ANHANG
Erläuterungen der Mutter 1
Weiter kann man zugestehen, dass jede Art oder jedes Modell von Bewusstsein und Wesen im Körper, wenn sie einmal fest geformt sind, dem Wesensgesetz dieser Art, ihrem eigenen Entwurf und Gesetz treu bleiben müssen. Es mag aber auch sehr wohl sein, dass eine Seite des Gesetzes der menschlichen Art ihr Drang ist, über sich selbst hinauszukommen, und dass für die Mittel zum bewussten Über-sich-Hinausgehen unter den spirituellen Kräften des Menschen gesorgt ist. Der Besitz einer solchen Befähigung mag ein Teil des Planes sein, nach dem die schöpferische Energie ihn gebildet hat. Man kann zugeben, dass der Mensch bis jetzt hauptsächlich nur im Umkreis seiner Art, auf einer Spirale der Natur-Bewegung aktiv gewesen ist, die ihn manchmal in die Höhe, manchmal in die Tiefe führte, dass es aber keine gerade Linie des Fortschritts, kein unbestreitbares, fundamentales oder radikales Hinausgehen über seine vergangene Natur gegeben hat. Er hat lediglich seine Befähigungen geschärft, verfeinert, umfassender und elastischer verwendet. Man könnte weiß Gott nicht sagen, seit der Mensch erschienen ist oder seit den Tagen dokumentierbarer Geschichte habe es nicht so etwas wie einen menschlichen Fortschritt gegeben. Denn wie groß auch die Menschen des Altertums gewesen seien, wie hervorragend manche ihrer Schöpfungen und Errungenschaften, wie eindrucksvoll gewisse Leistungen an Spiritualität, Intellekt und Charakter waren, so habe es in den späteren Entwicklungen doch eine zunehmende Verfeinerung, umfassenderen Reichtum, vielfältigere Entfaltung an Wissen und Können in den Errungenschaften des Menschen, in seiner Politik, Gesellschaft, in seinem Leben, seiner Wissenschaft, Metaphysik, seinen Erkenntnissen auf allen Gebieten, seiner Kunst und Literatur gegeben. Auch wenn die Macht seiner Spiritualität nicht so erstaunlich erhaben und weniger gewaltig war als die der Erleuchteten früherer Zeiten, so war sein spirituelles Bemühen doch ausgezeichnet durch Feinheit, vielseitige Gestaltungskraft, Eindringen in die Tiefen und Ausweitung des Suchens. Es hat Zeiten des Absinkens von einem hohen Kulturtypus gegeben, einen zeitweiligen tiefen Abfall in einen gewissen Obskurantismus, ein Nachlassen des spirituellen Strebens und Abstürze in einen barbarischen naturalistischen Materialismus. Das waren aber nur vorübergehende Phänomene, schlimmstenfalls eine nach unten verlaufende Kurve der Fortschrittsspirale. Sicher habe dieser Fortschritt die Menschenrasse noch nicht über sich selbst emporgetragen, so dass sie über sich hinauskommen und das mentale Wesen transformieren konnte. Aber das durfte man auch nicht erwarten. Denn das Wirken der evolutionären Natur in einer Art von Wesen und Bewusstsein besteht zuerst darin, diese Art gerade durch Verfeinerung und zunehmende Vielseitigkeit bis zur äußersten Befähigung zu entfalten, bis sie ihre Schale sprengen kann, so dass das ausreifende Bewusstsein entscheidend hervortritt, sich umwandelt und so auf sich selbst einwirkt, dass es auf eine neue Stufe der Evolution hinwirkt. Setzt man voraus, dass der nächste Schritt der Natur das spirituelle und supramentale Wesen ist, dann kann man das Drängen zur Spiritualität in der Menschheit als ein Zeichen dafür nehmen, dass dies die Absicht der Natur, aber auch ein Hinweis darauf ist, dass der Mensch die Fähigkeit hat, den Übergang in sich durchzuführen oder der Natur zu helfen, den Übergang zu bewerkstelligen. Wenn es die Methode der Entwicklung des Menschen war, dass im Tierwesen eine Art erschien, die in manchen Beziehungen der Affenart ähnlich, aber schon von Anfang an mit den Elementen des Menschseins begabt war, dann könnte es für das evolutionäre Erschaffen eines spirituellen und supramentalen Wesens die deutlich erkennbare Methode der Natur sein, dass im menschlichen Wesen ein spiritueller Typus erscheint, der einem mental-tierhaften Menschen ähnlich ist, aber schon durch sein spirituelles Streben geprägt ist. (The Life Divine, S. 841-42)
Etwas erscheint klar, nämlich, dass die Menschheit gewissermaßen vor einer Zerreißprobe steht, sie ist an einem Punkt allgemeiner Angespanntheit angelangt: Anspannung bei der Leistung, Anspannung im Handeln, Anspannung im alltäglichen Leben, sowie an einem derart übersteigerten Aktivismus, einer so weitverbreiteten Ruhelosigkeit, dass das gesamte Menschengeschlecht ein Stadium erreicht zu haben scheint, wo der Mensch entweder einen Widerstand durchbrechen und in ein neues Bewusstsein aufsteigen muss oder in den Abgrund der Dunkelheit und Trägheit zurückfällt.
