswegs bewundernswerte, doch ausreichende Freude an seinen Selbsttäuschungen gegeben: Es gibt ein tamasisches Glücksgefühl, das sich auf Trägheit und Unwissenheit gründet.
Das Mental des rajasischen Menschen trinkt aus einem feurigeren Becher, der ihn mehr vergiftet. Die heftige, bewegliche, aktive Freude der Sinne und des Körpers und des in die Sinne verstrickten oder feurig kinetischen Willens und der Intelligenz bedeuten für ihn alle Lebensfreude und den eigentlichen Sinn des Lebens. Diese Freude schmeckt bei dem ersten Schluck auf den Lippen wohl wie Nektar. Aber im Bodensatz des Bechers ist ein geheimes Gift, und danach kommen die Bitternis der Enttäuschung, die Übersättigung und Ermüdung, die Revolte und der Ekel und das Bewusstsein der Sünde, des Leidens, des Verlustes und der Vergänglichkeit. Das muss so sein; denn diese Freuden sind in ihrer äußeren Gestaltung nicht das, was der Geist in uns in Wahrheit vom Leben verlangt. Hinter und über dieser Vergänglichkeit der Form gibt es etwas, das dauernd und befriedigend ist, das dem Selbst Genüge verschafft. Darum ist das, was die sattwische Natur sucht, Befriedigung des höheren Mentals und des Geistes. Wenn sie einmal das hohe Ziel ihres Verlangens erreicht hat, kommt sie in ein klares, reines Glücksgefühl der Seele, in einen Zustand des Erfülltseins, in bleibende Gemütsruhe und Frieden. Dies Glücksgefühl hängt nicht von äußeren Dingen ab, sondern allein von uns selbst und von dem Aufblühen dessen, was in uns das Beste und Innerlichste ist. Am Anfang ist das aber nicht unser normaler Besitz. Wir müssen es uns erobern durch Selbst-Disziplin, durch Arbeit der Seele, durch hohes und glühendes Bemühen. Das bedeutet am Anfang einen großen Verlust unserer gewohnten Freuden, viel Leiden und Ringen, ein Gift, das aus dem Durchquirlen unserer Natur entsteht, einen schmerzvollen Konflikt der Kräfte, viel Aufbegehren und Widerstand gegen diese Umwandlung. Das dringt empor aus dem bösen Willen in unserem Organismus oder aus dem beharrlichen Druck der vitalen Regungen. Am Ende steigt aber der Nektar der Unsterblichkeit anstelle dieser Bitternis empor. Und indem wir hinauf zu der höheren spirituellen Natur klimmen, erreichen wir auch das Ende der Sorge; dann sterben Kummer und Leid eines glücklichen Todes (euthanasia). Das ist das alles übertreffende Glücksempfinden, das auf dem Gipfelpunkt oder der Höhenlinie der sattwischen Disziplin auf uns herabkommt.
Die sattwische Natur wächst über sich selbst hinaus, wenn wir über jene zwar große, aber doch noch niedrige sattwische Freude hinausgelangen in den Bereich jenseits der Freuden der Erkenntnis des Mentals, seiner Tugend und seines Friedens in die ewige Stille des Selbstes und der spirituellen Ekstase des göttlichen Einsseins. Jene spirituelle Freude ist nicht mehr nur jene sattwische Freude, sukham, sondern das absolute Ananda. Ananda ist die geheime Seligkeit, aus der alle Dinge geboren werden, durch die alle Dinge und Wesen in ihrem Sein getragen werden, zu der wir im spirituellen Höhenflug gelangen können. Dies Ananda kann aber nur der befreite Mensch besitzen, der von seinem Ego und dessen Begierden erlöst ist, der zuletzt geeint lebt mit seinem höchsten Selbst, eins geworden mit allen Wesen, eins mit Gott in seiner absoluten Seligkeit des Geistes. (505-06)

Swabhava and Swadharma
18.40
Es gibt keine Wesenheit, weder auf Erden noch im Himmel unter den Göttern, die nicht den Wirkensweisen dieser drei Gunas unterworfen wäre, die in der Natur ihren Ursprung haben.
18.41
Die Werke der Brahmanen, der Kshatriyas, der Vaishyas und der Shudras werden gemäß den Gunas eingeteilt, die in ihrer eigenen inneren Natur ihren Ursprung haben.
18.42
Das Werk des Brahmanen ist bestimmt von Stille, Selbstbeherrschung und Askese, von Reinheit, geduldigem Ertragen, Redlichkeit, Erkenntnis und Anerkennung der spirituellen Wahrheit. Es hat seinen Ursprung in seinem svabhāva.
18.43
Das seinem Wesen entsprechende Werk des Kshatriyas liegt im Heldentum und in der Begeisterung, in der Entschlossenheit und in der Tüchtigkeit, im Nicht-Fliehen in der Schlacht, im Geben reicher Gaben, in seiner Herrschaft (īśvara-bhāva, dem Temperament des Herrschers und Führers).
18.44
Das seinem Wesen entsprechende Werk des Vaishyas besteht in Ackerbau und Viehzucht, im Handel einschließlich der Arbeit des Handwerkers und des Künstlers. Alles Handeln, das den Charakter des Dienens hat, fällt unter die natürlichen Obliegenheiten des Shudras.
Man hat diese Verse und die früheren Äußerungen der Gita über denselben Gegenstand auf die gegenwärtigen Auseinandersetzungen über die Kastenfrage bezogen. Einige haben sie sogar als eine Billigung des gegenwärtigen Systems interpretiert. Von anderen sind sie zur Ablehnung der erblichen Grundlage der Kaste verwendet worden. Tatsächlich nehmen diese Verse der Gita überhaupt keinen Bezug auf das bestehende Kastensystem, da dies etwas von dem alten sozialen Ideal des caturvarṇa, der vier klar unterschiedenen Gruppen der arischen Gesellschaft, völlig Verschiedenes ist. Das heutige System stimmt in keiner Weise mit der Beschreibung der Gita überein. Landwirtschaft, Viehzucht und Handel jeglicher Art sollen, wie es hier heißt, das Werk der Vaishyas sein. Im späteren System ist aber die Mehrheit derer, die im Handel und in der Viehzucht tätig sind, sowie die Künstler, Handwerker und andere tatsächlich als Shudras eingestuft worden –, wenn sie nicht überhaupt aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wurden –, und die Kaufmanns-Klasse wird, mit wenigen Ausnahmen, allein, aber nicht überall, zu den Vaishyas gerechnet. Landwirtschaft, Berufe des Regierens und der Dienstleistungen werden von allen Klassen ausgeübt, vom Brahminen bis herab zum Shudra. Und wenn schon die ökonomischen Einteilungen der Funktionen ohne jegliche Möglichkeit der Wiederherstellung durcheinandergebracht worden sind, so ist das Gesetz der Gunas, der Erscheinungsformen, noch viel weniger ein Teil des späteren Systems. Da ist alles zu einer starren Gewohnheit, ācāra, geworden; auf das Bedürfnis der individuellen Natur wird keine Rücksicht genommen. Wenn wir dazu noch die religiöse Seite jener Behauptung in Betracht ziehen, die von den Befürwortern des Kastensystems vorgebracht wird, können wir eine solche absurde Idee ganz gewiss nicht den Worten der Gita anlasten – es sei ein Wesensgesetz des Menschen, dass er ohne Rücksicht auf seine persönliche Neigung und seine Fähigkeiten dem Beruf seiner Eltern oder seiner unmittelbaren oder entfernten Vorfahren folgen müsse: Der Sohn des Milchmanns müsse Milchmann, der Sohn eines Arztes müsse wieder Arzt werden; der Abkömmling des Schuhmachers müsse Schuhmacher bleiben bis zum Ende aller berechenbaren Zeiten. Noch viel weniger kann man behaupten, dass ein Mensch durch diese uneinsichtige und mechanische Wiederholung des für die Natur eines anderen Menschen gültigen Gesetzes, ohne Rücksicht auf seine individuelle Berufung und seine Eigenschaften, automatisch seine eigene spirituelle Vervollkommnung fördert und zur spirituellen Freiheit gelangt. Die Worte der Gita beziehen sich auf das uralte System des caturvarṇa, wie es in idealer Reinheit existierte – es gibt unterschiedliche Ansichten darüber, ob es jemals mehr gewesen ist als nur ein Ideal oder eine allgemeine Norm, die man in der Praxis mehr oder weniger befolgte –, und nur in diesem Zusammenhang allein dürfen wir die Worte der Gita erwägen. (510-11)
18.45
Der Mensch, der bedacht ist auf das seiner eigenen Wesensart entsprechende Werk, erlangt Vollkommenheit. Höre nun, wie derjenige Vollkommenheit erlangt, der sein ihm angeborenes Werk verrichtet!
18.46
Wenn er durch sein eigenes Werk Ihn verehrt, in dem alle Wesen ihren Ursprung haben, von dem dies ganze Weltall durchwaltet ist, dann erlangt ein Mensch Vollkommenheit.
Die Philosophie der Gita über Leben und Wirken besagt, dass alles aus dem Göttlichen Sein, aus dem transzendenten und universalen Geist hervorgeht. Alles ist eine verhüllte Manifestation der Gottheit, Vasudeva, yataḥ pravṛttir bhūtānāṁ yena sarvam idaṁ tatam, und die Vollkommenheit, zu der die Menschheit fähig ist, die Voraussetzung für ihre Unsterblichkeit und Freiheit besteht darin, dass wir den Unsterblichen in unserem Inneren und in der Welt enthüllen, in Einung mit der Seele des Universums leben, in Bewusstsein, Wissen, Willen, Liebe und spiritueller Seligkeit uns in das Einssein mit der erhabenen Gottheit erheben; in der höchsten spirituellen Art leben, das individuelle und natürliche Wesen freihalten von Unzulänglichkeit und Unwissenheit, dass wir es zu einem bewussten Werkzeug für das Wirken der göttlichen Shakti machen. Wie ist dies aber möglich, wenn wir tatsächlich in die Unwissenheit unserer Art eingehüllt sind? Wenn die Seele eingekerkert ist in das Gefängnis des Ego? Wenn sie stets von der Umgebung überwältigt, in Besitz genommen, behämmert und in deren Formen gepresst wird? Wenn sie beherrscht wird vom Mechanismus der Natur, abgeschnitten von unserem festen Halt an der Wirklichkeit unserer eigenen geheimen spirituellen Kraft? Die Antwort lautet, dass diese ganze natürliche Aktion, auch wenn sie jetzt noch so sehr in ein verschleiertes und entgegengesetztes Wirken eingehüllt ist, dennoch das Prinzip ihrer eigenen sich entwickelnden Freiheit und Vollkommenheit enthält. Im Herzen eines jeden Menschen hat die Gottheit ihren Sitz. Sie ist der Herr dieses geheimnisvollen Wirkens der Natur. Zwar sieht es aus, als ob dieser Geist des Universums, dieser Eine, der alles ist, uns auf dem Rad der Welt durch die Kraft von Maya herumwirbelt, als ob wir auf eine Maschine montiert wären, und uns scheinbar durch irgendein ausgeklügeltes mechanisches Prinzip in unserer Unwissenheit gestaltet, wie ein Töpfer ein Gefäß formt, wie ein Weber einen Stoff webt. So ist doch dieser Geist unser eigenes größtes Selbst. Er ist, im Einklang mit der wahren Vorstellung, die Wahrheit unseres Selbsts. Er ist das, was in uns wächst und, von einer Geburt zur anderen, immer neue und angemessenere Formen findet, in unserem tierhaften Leben, in unserem menschlichen und göttlichen Leben, in dem, was wir waren, in dem, was wir sind und in dem, was wir sein werden. Im Einklang mit dieser inneren Seelen-Wahrheit werden wir, wie unsere geöffneten Augen entdecken werden, fortschreitend von diesem Geist in uns in seine all-weise Allmacht hinein umgeformt. Dieser Mechanismus des Ego, diese verworrene Vielfalt der drei Gunas; Mental, Vital und Körper; Emotion, Begehren und Ringen; Denken, Streben, Sich-Mühen, diese geschlossene Wechselwirkung von Schmerz und Freude, von Sünde und Tugend, von Kampf, Erfolg und Misserfolg; dies Ringen der Seele mit ihrer Umgebung, meiner selbst mit den anderen – all das ist nur die äußere unvollkommene Form, die von einer höheren spirituellen Kraft in mir verwendet wird. Sie verfolgt, durch ihre gegensätzlichen Wirkungen, den fortschreitenden Selbst-Ausdruck der göttlichen Wirklichkeit und Größe, die ich insgeheim im Geist bin und die ich in der Natur offenkundig sein werde. Diese Aktion enthält in sich selbst das Prinzip ihres eigenen Erfolgs, das Prinzip des Swabhava und des Swadharma. (518-19)
18.47
Es ist besser, Werke entsprechend dem eigenen Wesensgesetz auszuführen, auch wenn dies in sich selbst unvollkommen ist, als ein seinem Wesen fremdes Gesetz gut auszuführen. Wenn man in Übereinstimmung mit dem Gesetz der eigenen Natur handelt, begeht man keine Sünde.
Der Jiva ist im Selbst-Ausdruck ein Wesensteil des Purushottama. Er stellt in der Natur die Macht des höchsten Geistes dar. In seiner Persönlichkeit ist er jene Macht. In einem individuellen Dasein bringt er die möglichen Kräfte der Seele des Universums zum Vorschein. Dieser Jiva selbst ist Geist und nicht das natürliche Ego. Der Geist, und nicht die Form des Ego, ist unsere Wirklichkeit, unser inneres Seelen-Prinzip. Die wahre Kraft dessen, was wir sind und sein können, ist hier, in jener höheren spirituellen Macht gegenwärtig. Die mechanische Maya der drei Gunas ist nicht die innerste und grundlegende Wahrheit ihrer Bewegungen, sie ist nur eine gegenwärtige, ausführende Energie, ein Apparat von niederem Nutzen, ein Schema für unser äußeres Üben und Praktizieren. Die spirituelle Natur, die zu dieser vielfältigen Persönlichkeit im Weltall geworden ist, parā prakṛtir jīva-bhūtā, ist die stoffliche Grundlage unserer Existenz. Alles Übrige ist eine niedere Ableitung und äußere Gestaltung aus einer höchsten verborgenen Aktivität des Geistes. Und in der Natur hat jeder von uns den Grundsatz und Willen zu eigenem Werden. Jede Seele ist eine Kraft von Selbst-Bewusstsein, die eine Idee des Göttlichen in sich zum Ausdruck bringt. Durch dies ihr Handeln und ihre Evolution, ihr fortschreitendes Finden des Selbstes, ihren ständig sich verändernden Selbst-Ausdruck lenkt sie ihr scheinbar unsicheres, doch insgeheim unvermeidliches Wachstum hin zur Fülle. Das ist unser Swabhava, unsere eigene wirkliche Natur. Das ist die Wahrheit unseres Wesens, die jetzt nur in unserem unterschiedlichen Werden in der Welt ständig partiellen Ausdruck findet. Das durch dies Swabhava bestimmte Gesetz des Handelns ist das richtige Gesetz unserer Selbst-Gestaltung, unserer Tätigkeit und unseres Wirkens, unser Swadharma. (519)
18.48
Das dir eingeborene Werk, O Sohn der Kunti, darfst du nicht aufgeben, auch wenn es mit Mängeln behaftet ist. Alle Handlungen (innerhalb der drei Gunas) sind mit Mängeln behaftet, so wie das Feuer vom Rauch verhüllt ist.
Als praktische Basis ergab sich in alten Zeiten das Vererbungsprinzip. Die gesellschaftliche Funktion und die Position eines Menschen wurden zweifellos ursprünglich, wie das heute noch in freieren, weniger straff geordneten Gemeinschaften der Fall ist, bestimmt durch die Umgebung, die äußeren Umstände, Geburt und Fähigkeit. Als aber eine mehr festgelegte Schichtung einsetzte, wurde der Rang des Menschen hauptsächlich oder allein durch die Geburt geregelt. Im späteren Kastensystem wurde dann die Geburt zur einzigen Regelung des Status eines Menschen. Der Sohn eines Brahminen ist immer in seinem Status ein Brahmine, obwohl er nichts von den typischen Eigenschaften oder dem Charakter des Brahminen an sich haben mag: keine intellektuelle Ausbildung, keine spirituelle Erfahrung, keine religiöse Würde oder Erkenntnis, überhaupt keine Verbindung mit der entsprechenden Tätigkeit seiner Kaste, kein Brahminentum in seinem Wirken und kein Brahminentum in seiner Art.
Dies war eine unvermeidliche Entwicklung, da die äußeren Zeichen das einzige sind, wodurch sich leicht und bequem unterscheiden lässt, und hierbei die Geburt in einer wachsenden mechanisierten und komplexen konventionellen gesellschaftlichen Ordnung die nächstliegende, leicht handhabbare war. Eine Zeitlang wurde auch die mögliche Kluft zwischen der vererbten fiktiven Position und dem wirklichen eingeborenen Charakter und der Fähigkeit des individuellen Menschen durch Erziehung und Ausbildung ausgeglichen und vermindert. Schließlich hörte man aber damit auf, dies Bemühen durchzuhalten, und die Konvention der Vererbung galt als die absolute Regel. Während die Gesetzgeber in alten Zeiten zwar die Praxis der Vererbung anerkannten, drangen sie doch darauf, dass Eigenschaft, Charakter und Befähigung die einzige gesunde und wirkliche Grundlage bilden und ohne diese der vererbte soziale Status zur unspirituellen Lüge wird, da er seine wahre Bedeutung verloren habe. Auch die Gita gründet, wie immer, ihr Denken auf die innere Bedeutung. Sie spricht zwar tatsächlich in einem Vers von dem Werk, das zusammen mit dem Menschen geboren werde, sahajaṁ karma. Das deutet aber an sich nicht auf eine Vererbungs-Basis hin. Im Einklang mit der indischen Theorie von der Wiedergeburt, die die Gita anerkennt, werden die einem Menschen eingeborene Art und der Verlauf seines Lebens im wesentlichen durch seine eigenen vergangenen Lebensabläufe bestimmt. Sie sind die Selbst-Entwicklung, die schon durch seine vergangenen Taten sowie durch seine mentale und spirituelle Entwicklung bewirkt wurde und die gar nicht einzig und allein vom materiellen Faktor seiner Ahnenschaft, Eltern und physischen Geburt abhängen kann, die doch nur von untergeordneter Bedeutung sein können, vielleicht als eines der wirksam werdenden Kennzeichen, jedoch keineswegs als das dominierende Prinzip. Das Wort sahaja meint das, was zusammen mit uns geboren wird, alles, was natürlich, eingeboren, angeboren ist. In gleicher Bedeutung steht an anderen Stellen svabhāvaja. Das Werk oder die Tätigkeit eines Menschen wird durch seine Eigenschaften bestimmt; karma wird bestimmt durch die guṇa. Es ist das Werk des Menschen, das aus seinem Swabhava geboren wird, svabhāva-niyataṁ karma. Der ganze Sinn der Auffassung der Gita vom Karma ist, dass sie das Gewicht auf die innere Qualität und den Geist legt, die in Werk, Tätigkeit und Handeln ihren Ausdruck finden.
Aus dieser Betonung der inneren Wahrheit, nicht der äußeren Form, ergibt sich die spirituelle Bedeutung und Macht, die die Gita im folgenden dem Swadharma beilegt. Das ist der wirklich wichtige Grundgedanke jener Stelle. (513-14)
Deutlich unterscheiden sich die Menschen mit ihrer Geburt weithin gemäß der vier Arten als der Mensch des Wissens, der Mensch der Macht, der produktive vitale Mensch und der Mensch der groben Arbeit und des Dienens. Das sind aber keine grundsätzlichen Einteilungen, sondern Stufen der Entwicklung des Selbstes innerhalb des Menschseins. Der Mensch beginnt mit einer sehr großen Last von Unwissenheit und Trägheit. Dieser erste Zustand ist für ihn ein hartes Sich-Abrackern, das seiner tierhaften Indolenz durch die Bedürfnisse des Körpers aufgezwungen wird, durch den Lebenstrieb, durch die Notwendigkeit der Natur, jenseits von einem gewissen Punkt äußerer Not auch durch eine Form direkten oder indirekten Zwangs, den die Gesellschaft auf ihn ausübt. Die Menschen, die noch von diesem Tamas beherrscht werden, sind die Shudras, die Diener der Gesellschaft, die dieser ihr Mühen schenken, jedoch nichts oder nur sehr wenig im Vergleich mit höher entwickelten Menschen zu dem mannigfachen Spiel des gesellschaftlichen Lebens beitragen können. Durch dynamisches Handeln entwickelt der Mensch in sich die rajasische Eigenschaft. Wir bekommen den zweiten Typus des Menschen, der gejagt wird von einem ständigen Antrieb, Nützliches zu schaffen, zu produzieren, zu besitzen, zu erwerben, festzuhalten und zu genießen: den ökonomischen und vitalen Menschen der Mittelklasse, den Vaishya. Steigt nun die Qualität von Rajas, die dynamische Art, in unserer allgemeinen Art auf eine höhere Stufe, so bekommen wir den aktiven Menschen. Er hat einen noch stärker dominierenden Willen, kühneren Ehrgeiz, den starken Instinkt zum Handeln und Kämpfen. Dieser Wille, aufs Höchste gesteigert, drängt ihn zu führen, zu kommandieren, zu herrschen, die Massen der Menschen in seinen Bannkreis zu ziehen. Dann haben wir den Krieger, den Herrscher, Fürsten, König, den Kshatriya. Wo das sattwische Mental vorherrscht, erscheint der Brahmine, der Mensch mit einer Neigung zur Erkenntnis, zum Denken, Reflektieren, zum Suchen nach Wahrheit. Er bringt eine vernunftgemäße und, auf der höchsten Stufe, eine spirituelle Richtung in das Leben und erleuchtet dadurch sein Verständnis und seine Weise des Seins.
