7. Kapitel
Sadhana durch Liebe und Hingabe
1. Die Göttliche und die menschliche Liebe
Die Göttliche Liebe und Schönheit, den Göttlichen Ananda in die Welt zu bringen, ist wahrlich die volle Krönung und Essenz unseres Yoga. Ich habe es jedoch immer für unmöglich gehalten, wenn sich nicht als Stütze und Grundlage und als ihr Hüter die Göttliche Wahrheit in ihrer Göttlichen Macht hinzugesellt – das was ich die supramentale Wahrheit nenne. Andernfalls würde die Liebe, erblindet durch die Wirrnisse dieses gegenwärtigen Bewusstseins, in ihren menschlichen Gefäßen ins Wanken geraten oder aber sich unerkannt, zurückgewiesen oder rasch entartet finden, verloren in der Zerbrechlichkeit der niederen menschlichen Natur. Wenn sie hingegen in der göttlichen Wahrheit und Macht erscheint, kommt die Göttliche Liebe zuerst als etwas Transzendentes und Universales herab; aus dieser Transzendenz und Universalität wendet sie sich dann, der Göttlichen Wahrheit und dem Göttlichen Willen gehorchend, den Menschen zu und schafft eine weitere, größere und reinere persönliche Liebe als irgendein menschliches Mental oder Herz sich jetzt vorzustellen vermag. Erst wenn man diese Herabkunft gefühlt hat, kann man wirklich ein Instrument für die Geburt und das Wirken der Göttlichen Liebe in der Welt sein.

Ich verstehe nicht ganz, was du damit meinst, die Göttliche Liebe bis hinab in das Unterbewusste zu festigen. Welche Liebe? Die Liebe der Seele zum Göttlichen? Oder das Prinzip der Göttlichen Liebe und des Ananda, was das Höchste ist, das erreicht werden kann? Letztere bis hinab in das Unterbewusstsein zu festigen, bedeutet eine völlige Umwandlung des gesamten Wesens und ist nur möglich als Ergebnis der supramentalen Wandlung, die bislang noch in weiter Ferne ist. Die Liebe der Seele zum Göttlichen hingegen kann im Prinzip bereits jetzt gefestigt werden; sie aber im ganzen Wesen lebendig und vollständig zu machen, würde die vollzogene seelische sowie die sich bereits deutlich abzeichnende spirituelle Umwandlung erfordern.

Die Mutter sagte nicht zu dir, dass Liebe keine Gefühlsregung sei, sondern dass die Göttliche Liebe keine Gefühlsregung sei – das ist etwas völlig anderes. Menschliche Liebe besteht aus Gefühl, Leidenschaft und Begehren, lauter vitale Bewegungen und daher notwendigerweise Unzulänglichkeiten der menschlich-vitalen Natur. Gefühl ist trotz all seiner Mängel und Gefahren eine ausgezeichnete und unerlässliche Sache in der menschlichen Natur – genauso wie mentale Ideen ausgezeichnete und unerlässliche Dinge in ihrem eigenen Bereich in der menschlichen Entwicklung sind. Unser Ziel aber ist, die mentalen Ideen zu überschreiten und in das Licht der supramentalen Wahrheit einzutreten, die nicht auf begrifflichem Denken, sondern auf der unmittelbaren Schau und Identität beruht. In gleicher Weise ist unser Ziel, über das Gefühl hinaus zur Höhe und Tiefe und Intensität der Göttlichen Liebe zu gelangen und dort durch das innere seelische Herz ein unerschöpfliches Einssein mit dem Göttlichen zu fühlen, das durch das sprunghafte Emporschießen der vitalen Emotionen weder erreicht noch erfahren werden kann.
So wie die supramentale Wahrheit nicht allein eine Sublimierung unserer mentalen Ideen ist, ist auch die Göttliche Liebe nicht allein eine Sublimierung der menschlichen Gefühle; es ist ein anderes Bewusstsein, ein Bewusstsein von anderer Beschaffenheit, Bewegung und Substanz.

Die Göttliche Liebe ist selbst-bestehend und nicht von einem äußeren Kontakt oder Ausdruck abhängig. Ob sie sich äußerlich ausdrücken soll oder auf welche Weise sie sich äußerlich ausdrücken wird, hängt von der spirituellen Wahrheit ab, die zuerst manifestiert werden muss.

Die Göttliche Liebe wird sich möglicherweise – so wie die Menschheit derzeit beschaffen ist – noch nicht so voll und frei auf der physischen Ebene manifestieren können, wie es ihr an sich möglich wäre, weshalb sie aber nicht weniger nah oder intensiv als die menschliche [Liebe] ist. Sie ist vorhanden und wartet darauf, verstanden und angenommen zu werden, und gibt dir unterdessen jede Hilfe, die anzunehmen du in der Lage bist, um dich in ein Bewusstsein zu erheben und zu weiten, in welchem sich diese Schwierigkeiten und Missverständnisse nicht mehr ereignen können – in den Zustand, in dem die volle und vollkommene Einung möglich ist.

Was die menschliche und die göttliche Liebe anbelangt, so möchte ich hinzufügen, dass ich die erstere als etwas anerkenne, wovon wir auszugehen haben, um zur letzteren zu gelangen; wir müssen die menschliche Liebe intensivieren und in sich selbst umwandeln, sie aber nicht ausschließen. Die Göttliche Liebe ist zudem meiner Ansicht nach nichts Ätherisches, Kaltes und Fernes, sondern eine absolut intensive Liebe, innerlich und voll des Einsseins, der Nähe und des Entzückens, und die ganze menschliche Natur für ihren Ausdruck gebrauchend. Natürlich ist sie ohne die Wirrnisse und Unordnung der gegenwärtigen niederen vitalen Natur, die sie in etwas ganz Warmes, Tiefes und Intensives wandeln wird; dies aber ist kein Grund anzunehmen, dass sie von dem, was in den Elementen der Liebe wahr und glücklich ist, etwas verlieren wird.

Liebe kann nicht kalt sein, denn es gibt nichts Derartiges wie kalte Liebe; die Liebe aber, von der die Mutter in diesem Abschnitt spricht, ist etwas sehr Reines, Beständiges und Festes – sie schießt nicht feurig empor und sinkt aus Mangel an Brennstoff dann ab, sie ist vielmehr stetig, allumfassend und selbst-bestehend wie das Licht der Sonne. Es gibt auch eine persönliche göttliche Liebe, doch gleicht sie nicht der üblichen persönlichen menschlichen Liebe, die von einer Erwiderung durch eine Person abhängig ist – sie ist persönlich, aber nicht egoistisch, sie verbindet das wahre Wesen des einen mit dem wahren Wesen des anderen. Um sie zu finden, hat man sich von der üblichen menschlichen Art der Annäherung zu befreien.