Diese Spannung ist so umfassend und so allgemein verbreitet, dass offensichtlich etwas brechen muss. So kann es nicht weitergehen. Man kann das als sicheres Zeichen für das Einströmen eines neuen Kraft-, Bewusstseins- und Machtprinzips in die Materie auffassen, das gerade durch seinen Druck diesen kritischen Zustand hervorbringt. Äußerlich könnte man die alten Mittel erwarten, die die Natur anwendet, wenn sie einen Umsturz herbeiführen will. Aber da erscheint ein neuer charakteristischer Zug, der offenbar nur bei einer Elite sichtbar ist, doch auch diese Elite ist ziemlich verbreitet – sie ist nicht an einem Punkt, an einem Ort der Welt lokalisiert, man findet Zeichen in allen Ländern, auf der ganzen Erde: den Willen, eine nach oben weisende, neue, höhere Lösung zu finden, eine Bemühung, sich zu einer größeren, umfassenderen Vollkommenheit zu erheben.
Bestimmte Ideen allgemeinerer, ausgedehnterer, kollektiverer Natur, so könnte man sagen, sind im Begriff, Gestalt anzunehmen und in der Welt zu wirken. Und die beiden gehen Hand in Hand: eine größere und umfassendere Möglichkeit der Zerstörung, eine Erfindung, die die Möglichkeit der Katastrophe bestürzend vergrößert, einer Katastrophe weit gewaltiger denn je, und zu gleicher Zeit die Entstehung oder vielmehr die Offenbarung viel höherer und umfassenderer Ideen und Wille, die, wenn sie verstanden werden, eine weiterreichende, vollständigere und vollkommenere Lösung bringen als vorher.
Dieses Ringen zwischen den konstruktiven Kräften der aufsteigenden Evolution, der immer vollkommeneren göttlichen Verwirklichung und den immer zerstörerischeren Kräften – die mit Macht zerstörerisch sind, Kräfte eines Wahnsinns, der sich jeder Kontrolle entzieht –, dieser Konflikt wird immer offenkundiger, markanter, sichtbarer, es ist sozusagen ein Wettkampf oder Ringen, wer zuerst an das Ziel gelangt. Es scheint, als seien alle feindlichen, antigöttlichen Kräfte, die Kräfte der vitalen Welt auf die Erde herabgestiegen, um sie als Aktionsfeld zu benutzen, und gleichzeitig sei eine höhere, mächtigere, neue spirituelle Kraft ebenfalls auf die Erde herabgestiegen, um ihr ein neues Leben zu bringen. Dadurch wird das Ringen heftiger, gewaltsamer, sichtbarer, es scheint aber auch endgültiger, und deshalb können wir hoffen, demnächst zu einer Lösung zu kommen.
Es ist noch nicht so lange her, da war die spirituelle Sehnsucht des Menschen einem stillen, inaktiven, von allen Dingen dieser Welt losgelösten Frieden zugewandt, einer Flucht aus dem Leben, eben um den Kampf zu vermeiden, um sich über den Streit zu erheben, um sich von der Anstrengung zu befreien. Das war ein spiritueller Friede, bei dem mit dem Aufhören der Spannung, des Ringens, der Anstrengung auch das Leiden in allen seinen Formen aufhörte, und dies wurde als der wahre, der einzige Ausdruck des spirituellen und göttlichen Lebens angesehen. Dies galt als göttliche Gnade, göttliche Hilfe, das göttliche Eingreifen. Und noch heute, in dieser Zeit der Angst, der Spannung, der Überspannung, ist dieser souveräne Friede von allen Hilfen die am besten aufgenommene, die willkommenste, die Linderung, die verlangt und erhofft wird. Noch ist er für viele das echte Zeichen des göttlichen Eingreifens, der göttlichen Gnade.