Stets gibt es im Wesen des Menschen etwas von allen vier Persönlichkeiten, entfaltet oder unentfaltet, weit oder eng, verdrängt oder an der Oberfläche sichtbar. Aber in den meisten Menschen sucht die eine oder die andere vorzuherrschen und scheint manchmal den ganzen Raum des Wirkens im Wesen einzunehmen. Eigentlich sollten wir in jeder Gesellschaft alle vier Typen haben – auch dann, wenn wir zum Beispiel eine rein produktive und kommerzielle Gesellschaft organisieren, wie es moderne Zeiten versucht haben, oder eine Shudra-Gesellschaft der Arbeit, des Proletariats, die das moderne Denken bewegt, jetzt in einem Teil Europas versucht und in anderen Ländern befürwortet wird. Dort würde es noch Denker geben, die sich gedrängt fühlen, das Gesetz, die Wahrheit und die Grundregeln für ein solches Unternehmen zu finden; und die Kapitäne und Führer der Industrie, die diese ganze Aktivität des Produzierens zum Vorwand nehmen, um ihr Bedürfnis nach Abenteuer, Kampf, Führerschaft und Vorherrschaft zu befriedigen, und die vielen typischen, rein auf Produktion und Gelderwerb eingestellten Menschen, die Durchschnittsarbeiter, die mit ein wenig Arbeit und dem Lohn für ihre Arbeit zufrieden sind. Das sind aber ganz äußerliche Dinge; und wenn das alles wäre, hätte diese Ökonomie menschlichen Typus keinen spirituellen Sinn. Sie würde höchstens bedeuten, dass wir, wie man das manchmal in Indien gemeint hat, in unseren Geburten eben durch diese Stufen der Entwicklung hindurchgehen müssen; denn wir müssten zwangsläufig progressiv durch die Art von Tamas, Rajaso-Tamas, Rajas oder Rajaso-Sattwa hindurch zur sattwischen Natur, weiter empor zum inneren Brahminentum, brāhmaṇya, um dann von dieser Basis aus die Erlösung zu suchen. In diesem Fall gäbe es keinen logischen Raum für die Versicherung der Gita, dass selbst der Shudra oder Chandala, wenn er sein Leben ganz auf Gott ausrichtet, geradeaus zur spirituellen Freiheit und Vollkommenheit emporklettern kann.
Die fundamentale Wahrheit ist nicht diese äußere Sache, sondern eine Kraft unseres inneren Wesens in Bewegung: Die Wahrheit der vierfachen Macht der spirituellen Natur. Jeder Jiva besitzt in seiner spirituellen Natur diese vier Seiten: Er ist eine Seele des Wissens, eine Seele der Stärke und Macht, eine Seele des gegenseitigen Verkehrs und Austauschs und eine Seele des Arbeitens und Dienens. Im Wirken und im Ausdruck des Geistes nach außen hin dominiert aber die eine Seite über die andere und färbt den Umgang der Seele mit ihrer verkörperten Art. Die Seele lenkt die anderen Mächte und prägt ihnen ihren Stempel auf. Sie verwendet sie für die hauptsächliche Seite des Wirkens, für deren Tendenz und Erfahrung. So folgt also das Swabhava – nicht in der groben und starren Weise, wie es in der sozialen Abgrenzung geschieht, sondern subtil und beweglich – dem Gesetz dieser hauptsächlichen Veranlagung und entfaltet, indem es dies entwickelt, auch die drei anderen Mächte. So entwickelt das Befolgen des Impulses zum Arbeiten und Dienen, wenn es richtig getan wird, das Wissen; es vermehrt die Macht, erzieht zu engen Beziehungen oder ausgeglichener Gegenseitigkeit, leitet an zur Tüchtigkeit und zu einer Ordnung der Verhältnisse. Wo diese vierfältige Gottheit nach außen hervortritt, bewegt sie sich auch dadurch zur Vollkommenheit, dass sie ihr eigenes vorherrschendes Wesensprinzip ausweitet und durch die anderen drei bereichert. Diese Entwicklung steht noch unter dem Gesetz der drei Gunas. Sogar beim Befolgen des Dharma der Seele des Wissens ist eine Art von Tamas und Rajas möglich; ebenso auch eine Art von grobem Tamas und hohem Sattwa beim Befolgen des Dharma der Macht; eine kraftvolle Art oder eine schöne und edle sattwische Natur beim Befolgen des Dharma des Arbeitens und Dienens. Eine unabdingbare Voraussetzung für die Vollkommenheit ist, dass wir zur sattwischen Natur des inneren individuellen Swadharma und jener Werke gelangen, zu denen es uns auf den Bahnen des Lebens treibt. Und wir können auch festhalten, dass das innere Swadharma nicht an eine äußerliche, bedingte, gesellschaftliche oder andere Form des Handelns, der Beschäftigung oder Funktion gebunden ist. Die zum Wirken verpflichtete Seele, die damit zufrieden ist zu dienen, oder jenes Element in uns, kann zum Beispiel das Leben im Streben nach Wissen, das Leben des Kämpfens und der Ausübung der Macht oder das Leben der Gegenseitigkeit der Beziehungen, des Produzierens und Güteraustauschs zu einem Mittel machen, um dadurch ihren göttlichen Impuls zu Arbeit und Dienst zu befriedigen.
Und wenn wir am Ende zur göttlichen Gestalt und dynamischsten Seelenmacht dieser vierfachen Aktivität kommen, ist das ein weit offener Torweg zu einer raschesten und umfassendsten Verwirklichung der höchsten spirituellen Vollkommenheit. Das können wir tun, wenn wir das Wirken des Swadharma in Verehrung der inneren Gottheit, des universalen Geistes, des erhabenen Purushottama verwandeln und schließlich alles Wirken seinen Händen überantworten, mayi sannyasya karmāṇi. Sobald wir über die Einschränkung durch die drei Gunas hinauskommen, lassen wir auch die Einteilung des vierfachen Gesetzes hinter uns und stehen jenseits der Schranken aller unterscheidenden Dharmas, sarvadharmān parityajya. Der Geist nimmt den einzelnen Menschen empor in das universale Swabhava, vervollkommnet und eint die vierfache Seele der Natur in uns und leistet seine vom Selbst bestimmten Werke im Einklang mit dem göttlichen Willen und der vollendeten Macht der Gottheit im Geschöpf. (521-24)

Hin zum höchsten Geheimnis
Der Lehrer hat nun alles, was zu sagen notwendig war, gesagt. Er hat alle zentralen Grundsätze, die unterstützenden Hinweise und Folgerungen seiner Botschaft ausgearbeitet. Er hat die wichtigsten Zweifel und Fragen, die sich um sie ergeben könnten, aufgehellt. Nun bleibt ihm nur noch, das eine letzte Wort, den eigentlichen Kern der Botschaft, deren wirkliche Mitte, in einen entscheidenden Satz, in eine eindringliche Formel zu kleiden. Wir finden, dass dies entscheidende, abschließende und krönende Wort nicht nur der wesentliche Inhalt dessen ist, was bisher schon über die Sache gesagt wurde. Es ist nicht nur eine konzentrierte Beschreibung der notwendigen Selbst-Disziplin, der Sadhana, und jenes größeren spirituellen Bewusstseins, das das Ergebnis allen Bemühens und aller Askese sein soll. Die Gita stürmt sozusagen noch weiter, zerbricht alle Grenzen und Regeln, jede Richtschnur und Formel. Dadurch öffnet sie den Blick für die weite und unbegrenzbare spirituelle Wahrheit mit ihrer unendlichen Fülle bedeutungsvoller Möglichkeiten. Das ist ein Beweis für die Tiefgründigkeit, Reichweite und Geistesgröße ihrer Lehre. Eine gewöhnliche religiöse Lehre oder philosophische Doktrin ist sehr wohl damit zufrieden, dass sie gewisse bedeutende und vitale Aspekte der Wahrheit erfasst und in ein brauchbares Dogma, eine Belehrung, Methode und Praxis verwandelt, um damit den Menschen in seinem inneren Leben zu führen und ihm das Gesetz und die Gestaltung seines Handelns zu zeigen. Sie geht nicht weiter. Sie öffnet keine Tore, die aus dem Kreis ihres eigenen Systems hinausführen. Sie zeigt nicht den Weg in die weiteste Freiheit und Grenzenlosigkeit. Eine solche Einschränkung ist nützlich und tatsächlich eine Zeitlang unentbehrlich. Der durch sein Mental und seinen Willen gebundene Mensch braucht Gesetz und Regel, ein festes System, eine bestimmte Praxis, die seinem Denken und Handeln angepasst ist. Er verlangt nach einem einzigen Weg, den er nicht verfehlen kann, der eingefriedet, befestigt und sicher ist, nach begrenzten Horizonten und nach anliegenden Rastplätzen. Nur starke Menschen, wenige, können durch eine Freiheit zur anderen Freiheit weitergehen. Und doch sollte die freie Seele am Ende ein Ziel haben, einen Ausweg aus den Formen und Systemen, in denen das Mental sein Soll und Haben errechnet und sein begrenztes Vergnügen findet. Zu unserer für die Vollkommenheit wichtigen Befreiung müssen wir über die Leiter unseres Aufstiegs noch hinausgehen. Gerade auf ihrer obersten Sprosse dürfen wir nicht haltmachen. Wir müssen unbehindert weitergehen und uns frei in der Weite des Geistes bewegen. Erst die absolute Freiheit des Geistes ist unser vollkommener Zustand. Und das ist die Art, wie die Gita uns führt: Sie legt einen zuverlässigen und sicheren, aber sehr umfassenden Weg des Aufstiegs, ein großes Dharma, fest. Dann nimmt sie uns über das alles, was niedergelegt ist, über alle Dharmas hinaus und führt uns in unendliche, offene Räume. Dort verkündigt sie uns die Hoffnung und weiht uns ein in das große Geheimnis der absoluten Vollkommenheit, die in der absoluten spirituellen Freiheit gegründet ist. Dies Geheimnis, guhyatamam, ist die Substanz dessen, was sie ihr höchstes Wort nennt. Es ist das verborgene Wesen, das innerste Wissen.
Zuerst wiederholt die Gita noch einmal den eigentlichen Inhalt ihrer Botschaft. Sie fasst in dem wenigen Raum von fünfzehn Versen deren ganzen Umriss und das Wesentliche zusammen, Zeilen von gedrängter und konzentrierter Ausdruckskraft und Bedeutung, die nichts vom Kern der Sache vermissen lassen. Alles ist in Sätze von hellster Präzision und Klarheit gekleidet. Wir müssen sie deshalb sorgfältig prüfen und eindringlich im Licht all dessen lesen, was vorausgegangen ist; denn hier soll ganz deutlich der volle Gehalt von allem dargestellt werden, was die Gita selbst als den zentralen Sinn ihrer Lehre betrachtet. Die Ausführung beginnt mit dem Ausgangspunkt des Gedankenganges in diesem Buch: mit dem Rätsel des menschlichen Handelns; mit der scheinbar unüberwindlichen Schwierigkeit, dass wir im höchsten Selbst und Geist leben und dennoch das Wirken in der Welt fortsetzen sollen. Es wäre der leichteste Weg, das Problem als unlösbar aufzugeben, Leben und Wirken als Illusion oder als untergeordnete Bewegung des Seins anzusehen, die wir hinter uns lassen müssen, sobald wir aus dem Betrug der Welt in die Wahrheit spirituellen Seins emporsteigen können. Dies ist die Lösung der Asketen –, wenn es überhaupt eine Lösung genannt werden kann. Jedenfalls ist es ein entschiedener und wirkungsvoller Ausweg aus dem Rätsel, ein Weg, auf dem sich das alte indische Denken höchst meditativer Art mit zunehmendem Übergewicht hinbewegt hatte, sobald es begann, sich von seiner ursprünglichen, umfassenden und freien Synthese scharf abzuwenden. Die Gita versucht, ebenso wie das Tantra und in gewissen Richtungen die späteren Religionen, das alte Gleichgewicht zu erhalten. Sie bewahrt Substanz und Grundlage der ursprünglichen Synthese. Die Form hat sich aber geändert und wurde im Licht einer sich entfaltenden spirituellen Erfahrung erneuert. Diese Lehre weicht dem schwierigen Problem nicht aus, das volle tätige Leben des Menschen mit dem inneren Leben im höchsten Selbst und Geist zu versöhnen. Sie trägt das vor, was sie für die wirkliche Lösung hält. Sie bestreitet keineswegs die kraftvolle Wirkung des Verzichts des Asketen auf das Leben um seiner eigenen Zwecke willen. Sie erkennt aber, dass man damit den Knoten des Rätsels durchhaut, statt ihn aufzulösen. Deshalb hält sie diese asketische Lösung für eine niedrigere Methode und ihren eigenen Weg für den besseren. Beide Wege führen uns aus der niederen, unwissenden gewöhnlichen Natur des Menschen heraus zum reinen spirituellen Bewusstsein. Insofern können wir sie beide als gültig und sogar in ihrem Wesen als eins ansehen. Aber da, wo der eine haltmacht und umkehrt, geht der andere Weg mit sicherem Scharfsinn und hohem Mut weiter, öffnet ein Tor zu unerforschten Ausblicken, führt zur Vollendung des Menschen in Gott und vereint und versöhnt im Geist die Seele mit der Natur.
Darum drückt die Gita in den ersten fünf dieser Verse ihre Erkenntnisse so aus, dass sie für beide Wege anwendbar sind, sowohl für das innere wie für das äußere Entsagen. Sie tut dies aber in solch einer Weise, dass wir nur einigen ihrer Darstellungen des Gemeinsamen eine tiefere und innerlichere Bedeutung beizulegen brauchen, um Sinn und Absicht des von der Gita bevorzugten Weges zu erfahren. (526-28)
18.49
Wenn der Verstand nicht an die Dinge gebunden ist, die Seele selbstbeherrscht ist und frei von Begehren, dann erlangt ein Mensch durch Entsagung die höchste Vollkommenheit des naiṣkarmya.
Dies Ideal des Entsagens, der Stille des überwundenen Ego, spiritueller Passivität und der Freiheit vom Begehren ist der Weisheit des Altertums gemein. Die Gita bietet uns unübertroffen, vollständig und klar seine psychologische Grundlage. Es beruht in der gemeinsamen Erfahrung all derer, die nach Selbsterkenntnis suchten, dass es in uns zwei verschiedene Wesen und sozusagen zweierlei Selbst gibt. Da ist das niedere Selbst, das Ego der unerhellten mentalen, vitalen und physischen Natur, die im eigentlichen Stoff ihres Bewusstseins und besonders in ihrer Basis, der materiellen Substanz, der Unwissenheit und Trägheit unterworfen ist. Sie ist durch die Lebensmacht gewiss beweglich und vital, verfügt aber nicht über ihr eingeborenes Selbst und hat keine Erkenntnis dessen in ihrem Wirken. Sie gelangt mental zu einer gewissen Erkenntnis und Harmonie, doch nur unter schwierigen Anstrengungen und durch ständiges Ringen mit ihren eigenen Unfähigkeiten. Doch gibt es daneben noch eine höhere Natur, das Selbst unseres spirituellen Wesens, die im Besitz des Selbstes ist und vom Selbst erleuchtet wird, aber der Erfahrung unserer gewöhnlichen Mentalität unzugänglich ist. Zuzeiten bekommen wir flüchtige Einblicke in dieses höhere Wesen in unserem Inneren; wir sind aber nicht bewusst in ihm, wir leben nicht in seinem Licht, in seiner Ruhe und grenzenlosen Herrlichkeit. Die erste dieser beiden sehr verschiedenen Naturen ist in der Gita die Natur der drei Gunas. Deren Anschauung von sich selbst hat ihre Mitte in der Ego-Vorstellung. Das Prinzip ihres Wirkens ist das aus dem Ego geborene Begehren. Der Knoten des Ego ist die Bindung an die Objekte des Mentals, der Sinne und dem Verlangen des Lebens. Das unvermeidliche, ständige Ergebnis all dieser Dinge ist Gebundenheit, beständiges Unterworfensein unter eine niedere Herrschaft, Fehlen der Herrschaft durch das Selbst, Mangel an Selbst-Erkenntnis. Die andere größere Macht und Gegenwart wird als Art und Wesen des reinen Geistes erkannt. Sie steht nicht unter den Bedingungen des Ego. Sie ist das, was in der indischen Philosophie das Selbst und das apersonale Brahman genannt wird. Das Prinzip dieses anderen Wesens ist unendliches und apersonales Sein; es ist in allen eins und dasselbe. Da dieses apersonale Sein ohne ein Ego ist, ohne bedingende Qualitäten, ohne Begehren, ohne Bedürfnisse oder sonst eine treibende Kraft, ist es unerschütterlich und unwandelbar. Ewig dasselbe betrachtet und fördert es das Wirken des Universums, aber es nimmt nicht daran teil und setzt es nicht in Gang. Wenn sich nun die Seele in die aktive Welt stürzt, ist sie das Kshara der Gita, ihr beweglicher oder wandelbarer Purusha. Sammelt sich die Seele zurück in das reine schweigende Selbst und in den wesentlichen Geist, dann ist sie das Akshara der Gita, der unerschütterliche und unwandelbare Purusha.
So wäre es denn eigentlich der einfachste Weg, um der engen Gebundenheit durch die aktive Natur in die spirituelle Freiheit zu entkommen, all das völlig wegzuwerfen, was zur Dynamik der Unwissenheit gehört, und die Seele dem reinen spirituellen Sein zuzuwenden. Das ist es, was man Brahman werden, brahma-bhūya, nennt. Man legt das niedere mentale, vitale und physische Sein ab und das reine spirituelle Wesen an. Das kann am besten durch buddhi, Intelligenz und Willen, vollzogen werden, unser gegenwärtig höchstes Prinzip. Sie soll sich von den Dingen des niederen Seins abkehren, zuerst und vor allem von seiner wirksamen Fessel, dem Begehren, sowie von der Gebundenheit an die von Mental und Sinnen erstrebten Objekte. Wir müssen zu einem Verstehen werden, das in allen Dingen ist, ohne gebunden zu sein, asakta-buddhiḥ sarvatra. Dann vergeht alles Begehren der Seele in ihrem Schweigen. Die Seele ist frei von allen Sehnsüchten, vigata spṛhaḥ. Das bringt die Unterwerfung unseres niederen Selbsts mit sich oder macht sie möglich. Und wir gelangen in den Besitz unseres höheren Selbsts. Dieser Besitz hängt von völliger Selbst-Herrschaft ab, die durch einen radikalen Sieg über unsere bewegliche niedere Natur und deren radikale Unterwerfung gesichert wird, jitātmā. Dies alles führt zum absoluten inneren Verzicht auf das Verlangen nach den Dingen, sannyāsa. Entsagung ist der Weg zu dieser Vollkommenheit; und der Mensch, der auf diese Weise innerlich allem entsagt hat, wird in der Gita als der wahre Sannyasin beschrieben. Da dies Wort aber gewöhnlich ebenso auch äußerliche Entsagung, gelegentlich nur diese, bedeutet, verwendet der Lehrer ein anderes Wort, tyāga, um das innere Zurücktreten von dem äußeren zu unterscheiden. Er sagt, dass Tyaga besser sei als Sannyasa. Die Methode des Asketen geht mit ihrem Zurückschrecken vor der dynamischen Natur viel weiter. Er ist in die Entsagung um ihrer selbst willen verliebt und besteht auf dem äußeren Aufgeben von Leben und Handeln, auf einem völligen Quietismus von Seele und Natur. Das, sagt die Gita, ist so lange nicht völlig durchführbar, als wir noch im Körper leben. Es mag, soweit möglich, getan werden. Aber eine so strenge Herabminderung des Wirkens ist nicht unentbehrlich. Sie ist sogar nicht eigentlich, zumindest gewöhnlich nicht ratsam. Das einzig Notwendige ist, dass wir innerlich völlig still werden. Das ist die ganze Bedeutung des naiṣkarmya der Gita.