Zunächst über die menschliche Liebe in der Sadhana: Die Hinwendung der Seele zum Göttlichen durch Liebe muss durch eine Liebe stattfinden, die ihrem Wesen nach göttlich ist; da jedoch das Instrument des Ausdrucks zu Beginn eine menschliche Natur ist, nimmt sie die Formen menschlicher Liebe und bhakti an. Erst in dem Maße wie das Bewusstsein sich vertieft, erhöht und wandelt, kann die größere, ewige Liebe in ihm wachsen und frei das Menschliche in das Göttliche wandeln. In der menschlichen Liebe selbst aber gibt es verschiedene Arten von Antriebskräften. Es gibt eine seelische menschliche Liebe, die von tief innen aufsteigt und hervorgeht aus der Begegnung des inneren Wesens mit dem, das es zu göttlicher Freude und Einung ruft; sie ist, wenn sie sich einmal ihrer bewusst ist, etwas Dauerndes, in sich Bestehendes, unabhängig von äußeren Befriedigungen und der Minderung durch äußere Ursachen nicht fähig, nicht selbstbezogen, nicht zum Fordern oder Feilschen neigend, sondern sich einfach und spontan gebend; sie wird durch Missverständnis, Enttäuschung, Hader und Ärger weder berührt noch gebrochen, sondern drängt allezeit geradewegs zur inneren Einung. Diese seelische Liebe ist dem Göttlichen am nächsten und daher der richtige und beste Weg der Liebe und bhakti. Das aber bedeutet nicht, dass die anderen Wesensteile, einschließlich des Vitals und Physischen, als Ausdrucksmittel nicht gebraucht werden könnten oder dass sie am vollen Spiel und der ganzen Bedeutung der Liebe, selbst der göttlichen Liebe, nicht teilhaben sollten. Im Gegenteil, sie sind Hilfsmittel und können einen großen Anteil am vollständigen Ausdruck göttlicher Liebe haben – vorausgesetzt, sie werden von der richtigen und nicht von der falschen Bewegung gelenkt. Es gibt im Vital als solchem zwei Arten von Liebe – eine voller Freude und Vertrauen, rückhaltlos, großzügig, nicht feilschend und durchaus absolut in ihrer Hingabe – diese ist der Seele verwandt und sehr wohl dafür geeignet, Ergänzung und Ausdrucksmittel der göttlichen Liebe zu sein. Auch verachtet die seelische oder göttliche Liebe keinesfalls ein physisches Ausdrucksmittel, wenn dieses rein und echt und angängig ist; sie hängt davon jedoch nicht ab, und wenn sie eines solchen Mittels beraubt wird, mindert sie sich nicht, begehrt nicht auf oder verlischt wie eine geschneuzte Kerze – wenn sie aber dieses Mittel benützen kann, tut sie es voller Freude und Dankbarkeit. Physische Mittel können und werden bei der Annäherung an die göttliche Liebe und Anbetung gebraucht; sie werden nicht etwa als ein Eingeständnis an die menschliche Schwäche zugelassen, und es stimmt nicht, dass auf dem seelischen Weg kein Platz für diese Dinge sei. Im Gegenteil, sie sind eines der Mittel für die Annäherung an das Göttliche, für den Empfang des Lichtes und der Verwirklichung des seelischen Kontaktes – und solange dies im rechten Geist geschieht und sie für den wahren Zweck gebraucht werden, haben sie ihre Daseinsberechtigung. Sie sind nur dann nicht am Platz und haben eine gegenteilige Wirkung, wenn sie missbraucht werden oder wenn die Annäherung falsch ist, da sie durch Gleichgültigkeit, Trägheit, Aufruhr, Feindseligkeit oder grobes Begehren befleckt wird.
Es gibt aber noch einen anderen Weg vitaler Liebe, der öfter der Weg der menschlichen Natur ist, und das ist der Weg des Egos und Begehrens; ihr Fortbestehen ist von der Befriedigung ihrer Forderungen abhängig; und wenn sie nicht erhält, was sie ersehnt, oder wenn sie sich einbildet, nicht so behandelt zu werden, wie sie es verdient – denn sie ist voller phantastischer Vorstellungen, voller Missverständnisse, Eifersucht und falscher Auslegungen –, fällt sie sofort dem Kummer und verwundetem Gefühl, dem Ärger und allen Arten von Wirrnis anheim – und schließlich findet sie ihr Ende und wendet sich ab. Eine Liebe dieser Art ist ihrer eigentlichen Natur nach kurzlebig, unzuverlässig und keine Grundlage für die göttliche Liebe… Aus diesem Grund raten wir von der niederen vitalen Art menschlicher Liebe ab und erwarten von den Menschen, dass sie diese Elemente sobald wie möglich aus ihrer Natur ausmerzen. Liebe sollte ein Aufblühen von Freude und Einung sein, von Vertrauen, Selbstgeben und Ananda – dieser niedere vitale Weg hingegen ist nichts als eine Quelle des Leids, der Beunruhigung, Enttäuschung, Desillusion und Zwietracht. Selbst ein geringes Element davon erschüttert die Grundlagen des Friedens und ersetzt die Bewegung auf den Ananda hin durch einen Sturz in Sorge, Unzufriedenheit und Nirananda.

Die Liebe, die sich dem Göttlichen zuwendet, sollte nicht das übliche vitale Gefühl sein, das die Menschen so nennen; denn das ist nicht Liebe, sondern lediglich ein vitales Begehren, ein Instinkt der Aneignung, ein Impuls zu besitzen und zu monopolisieren. Nicht nur, dass dies nicht die Göttliche Liebe ist, sondern man sollte diesem Gefühl auch keinesfalls erlauben, sich irgendwie mit dem Yoga zu vermengen. Die wahre Liebe zum Göttlichen ist ein Selbstgeben, frei von Forderung, voller Unterwerfung und Hingabe; sie erhebt keinen Anspruch, stellt keine Bedingungen und trifft kein Abkommen, sie gibt sich nicht dem Ungestüm der Eifersucht, des Stolzes oder des Ärgers hin, denn diese Dinge sind in ihrem Wesen nicht enthalten. Als Entgegnung gibt auch die Göttliche Mutter sich, doch uneingeschränkt – und dies drückt sich in einem inneren Geben aus –, ihre Gegenwart in deinem Mental, in deinem Vital, in deinem physischen Bewusstsein, ihre Macht in dir und die göttliche Natur wiedererstehen lassend, alle Bewegungen deines Wesens aufnehmend und sie der Vollendung und Erfüllung zuführend, ihre Liebe, die dich einhüllt und in ihren Armen zu Gott hinträgt. Dies in all deinen Teilen bis hinab zum eigentlichen Stofflichen zu fühlen und zu besitzen, muss dein Streben sein, und hier gibt es weder eine Begrenzung der Zeit noch der Vollkommenheit. Wenn man es wahrhaft erstrebt und auch erhält, darf es keine andere Forderung, kein enttäuschtes Begehren mehr geben. Und wenn man wahrhaft strebt, erhält man es unweigerlich, und zwar in dem Maße wie die Läuterung voranschreitet und die menschliche Natur sich der erforderlichen Wandlung unterzieht.
Halte deine Liebe von jedem selbstsüchtigen Anspruch und Begehren frei und du wirst erkennen, dass du als Entgegnung all die Liebe erhältst, die du ertragen und aufnehmen kannst.
Erkenne ebenfalls, dass zuerst die Verwirklichung zu erfolgen hat, die zu geschehende Arbeit, und nicht die Befriedigung von Forderung und Begehren. Erst wenn das Göttliche Bewusstsein in seinem supramentalen Licht und seiner supramentalen Macht herabgekommen ist und das Physische umgewandelt hat, kann man auch anderen Dingen einen wichtigen Platz einräumen – und auch dann wird es nicht die Befriedigung des Begehrens sein, sondern die Erfüllung der Göttlichen Wahrheit in jedem und allen und in dem neuen Leben, das sie ausdrücken wird. Im göttlichen Leben geschieht alles um des Göttlichen und nicht um des Egos willen.
Ich sollte vielleicht noch ein, zwei Dinge hinzufügen, um Missverständnisse zu vermeiden. Erstens, die Liebe zum Göttlichen, von der ich spreche, ist nicht allein eine seelische Liebe; es ist die Liebe des ganzen Wesens, einschließlich des Vitals und des Vital-Physischen – alle [Teile] sind des gleichen Selbstgebens fähig. Es ist falsch anzunehmen, dass die Liebe des Vitals eine fordernde Liebe zu sein habe und die Befriedigung ihrer Wünsche erzwingt; es ist falsch anzunehmen, dass es entweder so sein müsse oder aber das Vital, um seinem „Verhaftet-sein“ zu entkommen, ganz und gar von dem Ziel seiner Liebe ablassen muss. Das Vital kann in seinem fraglosen Selbstgeben so absolut sein wie irgendein anderer Teil der menschlichen Natur; nichts ist hochherziger als seine Bewegung, wenn es sich um des Geliebten willen vergisst Sowohl das Vital als auch das Physische sollten sich auf die wahre Art geben – die Art der wahren Liebe, nicht des egoistischen Begehrens.