Was man auch verwirklichen will, man muss tatsächlich damit anfangen, diesen vollkommenen und unwandelbaren Frieden begründen, er ist die Grundlage, auf der gearbeitet werden soll. Aber dabei kann man es nicht bewenden lassen, außer man denkt an eine ausschließlich persönliche und egoistische Befreiung. Es gibt einen anderen Aspekt der göttlichen Gnade, den Aspekt des Fortschritts, der den Sieg über alle Hindernisse erringt, der Aspekt, der die Menschheit in eine neue Verwirklichung schickt, der die Pforten einer neuen Welt öffnet, der bewirkt, dass nicht nur einige Auserwählte in den Genuss der göttlichen Verwirklichung kommen, sondern dass deren Einfluss, Beispiel und Macht auch die übrige Menschheit in eine neue und bessere Lage versetzt.
Das öffnet Wege der Verwirklichung in die Zukunft, Möglichkeiten, die schon geahnt werden, wobei ein ganzer Teil der Menschheit, der ganze, der bewusst oder unbewusst für die neuen Kräfte offen ist, gleichsam zu einem höheren, harmonischeren, vollkommeneren Leben erhoben wird… Auch wenn dabei individuelle Umwandlungen nicht immer gestattet oder möglich sind, wird es eine Art Gesamtanhebung, eine Harmonisierung des Ganzen geben, so dass sich eine neue Ordnung, eine neue Harmonie einrichten können und die Angst vor der Unordnung und den gegenwärtigen Kämpfen verschwinden kann und durch eine Ordnung ersetzt wird, die ein harmonisches Funktionieren des Ganzen erlaubt.
Andere Auswirkungen sind auf einem entgegengesetzten Weg auf das Verschwinden dessen gerichtet, was durch das Eingreifen des Mentals in das Leben an Perversion, Hässlichkeit, einen ganzen Komplex an Deformation entstand, wodurch das Leiden, das Elend, die moralische Armut, ein ganzer Bereich schäbigen und abstoßenden Elends, nur noch verschlimmert wurde, was aus einem großen Teil des menschlichen Lebens etwas so Entsetzliches macht. Das muss verschwinden. Das macht aus der Menschheit in so vielen Punkten etwas unendlich viel Tieferstehendes als es das Tierleben in seiner Einfachheit und trotz allem in seiner spontanen Natürlichkeit und Harmonie ist. Nie ist das Leiden bei den Tieren so elend, so schmutzig wie bei einem ganzen Teil der Menschheit, der durch die Anwendung einer ausschließlich für egoistische Bedürfnisse eingesetzten Mentalität verdorben wurde.
Wir müssen nach oben steigen, uns in das Licht und die Harmonie erheben, oder nach unten zurückfallen in die Einfachheit eines animalischen und gesunden Lebens ohne Perversion.
Bei der ersten Veröffentlichung dieses Gesprächs 1958 fügte die Mutter folgendes zur „Anhebung“ eines ganzen Teils der Menschheit unter der Wirkung der neuen Kräfte hinzu:
Aber die, die nicht erhoben werden können, die den Fortschritt ablehnen, werden automatisch den Gebrauch des mentalen Bewusstseins verlieren und auf eine subhumane Stufe zurückfallen.