Wenn wir fragen: Warum macht die Gita dies Zugeständnis, warum lässt sie das dynamische Prinzip zu, wenn es doch unser Ziel ist, dass wir das reine Selbst werden, und wenn dies reine Selbst als inaktiv, akartā, beschrieben wird?, lautet die Antwort: Jene Inaktivität und jene Scheidung des Selbstes von der Natur ist nicht die ganze Wahrheit unserer spirituellen Befreiung. Selbst und Natur sind letzten Endes eines. Umfassende und vollkommene Spiritualität eint uns mit allem Göttlichen im Selbst und in der Natur. Tatsächlich ist es aber nicht unser ganzes Ziel, dass wir zum Brahman werden und in das Selbst des ewigen Schweigens aufgenommen werden, brahma-bhūya. Dies ist nur die notwendige gewaltige Grundlage für ein noch größeres und wunderbareres göttliches Werden, mad-bhāva. Und um zu jener größten spirituellen Vollkommenheit zu gelangen, müssen wir tatsächlich im Selbst unerschütterlich und in all unseren Tätigkeiten schweigend werden, aber auch in der Macht, in Shakti, Prakriti, der wahren und hohen Kraft des Geistes handeln. Wenn wir fragen: Wie ist die Gleichzeitigkeit dessen möglich, was gegensätzlich zu sein scheint?, dann lautet die Antwort: Dies ist die wahre Natur des vollkommenen spirituellen Wesens. Es hat stets die doppelte Gelassenheit des Unendlichen. Das apersonale Selbst schweigt. Auch wir müssen innerlich schweigend, apersonal und in den Geist zurückgezogen sein. Das apersonale Selbst betrachtet alles Handeln nicht so, als ob es von ihm getan würde, sondern von Prakriti. Es betrachtet mit reiner Gelassenheit alles Wirken ihrer Eigenschaften, Erscheinungsformen und Kräfte. So muss auch die Seele, die im Selbst apersonal geworden ist, all unsere Tätigkeiten als solche betrachten, die nicht von ihr, sondern von den Eigenschaften der Prakriti geleistet werden. Sie soll in allen Dingen gelassen sein, sarvatra, zugleich sollen wir hier nicht haltmachen. Wir sollen schließlich vorwärtsgehen und in unserem Wirken eine spirituelle Regelung und Richtung finden, nicht nur ein Gesetz der inneren Unerschütterlichkeit und des Schweigens. Darum wird von uns gefordert, dass wir der Intelligenz und dem Willen die Haltung des Opferns auferlegen. All unser Wirken soll innerlich verändert und in eine Darbringung an den Herrn der Natur verwandelt werden, an das Sein, dessen Selbstmacht sie ist, svā prakṛtiḥ, der höchste Geist. Gerade wir sollen letzten Endes alles in seine Hand legen, sollen alle persönliche Initiative des Handelns aufgeben, sarvārambhāḥ, sollen unser natürliches Selbst nur als Instrument für sein Wirken und sein Ziel auffassen. Diese Dinge sind bereits ausführlich dargelegt worden, und die Gita legt hier keinen besonderen Nachdruck mehr auf sie, sondern verwendet schlicht die allgemeinen Begriffe sannyāsa und naiṣkarmya ohne nähere Bestimmung.
Wird nun zugegeben, dass der vollständigere innere Quietismus unser notwendiges Mittel ist, um im reinen apersonalen Selbst zu leben, dann erhebt sich mit der Frage, wie das Selbst dies Ergebnis praktisch zustande bringt, das nächste Problem. (529-32)
18.50
Wie nun ein Mensch, wenn er dergestalt Vollkommenheit (von naiṣkarmya) erlangt hat, hingelangt zum Brahman, das vernimm von Mir, O Sohn der Kunti –, diese höchst konzentrierte Weisung des Wissens.
Das hier gemeinte Wissen ist der Yoga der Sankhyas, der Yoga des reinen Wissens, jñana-yogena sāṅkhyānām, der von der Gita insoweit akzeptiert wird, als er mit ihrem eigenen Yoga übereinstimmt, der den Weg des Wirkens der Yogins einschließt; karma-yogena yoginām. Für den Augenblick ist aber alle Erwähnung des Wirkens zurückgehalten. Denn mit Brahman ist hier zuerst das Schweigende, das Apersonale, das Unerschütterliche gemeint. Tatsächlich ist für die Upanishaden ebenso wie für die Gita das Brahman alles, was ist, lebt und sich bewegt. Es ist nicht nur ein apersonales Unendliches oder ein unbeschreibliches Absolutes, acintyam avyavahāryam. All dies ist Brahman, sagt die Upanishad; all dies ist Vasudeva, sagt die Gita –, das erhabene Brahman ist alles, was sich bewegt oder was fest ist. Seine Hände, Füße und Augen, seine Häupter und Gesichter sind auf allen Seiten. Dennoch gibt es zwei Aspekte dieses Alls, sein unveränderliches, ewiges Selbst, das dieses Sein trägt, und sein Selbst von tätiger Macht, das sich in der Welt-Bewegung bewegt. Erst wenn wir unsere begrenzte Ego-Persönlichkeit in der Apersonalität des Selbstes verlieren, können wir zu dem ruhigen und freien Einssein gelangen, durch das wir die wahre Einheit mit der allumfassenden Macht des Göttlichen in seiner Welt-Bewegung besitzen können. Apersonalität verneint Begrenzung und Zerteilung. Die Hochschätzung der Apersonalität ist eine natürliche Voraussetzung für wahres Sein, eine unentbehrliche Vorbedingung für wahres Wissen. Darum ist es erstes Erfordernis für wahres Handeln. Es ist ersichtlich, dass wir nicht zu einem Selbst mit allen Wesen, nicht eins werden können mit dem universalen Geist und seiner unermesslichen Selbst-Erkenntnis, mit seinem komplexen Willen und seiner weit ausgebreiteten Absicht mit der Welt, wenn wir auf unserer begrenzten Ego-Persönlichkeit beharren wollen. Denn diese trennt uns von den anderen Wesen; sie macht uns zu gebundenen, unfreien, in unserer Anschauung und in unserem Willen zum Handeln auf unser Ego konzentrierten Menschen. Wir können, wenn wir so in der Persönlichkeit gefangen sind, durch unsere Sympathie nur zu einer begrenzten Einung mit den anderen kommen oder vermögen uns nur relativ an die Anschauung, das Fühlen und den Willen der anderen anzupassen. Damit wir eins werden mit allen, mit dem Göttlichen und mit seinem Willen im Kosmos, müssen wir zuerst apersonal und frei werden von unserem Ego, von seinen Ansprüchen und von der Art, wie das Ego uns selbst, die Welt und die anderen betrachtet. Das können wir aber nicht, wenn es in unserem Wesen nicht etwas anderes gibt als diese Persönlichkeit, etwas anderes als das Ego, ein apersonales Selbst, das eins ist mit allen Daseinsformen. Darum ist der erste Schritt in diesem Yoga, dass wir das Ego aufgeben, dass wir zum apersonalen Selbst und apersonalen Brahman in unserem Bewusstsein werden. (532-33)
18.51-53
Man ist fähig zum Brahman zu werden, wenn man die geläuterte Intelligenz (mit der reinen spirituellen Substanz in uns) in die Einheit eingehen lässt; wenn man sein ganzes Wesen mit festem und stetem Willen beherrscht; wenn man Verzicht übt auf den Ton und die anderen Gegenstände der Sinne; wenn man sich zurückzieht von jeder Vorliebe und Abneigung; wenn man die Abgeschiedenheit pflegt ohne egoistische Motive; wenn man enthaltsam lebt, Rede, Körper und Mental beherrscht; wenn man ständig geeint ist mit seinem innersten Selbst in der Meditation; wenn man Begehren und Bindung völlig aufgegeben hat; wenn man Egoismus, Gewalttätigkeit, Anmaßung, Verlangen, Zorn, den Sinn und Instinkt des Besitzen-Wollens abgelegt hat; wenn man frei geworden ist von „ich“ und „mein“; wenn man ruhig und heiter-gelassen ist.
Dass wir ständig unsere Zuflucht zur Meditation nehmen, dhyāna-yoga-paro nityam, ist ein sicheres Mittel, durch das die Seele des Menschen ihr Selbst der Macht ebenso wie ihr Selbst des Schweigens verwirklichen kann. Dennoch darf es dabei kein Aufgeben des aktiven Lebens zugunsten eines Lebens der reinen Meditation geben. Das Handeln muss stets als Opfer dem höchsten Geist dargebracht werden. Auf dem Pfad des Sannyasa bereitet dieser Schritt darauf vor, dass man sich völlig aus dem Leben zurückzieht und gänzlich im Ewigen aufgeht und in ihm verschwindet. Und Verzicht auf Leben und Wirken in der Welt ist ein unentbehrlicher Schritt in diesem Prozess. Dagegen ist dies auf dem Pfad der Gita, dem Tyaga, eher eine Vorbereitung darauf, dass wir unser ganzes Leben und Dasein mit all unserem Wirken hinwenden zum integralen Einssein mit dem erhabenen und unermesslichen Sein, Bewusstsein und Willen des Göttlichen. Es dient als Vorspiel und macht es möglich, dass die Seele von einem gewaltigen, totalen Aufschwung aus dem niederen Ego übergeht in die unbeschreibliche Vollkommenheit der erhabenen spirituellen Natur, parā prakṛti.
Dies entscheidende Abweichen der Gedanken der Gita wird in den nächsten beiden Versen angedeutet, von denen der erste mit einer bedeutenden Gedankenfolge so lautet: (535)
18.54
Wenn man zum Brahman wurde, wenn man, ruhig im Selbst, sich nicht mehr grämt und nicht mehr begehrt, wenn man gleichmütig allen Wesen gegenüber wurde, dann erreicht man die höchste Liebe und Verehrung zu Mir.
Auf dem engen Pfad des Wissens kann aber Bhakti, die Verehrung der persönlichen Gottheit, nur ein untergeordneter und vorläufiger Schritt sein. Das Ende, die höchste Steigerung, ist das Verschwinden der Persönlichkeit in ein gestaltloses Einssein mit dem apersonalen Brahman, worin es für Bhakti keinen Raum geben kann, denn dort gibt es niemand, der zu verehren ist, und niemand, der verehrt. Alles Übrige ist in der unerschütterlichen, schweigenden Identität des Jiva mit dem Atman verloren. Hier wird uns offenbar etwas gegeben, das höher ist als das Apersonale; hier gibt es das höchste Selbst, das der höchste Ishwara ist. Hier gibt es die höchste Seele und ihre erhabene Natur. Hier gibt es den Purushottama, der jenseits vom Personalen und Apersonalen steht und diese beiden auf seinen ewigen Höhen miteinander aussöhnt. Die Ego-Persönlichkeit verschwindet noch im Apersonalen, zugleich verbleibt aber, gerade mit diesem Schweigen als seinem Hintergrund, das Wirken eines höchsten Selbstes, des Einen, der größer ist als das Apersonale. Hier gibt es nicht mehr die blinde, hinkende Aktion des Ego und der drei Gunas, stattdessen die umfassende, selbstbestimmende Entwicklung einer unendlichen spirituellen Kraft, einer freien, unermesslichen Shakti. Die ganze Natur wird zur Macht des einen Göttlichen, und alles Wirken wird zu seinem Wirken durch den Einzelnen als Kanal und Instrument. An die Stelle des Ego tritt bewusst und offenbar der wahre spirituelle Einzelne hervor in der Freiheit seines wahren Wesens, in der Macht seines überirdischen Zustands, in der Majestät und Herrlichkeit seiner ewigen Verwandtschaft zum Göttlichen –, ein unvergänglicher Wesensteil der erhabenen Gottheit, eine unzerstörbare Macht der erhabenen Prakriti, mamaivāṁśaḥ sanātanaḥ, parā prakṛtir jīva-bhūtā. Die Seele des Menschen fühlt, dass sie in der höchsten spirituellen Apersonalität eins ist mit dem Purushottama und in ihrer universalisierten Persönlichkeit eine offenbar gewordene Macht Gottes. Ihr Wissen ist ein Licht aus seinem Wissen. Ihr Wille ist eine Kraft aus seinem Willen. Ihre Einheit mit allem im Universum ist ein Spiel seines ewigen Einsseins. Der Mensch kann sich in dieser doppelten Verwirklichung, in dieser Einung beider Seiten der unbeschreiblichen Wahrheit des Seins durch eine der beiden Verwirklichungen oder durch beide seinem unendlichen Wesen nahen oder in es eingehen. Dadurch soll der befreite Mensch seine Beziehungen zu allen Wesen und die inneren und äußeren Wirkensweisen seines Geistes leben, handeln, fühlen und bestimmen, oder besser: soll er das alles durch die höchste Macht seines höchsten Selbsts bestimmt bekommen. Und in dieser einenden Verwirklichung sind Anbetung, Liebe und Hingabe nicht nur gerade noch möglich, sondern der weite, unvermeidliche und krönende Teil der höchsten Erfahrung. (535-36)
18.55
Durch die Verehrung erkennt er, wer und welche Fülle Ich bin, Meine ganze Wirklichkeit und alle Grundsätze Meines Wesens. Wer Mich so erkannt hat, der geht ein in Jenen (Purushottama).
Der Eine, der immer und ewig zu den Vielen wird, während die Vielen, die trotz ihrer scheinbaren Zerteilung immer und ewig eins sind; der Höchste, der in uns dies Geheimnis und Mysterium des Seins zur Schau stellt –, er wird durch seine Vielfalt nicht zerstreut, er wird durch sein Einssein nicht begrenzt. Dies ist das integrale Wissen, dies die versöhnende Erfahrung, die den Menschen zum befreiten Handeln befähigt, muktasya karma.
Dieses Wissen kommt, wie die Gita sagt, durch höchstes Bhakti. Wir erlangen es, wenn unser Mental über sich selbst hinauskommt, indem es die Dinge mit supramentaler und hoher spiritueller Schau erfasst, wenn auch das Herz im Einklang damit unsere mehr unwissenden Formen von Liebe und Verehrung zu einer höheren Liebe emporhebt, die still, tief und von umfassendster Erkenntnis leuchtend ist; wenn wir uns zur höchsten Seligkeit in Gott und zur grenzenlosen Anbetung, zu dem durch nichts beeinträchtigten Entzücken, zum spirituellen Ananda emporschwingen. Sobald die Seele ihre getrennte Personalität verloren hat, sobald sie Brahman geworden ist, kann sie in der wahren Person leben und das höchste, offenbarende Bhakti zum Purushottama erlangen. Dann kann sie ihn vollkommen durch die Macht ihres tiefen Bhakti der Herzenserkenntnis begreifen, bhaktyā mām abhijānāti. Das ist das integrale Wissen, wenn die unergründliche Schau des Herzens die absolute Erfahrung des Mentals vervollständigt, samagraṁ māṁ jñatva… Diese integrale Erkenntnis ist das Wissen, dass das Göttliche im Einzelnen gegenwärtig ist. Sie ist die vollkommene Erfahrung, dass der Herr insgeheim im Herzen des Menschen wohnt, dass er ihm jetzt offenbart ist als das höchste Selbst seines Seins, als die Sonne seines ganzen erleuchteten Bewusstseins, als der Gebieter und die Macht aller seiner Werke, als der göttliche Ursprung aller Liebe und Seligkeit seiner Seele, als der Liebende und der Geliebte seiner Verehrung und Anbetung. Das ist auch die Erkenntnis des im Universum ausgebreiteten Göttlichen, des Ewigen, aus dem alles hervorgeht, in dem alles lebt und sein Wesen hat, des Wissens vom Selbst und vom Geist im Kosmos, von Vasudeva, der zu allem geworden ist, was ist; des Herrn des kosmischen Daseins, der über die Werke der Natur regiert. Es ist die Erkenntnis des göttlichen Purusha, des in seiner transzendenten Ewigkeit Strahlenden. Die Gestalt seines Wesens entgeht zwar dem Denken des Mentals, doch nicht seinem Schweigen. Dieses integrale Wissen ist die vollendete lebendige Erfahrung von ihm als dem absoluten Selbst, vom erhabenen Brahman, von der höchsten Seele, von der überragenden Gottheit. Denn dies nur scheinbar beziehungslose Absolute ist zugleich, und gerade in jenem höchsten Zustand, der Geist, der die Aktivitäten des Kosmos verursacht und Herr ist über alles Seiende. So findet die Seele des befreiten Menschen ihren Eingang in den Purushottama durch eine alles harmonisierende Erkenntnis. Sie dringt in ihn ein durch vollkommene gleichzeitige Freude am transzendenten Göttlichen, am Göttlichen im einzelnen Menschen und am Göttlichen im Weltall, māṁ viśate tadanantaram. Er wird eins mit ihm in seiner Selbst-Erkenntnis und Selbst-Erfahrung; er wird eins mit ihm in seinem Sein, in seinem Bewusstsein und in seinem Willen, in der Welt-Erkenntnis und dem Welt-Antrieb und eins mit ihm im Universum und in seiner Geeintheit mit allen Geschöpfen im Weltall, eins mit ihm im Jenseits von Welt und Individuum, in der Erhabenheit des ewigen Unendlichen, śāśvataṁ padam avyayam. Dies ist der vom höchsten Bhakti erreichte Gipfel, und dies ist auch der innerste Gehalt des höchsten Wissens.
Und so wird ersichtlich, wie ein Wirken, das fortwährend, unaufhörlich und von jeglicher Art ist, ohne Herabminderung oder Aufgabe eines Teils der Aktivitäten des Lebens, nicht nur völlig verträglich sein kann mit höchster spiritueller Erfahrung, sondern dass gerade es ein kraftvolles Mittel dazu wird, diesen höchsten spirituellen Zustand von Bhakti oder Wissen zu erlangen. Nichts kann dafür positiver sein als die entsprechende Aussage der Gita: (536-38)
18.56
Und gründet er auch all seine Handlungen stets auf Mich, erlangt er durch Meine Gnade den ewigen und unvergänglichen Zustand.
Dies befreiende Handeln trägt den Charakter eines Wirkens, das in einer tiefen Einung des Willens und aller dynamischen Seiten unserer Natur mit dem Göttlichen in uns selbst und im Kosmos geschieht. Zuerst wird es als ein Opfer mit der Vorstellung vollzogen, wir selbst seien der Täter. Danach wird es ohne diese Annahme mit der Vorstellung getan, Prakriti allein sei die Handelnde. Zuletzt wird es in dem Wissen geleistet, dass diese Prakriti die erhabene Macht Gottes ist. Und nun geben wir all unsere Handlungen an ihn hin und überantworten sie ihm, wobei unsere individuelle Person nur Vermittler und Werkzeug ist. Dann geht unser Wirken direkt vom Selbst und vom Göttlichen in uns aus. Es ist ein Teil der unzerteilbaren universalen Aktion und entstammt nicht unserer Initiative; auch werden unsere Handlungen nicht von uns ausgeführt, sondern von einer unermesslichen transzendenten Shakti. Alles, was wir tun, wird für die Sache des Herrn getan, der im Herzen aller Wesen seinen Sitz hat. Es geschieht für die Gottheit im einzelnen Menschen und für die Erfüllung seines Willens in uns, für Gott in der Welt, für das Wohl aller Wesen, für die Erfüllung der Welt-Aktion und der Welt-Ziele oder, mit einem Wort, für die Sache des Purushottama. Und eigentlich wird alles von ihm durch seine universale Shakti getan. Diese göttlichen Werke, was auch ihre Form und ihr äußerer Charakter sein mag, können uns nicht binden. Sie sind vielmehr ein machtvolles Mittel, um uns aus dieser niederen Prakriti der drei Gunas emporzuheben zur Vollkommenheit der höchsten, göttlichen, spirituellen Natur. Wir können uns losmachen von den vermischten und begrenzten Dharmas und finden unsere Zuflucht im unsterblichen Dharma, das uns überkommt, wenn wir uns in all unserem Bewusstsein und Handeln einen mit dem Purushottama. Dies Einssein verleiht uns die Macht, sich in die Unsterblichkeit jenseits der Zeit emporzuschwingen. Dort werden wir in seiner ewigen Transzendenz existieren.