Wenn die Menschen im Allgemeinen von vitaler Intimität sprechen, meinen sie meist etwas sehr Äußerliches, das nicht herabgebracht zu werden braucht, da es etwas Alltägliches im menschlichen Leben ist. Wenn hingegen die innere vitale Intimität mit dem Göttlichen gemeint ist, so macht diese die Einung natürlich vollkommener, sofern sie sich auf der Seele gründet.

Wenn sich das Vital der Liebe zum Göttlichen zuwendet, bringt es in diese den Heroismus, den Enthusiasmus, die Intensität, die Absolutheit und Ausschließlichkeit, den Geist der Selbst-Darbringung, das totale und leidenschaftliche Selbstgeben der ganzen Natur. Es ist die vitale Leidenschaft für das Göttliche, die die spirituellen Helden, Eroberer oder Märtyrer hervorbringt.

Vermutlich drückt Liebe etwas Intensiveres als Zuneigung aus, die ein bloßes Gernhaben oder ein Wohlwollen miteinbeziehen kann. Doch sei es nun Liebe oder Zuneigung, menschliches Fühlen gründet immer auf dem Ego oder ist stark von ihm durchsetzt – daher kann es nicht rein sein. In der Upanishad heißt es: „Man liebt das Weib nicht um des Weibes willen oder das Kind um des Kindes oder den Freund um des Freundes willen –, sondern des eigenen Selbstes wegen liebt man das Weib.“ Meist besteht Hoffnung auf Entgegnung, auf Gewinn oder Vorteil oder auf gewisse Freuden und Befriedigungen mentaler, vitaler oder physischer Art, die die geliebte Person geben könnte. Wenn diese Dinge wegfallen, lässt die Liebe sehr bald nach, sie mindert sich und schwindet oder wandelt sich in Ärger, Vorwurf, Gleichgültigkeit oder gar Hass. Es gibt aber auch ein Element der Gewohnheit, etwas, das die Gegenwart der geliebten Person zu einer Art Notwendigkeit macht, da sie immer da war – und dieses [Element der Gewohnheit] ist manchmal so stark ausgeprägt, dass es trotz einer völligen Unvereinbarkeit der Temperamente und grimmiger Feindschaft, einer Art Hass, andauert und selbst diese Abgründe von Disharmonie für die Trennung der Beteiligten nicht ausreichen; in anderen Fällen ist dieses Gefühl nicht so deutlich ausgeprägt, und nach einiger Zeit gewöhnt man sich an die Trennung oder nimmt einen Ersatz hin. Häufig ist auch das Element einer gewissen spontanen Anziehung oder Verwandtschaft vorhanden – mental, vital oder physisch –, das der Liebe eine stärkere Bindung gibt. Und schließlich gibt es in der höchsten oder tiefsten Art der Liebe das seelische Element, das dem innersten Herzen, der innersten Seele entspringt, eine Art innerer Verbindung, ein Selbstgeben oder zumindest ein Suchen danach, eine Bindung, ein Drängen, das unabhängig von äußeren Umständen oder Elementen ist, das um seiner selbst willen besteht und nicht wegen eines mentalen, vitalen oder physischen Vergnügens, einer Befriedigung, eines Interesses oder einer Gewohnheit. Meist aber ist dieses seelische Element in der menschlichen Liebe, selbst wo es vorhanden ist, mit anderen Elementen so vermischt und von ihnen überlagert und verhüllt, dass es nur geringe Aussicht hat, sich zu erfüllen oder die ihm eigene natürliche Reinheit und Fülle zu erlangen. Was Liebe genannt wird, ist daher manchmal die eine und manchmal die andere Sache, meist aber ein wirres Durcheinander, und es ist unmöglich, eine allgemeine Antwort auf deine Fragen zu geben, nämlich was mit Liebe in diesem oder einem anderen Fall gemeint ist. Es hängt von den Personen und Umständen ab.
Wenn sich die Liebe dem Göttlichen zuwendet, ist in ihr das gewöhnliche menschliche Element noch enthalten. Es besteht die Forderung nach einer Erwiderung, und wenn diese nicht zu kommen scheint, kann die Liebe nachlassen; es besteht ein eigennütziges Interesse, das Verlangen nach dem Göttlichen als dem Geber von allem, was das menschliche Wesen will, und wenn das Verlangen nicht erfüllt wird, entsteht abhimana gegen das Göttliche, ein Schwinden des Glaubens, ein Schwinden des Eifers usw. usw.. Die wahre Liebe zum Göttlichen aber ist ihrer eigentlichen Natur nach nicht von dieser Art, sie ist vielmehr seelisch und spirituell. Das seelische Element ist das Bedürfnis des innersten Wesens nach Selbstgeben, Liebe, Anbetung, Einung, das allein durch das Göttliche voll befriedigt werden kann. Das spirituelle Element ist das Bedürfnis des Wesens nach Berührung, Verschmelzung, nach Einung mit seinem eigenen höchsten und ganzen Selbst und dem Ursprung des Wesens, des Bewusstseins und der Seligkeit, dem Göttlichen. Diese beiden [das seelische und das spirituelle Element] sind zwei Seiten der gleichen Sache. Das Mental, das Vital, das Physische können Rückhalt und Empfänger dieser Liebe sein, sie können es in vollem Umfang jedoch nur dann sein, wenn sie in Einklang mit den seelischen und spirituellen Elementen des Wesens neu geformt werden und nicht länger den niederen Forderungen des Egos gehorchen.

Warum brauchst du etwas Ungewöhnliches? Die Liebe der Seele ist die wahre Sache, einfach und absolut – das Übrige ist nur dann richtig, wenn es ein Instrument der Manifestation der Seelen-Liebe ist.

Das äußere Wesen muss lernen, auf die seelische Weise zu lieben, ohne Ego. Wenn es auf die egoistisch-vitale Weise liebt, schafft es sich, der Sadhana und der Mutter nur Schwierigkeiten.

Die Beziehung des Kindes zur Mutter ist die eines uneingeschränkten, aufrichtigen und einfachen Vertrauens, der Liebe und der Abhängigkeit.

Wenn du zum Göttlichen kommst, stütze dich innerlich auf das Göttliche und lass dich durch andere Dinge nicht beeinflussen.

Was er beschreibt, ist eine vitale Forderung des Egos nach emotioneller Selbstbefriedigung; es ist Maya. Es ist nicht die wahre Liebe, denn die wahre Liebe sucht nach Einung und Selbstgeben, und sie ist es, die man dem Göttlichen entgegenbringen muss. Diese vitale (sogenannte) Liebe bringt nur Leiden und Enttäuschung; sie bringt kein Glück und wird niemals befriedigt, sie ist nicht einmal zufrieden, wenn sie das erhält, worum sie bittet.
Es ist durchaus möglich, sich von dieser Maya der vitalen Forderung zu befreien – sofern man es will –, doch muss der Wille ehrlich sein. Wenn sein Wille aufrichtig ist, wird er bestimmt Hilfe und Schutz erhalten. Er muss seine Grundlage vom vitalen zum seelischen Zentrum verlegen.