Ich will dir eine Erfahrung mitteilen, die ich hatte, und die dir helfen wird, besser zu verstehen. Es war kurze Zeit nach der supramentalen Erfahrung vom 3. Februar, und ich war noch in diesem Zustand, in dem die Dinge der physischen Welt so fern, so absurd erschienen. Eine Gruppe von Besuchern hatte um Erlaubnis gebeten, mich zu begrüßen, und sie kam eines Abends auf den Playground. Es waren reiche Leute, das heißt sie hatten mehr Geld, als sie fürs Leben brauchten. Unter ihnen war eine Frau in einem Sari. Sie war sehr dick, ihr Sari war so angeordnet, dass er ihren Körper kaschierte. Als sie sich neigen wollte, um meine Segnung zu empfangen, öffnete sich eine Ecke des Saris und deckte einen Teil ihres Körpers auf, einen nackten Bauch – einen riesigen Bauch. Das traf mich wie ein Schock. Es gibt dickleibige Leute, die nichts Abstoßendes haben, aber ich sah plötzlich die Perversion, die Fäulnis, die dieser Bauch verbarg, er war wie ein riesiger Abszess, der die Lüsternheit, das Laster, die Verderbtheit des Geschmacks, die gemeine Gier ausdrückte und der sich mit Plumpheit und vor allem mit Perversion befriedigt, wie kein Tier es tut. Ich sah die Verkommenheit eines verdorbenen Mentals, das den niedrigsten fleischlichen Begierden zu Diensten stand. Da schoss plötzlich etwas aus mir empor, ein Gebet, wie ein Veda: „O Herr, das muss verschwinden!“
Man versteht sehr gut, dass das physische Elend, die Ungleichheit der Güterverteilung dieser Welt, geändert werden könnte, man stellt sich wirtschaftliche und soziale Lösungen vor, die Abhilfe schaffen könnten, aber dieses Elend, das mentale Elend, die vitale Perversion, die können sich nicht ändern, sie wollen sich nicht ändern. Und die, die zu dieser Art von Menschheit gehören werden, sind von vornherein zum Zerfall verurteilt.
Das ist der Sinn der Erbsünde: die Perversion, die mit dem mentalen Geist begann.
Der Teil der Menschheit, des menschlichen Bewusstseins, der in der Lage ist, sich mit dem Supramental zu vereinen und sich zu befreien, wird vollständig transformiert – er rückt zu einer künftigen Wirklichkeit vor, die in ihrer äußeren Form noch nicht ausgedrückt ist. Der Teil, der der tierhaften Einfachheit der Natur ganz nahe ist, wird wieder in die Natur aufgenommen und fest assimiliert. Aber dieser korrumpierte Teil des menschlichen Bewusstseins, der durch seinen schlechten Gebrauch des Mentals die Perversion gestattet, wird abgeschafft.
Diese Art von Menschheit gehört zu einem unfruchtbaren Versuch – der zu beseitigen ist –, wie es andere misslungene Spezies gegeben hat, die im Lauf der Weltgeschichte verschwunden sind.
Einige Propheten der Vergangenheit hatten diese apokalyptische Vision, aber wie üblich wurden die Dinge vermischt, und bei ihrer Vision der Apokalypse fehlte ihnen die Schau der supramentalen Welt, die den zustimmenden Teil der Menschheit erheben und diese physische Welt umwandeln wird. Um also denen, die da drinnen, in diesem pervertierten Teil des menschlichen Bewusstseins, geboren sind, eine Hoffnung zu geben, lehrten sie die Erlösung durch den Glauben: Die an das Opfer des Göttlichen in der Materie glauben, werden automatisch gerettet, in einer anderen Welt – der Glaube ganz allein, ohne das Verständnis, ohne die Einsicht. Sie sahen die supramentale Welt nicht und auch nicht, dass das große Opfer des Göttlichen in der Materie die Involution ist, die in der totalen Offenbarung des Göttlichen in der Materie selbst enden muss.