Wenn wir so die acht Verse aufmerksam im Licht des uns schon vom Lehrer mitgeteilten Wissens lesen, haben wir eine kurze, aber doch zusammenfassende Darstellung, die ganze wesentliche Idee, die zentrale Methode und den Kern des vollendeten Yoga der Gita. (538-39)

Das höchste Geheimnis
Der wesentliche Teil der Lehre und des Yoga ist auf diese Weise dem Schüler auf dem Feld seines Werks, auf dem Schlachtfeld, mitgeteilt worden. Nun fährt der göttliche Lehrer fort, sie auf Arjunas Handeln anzuwenden. Er tut das jedoch in einer Weise, die diese Lehre auf alles Wirken anwendbar macht. Die Worte, auf ein besonders kritisches Beispiel angewandt und zum Vorkämpfer von Kurukshetra gesprochen, haben viel umfassendere Bedeutung. Sie sind eine universale Regel für alle Menschen, die über die gewöhnliche Mentalität emporzukommen und im höchsten spirituellen Bewusstsein zu leben und zu handeln bereit sind. Sinn des Yoga der Gita ist: Wir sollen aus dem Ego und dem persönlichen Mental ausbrechen und alles in der Weite des Selbstes und des Geistes sehen. Wir sollen Gott erkennen und ihn in seiner vollständigen Wahrheit und in all seinen Aspekten verehren. Wir sollen unser ganzes Ego-Wesen der transzendenten Seele von Natur und Sein überantworten. Wir sollen das göttliche Bewusstsein besitzen und selbst von diesem in Besitz gehalten werden. Wir sollen eins sein mit dem Einen in der Universalität der Liebe und Seligkeit, des Willens und des Wissens. Wir sollen in ihm eins sein mit allen Wesen. Wir sollen unsere Handlungen als Anbetung und Opfer auf der göttlichen Grundlage einer Welt, in der alles Gott ist, und im göttlichen Zustand des befreiten Geistes leisten. Es ist ein Übergang aus der scheinbaren Wahrheit unseres Wesens zur höchsten spirituellen und wirklichen Wahrheit. In sie treten wir ein, wenn wir die vielen Beschränkungen des uns von der Einheit abtrennenden Bewusstseins und die Abhängigkeit des Mentals von Leidenschaft, Unruhe und Unwissenheit ablegen; wenn wir das geringere Licht und Wissen, Sünde und Tugend, das dualistische Gesetz und die Normen der niederen Natur aufgeben. Darum sagt der Lehrer: (540)
18.57
Weihe Mir alles, was du bist, gib all dein Handeln im bewussten Mental auf und versenke es in Mir. Mache Gebrauch vom Yoga des Willens und der Intelligenz und sei ohne Unterlass in Herz und Bewusstsein eins mit Mir.
Diese (Slokas 57-62) Zeilen enthalten den innersten Kern des Yoga und führen hin zu der ihn krönenden Erfahrung. Wir müssen sie in ihrem innersten Geist und in der ganzen Unermesslichkeit dieses Höhepunktes der Erfahrung verstehen. Die Worte drücken die vollendetste, innigste und lebendigste Beziehung aus, die zwischen Gott und Mensch möglich ist. Sie sind geladen mit der konzentrierten Kraft religiösen Fühlens, das aus der absoluten Anbetung des menschlichen Herzens entspringt, mit der Überantwortung seiner ganzen Existenz, seiner vorbehaltlosen und vollkommenen Selbst-Hingabe an die transzendente und universale Gottheit, der der Mensch entstammt und in der er lebt. Dieser Überschwang des Gefühls steht völlig im Einklang mit dem hohen, dauernden Rang, in den die Gita Bhakti erhebt: Liebe zu Gott, Anbetung des Höchsten als des innersten Geistes, Liebe als das Motiv zur hohen, entscheidenden Tat und als Krone und Kern der tiefsten Erkenntnis. Die verwendeten Sätze und das spirituelle Gefühl, in dem sie schwingen, messen offensichtlich der persönlichen Wahrheit und Gegenwart der Gottheit den höchsten Vorrang und die größte Bedeutung bei, die möglich sind. Dieser Gott ist nicht das abstrakte Absolute des Philosophen. Er ist nicht die unbeteiligte apersonale Gegenwart oder das erhabene Schweigen, das keine Beziehungen duldet. Ihm kann vielmehr unser ganzes Wirken vollständig überantwortet werden. Mit ihm erfahren wir in allen Bereichen unseres bewussten Seins die Nähe und Innigkeit des Geeintseins, das uns als Voraussetzung unserer Vervollkommnung und als deren Gesetz auferlegt wird. Von ihm empfangen wir die Verheißung, dass er mit göttlicher Macht eingreifen, uns beschützen und erlösen will. Diese eindringliche und uns tief bewegende Botschaft kann uns allein der Meister unseres Wirkens, der Freund und Liebende unserer Seele, der vertraute Geist unseres Lebens, der in unserem Inneren und über uns wohnende Herr all unseres personalen und apersonalen Selbsts und unserer Natur zusprechen. (541)
18.58
Bist du zu allen Zeiten eins mit Mir in Herz und Bewusstsein, dann wirst du durch Meine Gnade sicher durch jeden schwierigen und gefährlichen Engpass schreiten. Willst du aber aus Egoismus nicht hören, wirst du ins Verderben sinken.
Die umfassendste, tiefste, vollständigste Erfahrung unseres Einsseins mit dem Ewigen erhalten wir durch eine ständige vereinigte Nähe unseres Herz-Bewusstseins, Mental-Bewusstseins und All-Bewusstseins, satataṁ maccittaḥ. Mit allem Nachdruck wird hier der menschlichen Seele ein innigstes Einssein in ihrem ganzen Wesen nahegelegt, das tiefgründig individuell ist in einer göttlichen Leidenschaft auch inmitten der Universalität, ja sogar auf dem Gipfel der Erhabenheit, als ihr Weg, den Höchsten zu erreichen, und als ihr Weg, die Vollkommenheit und das göttliche Bewusstsein zu besitzen, zu dem sie durch ihr Wesen als Geist berufen ist. Einsicht und Wille sollen unsere ganze Existenz in allen ihren Wesensseiten hinwenden zum Ishwara, zum göttlichen Selbst und Herrn des ganzen Seins, buddhi-yogam upāśritya. Das Herz soll jedes andere Fühlen umprägen in die Seligkeit des Einsseins mit Ihm und in die Liebe zu Ihm in allen Geschöpfen. Die spiritualisierten Sinne sollen Ihn überall sehen, hören und fühlen. Das Leben soll im Jiva absolut sein Leben sein. Alle Handlungen sollen aus dieser einzigen Macht und dieser einzigen Initiation im Willen, im Wissen, in den Organen des Handelns, in den Sinnen, in den vitalen Teilen, im Körper hervorgehen. Dieser Weg ist äußerst apersonal, da die Abgesondertheit des Ego ausgemerzt ist, damit die Seele universal werden und der Transzendenz zurückerstattet werden kann. Und dennoch ist dieser Weg durchaus persönlich, weil sich die Seele zu einer erhabenen Leidenschaft und Macht des Innewohnens und Einsseins aufschwingt. Sich dann in einer Gestaltlosigkeit auszulöschen, mag eine rigorose Forderung der mentalen Logik der Selbst-Aufhebung sein; es ist nicht das letzte Wort des höchsten Geheimnisses, rahasyam uttamam. (551)
Darum kommt diese höchste Vollkommenheit und Befreiung im Geist nicht durch ein Nirvana zustande, ein Auslöschen und die alles verneinende Vernichtung dessen, was wir hier sind, sondern durch ein Nirvana, eine Ausmerzung und negierende Vernichtung von Unwissenheit und Ego und die daraus folgende unbeschreibliche Erfüllung unseres Wissens, unseres Willens und der Sehnsucht unseres Herzens; ein emporgehobenes und unbegrenztes Leben aller Seiten unseres Wesens im Göttlichen, im Ewigen, nivasiṣyasi mayyeya, eine Umgestaltung und Übertragung unseres ganzen Bewusstseins in einen höheren inneren Zustand.
Der kritische Punkt bei dem spirituellen Problem ist der Charakter dieses Übergangs, von dem das gewöhnliche Mental des Menschen sich so schwer einen wahren Begriff machen kann. Bei ihm handelt es sich um die grundlegende Unterscheidung zwischen dem unwissenden Leben des Ego in der niederen Natur und dem umfassenden und erleuchteten Sein des befreiten Jiva in seiner eigenen spirituellen Natur. Die Absage an das erstere muss vollständig, der Übergang zum zweiten absolut sein. Dies ist eine Unterscheidung, die die Gita hier in jeder möglichen Form betont. Auf der einen Seite haben wir den ärmlichen, zitternden, prahlerischen, egoistischen Zustand des Bewusstseins, ahaṅkṛta bhāva, die verkrüppelte Enge dieser kleinen, hilflosen, vom Ursprung getrennten Persönlichkeit, nach deren Anschauungen wir gewöhnlich denken und handeln, fühlen und auf die Einwirkungen des Daseins reagieren. Auf der anderen Seite gibt es die ausgedehnten spirituellen Bereiche der unsterblichen Fülle, Seligkeit und des Wissens, in denen wir zugelassen sind durch die Einung mit dem göttlichen Sein, dessen Manifestation, Ausdruck im ewigen Licht wir dann sind und nicht mehr eine Verkleidung in der Finsternis der Ego-Natur. (543)
18.59
Vergeblich ist dein Entschluss, den du in deinem Egoismus denkst, indem du sagst: „Ich will nicht kämpfen!“ Deine Natur soll dich zu deinem Werk berufen.
Die Weigerung Arjunas, in dem ihm von Gott aufgetragenen Werk durchzuhalten, entsprang seinem Ego-Sinn, ahaṅkara. Dahinter stand eine Vermischung, eine Verwirrung, ein verwickelter Irrtum von Ideen und Antrieben des Ego aus den Bereichen von Sattwa, Rajas und Tamas: die Furcht der vitalen Natur vor der Sünde und ihren persönlichen Folgen, das Zurückschrecken des Herzens vor individuellem Kummer und Leid, die Bemäntelung der von egoistischen Impulsen durch Selbsttäuschung getrübten Vernunft mit bestechenden Argumenten von Recht und Tugend, das unwissende Zurückweichen unserer Natur vor den Wegen Gottes, weil sie von anderer Art zu sein scheinen als die Wege des Menschen und weil sie dessen nervlichen und emotionalen Seiten und seiner Intelligenz schreckliche und unangenehme Dinge auferlegen. Nun wären aber die spirituellen Folgen unendlich viel schlimmer als zuvor, da ihm jetzt eine höhere Wahrheit, ein höherer Weg und Geist für sein Handeln geoffenbart worden ist, wenn er jetzt noch, in seinem Egoismus beharrend, auf seiner vergeblichen und unmöglichen Weigerung besteht. Denn es ist ein sinnloser Entschluss, ein vergebliches Zurückscheuen, da es nur aus einem zeitweiligen Versagen seiner Kraft und einem starken, aber vorübergehenden Abweichen vom Prinzip der Kraft seines innersten Wesens herrührt, aber nicht der wahre Wille und Weg seiner Art ist. Wenn er jetzt seine Waffen wegwirft, wird er dennoch gerade durch diese seine Art dazu gezwungen werden, sie wieder aufzunehmen, sobald er sieht, dass die Schlacht und das Niedermetzeln ohne ihn, weitergehen, sobald er erkennt, dass seine Weigerung all das zerstört, für das er gelebt hat; wenn ihm klar wird, dass die große Sache, der zu dienen er geboren ist, durch Abwesenheit oder Untätigkeit ihres Vorkämpfers geschwächt wird oder in Verwirrung gerät; dass gesiegt und gequält wird dank zynisch und skrupellos angewandter Schlagkraft von Vorkämpfern eigennütziger Ungerechtigkeit. Und in dieser Gegenleistung wird es keine spirituelle Tugend geben. Es war eine Verwirrung der Gedanken und Gefühle des Ego-Mentals, die ihn zu seiner Weigerung drängten. Es wird seine Natur sein, die durch Wiederherstellung der für das Ego-Mental bezeichnenden Gedanken und Gefühle wirkt, um ihn zu zwingen, seine Weigerung zu annullieren. Und welche Richtung er auch nehmen mag, die fortgesetzte Unterwerfung unter das Ego wird zu einer schlimmeren, einer verhängnisvolleren spirituellen Verweigerung, zum Untergang führen, vinaṣṭi. Denn es wird ein endgültiger Abfall von einer Wahrheit seines Wesens sein, die höher ist als jene, der er in der Unwissenheit seiner niederen Art folgte. Er ist nun zugelassen worden zu einem höheren Bewusstsein, zu einer neuen Selbst-Verwirklichung. Ihm ist die Möglichkeit göttlichen Handelns anstelle des egoistischen gezeigt worden. Vor ihm haben sich die Tore für ein göttliches, spirituelles Leben geöffnet, anstelle eines nur intellektuellen, emotionalen, sinnlichen und vitalen Lebens. Er hat einen Ruf empfangen, er soll nicht länger blindes Werkzeug sein, sondern bewusste Seele, erleuchtete Macht, ein Gefäß für die Gottheit. (551-52)
18.60
Und was aus deiner Selbsttäuschung heraus du nicht zu tun wünschst, O Kaunteya, das wirst du gegen deinen Willen tun, gebunden durch dein eigenes Handeln, das aus deinem Swabhava entspringt.
18.61
Der Herr, O Arjuna, wohnt im Herzen aller Daseinsformen und dreht sie alle im Kreise, auf einer Maschine montiert, durch seine Maya.
Wenn wir in das innerste Selbst unseres Seins eintreten, kommen wir zu der Erkenntnis, dass in uns und in allen Menschen der eine Geist und die eine Gottheit ist, der die ganze Natur dient, die sie manifestiert, und dass wir selbst Seele von dieser Seele, Geist von diesem Geist sind; dass unser Körper ein delegiertes Ebenbild, dass unser Leben ein Schritt im Rhythmus seines Lebens, unser Mental eine Hülle seines Bewusstseins ist, unsere Sinne seine Werkzeuge, unsere Gefühle und Empfindungen das Suchen nach seiner Seins-Seligkeit, unsere Handlungen ein Mittel für seine Zwecke sind, unsere Freiheit nur ein Schatten, ein Hinweis oder eine Ahnung ist, solange wir unwissend sind, sobald wir ihn aber erkennen, eine Verlängerung und ein wirkungsvoller Vermittler seiner unsterblichen Freiheit. Unsere Meisterschaften sind ein Widerschein seiner Macht im Wirken, unsere beste Erkenntnis ist ein partielles Licht seines Wissens, der höchste, machtvollste Wille unseres Geistes ist eine Projektion und Abordnung des Willens jenes Geistes in allen Dingen, der der Meister und die Seele des Universums ist. Es ist der Herr, der im Herzen jedes Geschöpfes seinen Sitz hat, der uns bei all unserem inneren und äußeren Wirken während der Unwissenheit im Kreise drehte, als ob wir auf einer Maschine, auf dem Rad seiner Maya der niederen Natur aufmontiert wären. Und ob wir in der Unwissenheit eingetrübt oder im Wissen erleuchtet sind, es ist allein um seinetwillen in uns und in der Welt, dass wir unser Sein haben. Wenn wir bewusst und integral in dieser Erkenntnis und in dieser Wahrheit leben, entkommen wir dem Ego und brechen aus der Maya aus. Alle anderen, auch die höchsten Dharmas, sind nur Vorbereitung auf dieses Dharma. Aller Yoga ist nur ein Mittel, durch das wir zuerst zu einer gewissen Einung und zuletzt, wenn wir das volle Licht besitzen, zur integralen Einheit mit dem Meister und der höchsten Seele und dem Selbst unseres Seins gelangen können. Der vollkommenste Yoga ist, aus allen Verwirrungen und Schwierigkeiten unserer Art Zuflucht zu diesem innewohnenden Herrn aller Natur zu nehmen, sich ihm mit unserem ganzen Wesen zuzuwenden, mit Leben und Körper, Sinnen und Mental, Herz und Verstand; mit unserem ganzen ihm geweihten Wissen, Willen und Handeln, sarva-bhāvena, und auf allen Wegen unseres bewussten Selbstes und unserer instrumentalen Natur. Wenn wir dies zu allen Zeiten und völlig tun können, nimmt uns das göttliche Licht, die göttliche Liebe und die göttliche Macht ganz in Besitz, erfüllt sie das Selbst und die Instrumente und führt uns sicher durch alle Zweifel und Schwierigkeiten, Verwirrungen und Gefahren hindurch, die unsere Seele und unser Leben befallen, leitet sie uns zum erhabenen Frieden und zur spirituellen Freiheit unseres unsterblichen und ewigen Zustands, parāṁ śāntim, sthānaṁ śāśvatam. (554-55)
18.62
Zu Ihm nimm deine Zuflucht auf allen Wegen deines Seins! Durch Seine Gnade sollst du eingehen in den höchsten Frieden und ewigen Zustand.
18.63
So habe Ich dir ein Wissen mitgeteilt, das geheimer ist als alles, was verborgen ist. Wenn du gründlich darüber nachgedacht hast, handle wie du es für richtig hältst.
18.64
Höre weiter Mein allergeheimstes, Mein höchstes Wort, das Ich jetzt zu dir spreche! Zu deinem Besten sage Ich es dir, denn du bist Mir innig lieb.
Nachdem die Gita alle Gesetze, die Dharmas und das Wesentlichste ihres Yoga mitgeteilt und gesagt hat, dass jenseits jener ersten Geheimnisse, die dem Mental des Menschen durch das transformierende Licht der spirituellen Erkenntnis geoffenbart werden, guhyāt, dies eine noch tiefere, geheime Wahrheit ist, guhyataram, erklärt sie plötzlich, es gebe noch ein höchstes Wort, das sie auszusprechen hat, paramaṁ vacaḥ, das die allergeheimste Wahrheit sei, sarva-guhyatamam. Dies Geheimnis der Geheimnisse wird der Lehrer als sein höchstes Gut Arjuna vermitteln, weil er die erwählte und geliebte Seele, iṣṭa, ist. Denn offenbar ist, wie schon von der Upanishad erklärt wurde, nur die seltene Seele vom Geist erkoren, dessen eigentlichen Körper zu offenbaren, tanuṁ svām; nur sie kann zu diesem Mysterium zugelassen werden. Denn allein dieser Erwählte ist in Herz, Mental und Leben Gott nahe genug, um wahrheitsgemäß darauf in seinem ganzen Wesen reagieren und eine Praxis seines Lebens daraus machen zu können. Das letzte, das abschließende, höchste Wort der Gita, Ausdruck des tiefsten Geheimnisses, wird in zwei kurzen, direkten und einfachen Slokas ausgesprochen, die sie ohne weiteren Kommentar und Ergänzung in das Mental einsinken lässt, damit sie ihre Sinnfülle der Seelenerfahrung enthüllen. Allein diese innere, sich unablässig ausweitende Erfahrung kann die unendliche Sinnfülle offenbar machen, durch die diese Worte, die an sich scheinbar so leicht und einfach sind, für immer gewichtig bleiben. Und während sie nun mitgeteilt werden, fühlen wir, dass die Seele des Schülers die ganze Zeit über nur auf sie vorbereitet worden und alles Übrige nur eine sie erleuchtende und auf sie hinführende Disziplin und Lehre war. Dies Geheimnis der Geheimnisse, diese höchste und unmittelbare Botschaft des Ishwara, lautet: (555-56)
18.65
Sei Mir zugeneigt! Werde Mein Mich Liebender und Verehrender, ein Mir Opfernder! Verneige dich vor Mir! Dann wirst du zu Mir gelangen. Dies ist Mein Wort und Versprechen an dich, denn du bist Mir lieb.
18.66
Gib alle Dharmas auf und nimm deine Zuflucht allein zu Mir! Ich werde dich von aller Sünde und allem Übel befreien, sei unbekümmert!