Es liegt in der üblichen Art der vitalen Liebe, nicht beständig zu sein, und, selbst wenn sie es versucht, nicht zu befriedigen, denn sie ist eine Leidenschaft, die von der Natur ins Spiel gebracht wurde, damit ein vorübergehender Zweck erfüllt wird. Für diesen vorübergehenden Zweck genügt sie, und wenn sie hinreichend dem Zweck der Natur gedient hat, verblasst sie, ihrer natürlichen Veranlagung folgend. In den Menschen – denn der Mensch ist ein mehr komplexes Wesen – ruft sie die Einbildungskraft und den Idealismus zu Hilfe, um ihren Impuls zu stützen, um ihm ein Gefühl von Begeisterung, Schönheit, Feuer und Glanz zu verleihen – all dies aber schwindet nach einer gewissen Zeit. Es kann nicht anhalten, da alles ein entlehntes Licht, eine entlehnte Macht ist – entlehnt in dem Sinne, dass es eine Widerspiegelung von etwas Jenseitigem ist und dem widerspiegelnden vitalen Medium, welches von der Einbildungskraft für diesen Zweck benutzt wird, nicht innewohnt. Zudem ist im Mental und Vital nichts beständig, dort ist alles im Fluss. Das einzig Dauerhafte ist die Seele, der Spirit. Liebe kann daher nur dann währen oder befriedigen, wenn sie die Seele und den Spirit zur Grundlage hat und dort wurzelt. Das aber bedeutet, nicht länger im Vital, sondern in der Seele und im Spirit zu leben.
Die Schwierigkeit des Vitals sich hinzugeben, besteht darin, dass es nicht vom Verstand oder Wissen gelenkt wird, sondern vom Instinkt und Impuls sowie dem Verlangen nach Vergnügen. Es zieht sich zurück, weil es enttäuscht ist, weil es erkennt, dass sich die Enttäuschung immer wiederholen wird, es erkennt aber nicht, dass die ganze Sache als solche ein Trug ist – und wenn es dies doch erkennt, dann schreckt es vor dieser Tatsache zurück. Wo diese vairagya [Weltabkehr] hingegen sattvisch ist, nicht aus der Enttäuschung geboren, sondern aus dem Gefühl für die größeren und wahreren zu erreichenden Dinge, tritt diese Schwierigkeit nicht auf. Dennoch kann das Vital durch Erfahrung lernen, es kann soviel lernen, dass es von seinem Bedauern, sich von dem Reiz der Irrlichter abkehren zu müssen, frei wird. Seine vairagya kann sattvisch und entschlossen werden.

Wie immer auch der Glanz einer vitalen Liebe gewesen sein mag, wenn sie einmal abfällt und man eine höhere Ebene erreicht, sollte man erkennen, dass sie nicht die große Sache war, für die man sie hielt. Eine übertriebene Einschätzung aufrechtzuerhalten bedeutet, das Bewusstsein von dem Sog der größeren Sache fernzuhalten, mit der jene [die vitale Liebe] nicht einen Augenblick lang den Vergleich standhalten kann. Wenn man ein derartig übertriebenes Gefühl wie dieses für eine geringwertige Vergangenheit aufrechterhält, wird es notwendigerweise schwieriger, die ganze Person für eine höhere Zukunft zu entwickeln. Es ist in der Tat nicht der Wunsch der Mutter, dass jemand auf die vergangene vitale Liebe in einem Geist von enthusiastischer Wertschätzung zurückblickt. Tatsächlich war es doch „so wenig“, wenn man die Dinge irgendwie im wahren Licht betrachtet. Es ist keinesfalls eine Frage des Vergleichs oder des Sich-Rühmens einer vitalen Leidenschaft auf Kosten derjenigen eines anderen. Die ganze Sache muss in ihren Ausmaßen schwinden und sich in die schattenhaften Gebilde der Vergangenheit zurückziehen, die keine Bedeutung mehr haben.

Deine Schwierigkeit besteht darin, dass das Vital noch nicht das Geheimnis des selbst-bestehenden Ananda der Liebe entdeckt hat, den Ananda der reinen Wahrheit der Liebe, ihrer inneren Schönheit, die um ihrer selbst willen besteht, das Geheimnis der inneren, bleibenden Ekstase; es kann noch nicht glauben, dass die Sache überhaupt existiert; es bewegt sich aber darauf zu, und diese Empfindung war vermutlich eine Entwicklungsstufe – ein Tasten nach einem reineren vitalen Gefühl auf dem Weg zum reinsten von allen, das eins mit dem Göttlichen ist.

Die Göttliche Liebe, ungleich der menschlichen, ist tief und unermesslich und schweigend; man muss weit und ruhig werden, um sie wahrzunehmen und zu erwidern. Er1 muss die Hingabe zu seinem alleinigen Ziel machen, damit er ein Gefäß und Instrument wird, und es dann der Göttlichen Weisheit und Liebe überlassen, ihn mit dem Nötigen zu erfüllen. Er soll sich ebenfalls einprägen, nicht während einer bestimmten Zeitspanne Fortschritte machen zu müssen, oder sich entwickeln und die Verwirklichung erreichen zu wollen; wie lang es auch dauern mag, er muss bereit sein zu warten und auszuharren und sein ganzes Leben ausschließlich zu einem Streben und Sich-Öffnen für die eine Sache, das Göttliche zu machen. Sich zu geben und nicht zu fordern und zu gewinnen, ist das Geheimnis der Sadhana. Je mehr man sich gibt, desto mehr wird die Fähigkeit zu empfangen wachsen. Deshalb müssen Ungeduld und Aufruhr verschwinden; alle Einflüsterungen, dass man nicht genug erhalte, dass man nicht geliebt werde, dass man besser fortgehen und das Leben oder die spirituelle Bemühung aufgeben sollte, müssen zurückgewiesen werden.

Wenn die Liebe absolut und vollkommen ist und niemals eine vitale Forderung damit verbunden war, kann der Impuls des Aufbegehrens nicht aufkommen.

Göttlich kann man nur dann lieben, wenn man göttlich in der eigenen Natur geworden ist; es gibt keinen anderen Weg.

Liebe ist sich selbst genug, sie bedarf nicht der Hilfe des Blinden. Hierin gleicht sie dem Glauben oder jeder anderen göttlichen Kraft.

Menschliche Liebe ist meist vital und physisch mit einem mentalen Rückhalt – sie kann allein dann eine selbstlose, edle und reine Form und einen ebensolchen Ausdruck annehmen, wenn sie von der Seele berührt wird. Meist ist sie ein Gemisch aus Unwissenheit und Verhaftet-sein, aus Leidenschaft und Begehren. Doch was immer sie auch sein mag, einer, der das Göttliche zu erreichen sucht, darf sich mit menschlicher Liebe und menschlichem Verhaftet-sein nicht belasten, da sie eine Unzahl von Fesseln bilden, seine Schritte hemmen und ihn zudem von der Konzentration seiner Gefühle auf das eine höchste Ziel der Liebe abwenden.
Es gibt so etwas wie die seelische Liebe, rein, ohne Forderung, aufrichtig im Selbstgeben, doch bleibt sie in der Anziehung menschlicher Wesen zueinander meist nicht rein. Während der Ausübung der Sadhana muss man sich vor der Bekundung seelischer Liebe hüten, denn meist ist das nur ein Deckmantel und eine Rechtfertigung für eine vitale Anziehung oder Bindung.
Universale Liebe ist spirituelle Liebe, die sich auf dem Gefühl des Einen und Göttlichen überall gründet und auf der Wandlung des persönlichen Bewusstseins in ein weites, universales Bewusstsein, frei von Bindung und Unwissenheit.
Die Göttliche Liebe ist von zweierlei Art – die göttliche Liebe zur Schöpfung und zu den Seelen, die ein Teil von ihr sind, und die Liebe des Suchenden, die Liebe zum Göttlichen Geliebten; sie enthält sowohl ein persönliches als auch ein unpersönliches Element, doch ist das persönliche frei von allen niederen Elementen oder der Bindung an die vitalen und physischen Instinkte.

Die seelische Liebe ist rein und voller Selbstgeben, ohne egoistische Forderungen, sie ist jedoch menschlich und kann irren und leiden. Die Göttliche Liebe ist etwas weitaus Umfassenderes und Tieferes, voller Licht und Ananda.