19. März 1958

Erläuterungen der Mutter 2
Bei den vorausgehenden Stufen der Evolution war die Hauptsorge und das Bemühen der Natur auf eine Umwandlung im physischen Organismus gerichtet, denn nur so konnte es eine Veränderung des Bewusstseins geben. Das war eine ihr durch das Unvermögen der schon in der äußeren Form wirkenden Bewusstseins-Kraft aufgezwungene Notwendigkeit, die keine Umwandlung im Körper bewirken konnte. Im Menschen ist aber das Umgekehrte möglich, sogar unvermeidlich. Denn die Evolution kann und muss durch sein Bewusstsein, durch dessen völlige Mutation bewirkt werden, nicht mehr durch einen neuen körperlichen Organismus als erste Instrumentation. In der inneren Wirklichkeit der Dinge war eine Umwandlung des Bewusstseins immer die bedeutungsvollere Tatsache. Die Evolution hat immer eine spirituelle Bedeutung gehabt, die physische Umwandlung war nur Werkzeug dazu. Dieses Verhältnis war dank des anfänglichen abnormen Ungleichgewichts der beiden Faktoren verborgen. Der Körper der äußeren Unbewusstheit überwog und stellte das spirituelle Element, das bewusste Wesen, in den Schatten. Sobald aber das rechte Gleichgewicht hergestellt ist, braucht die Umwandlung des Körpers nicht mehr der Umwandlung des Bewusstseins vorauszugehen. Vielmehr wird das Bewusstsein durch seine Verwandlung jede Mutation, die für den Körper nötig ist, zwangsläufig bewirken. Es ist zu bemerken, dass das menschliche Mental bereits eine Fähigkeit dazu bewiesen hat, der Natur bei der Entwicklung neuer Pflanzen- und Tier-Arten zu helfen. Es hat neue Formen seiner Umgebung erschaffen und durch Erkenntnis und Disziplin bemerkenswerte Umwandlungen in seiner eigenen Mentalität bewirkt. Es ist nicht unmöglich, dass der Mensch der Natur auch bewusst bei seiner eigenen spirituellen und physischen Entwicklung und Umwandlung beistehen sollte. Das Drängen dazu ist bereits vorhanden und schon teilweise wirksam, auch wenn das von der äußeren Mentalität noch unvollständig verstanden und angenommen wird. Eines Tages mag sie es verstehen, tiefer in ihr Inneres eindringen und das Mittel, die geheime Energie, die beabsichtigte Wirkensweise der Bewusstseins-Kraft entdecken, die die verborgene Wirklichkeit dessen ist, was wir die Natur nennen….
Ist aber eine spirituelle Entfaltung auf der Erde die verborgene Wahrheit unserer Geburt in die Materie und gibt es grundsätzlich eine Entwicklung von Bewusstsein, die in der Natur stattgefunden hat, dann kann der Mensch so, wie er jetzt ist, nicht die letzte Form dieser Entwicklung sein: Er ist ein zu unvollkommener Ausdruck des Geistes; das Mental selbst ist eine zu begrenzte Gestaltung und Instrumentation. Mental ist nur ein Mittelbegriff von Bewusstsein. Das mentale Wesen kann nur ein Übergangswesen sein. Wenn also der Mensch unfähig sein sollte, über die Mentalität hinauszukommen, müsste die Entwicklung über ihn hinausgehen; das Supramental und der Übermensch müssten sich selbst manifestieren und die Führung der Schöpfung übernehmen. Ist aber das Mental dazu fähig, sich für das zu öffnen, was es überragt, dann ist nicht einzusehen, warum nicht der Mensch selbst zum Supramental und zum übermenschlichen Wesen gelangen sollte. Zumindest kann er seine Mentalität, sein Leben und seinen Körper der Entwicklung dieser höheren Form des Geistes zur Verfügung stellen, der sich in der Natur offenbart. (The Life Divine, S. 876-77, S. 879)
Auf jeden Fall sind wir jetzt bei einer Gewissheit angelangt, da es ja schon eine beginnende Verwirklichung gibt. Wir haben den Beweis, dass unter bestimmten Umständen der Normalzustand der Menschheit überschritten werden und ein neuer Bewusstseinszustand Gestalt annehmen kann, der zumindest eine bewusste Beziehung zwischen dem mentalen und dem supramentalen Menschen erlaubt.
Man kann mit Gewissheit die Aussage machen, dass es ein Zwischenexemplar zwischen dem mentalen und dem supramentalen Wesen geben wird, eine Art Übermensch, der noch die Eigenschaften und teilweise die Natur des Menschen hat, das heißt, der durch seine äußerlichste Form noch zum Menschen animalischen Ursprungs gehört, der aber sein Bewusstsein hinreichend umwandelt, damit er in seiner Verwirklichung und in seiner Tätigkeit zu einer neuen Gattung gehört, zu einer Gattung von Übermenschen.
Man kann diese Spezies als eine Übergangsgattung ansehen, denn es ist vorauszusehen, dass sie das Mittel entdecken wird, wie man neue Menschenwesen ohne die alte animalische Methode produziert, und diese Menschenwesen – die eine wahre spirituelle Geburt haben werden – werden dann die Elemente für die neue, die supramentale Gattung bilden.