Die Gita hat durchweg auf einer umfassenden und wohlausgebauten Yoga-Disziplin bestanden, auf einem weiten und klar entworfenen philosophischen System, auf Swabhava und Swadharma, auf dem sattwischen Gesetz des Lebens, das durch selbstüberschreitende Ekstase aus sich heraus zum freien spirituellen Dharma unsterblichen Seins führt, in seinen Ausdehnungen äußerst weit und hoch-erhaben ist über der Begrenzung selbst dieser höchsten Qualität. Sie hat viele Regeln und Mittel, Ratschläge und Bedingungen zur Vervollkommnung eingeschärft. Und nun scheint sie plötzlich aus ihrem eigenen Gebäude auszubrechen und spricht zur menschlichen Seele: „Gib alle Dharmas auf! Gib dich selbst allein dem Göttlichen, der erhabenen Gottheit über dir, um dich herum und in dir! Das ist alles, was du brauchst. Das ist der wahre und beste Weg, die wirkliche Erlösung.“ Der Meister der Welten in der Gestalt des göttlichen Wagenlenkers und Lehrers von Kurukshetra hat dem Menschen die herrlichen Wirklichkeiten von Gott, Selbst und Geist geoffenbart, das Wesen der komplexen Welt, die Beziehung zwischen Mental, Leben, Herz, Sinnen des Menschen und dem Geist. Er hat ihm die erfolgreichen Mittel kundgetan, durch die er, mit Hilfe seiner spirituellen Selbst-Disziplin und seines Bemühens, aus der Sterblichkeit in die Unsterblichkeit, aus seinem begrenzten mentalen Sein in sein unendliches spirituelles Sein emporkommen kann. Und nun, da er als der Geist und Gott im Menschen und in allen Dingen zu ihm redet, sagt er zu ihm: „Alle persönliche Mühe und Selbst-Disziplin werden letztlich nicht gebraucht. Alles Befolgen von Regeln, alle Begrenzungen durch sie und das Dharma können schließlich als hinderlicher Ballast abgeworfen werden, wenn du die völlige Überantwortung an Mich vollbringen kannst. Hänge allein vom Geist und von der Gottheit in dir und allen Dingen ab und vertraue allein ihrer Führung! Wende dein ganzes Mental Mir zu und erfülle es mit Gedanken an Mich und Meine Gegenwart! Kehre dein ganzes Herz völlig Mir zu, mache aus jeder deiner Handlungen, welche es auch sei, ein Opfer und eine Darbringung an Mich! Hast du das getan, dann überlasse es Mir, Meinen Willen mit deinem Leben, deiner Seele und deinem Handeln zu erfüllen! Sei nicht bekümmert oder beunruhigt darüber wie Ich mit deinem Mental, Herz, Leben und Wirken umgehe! Gerate nicht außer dir, weil sie nicht den Gesetzen und Dharmas zu folgen scheinen, die sich der Mensch auferlegt, um seinen begrenzten Willen und seine Intelligenz damit zu führen! Meine Wege sind die Wege vollkommener Weisheit, Macht und Liebe, die alle Dinge kennt und alle ihre Bewegungen im Hinblick auf ein vollkommenes Ergebnis am Ende kombiniert. Denn um die vielen Fäden zur integralen Vollkommenheit zu glätten und miteinander zu verweben, bin Ich hier bei dir in deinem Kampfwagen, dir geoffenbart als der Meister des Seins in deinem Inneren und außerhalb von dir. Ich wiederhole dir die unbedingte Zusicherung, die unfehlbare Verheißung: Ich will dich zu Mir hinführen, durch allen Kummer und alles Böse hindurch und über das alles hinaus. Was für Schwierigkeiten und Verwirrungen auch aufkommen mögen, sei dessen sicher: Ich führe dich zu einem vollendeten göttlichen Leben im Allumfassenden und zu einem unsterblichen Sein im erhabenen Geist.“
Diese geheime Weisung, guhyam, die uns jede tiefe spirituelle Erkenntnis offenbart, die die verschiedenen Lehren widerspiegeln, die gerechtfertigt wird in der Erfahrung der Seele, ist für die Gita das Geheimnis des spirituellen Selbsts, das in unserem Inneren verborgen ist. Das Mental und die äußere Natur sind nur Manifestationen oder Abbilder davon. Es ist das Geheimnis der ständigen Beziehungen zwischen Seele und Natur, Purusha und Prakriti, das Geheimnis vom innewohnenden Gott, der der Herr allen Seins und vor uns verhüllt ist in seinen Formen und Bewegungen. Das sind die Wahrheiten, die in vielen Darstellungen von Vedanta, Sankhya und Yoga gelehrt werden und in den früheren Kapiteln der Gita in einer Synthese zusammengefasst sind. Und trotz all ihrer scheinbaren Unterschiede sind sie doch eine einzige Wahrheit. Die verschiedenen Methoden des Yoga sind unterschiedliche Mittel einer spirituellen Selbst-Disziplin, durch die unser unruhiges Mental und unser blindes Leben zur Stille gebracht und diesem Einen mit seinen vielen Aspekten zugewandt werden. Die verborgene Wahrheit des Selbstes und Gottes wird uns dadurch so wirklich und nahegebracht, dass wir entweder bewusst in ihr leben und daheim sein können oder unsere gesonderten Selbste in dem Ewigen verlieren können und überhaupt nicht mehr unter dem Zwang der Unwissenheit stehen.
Die geheimere Sache, guhyataram, die von der Gita entwickelt wird, ist die tiefe, alle Gegensätze aussöhnende Wahrheit vom göttlichen Purushottama, der zugleich Selbst und Purusha, das höchste Brahman und eine einzige, vertraute, geheimnisvolle, erhabene Gottheit ist. Das verschafft dem Denken eine umfassendere, tiefer verstehende Grundlage für die letzte Erkenntnis. Der spirituellen Erfahrung bringt es einen höheren, in vollem Maße verstehenden und verständlichen Yoga. Dies tiefere Mysterium gründet sich auf das Geheimnis der höchsten spirituellen Prakriti und des Jiva, der ein ewiger Wesensteil des Göttlichen in jener ewigen und in dieser manifestierten Natur ist, ein einziger Geist und eine einzige Wesenheit mit ihm in seinem unwandelbaren Selbst-Sein. Diese tiefere Erkenntnis wird von denen übersehen, die in der spirituellen Erfahrung zwischen dem Jenseitigen und dem, was hier ist, grundlegend unterscheiden. Denn der Transzendente jenseits der Welten ist zugleich auch Vasudeva, der alle Dinge in allen Welten ist. Er ist der Herr, der im Herzen jeder Kreatur waltet, und das Selbst von allem Seienden und der Ursprung und die erhabene Bedeutung von allem, was er in seiner Prakriti aus sich herausgestellt hat. Er ist in seinen Vibhutis manifestiert. Er ist der Geist in der Zeit, der über die Aktion in der Welt gebietet. Er ist die Sonne allen Wissens und der Liebende und Geliebte der Seele. Er ist der Meister allen Wirkens und Opferns. Das Ergebnis dessen, dass wir uns im Innersten für dieses tiefere, wahre, verborgene Mysterium öffnen, ist der Yoga der Gita, der Yoga integralen Wissens, integralen Wirkens und integralen Bhaktis. Er ist eine simultane Erfahrung von spiritueller Universalität und einer freien und vervollkommneten spirituellen Individualität, von völliger Einung mit Gott und innerstem Wohnen in ihm. Das ist zugleich der Rahmen für die Unsterblichkeit der Seele und für die Förderung und Macht unseres befreiten Wirkens in der Welt und im Körper.
Und nun kommt das höchste Wort und die allergeheimste Sache, guhyatamam: Geist und Gott sind ein Unendliches, frei von allen Dharmas. Obwohl er die Welt nach festgelegten Gesetzen regiert und die Menschen hindurchführt durch seine Dharmas von Unwissenheit und Wissen, von Sünde und Tugend, von Recht und Unrecht, von Zuneigung und Abneigung, von Gleichgültigkeit, Lust und Schmerz, von Freude und Leid und der Zurückweisung dieser Gegensätze, durch seine physischen und vitalen, intellektuellen, emotionalen, ethischen und spirituellen Formen, Regeln und Maßstäbe, stehen doch Geist und Gott jenseits von diesen Dingen. Wenn auch wir Menschen alle Abhängigkeit von den Dharmas von uns abwerfen und uns diesem freien und ewigen Geist überantworten können, wenn wir uns nur darum kümmern, wie wir uns absolut und ausschließlich für ihn offenhalten, wenn wir allein dem Licht, der Macht und Seligkeit des Göttlichen in uns vertrauen, wenn wir ohne Furcht und Sorge nur seine Führung annehmen, dann ist dies unsere wahrste und größte Befreiung. Es bringt uns die unbedingte und unausbleibliche Vervollkommnung unseres Selbstes und unserer Natur. Das ist der Weg, der den vom Geist erwählten Menschen angeboten wird –, nur jenen, an denen er seine innige Freude hat, weil sie ihm am nächsten stehen, zum Einssein mit ihm am ehesten fähig sind, weil sie ihm gleich sind, weil sie in freier Zustimmung und Übereinstimmung mit der Natur in deren höchster Macht und Bewegung universal werden in ihrem Seelen-Bewusstsein; weil sie transzendent geworden sind im Geist. (556-59)
18.67
Nie sollst du hierüber zu jemandem sprechen, der nicht Askese übt, nie zu jemand, der nicht verehrt, nie zu dem, der nicht dient. Und gewiss nicht zu dem, der Mich verachtet und Meiner spottet (der Ich im menschlichen Körper wohne).
18.68
Doch wer in tiefster Verehrung für Mich dies erhabene Geheimnis unter Meinen Verehrern verkündigt, gelangt gewiss zu Mir.
18.69
Und es gibt niemanden unter den Menschen, der Mir Lieberes täte, und niemand in dieser Welt wird Mir lieber sein.
18.70
Wer sich in dieses unser heiliges Zwiegespräch vertieft, von dem werde Ich verehrt mit dem Opfer des Wissens.
18.71
Auch wer, erfüllt von Glauben und ohne Widerspruch, auf diese Botschaft lauscht, wird befreit und erlangt die seligen Welten des Gerechten.
18.72
Ist dies alles von dir, O Partha, mit einem konzentrierten Mental aufgenommen worden? Ist deine Selbsttäuschung, O Dhananjaya, die begründet war in Unwissenheit, nun beseitigt?
18.73
Arjuna sprach:
Beseitigt ist meine Selbsttäuschung. Durch Deine Gnade, O Du Unfehlbarer, habe ich meine Erinnerung wiedergewonnen. Nun bin ich stark, und meine Zweifel sind zerstreut. Ich werde nach Deinen Worten handeln.
Nun ist der ganze Yoga geoffenbart. Das große Wort der Lehre ist mitgeteilt. Arjuna, die erwählte menschliche Seele, wird noch einmal auf das göttliche Handeln hingewiesen, nun aber nicht mehr in seinem egoistischen Mental, sondern in dieser höchsten Selbst-Erkenntnis. Der Vibhuti ist bereit für das göttliche Leben in seinem menschlichen Leben; sein bewusster Geist ist bereit für das Wirken der befreiten Seele, muktasya karma. Zerstört ist die Illusion des Mentals. Die Erinnerung an ihr Selbst und an ihre Wahrheit, die so lange durch die irreführenden Trugbilder und Gestaltungen unseres Lebens verborgen waren, ist in die Seele zurückgekehrt und zu ihrem normalen Bewusstsein geworden. Aller Zweifel und die Verwirrung sind vorbei. Die Seele kann sich an die Ausführung des Befehls machen und gehorsam das Werk für Gott und die Welt tun, das ihr vom Meister unseres Wesens bestimmt und zugewiesen wird, vom Geist und von Gott, der sich selbst in der Zeit und im Universum durch sich selbst zur Erfüllung bringt. (561)
18.74
Sanjaya sprach:
So vernahm ich dies wunderbare Gespräch zwischen Vasudeva und Partha, der großen Seele, und es ließ mir die Haare zu Berge stehen.
18.75
Durch Vyasas Gnade erfuhr ich diesen Yoga, der das höchste Geheimnis ist, unmittelbar von Krishna, dem göttlichen Meister des Yoga, der es selbst verkündigt hat.2
18.76
O König, wenn ich dessen gedenke und mich immer wieder dieser wunderbaren und heiligen Zwiesprache zwischen Keshava und Arjuna erinnere, bin ich stets von neuem entzückt.
18.77
Auch wenn ich immer wieder dieser wunderbaren Gestalt von Hari gedenke, O König, bin ich stets aufs neue entzückt.
18.78
Wo auch immer Krishna ist, der Meister des Yoga, und wo immer Partha ist, der Bogenschütze, dort sind zweifellos Ruhm, Sieg und Gedeihen. Und dort steht auch die unwandelbare Gerechtigkeit.
Die Botschaft der Gita, das Wort ihres göttlichen Lehrers, können wir so zusammenfassen: „Das Geheimnis des Handelns ist eines mit dem Geheimnis allen Lebens und Daseins. Sein ist nicht nur ein Mechanismus der Natur, das Rad eines Gesetzes, in das die Seele für einen Augenblick oder für lange Zeiten verwickelt ist. Es ist eine ständige Manifestation des Geistes. Leben ist nicht nur da um des Lebens willen, sondern für Gott; und die lebendige Seele des Menschen ist ein ewiger Bestandteil der Gottheit. Handeln geschieht um der Selbst-Findung, um der Selbst-Erfüllung willen, wegen der Selbst-Verwirklichung und nicht nur wegen seiner äußeren oder sichtbaren Früchte des Augenblicks oder der Zukunft. Es gibt ein inneres Gesetz und einen inneren Zweck aller Dinge, abhängig von der höchsten Natur des Selbsts wie auch von seiner manifestierten Natur. Dort liegt die wahre Wahrheit des Wirkens. In den äußeren Erscheinungen des Mentals und seines Wirkens kann sie nur beiläufig, unvollkommen und durch die Unwissenheit verkleidet dargestellt werden. Darum ist es höchstes, fehlerloses und umfassendstes Gesetz des Handelns, die Wahrheit unseres eigenen höchsten und innersten Daseins herauszufinden und in ihr zu leben. Es gilt nicht, irgendeiner äußeren Norm oder einem solchen Dharma zu folgen. Solange wir das tun, muss alles Leben und Handeln etwas Unvollkommenes und Schwieriges, ein Ringen und ein Problem sein. Nur wenn du dein wahres Selbst entdeckst und im Einklang mit seiner wirklichen Wahrheit, seiner wahren Wirklichkeit lebst, kann das Problem endgültig gelöst, die Schwierigkeit und das Ringen überwunden werden, kann alles, was du tust, vervollkommnet werden und sich in der Sicherheit des entdeckten Selbstes und Geistes in ein verbürgtes göttliches Wirken verwandeln. Erkenne also dein Selbst! Erkenne, dass dein wahres Selbst Gott ist und eins ist mit dem Selbst aller Menschen! Erkenne, dass deine Seele ein Wesensteil Gottes ist! Lebe in dem, was du weißt! Lebe im Selbst! Lebe in deiner höchsten spirituellen Art! Sei mit Gott geeint und Gott gleich! Bringe zuerst dein ganzes Wirken dem Erhabenen und dem Einen in dir und dem Erhabenen und dem Einen in der Welt als ein Opfer dar! Überantworte schließlich alles, was du bist und tust, in seine Hand, damit der höchste und universale Geist durch dich seinen Willen und sein Wirken in der Welt vollziehen kann! Das ist die Lösung, die Ich dir anbiete. Am Ende wirst du finden, dass es keine andere gibt.“ (572)

1 Die Frage nach der kosmischen Ordnung kommt hier auf, weil der Triumph des Asura in der Menschheit bedeutet, dass im gleichen Maß der Asura durch seinen Triumph das Gleichgewicht der Weltkräfte zerstört.
2 Sanjaya bekam vom erhabenen Vyasa die okkulte Macht des direkten Schauens und Hörens aus der Ferne von all dem, was sich auf dem Schlachtfeld von Kurukshetra ereignete, so dass er es dem blinden König Dhritarashtra berichten konnte.
Anhang
Die Botschaft der Gita
Die Botschaft der Gita, das Wort ihres göttlichen Lehrers, können wir so zusammenfassen: „Das Geheimnis des Handelns ist eines mit dem Geheimnis allen Lebens und Daseins. Sein ist nicht nur ein Mechanismus der Natur, das Rad eines Gesetzes, in das die Seele für einen Augenblick oder für lange Zeiten verwickelt ist. Es ist eine ständige Manifestation des Geistes. Leben ist nicht nur da um des Lebens willen, sondern für Gott; und die lebendige Seele des Menschen ist ein ewiger Bestandteil der Gottheit. Handeln geschieht um der Selbst-Findung, um der Selbst-Erfüllung willen, wegen der Selbst-Verwirklichung und nicht nur wegen seiner äußeren oder sichtbaren Früchte des Augenblicks oder der Zukunft. Es gibt ein inneres Gesetz und einen inneren Zweck aller Dinge, abhängig von der höchsten Natur des Selbsts wie auch von seiner manifestierten Natur. Dort liegt die wahre Wahrheit des Wirkens. In den äußeren Erscheinungen des Mentals und seines Wirkens kann sie nur beiläufig, unvollkommen und durch die Unwissenheit verkleidet dargestellt werden. Darum ist es höchstes, fehlerloses und umfassendstes Gesetz des Handelns, die Wahrheit unseres eigenen höchsten und innersten Daseins herauszufinden und in ihr zu leben. Es gilt nicht, irgendeiner äußeren Norm oder einem solchen Dharma zu folgen. Solange wir das tun, muss alles Leben und Handeln etwas Unvollkommenes und Schwieriges, ein Ringen und ein Problem sein. Nur wenn du dein wahres Selbst entdeckst und im Einklang mit seiner wirklichen Wahrheit, seiner wahren Wirklichkeit lebst, kann das Problem endgültig gelöst, die Schwierigkeit und das Ringen überwunden werden, kann alles, was du tust, vervollkommnet werden und sich in der Sicherheit des entdeckten Selbstes und Geistes in ein verbürgtes göttliches Wirken verwandeln. Erkenne also dein Selbst! Erkenne, dass dein wahres Selbst Gott ist und eins ist mit dem Selbst aller Menschen! Erkenne, dass deine Seele ein Wesensteil Gottes ist! Lebe in dem, was du weißt! Lebe im Selbst! Lebe in deiner höchsten spirituellen Art! Sei mit Gott geeint und Gott gleich! Bringe zuerst dein ganzes Wirken dem Erhabenen und dem Einen in dir und dem Erhabenen und dem Einen in der Welt als ein Opfer dar! Überantworte schließlich alles, was du bist und tust, in seine Hand, damit der höchste und universale Geist durch dich seinen Willen und sein Wirken in der Welt vollziehen kann! Das ist die Lösung, die Ich dir anbiete. Am Ende wirst du finden, dass es keine andere gibt.“
Hier ist es notwendig, dass wir den Standpunkt der Gita zu dem fundamentalen Gegensatz darstellen, zu dem sie, wie jede indische Lehre, Stellung nimmt. Es ist nicht leicht, das wahre Selbst und die Erkenntnis zu gewinnen, dass die Gottheit in unserem Inneren und in allen Wesen ist. Es ist ebensowenig leicht, diese Erkenntnis dann, wenn sie vom Mental gewonnen wird, in den Stoff unseres Bewusstseins und zur einzigen Grundlage unseres Handelns zu verwandeln. Alles Wirken wird durch den tatsächlichen Zustand unseres Wesens bestimmt; und dieser tatsächliche Zustand unseres Wesens wird durch den Zustand unseres ständig das Selbst schauenden Willens und aktiven Bewusstseins bestimmt und dessen Grundlage für die dynamische Bewegung. Das, was wir sehen, von dem wir mit unserer ganzen aktiven Natur glauben, dass wir es sind und dass unsere Beziehungen zur Welt dieses bedeuten, das ist unser Glaube, unser śraddhā; das macht uns zu dem, was wir sind. Das Bewusstsein des Menschen ist aber von doppelter Art und entspricht einer doppelten Wahrheit des Seins. Denn es gibt eine Wahrheit der inneren Wirklichkeit und eine Wahrheit der äußeren Erscheinung. Je nachdem der Mensch in der einen oder der anderen lebt, wird er ein mentales Wesen, das in menschlicher Unwissenheit lebt, oder eine Seele sein, die im göttlichen Wissen gegründet ist.
In ihrer äußeren Erscheinung ist die Wahrheit des Seins lediglich das, was wir Natur oder Prakriti nennen: eine Kraft, die sich als Gesetz und Mechanismus des Seienden auswirkt, die Welt erschafft, Gegenstand des Mentals und der Sinne ist und auch Mental und Sinne erschafft als Mittel der Beziehung zwischen Geschöpf und objektiver Welt, in der es lebt. In dieser äußeren Erscheinung erscheint der Mensch in seiner Seele, seinem Mental, seinem Leben und seinem Körper als Geschöpf der Natur, das sich von anderen Geschöpfen durch Sonderung seines Körpers, Lebens und Mentals, besonders aber durch seinen Ego-Sinn unterscheidet –, jenen subtilen Mechanismus, der für ihn konstruiert wurde, damit er sein Bewusstsein dieser starken Sonderung und Verschiedenheit absichern und zentralisieren kann. Alles in ihm, die Seele seines Mentals und dessen Wirkens ebenso gut wie das Wirken seines Lebens und seines Körpers, wird offensichtlich durch das Gesetz seiner Natur bestimmt. Es kann nicht aus diesem heraustreten, kann sich nicht auf andere Weise betätigen. Gewiss schreibt er seinem persönlichen Willen, dem Willen seines Ego, eine bestimmte Freiheit zu. Das hat aber in Wirklichkeit keine Bedeutung, da sein Ego nur ein Sinn ist, mittels dessen er sich mit der Schöpfungsform identifizieren kann, die die Natur aus ihm gemacht hat: mit dem von anderen verschiedenen Mental, Leben und Körper, die sie gebildet hat. Sein Ego ist aber selbst ein Produkt ihres Wirkens. So wie die Art seines Ego ist, so wird die Art seines Willens sein. Und im Einklang mit diesem muss er handeln, er kann nicht anders.