Die Liebe des Göttlichen ist jene, die von oben aus dem Göttlichen Einssein und seinem Ananda auf das Wesen herabströmt; die seelische Liebe ist eine Form, die die göttliche Liebe im menschlichen Wesen annimmt, und sie entspricht dem Erfordernis und den Möglichkeiten des menschlichen Bewusstseins.

Die Liebe und Freude der Seele kommen von innen, vom seelischen Wesen. Was von oben kommt, ist der Ananda des höheren Bewusstseins.

Wenn die Liebe in ihrem Motiv seelisch ist, bringt sie immer das Gefühl des Einsseins oder zumindest einer inneren, innigen Nähe des Wesens mit sich. Die Göttliche Liebe gründet sich auf Einssein, und die seelische Liebe leitet sich von der Göttlichen Liebe her.

Wenn sich die Seele mit dem Göttlichen eint, kann sie nicht davon getrennt werden. Trennung ist Nicht-Einung. Die seelische Verwirklichung ist die der Verschiedenheit in der Einheit (der Teil und das Ganze); sie gleicht nicht der Auflösung eines Tropfen Wassers im Ozean, denn dann ist keine Liebe oder Anbetung mehr möglich, es sei denn die Liebe zu sich selbst oder die Hingabe an sich selbst.

Die Menschen sind durch die Individualisierung ihrer Natur zwangsläufig voneinander getrennt und können nur so [in dieser Trennung] Kontakte errichten. Im seelischen Wesen entsteht das Gefühl des Einsseins durch die psychische Zuneigung, doch nicht eine Einung, denn die Psyche ist die individuelle Seele, die sich zuerst mit dem Göttlichen einen muss, bevor sie sich über das Göttliche mit anderen einen kann. In der spirituellen Verwirklichung gibt es zwei durchaus entgegengesetzte Formen – die eine, in der man sich von allen äußeren Dingen einschließlich aller stofflichen Wesen in der Welt zurückzieht, um in das Göttliche einzutauchen, und die andere, in der man das Selbst oder das Göttliche in allen fühlt und durch diese Verwirklichung ein universales Einssein erlangt.

Die Liebe, die den spirituellen Ebenen angehört, ist von anderer Art. Die Seele hat ihre eigene, mehr persönliche Liebe, bhakti und Hingabe. Liebe im höheren oder spirituellen Mental ist universaler und unpersönlicher. Beide müssen Hand in Hand gehen, um zur höchsten göttlichen Liebe zu werden.

Universale Liebe ist immer universal – seelische Liebe kann sich individualisieren.

Die Kosmische Liebe ist davon abhängig, ob man das Einssein des Selbstes mit allen verwirklicht. Die seelische Liebe oder das seelische Gefühl für alle kann ohne diese Verwirklichung existieren.

Das Intuitive Mental oder das Obermental ist für die Wahrheit der Göttlichen Liebe offener und eher fähig, die Liebe zu universalisieren, als es das Mental im Allgemeinen ist – auch ist die Liebe dort in ihrer Intensität ruhiger und weniger egobefangen als in den mentalen Teilen. Doch auch das Mental kann die Eigenschaft dieser Liebe erreichen, wenn seine Liebe seelisch und spirituell wird.

Ich verstehe Xs Frage nicht ganz. Will er wissen, ob man sich der Göttlichen Liebe zu allen Geschöpfen bewusst werden kann, bevor man selbst von der universalen Liebe zu anderen erfüllt ist? Wenn das gemeint ist, kann ich nur sagen, dass man sich natürlich der Göttlichen Liebe bewusst werden kann, bevor man selbst die universale Liebe erreicht hat – man kann sich ihrer bewusst werden durch den Kontakt mit dem Göttlichen in sich selbst. Natürlich sollte dieses Bewusstsein dann zur Entwicklung einer universalen Liebe zu allen führen. Doch wenn er eine Liebe meint, die göttlich und nicht durch die niederen Bewegungen befleckt ist, dann ist es wahr, dass eine Liebe, frei von allen Mängeln, Begrenzungen und Befleckungen der gewöhnlichen menschlichen Liebe, schwer zu erreichen ist, solange nicht der Friede vorhanden ist, die Reinheit, die Freiheit vom Ego, die Weite und das Licht des universalen Bewusstseins, das die Grundlage der universalen Liebe ist. Je mehr Universalität man besitzt, desto leichter kann man von jenen Dingen befreit werden.

Die Einheit mit allen ist in ihrem Grunde etwas In-Sich-Bestehendes und Sich-Selbst-Genügendes, das keines Ausdrucks bedarf. Wenn sie sich aber als Liebe ausdrückt, dann ist sie weit und universal, ungestört und fest, selbst wenn sie intensiv ist.

Das ist im Grunde das kosmische Einssein. Es gibt aber auch ein vordergründiges kosmisches Bewusstsein, das aus einem Gewahr-werden des Spiels der kosmischen Kräfte besteht – hier kann sich alles erheben, auch Sex. Dieser Teil ist es, der der vollkommenen Durchseelung bedarf, im anderen Fall kann man ihn nicht in der richtigen Weise bewahren, enthalten und damit umgehen.

Die Verwirklichung des Einen im Mental bringt oder sollte eine gewisse Freiheit im Mental mit sich bringen; doch das Vital und der Körper können unter dem Impuls des Vitals mit ihren gewöhnlichen Bewegungen fortfahren, da sie für ihre Tätigkeit nur zum Teil vom Mental abhängig sind. Sie können es sogar mit sich fortreißen, haranti prasabham manah (voller Heftigkeit reißen sie das Sinnen-Mental mit sich fort, Gita 2.60), oder der Erwägung und Missbilligung des Mentals zuwider handeln. „Ich erkenne das Gute und stimme ihm zu, ich tue jedoch das Schlechte“ sagt der römische Dichter; in der Sprache der Gita heißt es: anicchannapi baladiva niyojitah (obwohl man es nicht will, ist es als würde man durch eine Kraft dazu gezwungen, Gita 3.36). Es ist daher notwendig, dass die Verwirklichung mit ihrem Frieden und der Kraft ihrer Reinheit konkret in das Vital und Physische selbst herabkommt, und wenn dann die vitalen Bewegungen versuchen sich zu erheben, begegnen sie ihr und müssen aufgrund ihres selbsttätigen Druckes weichen.

Solange nicht das ganze Bewusstsein von fragwürdigem Stoff geläutert und die Verwirklichung des Einsseins in ihrer höchsten Reinheit gefestigt wurde, ist es nicht ratsam, der All-Liebe Ausdruck zu verleihen. Indem man sie in sich bewahrt, wird sie zu einem echten Bestandteil der menschlichen Natur und durch die Verbindung mit den anderen, noch stattzufindenden Verwirklichungen gefestigt und geläutert. Gegenwärtig ist es nur eine erste Berührung, und es wäre unklug, sie zu zerstreuen, indem man ihr Ausdruck verleiht. Sex und Vital könnten leicht aktiv werden – mir sind Fälle von sehr fortgeschrittenen Yogis bekannt, in denen die visvaprema zur visvakama wurde, die All-Liebe wurde zur All-Lust. Dies geschah bei vielen sowohl in Europa als auch im Osten. Ganz abgesehen davon ist es immer besser zu erhärten und zu festigen, statt hinauszuschleudern und zu zerstreuen. Erst wenn die Sadhana fortgeschritten ist und das Wissen von oben die Liebe erleuchtet und lenkt, wird es anders sein. Mein Beharren auf Zurückweisung aller ungewandelten vitalen Bewegungen gründet sich auf Erfahrung, und zwar auf meiner eigenen und der von anderen und auch auf der von alten Yoga-Systemen, wie die Vaishnava-Bewegung von Chaitanya, ganz abgesehen von dem alten buddhistischen sahaja dharma2, die in großer Entartung endeten. Eine weite Bewegung wie die der All-Liebe kann nur dann stattfinden, wenn der Boden der menschlichen Natur gründlich dafür vorbereitet wurde. Ich habe aber nichts dagegen einzuwenden, dass du mit anderen Menschen verkehrst, jedoch nur dann, wenn ein aufmerksames Mental und ein aufmerksamer Wille fortwährend wachsam sind und die Kontrolle übernehmen.