Man könnte also diejenigen als Übermenschen bezeichnen, die durch ihren Ursprung noch zur alten Zeugungsmethode gehören, die aber durch ihre Leistung in bewusster und aktiver Verbindung mit der neuen Welt supramentaler Verwirklichung stehen.
Es scheint so – es ist sogar sicher –, dass schon die Substanz, die diese bereits entstehende Zwischenwelt bilden wird, reicher, mächtiger, lichtvoller und widerstandsfähiger ist, mit bestimmten neuen, subtileren, durchdringenderen Eigenschaften und einer Art angeborener Fähigkeit zur Universalität, zur Viel- und Allseitigkeit, als würde ihr Feinheits- und Verfeinerungsgrad eine viel weiterreichende, wenn nicht gar totale Wahrnehmung der Schwingungen erlauben, und sie beseitigt diese Empfindung der Aufspaltung, die man bei der alten Substanz, der gewöhnlichen mentalen Substanz hat. Es gibt eine Feinheit der Schwingung, durch die die allumfassende Gesamtwahrnehmung etwas Spontanes und Natürliches wird. Der Sinn für die Aufspaltung, die Trennung verschwindet mit dieser Substanz ganz natürlich und spontan. Und diese Substanz ist gegenwärtig fast allgemein in der Erdatmosphäre verbreitet. Sie ist im Wachzustand wahrnehmbar, einfach mit einer geringen Konzentration und einer Art Versunkenheit des Bewusstseins, wenn man es vom normalen Aus-sich-Herausgehen zurücknimmt, zurückzieht. Dieses Aus-sich-Heraustreten, diese Wahrnehmung, die vorher natürlich war, erscheint falsch, irreal und ganz künstlich. Sie entspricht überhaupt nicht mehr den Dingen, wie sie sind, sie gehört zu einer Bewegung, der nichts wirklich Wahres entspricht.
Diese neue Wahrnehmung drängt sich immer mehr auf, sie wird immer natürlicher, und die alte Seinsweise ist manchmal sogar schwer wieder aufzunehmen, als verschwände sie in einer nebelhaften Vergangenheit – etwas, das im Begriff ist, aufzuhören.
Man kann daraus schließen, dass sobald ein Körper, der offenkundig nach der alten animalischen Methode gebildet worden ist, dieses Bewusstsein natürlich und spontan, mühelos, ohne aus sich herauszutreten, zu leben vermag, dies ein Beweis dafür ist, dass er kein Ausnahme- und Einzelfall ist, sondern einfach der Vorläufer einer Verwirklichung, an der, auch wenn sie nicht ganz allgemein wird, doch auf jeden Fall eine Anzahl von Einzelwesen teilhaben kann, die im Übrigen von da an diese Wahrnehmung, abgetrennte Individuen zu sein, verlieren und eine lebendige Gemeinschaft werden.
Diese neue Verwirklichung nimmt sozusagen mit blitzartiger Geschwindigkeit ihren Fortgang, denn wenn wir die Zeit nach der normalen Art betrachten, liegen nur zwei Jahre (etwas mehr als zwei Jahre) zwischen dem Augenblick, als die supramentale Substanz die Erdatmosphäre durchdrang, und dem Augenblick, da diese Veränderung in der Qualität der Erdatmosphäre stattfand.
Wenn die Dinge weiterhin mit dieser Geschwindigkeit voraneilen, wird es mehr als möglich, nahezu offenkundig, dass diese Worte, die Sri Aurobindo in einem Brief geschrieben hat, zu einer prophetischen Ankündigung werden: Das supramentale Bewusstsein tritt 1967 in die volle Verwirklichungsphase ein.1
16. April 1958
1 „4.5.67 is the year of complete realisation.“ (Sri Aurobindo, Letters on Yoga, p. 35)

Erläuterungen der Mutter 3
Liebe Mutter, kann es nicht Zwischenzustände zwischen dem Menschen und dem Übermenschen geben?
Es wird wahrscheinlich viele geben.