Dies also ist des Menschen gewöhnliches Bewusstsein von sich selbst. Dies ist sein Glaube an sein eigenes Wesen, dass er ein Geschöpf der Natur ist, ein gesondertes Ego, das Beziehungen zu anderen Wesen und zur Welt herstellt, das irgendeine Entwicklung seiner selbst zustande bringt, das jedes Wollen und Begehren, jede Idee seines Mentals befriedigt, die im Ablauf der Natur zulässig ist und mit ihrer Absicht oder ihrem Gesetz in seinem Sein übereinstimmt.
Es gibt jedoch etwas im Bewusstsein des Menschen, das mit dieser starren Formel nicht übereinstimmt. Er hat einen Glauben an eine andere und innere Wirklichkeit des Seins, der in seiner Seele größer wird, je mehr diese sich entfaltet. In dieser inneren Wirklichkeit ist die Wahrheit des Seins nicht mehr Natur, sondern Seele und Geist, viel mehr Purusha als Prakriti. Natur selbst ist nur eine Macht des Geistes, Prakriti die Kraft des Purusha. Ein Geist, ein Selbst, ein Wesen, eins in allem: das ist der Meister dieser Welt, die nur seine Teil-Manifestation ist. Dieser Geist ist der Erhalter der Natur und ihres Wirkens. Er erteilt die Zustimmung, durch die allein ihr Gesetz unumgänglich und ihre Kraft und ihr Arbeiten praktisch wirksam werden. Dieser Geist in ihr ist der Wissende, der sie erleuchtet und in uns bewusst macht. Ihm eigen ist der immanente und überbewusste Wille, der ihre Wirkensweisen inspiriert und motiviert. Die Seele des Menschen, ein Wesensteil dieser Gottheit, nimmt an ihrer Art teil. Unser Wesen ist die Manifestation unserer Seele; sie führt alles durch ihre Zustimmung aus, sie verkörpert ihr geheimes Selbst-Wissen, ihr Selbst-Bewusstsein und ihren Seins-Willen in den Regungen, Formen und Veränderungen unseres Wesens.
Die wirkliche Seele und unser Selbst sind verborgen vor unserer Intelligenz durch deren Unwissenheit hinsichtlich der inneren Dinge, durch falsche Identifikation mit unserem äußeren Mechanismus von Mental, Leben und Körper und durch das Ausgeliefert-sein an sie. Sobald sich aber die aktive Seele des Menschen von dieser Identifikation mit den Instrumenten ihrer Art zurückziehen kann, ihre innere Wirklichkeit sieht, im vollen Glauben daran leben kann, ist für sie alles verändert: Leben und Sein nehmen ein anderes Aussehen an, das Wirken bekommt einen anderen Sinn und Charakter. Unser Wesen ist dann nicht mehr dieses kleine egoistische Geschöpf der Natur; vielmehr wird es zur umfassenden Weite einer göttlichen, unsterblichen und spirituellen Macht. Unser Bewusstsein ist nicht mehr das Bewusstsein dieses beschränkten und ringenden mentalen und vitalen Geschöpfes; vielmehr wird es zu einem unendlichen, göttlichen und spirituellen Bewusstsein. Und unser Wille und Wirken sind nicht mehr Wille und Wirken dieser begrenzten Persönlichkeit und ihres Ego; vielmehr werden sie zum göttlichen und spirituellen Willen und Wirken, zum Willen und zur Macht des Universalen, des Erhabenen, des All-Selbstes und Geistes, die in freier Weise mittels der menschlichen Gestalt wirken.
„Dies ist die große Wandlung und Umgestaltung“, lautet die Botschaft der Gottheit im Menschen, des Avatars, des göttlichen Lehrers, „zu der Ich die Auserwählten berufe“. Auserwählt sind alle, die ihren Willen von der Unwissenheit der Instrumente ihrer Natur ab- und hinwenden können zur tiefen Erfahrung der Seele, zu ihrer Erkenntnis des inneren Selbstes und Geistes, zu ihrem Kontakt mit der Gottheit, zu ihrer Macht, in das Göttliche einzugehen. Erwählt sind alle, die diesen Glauben und dieses höhere Gesetz annehmen können. Dies anzuerkennen, ist allerdings schwer für den Intellekt des Menschen, der stets an seinen alten Wolkengebilden und Halblichtern der Unwissenheit und an den noch finstereren Gewohnheiten der mentalen, nervlichen und physischen Seiten festhält. Hat er aber dies Gesetz einmal empfangen, ist es ein großer, sicherer, rettender Weg, da es identisch ist mit der wahren Wahrheit des Wesens des Menschen und die verbürgte Bewegung der innersten und höchsten Natur.
Die Wandlung ist aber eine große, gewaltige Transformation. Sie kann nicht getan werden, ohne dass du dein ganzes Wesen und deine Art wandelst und umkehrst. Es ist notwendig, dass du dein Selbst, deine Natur und dein Leben vollständig dem Erhabenen weihst, nichts anderem als dem Erhabenen. Denn nun muss alles nur um des Erhabenen willen unternommen werden. Nichts darf man annehmen, es sei denn in Gott und eine Gestaltung Gottes und um des Göttlichen willen. Es wird nötig, eine neue Wahrheit anzuerkennen, dein Mental völlig hinzuwenden und hinzugeben an eine neue Erkenntnis des Selbstes, der anderen Menschen, der Welt und Gottes, der Seele und der Natur, an ein Wissen um das Einssein; ein Wissen der universalen Göttlichkeit. Zuerst wirst du das nur mit dem Verstand annehmen; schließlich muss es aber zu einer Schau werden, zu einem Bewusstsein, zu einem Dauerzustand deiner Seele und zu einem Rahmen für ihre Maßnahmen.
Notwendig wird dazu ein Wille sein, der dieses neue Wissen, Schauen und Bewusstsein zu einem Motiv des Handelns macht, zu seinem einzigen Motiv. Das darf aber kein Motiv für ein Handeln sein, das du widerstrebend nur auf die notwendigen Maßnahmen der Natur oder auf die wenigen Dinge begrenzt und einschränkst, die für eine formelle Vollkommenheit hilfreich erscheinen, etwa einer religiösen Bekehrung oder individuellen Erlösung förderlich sind. Vielmehr soll alles Wirken des menschlichen Lebens in Gleichmut unternommen und um Gottes willen und für das Wohl aller Geschöpfe geleistet werden. Notwendig wird sein, dass das Herz in einem einzigen Streben zum Erhabenen emporgehoben wird, in einer einzigen Liebe zum Göttlichen Wesen, in einer einzigen Gottes-Verehrung. Auch das still gewordene und erleuchtete Herz soll so weit geworden sein, dass es Gott in allen Wesen umarmt. Es wird eine Umwandlung der gewohnheitsmäßigen und gewöhnlichen Art des Menschen, wie sie jetzt ist, in eine höchste und göttliche spirituelle Art nötig. Mit einem Wort: Erforderlich ist ein Yoga, der zugleich ein Yoga integralen Wissens, ein Yoga des integralen Willens und seines Wirkens, ein Yoga der integralen Liebe, Anbetung und innigen Hingabe und ein Yoga integraler spiritueller Vervollkommnung des ganzen Wesens und all seiner Seiten, Zustände, Mächte und Regungen ist.
Was ist nun das für ein Wissen, das vom Verstand anerkannt, vom Glauben der Seele gefördert und zu etwas Wirklichem und Lebendigem für Mental, Herz und Leben gemacht werden soll? Es ist das Wissen von der erhabenen Seele und vom erhabenen Geist in seinem Einssein und Ganzsein. Es ist das Wissen von dem Einen, der immer und ewig ist, jenseits von Zeit und Raum, von Namen und Form und Welt, weit jenseits seiner eigenen personalen und apersonalen Bereiche, und aus dem dennoch dies alles hervorgeht, der Eine, den alles in der vielfältigen Natur und der Menge ihrer Gestaltungen offenbart. Es ist die Erkenntnis von ihm, der ein apersonaler ewiger und unwandelbarer Geist ist, das stille und grenzenlose Ding, das wir Selbst nennen, das unendlich, gelassen und immer dasselbe ist, nicht beeinträchtigt, verändert und verwandelt inmitten des ständigen Wechsels und der Mannigfaltigkeit von Personalitäten, Seelen- und Natur-Mächten, von den Gestaltungen, Kräften und Zufälligkeiten dieses vergänglichen sichtbaren Daseins. Zugleich ist dieses Wissen auch die Erkenntnis von ihm als dem Geist und der Macht, die in der Natur stets veränderlich zu sein scheint; dem Innewohnenden, der sich zu jeder Form gestaltet, der sich zu jeder Stufe und zu jedem Grad und zu jeder Aktivität seiner Macht verändert; dem Geist, der zu allem wird, was ist, während er immer unendlich mehr ist als alles, was ist, der im Menschen, im Tier und im Ding wohnt, der Subjekt und Objekt ist, Seele und Mental, Leben und Materie, der jedes Seiende, jede Kraft und jede Kreatur ist.
Diesen Yoga kannst du nicht dadurch praktizieren, dass du dich nur auf diese oder jene Seite der Wahrheit festlegst. Das Göttliche, das du suchen sollst, das Selbst, das du zu entdecken hast, die erhabene Seele, deren ewiger Bestandteil deine Seele ist, all diese Dinge ist Er zugleich. Du sollst sie alle zusammen in höchstem Einssein erkennen, zugleich in sie alle eingehen, in allen ihren Zustandsformen und in allen Dingen Ihn allein wahrnehmen. Wäre er nur der in der Natur veränderliche Geist, dann gäbe es nur ein ewiges und universales Werden. Beschränkst du deinen Glauben und deine Erkenntnis nur auf diesen einen Aspekt, wirst du niemals über deine Persönlichkeit und ihre ständig wechselvollen Gestaltungen hinauskommen. Auf solcher Grundlage wärst du ganz und gar in den Umwälzungen der Natur gebunden. Du bist aber nicht nur eine Aufeinanderfolge von Seelen-Augenblicken in der Zeit. Es gibt in dir ein apersonales Selbst, das den Strom deiner Persönlichkeit trägt und eins ist mit Gottes unermesslichem und apersonalem Geist. Und unberechenbar jenseits dieser Persönlichkeit und Apersonalität bist du, beide ständigen Pole dessen, was du hier bist, beherrschend, ewig und erhaben in der Ewigen Transzendenz.
Gäbe es wiederum nur die Wahrheit eines ewigen apersonalen Selbsts, das weder handelt noch erschafft, dann wären die Welt und deine Seele Illusionen ohne jede wirkliche Grundlage. Beschränkst du deinen Glauben und deine Erkenntnis nur auf diesen alleinigen Aspekt, dann bleibt dir als einzige Hilfe nur, Leben und Handeln zu entsagen. Gott in der Welt und du in der Welt sind jedoch Wirklichkeiten. Die Welt und du sind wahre und wirkliche Mächte und Offenbarungen des Erhabenen. Nimm deshalb Leben und Handeln an und weise sie nicht zurück! Eins geworden mit Gott in deinem apersonalen Selbst und Wesen, ewiger Wesensteil der Gottheit, ihm zugewandt durch die Liebe und Anbetung deiner spirituellen Persönlichkeit um ihres eigenen Unendlichen willen, sollst du dein natürliches Wesen zu dem machen, wozu es bestimmt ist: zu einem Instrument für das Wirken Gottes, zu einem Vermittler und einer Macht des Göttlichen. Das ist es immer in seiner Wahrheit, aber hier und jetzt nur unbewusst und unvollkommen, durch die niedere Natur zu einer Entstellung der Gottheit durch dein Ego verurteilt. Mache also deine spirituelle Persönlichkeit bewusst und vollkommen und ohne alle Entstellung durch dein Ego zu einer Macht des Göttlichen in seiner erhabenen spirituellen Art und zum Träger seines Willens und seines Wirkens! Auf diese Weise wirst du in der integralen Wahrheit deines eigenen Wesens leben und die integrale Einheit mit Gott besitzen, den ganzen und makellosen Yoga.
Der Erhabene ist der Purushottama, ewig jenseits aller Manifestation, unendlich erhaben über alle Begrenzung durch Zeit, Raum und Kausalität oder irgendeine seiner zahllosen Eigenschaften und Eigenarten. Das bedeutet aber nicht, dass er in seiner erhabenen Ewigkeit ohne Verbindung wäre zu allem, was hier vorgeht, abgeschnitten von der Welt und der Natur, hoch erhaben über all diesen Wesen. Er ist das höchste, erhabene Brahman, er ist apersonales Selbst; er ist alle persönliche Daseinsformen. Der Geist hier, Leben und Materie, Seele und Natur und die Werke der Natur sind Aspekte und Bewegungen seines unendlichen und ewigen Seins. Er ist der erhabene transzendente Geist. Alles tritt aus ihm in die Manifestation hervor. Alle Wesen sind seine Gestaltungen und Selbst-Mächte. Als das eine Selbst durchdringt er hier alles. Er ist gleich und apersonal in Mensch, Tier und Ding, im Gegenstand und in jeglicher Kräfte der Natur. Er ist die erhabene Seele; alle anderen Seelen sind die nie-erlöschenden Flammen dieser einen Seele. In ihrer spirituellen Persönlichkeit sind alle lebenden Wesen unsterbliche Wesensteile der einen Person oder des Purusha. Er ist der ewige Meister des ganzen manifestierten Seins, Herr der Welten und ihrer Geschöpfe. Er ist der allmächtige Urheber jeglichen Handelns, durch seine Taten nicht gebunden. Zu ihm geht alles Handeln, Mühen und Opfern. Er ist in allem, und alle sind in ihm. Er ist zu allen geworden, und doch steht er auch über allen und ist durch seine Schöpfungen nicht begrenzt. Er ist das transzendente Göttliche. Er kommt hernieder als der Avatar. Er ist durch seine Macht in dem Vibhuti offenbar. Er ist die geheime Gottheit in jedem menschlichen Wesen. Alle Götter, die die Menschen verehren, sind nur Persönlichkeiten und Gestaltungen, Namen und mentale Verkörperungen des einen Göttlichen Seins.
Der Erhabene hat die Welt aus seiner spirituellen Wesenheit und innerhalb seines eigenen unendlichen Seins geoffenbart. Er hat auch sich verschiedenartig in der Welt manifestiert. Alle Dinge sind seine Mächte und Gestaltungen. Seiner Mächte und Gestaltungen gibt es kein Ende, denn er selbst ist unendlich. Diese ganze unendliche Manifestation in der Zeit und im Universum durchformt er als ein sie durchdringendes und sie in sich enthaltendes apersonales Selbst-Sein ausgeglichen und ohne jede Parteilichkeit, Bevorzugung oder Gebundenheit an eine Person, eine Sache, ein Geschehnis oder eine besondere Gestaltung. Dies reine, ausgeglichene Selbst handelt nicht; vielmehr trägt es unparteiisch alle Aktivitäten der Dinge. Dennoch ist es der Erhabene, der als der kosmische Geist und als der Zeit-Geist das Wirken der Welt durch seine vielfältige Macht-zum-Sein lenkt und bestimmt – durch jene Macht des Geistes, die wir Natur nennen. Er erschafft, erhält und zerstört, was er erschafft. Er hat auch seinen Sitz im Herzen jedes lebenden Geschöpfes. Von dort aus bringt er als geheime Macht im Einzelnen nicht weniger als von seiner universalen Gegenwart im Kosmos her durch die Kraft der Natur hervor, offenbart er einen besonderen Zug seines Mysteriums als Eigenschaft der Natur und als ausführende Kraft in ihr, gestaltet er jedes Ding und Wesen gesondert im Einklang mit seiner Art, gibt er Anstoß und Unterstützung zu jeder Aktion. So macht diese erhabene Ur-Schöpfung vom Höchsten her und Dessen ständige allumfassende und individuelle Offenbarung in den Dingen und Wesen den komplexen Charakter des Kosmos aus.
Immer gibt es diese drei ewigen Zustandsformen des Göttlichen Seins: Immer und ewig gibt es dieses eine ewige, unwandelbare Selbst-Sein, das Grundlage und Stütze der vorhandenen Dinge ist. Immer und ewig gibt es den veränderlichen Geist in der Natur, der durch sie manifestiert wird als alle Daseinsformen. Immer und ewig gibt es das transzendente Göttliche, das beides zugleich sein kann: reiner schweigender Geist und auch aktive Seele und Leben der Zyklen des Weltalls. Denn er ist noch mehr und etwas anderes als diese beiden, ob getrennt genommen oder zusammengefasst. In uns ist der Jiva, ein Geist seines Geistes, eine bewusste Macht des Erhabenen. Er ist der eine, der in seinem tiefsten Selbst das Ganze des immanenten Göttlichen trägt und in der Natur lebt, im universalen Göttlichen – keine zeitlich vergängliche Schöpfung, sondern eine ewige Seele, die im ewigen Selbst, im ewigen Unendlichen wirkt und sich bewegt.
Diese bewusste Seele in uns kann jede dieser drei Zustandsformen des Geistes annehmen. Der Mensch kann hier in der Veränderlichkeit der Natur, und allein in ihr, leben. Unwissend hinsichtlich seines wirklichen Selbstes, unwissend bezüglich der Gottheit in seinem Inneren, kennt er nur die Natur. Er sieht sie als eine mechanisch vollziehende und schöpferische Kraft und betrachtet sich und die anderen als deren Schöpfungen –, als Egos, gesonderte Existenzen in ihrem Universum. Derart oberflächlich lebt er jetzt. Solange das so ist und er nicht über das äußere Bewusstsein hinauskommt und weiß, was in ihm ist, kann all sein Denken und seine Wissenschaft nur ein Schatten des Lichtes sein, das auf Bildschirme und Wandflächen projiziert wird. Die Unwissenheit ist möglich, ist ihm sogar auferlegt, weil die Gottheit in seinem Inneren durch den Schleier ihrer eigenen Macht verborgen ist. Ihre größere Wirklichkeit ist unserem Blick nur dadurch verlorengegangen, dass Gott sich so vollständig mit seinen Geschöpfen und Abbildern in einer partiellen Erscheinung identifiziert und das erschaffene Mental im täuschenden Wirken seiner eigenen Natur so ganz hat aufgehen lassen. Und es ist auch deshalb möglich, weil die wirkliche, die ewige, die spirituelle Natur, die in den Dingen als deren Geheimnis ist, nicht in deren äußeren Erscheinungsformen manifest hervortritt. Die Natur, die wir hier sehen, wenn wir nach außen blicken, die Natur, die in unserem Mental, in Körper und Sinnen wirkt, ist eine niedere Kraft, etwas Abgeleitetes, ein Zauberer, der Formen des Geistes erschafft, aber den Geist in dessen Gestalten verbirgt, die Wahrheit verheimlicht und die Menschen dazu bringt, auf Masken zu schauen. Sie ist eine Kraft, die nur eine Anzahl sekundärer und herabgeminderter Werte zustande bringen kann, aber nicht imstande ist, die Macht, Herrlichkeit, Ekstase und Lieblichkeit des Göttlichen zu manifestieren. Diese Natur in uns ist eine Maya des Ego, ein Gewirr von Gegensätzlichkeiten, ein Gewebe aus Unwissenheit und den drei Gunas. Solange die Seele des Menschen in der oberflächlichen Tatsachenwelt von Mental, Leben und Körper lebt, kann er Gott, sich selbst und die Welt nicht so erkennen, wie sie wirklich sind, kann er diese Maya nicht überwinden, muss er vielmehr das tun, was er mit deren Begriffen und Formen fertigbringen kann.