Wahrnehmung ist für die Umwandlung der Natur nicht genug. Pasyatah (derjenige, der wahrnimmt) heißt in der spirituellen Sprache nicht nur Wahrnehmung. Wahrnehmung gehört zum Mental, und eine mentale Wahrnehmung ist nicht genug – eine kraftvolle und dynamische Verwirklichung im ganzen Wesen ist erforderlich. Im anderen Fall könnte sich eines von drei Dingen ereignen: 1. Das Mental nimmt das Einssein wahr, doch wird das Vital davon nicht berührt, es fährt mit seinen Impulsen fort, denn es wird nicht vom Denken oder der Vernunft gelenkt, sondern von Neigung, Trieb und der Kraft der Begierde. Es gebraucht die Vernunft lediglich als Mittel der Rechtfertigung für seine Vorhaben. Oder das Vital könnte sogar sagen: „Alles ist eins, es spielt also keine Rolle, was ich tue. Warum sollte ich das Einssein mit anderen nicht auf meine Weise suchen?“ 2. Wenn das Mental eine Verwirklichung hat, das Vital aber nicht daran teilnimmt oder sie entstellt, ist es möglich, dass das Vital sich durchsetzt oder sogar das Mental mit sich reißt. Die Gita sagt, dass selbst das Mental des Weisen, der die Erkenntnis erlangt hat, vom Sinnen-Vital fortgerissen wird wie ein Schiff vom Wind auf sturmbewegter See. 3. Das innere Wesen mag zu einer kraftvollen Verwirklichung gelangt sein und im Einssein, in Stille und Frieden leben, doch können die inneren Teile des äußeren Wesens noch Reaktionen des Begehrens usw. haben. In diesem Fall sind die Reaktionen zwar oberflächlich, dennoch ist, bis sie aufhören, die Zurückweisung erforderlich. Wenn das ganze Wesen in der soliden Verwirklichung der Ruhe, des Friedens, der Befreiung und des Einsseins lebt, dann fallen die Begierden ab und das Erfordernis der Zurückweisung besteht nicht länger – denn es gibt nichts mehr, was zurückgewiesen werden müsste.

Die mentale Verwirklichung (des einen Selbstes) bringt nicht dieses Ergebnis (Immunität gegen moha und soka, gegen Täuschung und Sorge), die spirituelle Verwirklichung hingegen bringt es. In der vedantischen Erfahrung bedeutet „erkennen“ auch [zu etwas zu] „werden“, man ist dieses eine Selbst, ist damit identifiziert, und alle Tätigkeit der Natur scheint eine Bewegung zu sein, die auf jenem Selbst stattfindet, das selber nicht davon berührt wird. Daher gibt es kein moha oder soka mehr. Das ist der Fall, wenn man die Erfahrung bewahren kann und wenn sie vollständig ist. Selbst wenn man diese Erfahrung nur als etwas Innerliches hat und die Bewegungen des Vitals an der Oberfläche fortbestehen, werden diese Bewegungen doch als etwas Äußeres und Oberflächliches empfunden, als nicht wirklich zu einem selbst gehörend – das Selbst im Inneren bleibt unberührt, ruhig, ohne Schmerz und im Frieden. Wenn auch das Vital in dieses Bewusstsein umgewandelt wird, gibt es sogar an der Oberfläche kein Leid mehr.

Die dynamische Liebe kann sich nicht in gleichem Umfang über alle ergießen. Das würde eine chaotische Störung hervorrufen, da die Mehrheit der Menschen hierfür nicht vorbereitet ist. Allein die statische, unveränderliche, universale Liebe ist für alle in gleicher Weise anwendbar – jene [Liebe], die aus der stillen Weite des Herzens kommt und mit der stillen Weite des Mentals harmoniert, in welcher Gleichmut und unendlicher Friede wohnen.

Man kann mit allen sprechen, außer man hat einen Grund, es nicht zu tun. Das Einssein mit allen ist eine innere Verwirklichung, die aber nicht notwendigerweise auferlegt, dass man alle gleich behandelt… Es ist die alte Geschichte von hathi brahman und mahout brahman. Es gibt eine fundamentale Verwirklichung und es gibt die Verschiedenheiten der lila – beide müssen in Betracht gezogen werden.

Es ist das Vital, das versucht, sich zu verausgaben in der stillschweigenden Hoffnung, etwas im Austausch zurückzuerhalten. Das Bewusstsein des Einsseins ist etwas, das hinter allem Leben steht; zweifellos gehen alle Formen der Zuneigung aus ihm hervor, wenn auch nicht bewusst, und werden dann, sobald das Vital das Wirken der Kraft der Liebe aufnimmt, von deren wahrer oder göttlicher Natur es nichts weiß, verändert, vermischt und entstellt.

Genau das versuchte X zu tun, nämlich Liebe im Zusammenhang mit dieser oder jener Person zum Ausdruck zu bringen. Die universale Liebe aber ist nicht persönlich – sie muss innerlich als ein. Bewusstseinszustand bewahrt werden, der entsprechend dem Göttlichen Willen seine Auswirkungen haben oder, wenn notwendig, durch diesen Willen gebraucht werden wird; doch herumzulaufen und sie zur eigenen persönlichen Befriedigung oder zur Befriedigung von anderen zum Ausdruck zu bringen, heißt nur, sie zu verderben oder zu verlieren.

Früher, wenn immer das Sich-Öffnen des Herzens stattfand, hast du es mit vitalem Vergnügen in Verbindung gebracht und anderen zugewandt, statt die Liebe dem Göttlichen zuzuwenden und ihre essentielle Reinheit zu bewahren – genauso war es mit dem höheren Bewusstsein, das, wenn es herabkam, in mentale Bewegungen zerstreut wurde. Diesmal kam beides (das Öffnen des Herzens und das höhere Bewusstsein) in reinerer Form, doch besteht immer noch die Gefahr, dass die mentalen und vitalen Kräfte sie ergreifen, und dann wird beides wahrscheinlich nicht mehr kommen oder sich auflösen. Daher musst du diesmal aufpassen und keine mentale Abweichung zulassen.