Mensch und Übermensch? Meinst du nicht die neue supramentale Gattung? Meinst du wirklich den Übermenschen, wie wir ihn nennen, den Menschen, der auf menschliche Weise geboren wurde und versucht, sein physisches Wesen, so wie er es durch seine normale menschliche Geburt empfangen hat, umzuwandeln? Ob es Stufen gibt? Es gibt sicher eine unübersehbare Menge von Teilverwirklichungen. Je nach der Fähigkeit eines jeden wird der Umwandlungsgrad verschieden sein, und es steht fest, dass es eine beträchtliche Zahl von Versuchen geben wird, die mehr oder weniger fruchtlos oder mehr oder weniger fruchtbar sind, bevor etwas erreicht wird, das dem Übermenschen gleicht, und auch dies werden mehr oder weniger gelungene Versuche sein.
Übermenschen-Lehrlinge sind all jene, die sich anstrengen, die gewöhnliche Natur zu überwinden, alle, die versuchen, materiell die tiefe Erfahrung zu verwirklichen, die sie mit der göttlichen Wahrheit in Verbindung gebracht hat, alle, die versuchen, statt den Blick zum Jenseits oder nach dem Höchsten zu wenden, physisch, äußerlich die Bewusstseinsveränderung zu verwirklichen, die sie in sich durchgeführt haben… Und da gibt es unzählige Unterschiede beim Erfolg ihrer Anstrengung. Jedes Mal, wenn wir versuchen, kein gewöhnlicher Mensch zu sein, kein gewöhnliches Leben zu führen, in unseren Regungen, unseren Handlungen und unseren Reaktionen die göttliche Wahrheit auszudrücken; wenn wir von dieser Wahrheit geleitet werden, anstatt von der allgemeinen Unwissenheit geleitet zu sein, sind wir Übermenschen-Lehrlinge, und je nach dem Erfolg unserer Anstrengungen sind wir eben mehr oder weniger gute oder mehr oder weniger fortgeschrittene Lehrlinge.
Dies alles sind Etappen, also… Eigentlich geht es bei diesem Rennen zur Transformation darum, zu wissen, welcher von beiden zuerst ans Ziel kommt: wer seinen Körper nach dem Bild der göttlichen Wahrheit umwandeln will oder die alte Gewohnheit dieses Körpers, sich zu zersetzen, bis er so entstellt ist, dass er nicht mehr in seiner äußeren Vollständigkeit weiterleben kann. Das ist ein Wettrennen zwischen der Transformation und dem Zerfall. Denn nur zwei Dinge können Haltepunkte sein und aussagen, inwieweit es gelungen ist: entweder der Erfolg, nämlich ein Übermensch zu werden – dann natürlich kann man sagen: „Jetzt bin ich zu einem Ergebnis gekommen“ –, oder aber der Tod. Bis dahin ist man normalerweise „unterwegs“.
Eines von beidem – entweder das erreichte Ziel oder das plötzliche Abbrechen des Lebens – setzt dem Vormarsch einstweilen ein Ende. Und unterwegs kommt jeder mehr oder weniger weit, aber man wird nicht sagen können, auf welcher Stufe man ist, bis man am Ende ankommt. Die Endstufe zählt. Also erst, wer in einigen hundert oder tausend Jahren kommt und zurückblickt, wird sagen können: „Es gab die und die Stufe, die und die Verwirklichung.“ Das, das ist Geschichte, es wird eine historische Wahrnehmung des Geschehens sein. Bis dahin sind wir alle in der Bewegung und bei der Arbeit.
Wie weit sind wir, und wie weit werden wir kommen? … Es ist besser, nicht zu sehr daran zu denken, weil das die Kniekehlen schwächt und man nicht gut laufen kann. Es ist besser, nur ans Laufen zu denken und an nichts anderes. Nur auf diese Weise kann man gut laufen. Man schaut dorthin, wohin man gehen will, und legt seine ganze Anstrengung in die Bewegung, um vorwärtszukommen. Wie weit wir damit sind, geht uns nichts an. Ich meine: „Das ist Geschichte“, das kommt später. Die Historiker unserer Bemühung werden uns sagen – denn vielleicht sind wir noch da –, sie werden uns sagen, was wir gemacht haben, wie wir es gemacht haben… Nötig ist vorläufig, dass man es macht – das ist das einzig Wichtige.
8. Oktober 1958