Wenn sich ein Mensch aus der niederen Tendenz seiner Art, in der er jetzt lebt, zurückzieht, kann er aus diesem Licht, das eine Finsternis ist, erwachen und in der leuchtenden Wahrheit des ewigen unwandelbaren Selbst-Seins leben. Dann ist er nicht mehr in das enge Gefängnis seiner Persönlichkeit eingeschlossen, sieht er sich selbst nicht mehr als das kleine „Ich“, das für einen geringen Lohn denkt und handelt, fühlt und ringt und sich abmüht. Er ist in der unermesslichen, freien Apersonalität reinen Geistes aufgegangen. Er wird zum Brahman. Er weiß sich eins mit dem einen Selbst in allen Dingen. Er ist sich seines Ego nicht mehr bewusst, wird nicht mehr durch die Seinsweisen beeinträchtigt, empfindet nicht mehr die Pein der Sorge, die Beunruhigung durch Freude, wird nicht mehr von Begehren geschüttelt, nicht mehr durch Sünde behelligt oder durch Tugend eingeengt. Falls die Schatten dieser Dinge noch bleiben, sieht und erkennt er sie als bloße Natur, die ihren Gunas gemäß wirkt. Er empfindet sie nicht als die Wahrheit seiner selbst, in der er lebt. Die Natur allein handelt und arbeitet mechanisch ihre Gestaltungen aus, der reine Geist dagegen ist still, inaktiv und frei. Ruhig und unberührt durch ihre Wirksamkeiten betrachtet er sie völlig gelassen. Er weiß, dass er etwas anderes ist als diese Dinge. Solch spiritueller Zustand bringt stillen Frieden und Freiheit mit sich, aber nicht jene dynamische Göttlichkeit, jene integrale Vollkommenheit. Er bedeutet einen großen Schritt vorwärts, doch nicht vollständige Gott-Erkenntnis und Selbst-Erkenntnis.
Die vollendete Vollkommenheit tritt erst ein, wenn wir in dem erhabenen ganzen Göttlichen leben. Dann ist die Seele des Menschen mit der Gottheit geeint, deren Wesensteil sie ist. Dann ist sie eins mit allen Wesen im Selbst und im Geist, eins mit ihnen sowohl in Gott als auch in der Natur. Sie ist dann nicht nur frei sondern vollendet, versunken in die höchste Glückseligkeit, zubereitet für ihre letzte Vollkommenheit. Noch betrachtet der Mensch das Selbst als den ewigen und unwandelbaren Geist, der schweigend alle Dinge trägt. Aber er sieht auch die Natur nicht mehr als eine rein mechanische Kraft, die die Dinge im Einklang mit dem Mechanismus der Gunas ausarbeitet, sondern als eine Macht des Geistes und als die Kraft Gottes in Manifestation. Er erkennt, dass die niedere Natur nicht die innerste Wahrheit des Wirkens des Geistes ist. Er gewahrt eine höchste spirituelle Natur des Göttlichen, die sowohl den Ursprung wie die noch zu verwirklichende größere Wahrheit all dessen enthält, was jetzt in Mental, Leben und Körper unvollkommen dargestellt ist. Hat er sich aus dem niederen Mental zu dieser höchsten spirituellen Natur emporgeschwungen, ist er dort von allem Ego befreit. Er erkennt sich als ein spirituelles Wesen, das in seinem wesenhaften Sein eins ist mit allem, was existiert, in seiner aktiven Natur eine Macht der einen Gottheit und eine ewige Seele des transzendenten Unendlichen. Er erkennt alles in Gott und Gott in allem. Er betrachtet alle Dinge als Vasudeva. Er ist von den Gegensätzen befreit – von Freude und Kummer, Erfreulichem und Unerfreulichem, Begehren und Enttäuschung, Sünde und Tugend. Für sein bewusstes Schauen und Fühlen ist hinfort alles der Wille und das Wirken des Göttlichen. Er lebt und handelt als Seele und Wesensteil des universalen Bewusstseins und der universalen Macht. Er ist erfüllt von transzendenter göttlicher Seligkeit, dem spirituellen Ananda. Sein Handeln wird zum göttlichen Handeln und sein Zustand zum höchsten spirituellen Status.

Dies ist die Lösung, dies die Erlösung, dies die Vollkommenheit, die Ich allen anbiete, die auf die göttliche Stimme in ihrem Inneren hören können und zu solchem Glauben und solcher Erkenntnis fähig sind. Damit du dich aber zu diesem überragenden Zustand emporschwingen kannst, ist erste Notwendigkeit, der erste radikale Schritt, dass du dich von allem abwendest, was zu deiner niederen Natur gehört; dass du dich durch Konzentration des Willens und der Intelligenz fest an das hältst, was höher ist als Wille und Intelligenz, höher als Mental, Herz, Sinne und Körper. Zuerst musst du dich zu deinem ewigen unwandelbaren Selbst hinwenden, das apersonal und gleich ist in allen Geschöpfen. Solange du im Ego und der mentalen Persönlichkeit lebst, wirst du dich endlos in denselben Kreisen drehen. So kannst du zu keinem wirklichen Ergebnis gelangen. Wende deinen Willen nach innen, tiefer als das Herz mit seinen Wünschen, als die Sinne und was sie anzieht. Hebe den Willen über das Mental und seine Assoziationen hinaus; über alles, was dich abhängig macht, über sein Wünschen, Denken und jeden Impuls, der dich bindet. In deinem Inneren sollst du zu etwas Ewigem gelangen, das unverändert bleibt, still und unverwirrt, gleichmütig und unparteiisch allen Dingen, Personen und Geschehnissen gegenüber, unbeeinträchtigt durch Handeln, unverändert durch die Gestaltungen der Natur. Sei dies, sei das ewige Selbst, sei Brahman! Wenn du dies durch dauernde spirituelle Erfahrung werden kannst, wirst du eine gesicherte Basis besitzen, auf der du fest stehst, befreit von den Beschränkungen durch deine vom Mental erschaffene Persönlichkeit, geschützt vor dem Absturz aus Frieden und Erkenntnis; frei vom Ego.
Solange du aber dein Ego pflegst, verwöhnst und dich an es oder an etwas anderes klammerst, das zum Ego gehört, ist es nicht möglich, dein Wesen auf diese Weise apersonal zu machen. Begehren und Leidenschaften, die aus dem Begehren aufsteigen, sind das Hauptkennzeichen des Ego und seine Verknotung. Das Begehren lässt dein Ego weiter sagen: Ich und mein eigen. Es unterwirft dich durch beharrlichen Egoismus allem, was dich zufrieden und unzufrieden macht, Zuneigung und Abneigung, der Freude und dem Kummer, den kleinlichen Gefühlen dessen, was du liebst und verabscheust, dem Zorn und der Leidenschaft, deiner Abhängigkeit von Erfolg und angenehmen Dingen sowie dem Schmerz und Kummer über Versagen und unangenehme Dinge. Immer führt das Begehren zu einer Verwirrung des Mentals, zu einer egoistischen, verzerrten Betrachtung der Dinge, zu einer Beschränkung des Willens, zum Versagen oder zur Trübung der Erkenntnis. Das Begehren mit seinem Habenwollen und seinen Gewalttätigkeiten ist die Hauptwurzel von Sünde und Irrtum. Solange du noch das Begehren in dir hegst, kann es keine gesicherte, makellose Stille, kein dauerhaftes Licht, keine ruhige, reine Erkenntnis geben. Es kann kein rechtes Wesen aufkommen – denn Begehren ist die Umkehrung des Geistes – und kein sicheres Fundament geben für richtiges Denken, Handeln und Fühlen. Wenn man dem Begehren erlaubt, dass es unter irgendeiner Tarnung in uns bleibt, ist das eine ständige Bedrohung auch für den weisesten Menschen. Es kann in jedem Augenblick auf feine oder gewalttätige Weise das Mental selbst von seinem stärksten und scheinbar sichersten Fundament hinabstürzen. Das Begehren ist der Hauptfeind spiritueller Vollkommenheit.
Töte also das Begehren! Lege alle Bindung an Besitz und Genuss äußerer Dinge ab. Trenne dich von allem, was zu dir kommt als äußere Berührung und Verführung, von den Gegenständen des Mentals und der Sinne. Lerne den ganzen Ansturm der Leidenschaften zu ertragen und zurückzuweisen, sicher zu bleiben in deinem innersten Selbst, auch wenn sie sich in deinen Gliedern austoben, bis sie schließlich damit aufhören, irgendeinen Teil deines Wesens anzugreifen. Ähnlich sollst du die starken Angriffe und selbst die leichtesten sich einschmeichelnden Anschläge von Freude und Kummer ertragen und zurückweisen. Weise Zuneigung und Abneigung von dir! Zerstöre Vorliebe und Hass! Abscheu und Widerwillen reiße samt ihren Wurzeln aus! Lass eine gelassene Neutralität diesen Dingen und allen Gegenständen des Begehrens gegenüber in deiner Natur walten. Betrachte sie alle mit dem ruhigen und gelassenen Blick apersonalen Geistes.
Daraus wird sich unbedingter Gleichmut und die Macht unerschütterlicher Ruhe ergeben, wie sie der universale Geist seinen Schöpfungen gegenüber behält, wann immer er das vielfältige Wirken der Natur beobachtet. Betrachte alles mit gleichmütigem Blick. Heiße mit gelassenem Herzen und Mental alles willkommen, was zu dir kommt: Erfolg und Fehlschlag, Ehre und Unehre, Achtung und Liebe der Menschen und ihren Spott, ihre Verfolgung, ihren Hass, jedes Ereignis, das für andere eine Ursache von Freude wäre, und jedes Ereignis, das für andere ein Grund zum Schmerz ist. Schaue mit gleichmütigem Blick auf alle Personen – auf die Guten und die Bösen, auf die Weisen und die Toren; auf den Brahminen und den Kastenlosen, auf den Menschen von höchstem Stand und auf jede armselige Kreatur! Komme mit gleicher Gelassenheit allen Menschen entgegen ohne Rücksicht auf ihre Beziehungen zu dir – dem Freund und Verbündeten, dem Neutralen und Gleichgültigen, dem Gegner und Feind; dem, der liebt, und dem, der hasst! Diese Dinge berühren das Ego; und du bist aufgefordert, vom Ego frei zu werden. Das alles sind persönliche Beziehungen. Du musst alles mit dem tiefen Blick apersonalen Geistes betrachten. Es sind vorübergehende und personale Unterschiede, die du sehen, aber von denen du nicht beeinflusst werden sollst. Denn du sollst nicht diese Unterschiede festlegen, sondern das, was dasselbe in allen ist: das eine Selbst, das alle sind, das Göttliche in allen Geschöpfen, das eine Wirken der Natur, das der gleichgesinnte Wille Gottes in Menschen, Dingen, Kräften und Ereignissen ist, in allem Bemühen und Erfolg und in allem, was sich aus der Welt-Arbeit ergibt.
Das Handeln wird in dir noch weitergehen, da die Natur stets am Wirken ist. Du sollst aber lernen und fühlen, dass dein Selbst nicht der Täter der Tat ist. Beobachte schlicht, und beobachte unbewegt das Wirken der Natur, das Spiel der Qualitäten und den Zauber der Gunas! Nimm diese Aktivitäten unbewegt in dir selbst wahr! Blicke auf alles, was um dich herum getan wird, und erkenne, dass dasselbe Wirken auch in den anderen Menschen geschieht! Beobachte, dass das Ergebnis deines und ihres Wirkens ständig etwas anderes ist, als du oder sie begehrten oder beabsichtigten. Es ist gar nicht ihr oder dein Resultat, sondern wird auf allmächtige Art von einer höheren Macht festgesetzt, die hier, in der universalen Natur, will und handelt. Werde auch dessen inne, dass selbst der dein Wirken bestimmende Wille nicht dein eigener Wille ist, sondern der Wille der Natur. Es ist der Wille des Ego-Sinnes in dir; er wird durch die in deiner Wesens-Komposition vorherrschende Guna-Eigenschaft bestimmt, die die Natur in der Vergangenheit entwickelt hat oder im Augenblick hervorbringt. Dieser Ego-Wille hängt vom Spiel deiner natürlichen Persönlichkeit ab, einer Formation der Natur, die aber nicht deine wahre Person ist. Ziehe dich also aus dieser äußersten Gestaltung zurück in dein inneres schweigendes Selbst. Dabei wirst du finden, dass du als Purusha untätig bleibst, während die Natur fortfährt, im Einklang mit ihren Gunas zu wirken. Bleibe fest im Nichthandeln und in der Stille! Halte dich nicht mehr für den Täter! Behalte in dir einen festen Stand über diesem Spiel, frei von der verworrenen Aktion der Gunas! Lebe fest in der Reinheit apersonalen Geistes, lebe unerschüttert von den Wogen der Sterblichkeit, die in deinem Organismus weiter wirken!
Wenn du das kannst, wirst du dich emporgehoben finden in eine große Erlösung, in weite Freiheit und in tiefen Frieden. Dann wirst du Gottes gewahr werden und unsterblich, im Besitz deines zeitlosen Selbst-Seins, unabhängig von Mental, Vital und Körper, deines spirituellen Wesens gewiss, unberührt von den Reaktionen der Natur, ohne Makel durch Leidenschaft und Sünde, Schmerz und Sorge. Denn dann wirst du um deiner Freude und Wünsche willen nicht mehr abhängig sein von sterblichen, äußeren oder weltlichen Dingen. Vielmehr wirst du unveräußerlich die selbst-genügsame Seligkeit eines stillen, ewigen Geistes besitzen. Dann hast du aufgehört, ein mentales Geschöpf zu sein, bist Geist geworden, unbegrenzbar, Brahman. In diese Ewigkeit des schweigenden Selbsts kannst du zuletzt hinübergehen, indem du aus deinem Mental alle Gedankensaat und jede Wurzel des Begehrens entfernst, das Ideenbild von der Geburt im Körper zurückweist, dich auf das reine Ewige konzentrierst und dein Bewusstsein auf das Unendliche, Absolute überträgst.

Das ist jedoch nicht die ganze Wahrheit des Yoga. Und obschon dies Ziel und dieser Weg des Aufbruchs groß sind, schlage Ich sie dir nicht vor. Denn Ich bin der ewig Wirkende in dir und verlange von dir Werke. Ich fordere von dir nicht passive Zustimmung zu einem mechanischen Prozess der Natur, von dem du in deinem Selbst völlig gesondert bist, neutral und distanziert. Vielmehr will Ich von dir ein vollkommenes göttliches Handeln, das du als das wollende und verstehende Werkzeug des Göttlichen ausführen sollst, das du leistest für Gott in dir und in den anderen und für das Wohl der Welt. Solches Handeln schlage Ich dir vor, zuerst zweifellos als ein Mittel zu deiner Vervollkommnung zur höchsten spirituellen Natur, aber auch als Teil dieser Vollkommenheit. Handeln ist ein Teil der integralen Erkenntnis Gottes, seiner höheren geheimen Wahrheit und eines vollendeten Lebens im Göttlichen. Darum kann und muss das Wirken auch dann fortgesetzt werden, nachdem Vollkommenheit und Freiheit gewonnen sind. Ich fordere von dir das Handeln als Jivamukta, die Werke des Siddha. Zu dem Yoga, der bisher beschrieben wurde, muss noch ein weiteres hinzugefügt werden, denn das war nur ein erster Yoga des Wissens. Darüber hinaus gibt es noch einen Yoga des Wirkens in der Erleuchtung der Gott-Erfahrung. Das Wirken kann mit dem Wissen zu einem einzigen Geist geeint werden. Denn die Werke, die in einer völligen Schau des Selbstes und in der Schau Gottes vollzogen werden – in einer Schau Gottes in der Welt und der Welt in Gott – sind an sich ein Vorgang des Wissens, eine Bewegung von Licht, ein unentbehrliches Mittel und ein innerer Bestandteil der spirituellen Vollkommenheit.
Füge deshalb der Erfahrung hoher Apersonalität nun auch diese Erkenntnis hinzu: Den Erhabenen, dem man als dem reinen schweigenden Selbst begegnet, kann man auch als den unermesslichen dynamischen Geist antreffen, der alles Wirken verursacht, als den Herrn der Welten und den Meister des menschlichen Wirkens, Bemühens und Opferns. Der nur scheinbar selbsttätige Mechanismus der Natur birgt in sich einen innewohnenden göttlichen Willen, der ihm gebietet, ihn lenkt und ihm seine Ziele vorschreibt. Du kannst aber jenen Willen so lange nicht fühlen oder erkennen, als du noch in der engen Gefängniszelle deiner Persönlichkeit eingeschlossen bist, blind und angekettet an deine vom Ego und vom Begehren bestimmte Anschauung. Denn erst dann kannst du diesem Willen völlig entsprechen, wenn du durch das Wissen die Apersonalität erlangt hast und so umfassend wurdest, dass du alle Dinge im Selbst und in Gott und das Selbst und Gott in allen Dingen schaust. Alles tritt hier durch die Macht des Geistes ins Werden ein. Alle Wesen üben ihr Wirken aus durch die Immanenz Gottes in den Dingen und durch seine Gegenwart im Herzen jeglichen Geschöpfes. Der Schöpfer der Welten wird durch seine Schöpfungen nicht begrenzt. Der Herr des Wirkens ist durch seine Werke nicht gebunden. Der göttliche Wille bindet sich nicht an seine Arbeit oder an die Ergebnisse seiner Arbeit. Denn dieser Wille ist allmächtig, er besitzt alles, er ist allselig. Dennoch schaut der Herr aus seiner Transzendenz auf seine Schöpfungen hernieder. Er kommt zu ihnen herab als der Avatar. Er ist hier in dir. Er regiert alle Dinge von innen her gemäß ihrer Art. Auch du musst deine Werke in ihm in der Weise und den Maßen deiner göttlichen Art tun, ohne dass dich Begrenzung, Hang oder Gebundenheit anfechten. Handle also für das höchste Wohl aller Menschen, wirke zur Aufrechterhaltung des Fortschritts in der Welt, schaffe für die Erhaltung oder Führung der Völker! Die von dir geforderte Aktion ist die des befreiten Yogin. Sie ist das spontane Ergebnis einer freien, in Gott gehaltenen Kraft, ein Schritt aus gelassenem Mental, von Ego-Interessen und Verlangen freie Arbeit.
Dein erster Schritt auf diesem freien, gelassenen, göttlichen Weg des Handelns ist, dass du die Bindung an Frucht und Lohn von dir abtust, dass du nur handelst um des Werkes willen, das getan werden muss. Denn du sollst tief in dir fühlen, dass die Früchte nicht dir gehören sondern dem Herrn der Welt. Weihe also deine Arbeit dem Geist und überlasse auch deren Ergebnisse ihm, der sich im universalen Gang der Evolution offenbart und zur Erfüllung bringt! Das Ergebnis deines Handelns wird allein durch seinen Willen bestimmt. Es wird durch ihn zur Erfüllung seiner Absicht mit der Welt vollendet, was dies Ergebnis auch sei: Glück oder Unglück, Erfolg oder Misserfolg. Darum ist die Grundregel des Karma-Yoga: Der persönliche Wille und das ganze instrumentale Wesen müssen völlig frei von Verlangen und egoistischen Interessen wirken. Verlange also keinen Lohn für dich, akzeptiere was immer dir gegeben wird! Nimm es hin mit Gleichmut und ruhigem Frohsinn! Ob du Erfolg oder Misserfolg, Glück oder Kummer hast, setze deinen Gang auf dem steilen Pfad der göttlichen Aktion fort ohne Furcht, Verdruss und Zaudern!
Das ist nur der erste Schritt auf dem Pfad. Denn du darfst nicht nur an den Ergebnissen deiner Arbeit hängen, sondern du darfst auch nicht an der Arbeit selbst hängen. Höre damit auf, deine Werke als deine eigenen zu betrachten! Genauso wie du die Früchte deines Wirkens hingegeben hast, sollst du auch das Wirken selbst dem Herrn des Wirkens und des Opferns überantworten. Halte an der Erkenntnis fest, dass deine Natur dein Wirken bestimmt! Deine Natur beherrscht die unmittelbaren Schritte deines Swabhava. Sie entscheidet darüber, in welcher Richtung sich dein Geist mittels der vollziehenden Kraft der Prakriti auswirken und entfalten soll. Lass deinen egoistischen Willen nicht mehr die Schritte deines Mentals verwirren, wenn es den Weg zu Gott gehen will! Sei mit dem Handeln zufrieden, das deiner Natur angemessen ist! Mache aus allem, was du tust, von der größten, außergewöhnlichsten Anstrengung bis hin zur kleinsten täglichen Tat, aus jedem Akt deines Mentals, jedem Mühen deines Herzens, jeder Tätigkeit deines Körpers, jeder inneren und äußeren Regung, jedem Denken, Wollen und Fühlen, aus jedem Schritt, jedem Stillstand und jeder Bewegung ein Opfer für den Meister alles Opferns und aller Tapasya.