Ich habe von Mc Taggart als einem Philosophen gehört, seine Gedankengänge und Schriften aber sind mir gänzlich unbekannt, und es ist daher ein wenig schwierig für mich, dir mit einiger Bestimmtheit zu antworten. Vereinzelte Gedanken und Sätze könnten leicht missverstanden werden, wenn sie nicht gegen den Hintergrund der Weltanschauung des Denkers gelesen werden. Außerdem besteht immer ein Unterschied des Standpunktes und der Annäherung zwischen dem spirituell Suchenden oder Mystiker, der (zuweilen) philosophiert, und dem intellektuellen Denker, der (manchmal oder zum Teil) mystifiziert. Ersterer beginnt bei einer spirituellen oder mystischen Erfahrung oder zumindest bei einer intuitiven Verwirklichung und versucht, sie und die Art ihrer Beziehung zu einer anderen spirituellen oder intuitiven Wahrheit in der unzulänglichen und zu abstrakten Sprache des Mentals auszudrücken; er sucht hinter dem Gedanken und Ausdruck nach einer spirituellen oder intuitiven Erfahrung, auf die sie hinweisen könnte, und, findet er sie nicht, dann neigt er dazu, den Gedanken, auch wenn er intellektuell scharfsinnig ist, oder den Ausdruck, auch wenn er intellektuell bedeutsam ist, als etwas Nicht-Substantielles – da ohne spirituelle Substanz – zu empfinden. Der intellektuelle Denker hingegen beginnt bei den Ideen und mentalisierten Gefühlen und bei anderen mentalen oder äußeren Phänomenen und versucht, die essentielle Wahrheit in oder hinter ihnen zu finden; meist macht er bei einer mentalen Abstraktion halt oder bei einer nur abgeleiteten mentalen Verwirklichung3 von etwas eigentlich Nicht-Mentalem. Wenn aber der wahre Mystiker irgendwo in ihm steckt, wird er manchmal darüber hinaus ein blitzartiges Aufleuchten oder zumindest einen flüchtigen Einblick erfahren. Ist es nicht der Zwang dieser Annäherung (ich meine die unzulängliche Methode der intellektuellen Philosophie und ihr Gebunden-sein an Wort und Idee, während für den wahren Mystiker Wort und Idee bestenfalls nützliche Symbole oder ein bedeutsames Aufflammen sind), der in Mc Taggart wie in vielen anderen die Entfaltung des inneren Mystikers verhinderte? Wenn der Rezensent recht hat, wäre dies der Grund, weshalb er abstrakt und trocken ist, während das Schöne und Bewegende in seinen Gedankengängen ein Licht wäre, das durchschimmert trotz der unzureichenden Mittel des Ausdrucks, zu denen philosophisches Denken uns zwingt. Ungeachtet dieser ziemlich langatmigen, einschränkenden Betrachtung will ich dennoch versuchen, mich mit den Auszügen oder gerafften Gedankengängen in deinem Brief auseinanderzusetzen.
„Liebe, die hauptsächliche Beschäftigung der Selbste in der absoluten Wirklichkeit“: Das scheint mir ein wenig übertrieben zu sein. Wenn man die „hauptsächliche Beschäftigung“ durch „eine essentielle Macht“ ersetzen würde, könnte ich das gelten lassen. Ich selbst würde behaupten, dass Seligkeit und Einssein der essentielle Zustand der absoluten Wirklichkeit sind; Liebe als die charakteristischste dynamische Macht von Seligkeit und Einssein muss grundlegend ihre Tätigkeiten stützen und ihnen Farbe verleihen, die Tätigkeiten selbst aber können ihrem Charakter nach vielfältig und brauchen nicht von einer bestimmten Art zu sein.
„Wohlwollen und Zuneigung“: In mentaler Erfahrung müssen Wohlwollen und Zuneigung von Liebe unterschieden werden; es scheint mir jedoch, dass sie jenseits des teilenden Mentals, wo das wahre Gefühl des Einsseins beginnt, bei einer höheren Intensität zu charakteristischen Werten der Liebe werden. Wohlwollen wird zu einem starken, von der Liebe auferlegten Zwang, im Geliebten immer das Gute zu suchen; Zuneigung wird zu dem Gefühl, aus Liebe alle Regungen des Geliebten und alles was ihn betrifft zu umschließen, daran teilzunehmen und als Teil des eigenen Daseins zu betrachten.
„Liebe ist etwas Wahres und ganz und gar in sich gerechtfertigt, ob ihre Ursache groß oder trivial ist.“ Das stimmt in der menschlichen Praxis oft nicht, denn dort hängt das Schicksal der Liebe und ihrer Rechtfertigung in der Regel (obwohl nicht immer) von der Natur ihrer Ursache oder ihres Objektes ab. Wenn das Objekt der Liebe trivial ist, derart, dass es ein unangemessenes Instrument für die dynamische Verwirklichung der Empfindung des Einsseins ist – von der Mc Taggart sagt, dass sie die Essenz der Liebe sei –, wird die Erfüllung der Liebe voraussichtlich vereitelt. Es sei denn, sie begnügt sich damit, einfach zu existieren, sich in der ihr eigenen charakteristischen Art an den Geliebten zu verströmen, ohne eine Erwiderung für ihre Selbstverausgabung zu erwarten, ohne irgendeine gegenseitige Vereinigung. Dennoch mag die Äußerung stimmen, sofern sie die Liebe in ihrer Essenz betrifft; dann aber würde sie auf die Tatsache hinweisen, dass Liebe ihrem Ursprung nach eine selbst-bestehende Kraft ist, eine Absolutheit, etwas Transzendentes (wie ich es ausgedrückt habe), nicht von den Objekten abhängig – sie hängt allein von sich selbst oder allein vom Göttlichen ab, denn sie ist eine selbst-bestehende Macht des Göttlichen. Wenn sie nicht selbst-bestehend wäre, könnte sie von der Natur oder der Reaktion ihrer Objekte kaum unabhängig sein. Das ist es zum Teil, was ich meine, wenn ich von transzendenter Liebe spreche – obwohl dies nur ein Aspekt ihrer Transzendenz ist. Diese selbst-bestehende, transzendente Liebe wird, wenn sie sich über alle ausbreitet, sich überall hinwendet, um zu bergen, zu umschließen, zu einen und zu helfen, um sich zu Liebe und Seligkeit und Einssein zu erheben – diese Liebe wird zur kosmischen göttlichen Liebe; wenn sie sich intensiv an dies oder jenes anhängt, um sich zu finden, um eine dynamische Vereinigung zu erzielen oder hier [auf Erden] die Einung der Seele mit dem Göttlichen zu erreichen – diese Liebe wird zur individuellen göttlichen Liebe. Leider aber erfährt sie Minderungen im menschlichen Mental, im menschlichen Vital, im menschlichen Physischen; dort wird die göttliche Essenz der Liebe leicht von Fälschungen durchsetzt und durch die aus Teilung und Unwissenheit geborenen, entstellten Bewegungen getrübt, verhüllt oder vernichtet.
„Liebe und Selbst-Achtung“: Es klingt sehr hochtrabend, aber auch etwas trocken; diese „Emotion“ im Liebenden scheint mir nicht sehr emotional zu sein, es ist eine auf die Spitze getriebene Folgerung, weit über dem Strom irgendwelcher emotionaler Impulse. Selbstachtung in diesem oder einem tieferen Sinn kann von Liebe kommen, aber ebenso von einem Teilhaben am Wissen, an der Macht oder an etwas, von dem man fühlt, dass es das Höchste oder aber von der Essenz des Höchsten ist. Die Leidenschaft der Liebe aber, die Anbetung der Liebe kann eine ziemlich andersartige, ja sogar gegenteilige Emotion hervorrufen. Der bhakta empfindet besonders in der Liebe zum Göttlichen oder zu jemandem, den er als göttlich empfindet [zum Beispiel den Guru], eine intensive Verehrung für den Geliebten, er hat ein Gefühl von etwas ungeheuer Großem, Schönem oder Bedeutendem, sich selbst gegenüber aber den starken Eindruck der eigenen vergleichsweisen Unwürdigkeit und dabei den leidenschaftlichen Wunsch, in die Ähnlichkeit mit dem hineinzuwachsen, den er anbetet. Was sehr häufig mit dem Ansturm der Liebe eintritt, ist eine Erhebung, das Gefühl eines inneren Sich-Weitens, von neuen Kräften und hohen oder schönen Möglichkeiten in der eigenen Natur oder ihrer Steigerung. Das aber ist genaugenommen nicht Selbst-Achtung. Eine tiefere Selbst-Achtung ist möglich, eine wahrere Emotion, eine Empfindung des Wertes, ja sogar der Heiligkeit der eigenen Seele, selbst des Mentals, des Lebens, des Körpers als Darbringung oder als Tempel für die innere Gegenwart des Geliebten.