Weiter sollst du wissen, dass du ein ewiger Bestandteil des Ewigen bist. Die Kräfte deiner Natur sind nichts ohne ihn, nichts, wenn sie nicht sein partieller Selbst-Ausdruck sind. Das Göttliche Unendliche wird in fortschreitendem Maß in deiner Natur zur Erfüllung gebracht. Es ist die erhabene Macht-zum-Sein, es ist die Shakti des Herrn, die dein Swabhava formt und in ihm Gestalt annimmt. Gib also jedes Empfinden auf, dass du der Täter bist! Betrachte den Ewigen allein als den Handelnden! Lass dein natürliches Wesen eine Gelegenheit sein, ein Werkzeug, ein Kanal der Macht, ein Mittel zur Manifestation. Bringe ihm deinen Willen dar und eine ihn mit seinem ewigen Willen! Unterwerfe im Schweigen deines Selbstes und deines Geistes alle deine Handlungen dem transzendenten Meisters deines Wesens! Das kann in Wirklichkeit nicht oder nur unvollkommen getan werden, solange noch eine Ego-Empfindung, ein mentaler Anspruch oder eine vitale Forderung in dir vorhanden ist. Wenn dein Handeln auch nur im geringsten Maß dem Ego zuliebe getan wird, durch das Begehren oder den egoistischen Willen verfärbt wird, ist es kein vollkommenes Opfer. Auch kann diese große Sache nicht richtig und vollkommen ausgeführt werden, solange noch irgendwo eine Unausgeglichenheit, eine Spur von ignorantem Widerwillen oder eine Vorliebe besteht. Gibt es jedoch völlige Gelassenheit allen Werken, Ergebnissen, Dingen und Personen gegenüber, Unterwerfung unter den Höchsten, anstatt unter das Begehren oder das Ego, dann bestimmt der göttliche Wille ohne Fehltritt oder Abweichung. Die göttliche Macht führt in freier Weise alles Wirken in der Reinheit und Sicherheit deiner gewandelten Natur zum Ziel ohne niedere Einmischung oder hinderliche Reaktion. Den höchsten Grad an Vollkommenheit erlangst du durch Wirken im Yoga dann, wenn du jede Tat durch dich hindurch vom göttlichen Willen in seiner makellosen Souveränität gestalten lässt. Tust du das, wird dein Wesen seinen kosmischen Weg in vollendeter, steter Einung mit dem Erhabenen gehen, das höchste Selbst zum Ausdruck bringen, dem Ishwara gehorchen.
Dieser Weg des göttlichen Wirkens führt viel besser zur Befreiung und ist eine vollkommenere Methode und Lösung als der physische Verzicht auf Leben und Wirken. In vollem Umfang ist physische Enthaltsamkeit überhaupt unmöglich; auch innerhalb der Grenzen ihrer Möglichkeit ist sie für die Befreiung des Geistes entbehrlich. Schließlich ist sie ein gefährliches Vorbild, denn sie übt auf gewöhnliche Menschen einen irreführenden Einfluss aus. Die Besten, die Größten errichten die Wertmaßstäbe, die der übrige Teil der Menschheit zu erreichen trachtet. Da nun aber das Handeln zur Natur des verkörperten Geistes gehört und das Wirken der Wille des ewig Wirkenden ist, müssen die großen Geister, die mentalen Meister dafür das Vorbild aufstellen. Arbeiter in der Welt sollten sie sein, die alle für die Welt notwendigen Werke ohne Vorbehalt tun: Gottes Arbeiter, frei, froh, ohne Begehren; erlöste Seelen und Naturen.

Das Mental des Wissens und der Wille zum Handeln sind nicht alles. In deinem Inneren hast du ein Herz, dessen Verlangen nach Freude trachtet. Auch hier, in des Herzens Macht und Erleuchtung, in seinem Sehnen nach Seligkeit und nach vollem Genüge für deine Seele, muss deine Natur umgekehrt, verwandelt und zu einer einzigen bewussten Ekstase im Göttlichen emporgehoben werden. Das Wissen vom apersonalen Selbst bringt sein eigenes Ananda mit sich. Es gibt eine Freude der Apersonalität, eine Einsamkeit der Wonne des reinen Geistes. Aber integrales Wissen bringt eine höhere dreifache Seligkeit. Sie öffnet die Tore zur Seligkeit des Transzendenten. Sie befreit in die grenzenlose Seligkeit allumfassender Apersonalität. Sie lässt dich die Wonne dieser vielfältigen Manifestation entdecken, denn es gibt eine Freude des Ewigen in der Natur. Dieses Ananda nimmt im Jiva, der hier ein Wesensteil Gottes ist, die Form einer Ekstase an, die in Gott gegründet ist, der Ursprung des Jiva, höchstes Selbst und Herr seines Daseins ist. Allumfassende Gottesliebe und Anbetung weitet sich aus in eine Liebe zur Welt, zu all ihren Gestaltungen, Kräften und Geschöpfen. In allem schaust du das Göttliche, entdeckst und verehrst du es, dienst du ihm und fühlst es im Einssein. Füge also zum Wissen und Wirken noch diese Krönung der ewigen dreieinigen Seligkeit hinzu! Nimm diese Liebe in dich auf und lerne diese Verehrung, mache sie mit Wirken und Wissen zu einem einzigen Geist. Dies ist der Gipfel der Vollkommenheit.
Dieser Yoga der Liebe wird dir eine höchstmögliche Kraft zur spirituellen Weite, zur Einung und Freiheit verleihen. Es muss aber eine Liebe sein, die eins ist mit der Erkenntnis Gottes. Es gibt auch liebende Hingabe, die Gott nur im Leiden sucht, um Trost, Beistand und Erlösung zu erlangen. Eine andere Verehrung wendet sich an ihn nur um seiner Gaben willen, um göttlichen Beistand und Schutz zu empfangen. Gott ist für diese Liebe eine Quelle der Befriedigung des Begehrens. Eine andere Gottesverehrung ist noch im Unwissen befangen und bittet ihn um Licht und Erkenntnis. Solange man aber in diesen Formen begrenzt bleibt, wird doch, auch bei ihrem höchsten und edelsten Aufschwung zu Gott, ein Wirken der drei Gunas fortbestehen. Wenn der Gott-Liebende aber auch zu einem Gott-Erkennenden geworden ist, wird der Liebende zu einem einzigen Selbst mit dem Geliebten. Denn er ist der Auserwählte des Allerhöchsten und der Auserkorene des Geistes. Lass also in deinem Inneren diese ganz in Gott versunkene Liebe wachsen! Wenn dein Herz spiritualisiert und über die Grenzen deiner niederen Natur emporgehoben ist, wird es dir voll Vertrauen die Geheimnisse von Gottes unermesslichem Wesen offenbaren, die volle Berührung, den vollen Zustrom und Glanz göttlicher Macht auf dich übertragen, dir die Geheimnisse einer ewigen Ekstase erschließen. Nur die vollkommene Liebe ist der Schlüssel zu vollkommenem Wissen.
Diese integrale Gottes-Liebe verlangt auch ein integrales Wirken für die Sache Gottes in dir selbst und in allen Geschöpfen. Der gewöhnliche Mensch wirkt aus Gehorsam gegenüber einem sündigen oder tugendhaften Begehren, einem niederen oder hohen vitalen Impuls, einer alltäglichen oder erhabenen mentalen Entscheidung oder aus sonst einem aus Mental und Leben vermischten Motiv. Das Werk aber, das du tun sollst, muss frei und ohne Verlangen sein. Ein Werk, das ohne Verlangen getan wird, verursacht keine Reaktionen und legt auch keine Gebundenheit auf. Wird es so in vollkommener Gelassenheit vollbracht, in einem regungslosen Verharren in Stille und Frieden, aber ohne göttliche Leidenschaft, dann steht es anfänglich noch unter dem feinen Joch einer spirituellen Verpflichtung, kartavyaṁ karma. Danach wird es zur Darbringung eines göttlichen Opfers. In seiner höchsten Vollendung kann es zum Ausdruck einer stillen, frohen Ergebung in ein tätiges Einssein werden. Das Einssein in der Liebe wird viel mehr bewirken; es wird die frühere leidenschaftslose Stille durch starkes und tiefes Entzücken ersetzen, nicht durch die schwache Glut eines egoistischen Begehrens, sondern den Ozean des unendlichen Ananda. In dein Wirken wird es das ergreifende Gefühl und die reine göttliche Leidenschaft der Gegenwart des Geliebten bringen. Dann wirst du eine nachhaltige Freude an der Arbeit für Gott in dir und für Gott in allen Wesen haben. Liebe ist die Krönung des Wirkens und die Krönung des Wissens.
Diese Liebe, die Wissen ist, diese Liebe, die zum innersten Herzen deines Handelns werden kann, wird deine wirkungsvollste Kraft zur äußersten Hingabe und Vervollkommnung. Vollständige Einung des individuellen Wesens mit dem Göttlichen Wesen ist die Grundbedingung für ein vollkommenes spirituelles Leben. Wende dich also ganz dem Göttlichen zu! Bringe deine Natur zur Einung mit ihm durch Wissen, Liebe und Handeln! Kehre dich völlig zu ihm und lege ohne Widerspruch dein Mental, dein Herz und deinen Willen, dein ganzes Bewusstsein und selbst deine Sinne und deinen Körper in seine Hand! Lass ihn dein Bewusstsein durch seine souveräne Macht in ein geläutertes Abbild seines göttlichen Bewusstseins umprägen! Lass dein Herz zu einem strahlenden oder flammenden Herzen Gottes werden! Lass deinen Willen eine unfehlbare Handlung seines Willens sein! Lass deine Sinne und deinen Körper die verzückten Empfindungen und der Körper Gottes sein! Bringe ihm deine Verehrung dar und opfere ihm mit allem, was du bist! Gedenke seiner in allem Denken und Fühlen, bei jedem Impuls und in jeder Tat! Beharre darin, bis dies alles ganz sein Eigen wurde, bis er die gewöhnlichsten äußeren Dinge ebenso wie die innerste heilige Kammer deines Geistes mit seiner immerwährenden verwandelnden Gegenwart erfüllt!

Dieser dreifache Pfad ist das Mittel, mit dessen Hilfe du dich völlig aus deiner niederen zu deiner höchsten spirituellen Art emporschwingen kannst. Das ist die verborgene überbewusste Natur, in der der Jiva, ein Wesensteil des erhabenen Unendlichen und Göttlichen und im Gesetz des Seins eins mit ihm, in seiner Wahrheit wohnt und nicht mehr wie bisher in einer nach außen gekehrten Maya. Diese Vollkommenheit, diese Einung kann man in ihrem ursprünglichen Zustand fern im höchsten suprakosmischen Sein genießen. Du darfst und sollst sie aber auch hier als Wirklichkeit erfahren, hier im menschlichen Körper und in der physischen Welt. Für diesen Zweck genügt es nicht, dass du still, untätig, frei von den Gunas im inneren Selbst bist und gleichgültig deren mechanische Aktion in deinem äußeren Organismus beobachtest und zulässt. Denn die aktive Natur soll ebenso wie das Selbst dem Göttlichen hingegeben und göttlich werden. Alles, was du bist, soll in ein einziges Wesensgesetz mit dem Purushottama hineinwachsen, sādharmya. Alles soll in Mein bewusstes spirituelles Werden verwandelt werden, mad-bhāva. Darum muss es zu einer vollendeten Überantwortung kommen. Nimm auf all den vielen Wegen deiner Natur und bei allen ihren Lebensprozessen deine Zuflucht zu Mir! Dies allein wird diese große Umwandlung und Vollkommenheit zustande bringen.
Diese hohe Vollkommenheit des Yoga wird sofort das Problem des Handelns lösen oder vielmehr ganz beseitigen und mit der Wurzel ausreißen. Das Handeln des Menschen ist voller Schwierigkeiten und Verworrenheiten; es ist voller Dickicht und Wirrnis wie ein Wald, in den nur einige mehr oder minder dunkle Pfade hineinführen, aber nicht hindurchführen. Diese ganze Schwierigkeit und Verworrenheit entsteht aus der einzigen Tatsache, dass der Mensch in die Unwissenheit seiner mentalen, vitalen und körperlichen Natur eingekerkert leben muss. Einerseits steht er unter dem Zwang ihrer Eigenschaften. Andererseits wird er in seinem Willen von einem Verantwortungsgefühl angefochten, weil etwas in ihm fühlt, dass er eine Seele ist, die etwas sein sollte, was sie jetzt überhaupt noch nicht oder nur in sehr geringem Maße ist: Herr und Herrscher über ihre Natur. Unter diesen Umständen müssen darum all seine Lebensordnungen, all seine Dharmas, unvollkommen, vorübergehend und provisorisch, bestenfalls nur teilweise richtig oder wahr sein. Seine Unvollkommenheiten können nur dann aufhören, wenn er sich selbst erkennt; wenn er die wahre Natur der Welt versteht, in der er lebt; vor allem, wenn er den Ewigen erkennt, aus dem er herkommt, in dem und durch den er existiert. Sobald er einmal das wahre Bewusstsein und Wissen erlangt hat, besteht überhaupt kein Problem mehr, denn dann handelt er frei aus sich selbst und lebt spontan im Einklang mit der Wahrheit seines Geistes und seiner höchsten Natur. Auf der erfülltesten und höchsten Stufe dieses Wissens ist nicht mehr er es, der handelt, sondern Gott selbst, der Eine, ewig und unendlich, der in ihm und durch ihn, in seiner befreiten Weisheit, Macht und Vollkommenheit wirkt.
In seinem natürlichen Wesen ist der Mensch ein sattwisches, rajasisches und tamasisches Geschöpf der Natur. Je nachdem die eine oder andere dieser Eigenschaften in ihm vorherrscht, formt er dieses oder jenes Gesetz für sein Leben und Handeln und befolgt es. Ist sein Mental vom Tamas bestimmt, materialistisch, sinnlich, der Trägheit, Furcht und Unwissenheit unterworfen, dann gehorcht es teils dem Zwang seiner Umgebung, teils den verkrampften Impulsen seines Begehrens; oder er findet Schutz in der Routine und folgt einer stumpfen Gewohnheit der Vernunft. Das rajasische Mental des Begehrens kämpft mit der Welt, in der es lebt, und versucht, immer neue Dinge zu besitzen, zu beherrschen, zu erkämpfen, zu erobern, zu erschaffen, zu zerstören und anzuhäufen. Immer drängt es vorwärts, hin- und hergerissen zwischen Erfolg und Fehlschlägen, Freude und Kummer, Jubel und Verzweiflung. Aber welches Gesetz das Mental auch anzuerkennen scheint, es folgt dabei in Wahrheit doch nur dem Gesetz des niederen Selbstes und des Ego, dem ruhelosen, unermüdlich sich selbst und alles verschlingenden Mental der Natur des Asura und Rakshasa. Die vom Sattwa bestimmte Vernunft überwindet zu einem gewissen Teil diesen Zustand. Sie sieht ein, dass man einem besseren Gesetz gehorchen muss als dem des Begehrens und des Ego. Darum errichtet sie eine soziale, ethische, religiöse Ordnung, ein Dharma, ein Shastra und stellt sich selbst darunter. Bis zu dieser Höhe kann das gewöhnliche Mental des Menschen gelangen, dass er ein idealistisches oder praktisches Gesetz zur Leitung seines Mentals und seines Willens aufrichtet und dieses so getreu wie möglich in Leben und Verhalten befolgt. Dieses sattwische Mental muss bis zu seinem höchsten Punkt entwickelt werden. Dort gelingt es ihm dann, die Vermischung mit seinen egoistischen Motiven ganz und gar abzulegen. Dann gehorcht es dem Dharma um seiner selbst willen als einem apersonalen, sozialen, ethischen oder religiösen Ideal, als der Sache, die man ohne egoistische Interessen allein deshalb tun muss, weil sie recht ist, kartavyaṁ karma.
Die eigentliche Wahrheit all dieses Wirkens von Prakriti ist jedoch weniger eine äußerlich mentale, als vielmehr eine innerlich subjektive. Sie heißt: Der Mensch ist eine Seele, die einen Körper angenommen hat und sich in die materielle und mentale Natur involvierte. Er befolgt in ihr das progressive Gesetz seiner Entwicklung, das durch ein inneres Gesetz seines Wesens bestimmt wird. Das Gepräge seines Geistes bestimmt das Gepräge seines Mentals und Lebens, sein Swabhava. Jeder Mensch hat ein Swadharma, ein Gesetz seines inneren Wesens, dem er gehorchen, das er entdecken und dem er folgen muss. Die Tat, die durch seine innere Natur bestimmt ist, ist sein wirkliches Dharma. Diesem zu folgen, ist das wahre Gesetz seiner Entwicklung. Wenn er davon abweicht, kommt es zu Verwirrung, Aufschub und Irrtum. Dasjenige soziale, ethische, religiöse oder andere Gesetz und Ideal ist stets für ihn das beste, das ihm hilft, sein Swadharma zu wahren und zu befolgen.
Aber all dies Wirken ist, selbst im besten Fall, der Unwissenheit des Mentals und dem Spiel der Gunas unterworfen. Erst dann kann der Mensch Unwissenheit und Verwirrung durch die Gunas überwinden und aus seinem Bewusstsein auslöschen, wenn seine Seele sich selbst findet. Es ist wohl wahr, dass auch dann, wenn du dein Selbst gefunden hast und in ihm lebst, deine Natur immer noch eine Zeitlang auf gewohnte niedere Weise in ihren alten Bahnen weiterleben und handeln wird. Jetzt kannst du jedoch dieses Wirken mit vollendeter Selbsterkenntnis beobachten und aus ihm ein Opfer an den Herrn deines Daseins machen. Folge also dem Gesetz deines Swadharma! Führe die Handlung aus, die durch dein Swabhava von dir verlangt wird, von welcher Art sie auch sein mag! Weise jedes Motiv des Egoismus, jede Initiative des egoistischen Willens, jede Herrschaft des Begehrens von dir, bis du schließlich die vollkommene Überantwortung aller Seiten deines Wesens an den Erhabenen vollziehen kannst!
Und bist du einmal fähig, dies aufrichtig zu tun, wird das auch der Augenblick dafür sein, dass du die Einleitung deiner Handlungen ausnahmslos in die Hand der erhabenen Gottheit in deinem Inneren legst. Dann wirst du von allen Gesetzen des Verhaltens erlöst und von allen Dharmas befreit sein. Die Göttliche Macht und Gegenwart in deinem Inneren wird dich von der Sünde und vom Bösen befreien. Sie wird dich weit über die menschlichen Maßstäbe der Tugend hinaus erheben. Denn du wirst im absoluten und ungezwungenen Recht und in der Reinheit spirituellen Wesens und göttlicher Art leben und handeln. Gott, nicht du, wird seinen Willen und sein Wirken durch dich in Gang setzen – nicht mehr um deines niederen persönlichen Vergnügens und Begehrens willen, sondern für den Weltplan, für dein göttliches Wohl und für das offenbare oder verborgene Heil aller. Überflutet von Licht wirst du die Gestalt der Gottheit in der Welt und in den Werken der Zeit schauen. Du wirst seine Absicht erkennen und sein Gebot hören. Als Werkzeug wird dein Wesen allein seinen Willen annehmen, wie er auch sei, und ihn ohne zu fragen ausführen. Zusammen mit jeder Anregung zu deinen Handlungen wird von oben oder von innen her zu dir auch ein gebieterisches Wissen und eine erleuchtete Zustimmung zur göttlichen Weisheit und ihrer Bedeutung kommen. Der Kampf wird sein Kampf sein, sein der Sieg und sein auch das Reich.
Das wird deine Vollkommenheit in der Welt und im Körper sein. Jenseits von diesen Welten der zeitlichen Geburt wird dir das höchste und ewige Überbewusstsein eigen sein, und du wirst ewig im höchsten Zustand des Erhabenen Geistes wohnen. Die Zyklen der Inkarnation und Furcht vor der Sterblichkeit werden dich nicht bekümmern. Denn du wirst hier im Leben die Gottheit vollkommen zum Ausdruck gebracht haben, und deine Seele wird schon in der weiten Ewigkeit des Geistes leben, auch wenn sie in dieses Mental und in diesen Körper herabgekommen ist.
Das also ist die höchste Entwicklung: Dein ganzes Selbst und deine Natur Gott zu überantworten; alle Dharmas an Gott hinzugeben, der dein höchstes Selbst ist; mit dem ganzen Organismus unbedingt nach der erhabenen spirituellen Art zu streben. Wenn du einmal so weit kommen kannst – entweder schon zu Beginn deines Weges oder erst später –, ist dein Weg sicher und deine Vollkommenheit unausbleiblich, was immer du in deiner äußeren Natur bist oder gewesen bist. Eine erhabene Gegenwart in deinem Inneren wird deinen Yoga in ihre Hand nehmen. Sie wird ihn rasch im Einklang mit deinem Swabhava bis zu seiner höchsten Vollendung führen. Nachher wirst du auf jeglichem Lebensweg und bei jeder Art deines Tuns bewusst in ihm leben, handeln und vorwärtsschreiten. Die Göttliche Macht wird bei jedem Unternehmen deines inneren oder äußeren Wesens durch dich handeln. Das ist der erhabene Weg, denn er ist das höchste Geheimnis und Mysterium und doch eine innere Aufwärtsbewegung, die fortschreitend von allen verwirklicht werden kann. Das ist die tiefste und innerste Wahrheit deines wahren, deines spirituellen Seins. (572-94)

TEIL 2