Diese Reaktionen sind innig verbunden mit der Tatsache, dass die Liebe, wenn sie den Namen verdient, immer ein Suchen nach Einung ist, nach Einssein, in ihrem geheimen Grunde aber auch ein Suchen – wenn auch manchmal nur ein dunkles Tasten – nach dem Göttlichen. Liebe in ihren Tiefen ist ein Kontakt der Göttlichen Möglichkeit oder Wirklichkeit im eigenen Inneren mit der Göttlichen Möglichkeit oder Wirklichkeit im Geliebten. Die Unfähigkeit, diese Eigenart zu bejahen oder zu bewahren, macht die menschliche Liebe entweder vergänglich oder beraubt sie ihres vollen Sinnes oder verdammt sie, in eine weniger erhabene Bewegung abzusinken, die auf das Fassungsvermögen des menschlichen Gefäßes vermindert ist. An diesem Punkt aber kommt uns Mc Taggart mit seiner rettenden Formulierung zu Hilfe: „Wenn ich liebe, sehe ich den anderen nicht wie er jetzt (und in Wirklichkeit also nicht) ist, sondern wie er wirklich ist (also wie er sein wird).“ Das Übrige, „der andere mit all seinen Fehlern ist irgendwie unendlich gut, zumindest für seinen Freund“, scheint mir zu mental, um irgendetwas Eindeutiges vom Standpunkt der spirituellen inneren Werte abzuleiten. Aber auch der andere zitierte Satz ist nicht sehr klar. Sein Sinn liegt vermutlich in der Richtung von Vivekanandas Unterscheidung zwischen dem scheinbaren Menschen und dem wirklichen Menschen; oder er stimmt bis zu einem gewissen Grad mit dem Ausspruch von Yajnavalkya, einem der frühen Lehrer des Vedanta, überein, in dem es heißt: „Nicht des Weibes wegen liebt man das Weib (oder, nicht des Freundes wegen liebt man den Freund, usw.), sondern des Selbstes wegen (des größeren Selbstes, des inneren Spirits) ist sie einem lieb.“ Yajnavalkya aber, der ein Sucher des Einen Absoluten (nicht des pluralistischen Absoluten) war, hätte die Folgerung in Mc Taggarts Satz nicht hingenommen; er würde gesagt haben, dass man darüber hinauszugehen habe, um letztlich das Selbst nicht im Weib oder im Freund zu suchen – obwohl man es dort eine Zeitlang suchen kann –, sondern in seinem eigenen Selbst-Bestehen. Jedenfalls scheint hier ein Bekenntnis vorzuliegen, wonach das Objekt der Liebe nicht das menschliche Wesen (wie es jetzt ist), sondern das innere Göttliche oder ein Teil des inneren Göttlichen ist (nenne es Gott, wenn du willst, oder nenne es das Absolute). Der Mystiker aber wäre nicht, wie Mc Taggart, mit jenem „sein wird“ zufrieden, er würde nicht zustimmen, das Endliche auf Kosten eines unverwirklichten Unendlichen zu lieben. Er würde auf der vollen Verwirklichung bestehen, darauf, das Göttliche als solches oder als das manifestierte Göttliche zu finden; er wäre mit dem Göttlichen, das sich seiner nicht bewusst, das unmanifestiert ist oder nur potentiell in der Ferne besteht, nicht zufrieden.
An diesem Punkt hält der Vergleich mit dem Ishta Devata, den du vorschlägst,. nicht stand; denn der Ishta Devata, auf den sich der Suchende konzentriert, ist eine bewusste Persönlichkeit des Göttlichen, die den Erfordernissen der Persönlichkeit des Suchenden entspricht und ihm gleichsam wie in einem symbolischen Bildnis zeigt, wie das Göttliche ist, oder zumindest durch sich zum Absoluten weist. Als ich andererseits von der Selbst-Absorption der Göttlichen Kraft in ihrer Dynamik sprach, versuchte ich, die Möglichkeit, die diese anscheinend unbewusste Materie in einer Göttlich-Kosmischen Manifestation hat, zu erklären. Ich sagte, dass in dem vordergründigen Ablauf etwas vom Göttlichen enthalten sei, das sich mit so viel Konzentration in die stoffliche Form geworfen hatte, dass es zur Bewegung wurde und zur Form, die durch die Bewegung der Kraft geschaffen wird, und alles, was nicht das ist, zurückdrängt, genauso wie ein Mensch sich konzentrieren und sein eigenes Dasein in dem, was er tut, sieht oder schafft, vergessen kann, nur in größerem Ausmaß und dauerhafter. Im Menschen selbst, der nicht unbewusst ist, tritt dies auf andere Weise zutage; sein vordergründiges Wesen gewahrt nicht, was hinter der Oberflächen-Persönlichkeit und Oberflächen-Tätigkeit steht, genau wie der Wesensteil des Schauspielers, der zur Rolle wird, das andere, dauerhaftere Selbst hinter dem Schauspieler vollständig vergisst In beiden Fällen aber ist ein größeres Selbst dahinter vorhanden – „eine Bewusstheit in unbewussten Dingen“ –, das sich sowohl seiner selbst bewusst ist als auch der sich vergessenden vordergründigen Form, die als Geschöpf gesehen wird. Erkennt Mc Taggart dieses bewusste Göttliche im Inneren? Er misst diesem Absoluten oder Wirklichen Selbst zu wenig Bedeutung bei, das – wie er es noch sieht – in der unwirklichen oder weniger wirklichen Erscheinungsform enthalten ist. Seine Leugnung des Göttlichen hat ihre Ursache in dem Beharren seines Mentals und seines vitalen Temperamentes auf dem Freund „wie er ist“, obwohl sein höheres Mental versuchen könnte, sich dem durch die Vorstellung zu entziehen, was sein Freund „sein wird“; sonst wäre es schwierig, die ungeheure Übertreibung in seiner These zu verstehen, dass die Liebe zu Freunden das einzig Wirkliche im Leben sei, und seine Abgeneigtheit, Gott eine Chance zu geben aus Furcht, dass dies ihm den Freund nehmen und an seiner Stelle das Göttliche zurückbleiben könnte.
Ich verstehe nicht ganz seine Auffassung des Absoluten. Wie kann man sagen, dass eine Gesellschaft (?) von einzelnen Selbsten insgesamt das Absolute sei? Wenn gemeint ist, dass eine Vereinigung von bewussten, befreiten Selbsten die Gegenwart des Göttlichen und eine gewisse Art von Manifestation möglich macht, so ist das verständlich. Oder wenn mit Gesellschaft nur gemeint ist, dass die Summe oder Gesamtheit aller einzelnen Selbste das Göttliche ergibt und diese einzelnen individuellen Selbste alle Teile des Göttlichen sind, dann wäre dies eine verständliche (pantheistische) Lösung. Nur wäre es eher eine Göttliche Gesamtheit oder eine Art Kosmischen Selbstes oder Spirits als das Absolute. Denn wenn es ein Absolutes gibt – an das zu glauben man intellektuell nur dann gebunden ist, wenn etwas im höheren Mental fordernd darauf zu bestehen scheint oder fühlt, dass es vorhanden ist –, muss es mit Sicherheit in seinem eigenen absoluten Recht bestehen und kann von einem Kollektiv einzelner Selbste weder eingesetzt noch in seinem Dasein von ihm abhängig sein – es muss in sich selbst bestehen. Für den Intellekt mag solch ein Absolutes ein undefinierbares, unverständliches X sein, doch führt die mystische oder spirituelle Erfahrung, wenn sie weit genug reicht, letzten Endes dorthin, wie auch immer die Pforte sein mag, durch die man einen ersten Blick davon erhält – es ist vorhanden, selbst wenn es in dieser anfänglichen Erfahrung noch nicht voll begriffen wird.
Deine eigene Erfahrung davon [des Absoluten] war, wie du sagst, ein Einbruch des Unendlichen in das Endliche – eine größere Macht, die auf dich herabkam oder dich zu sich erhob. So ist es immer mit der spirituellen Erfahrung, und daher spreche ich davon als dem Transzendenten. Es offenbart sich als solch eine herabkommende und erhebende Macht oder als herabkommende oder erhebende Liebe – oder als Licht, Friede, Seligkeit, Bewusstsein, Gegenwart; es ist von seiner Manifestation im Endlichen nicht begrenzt – man fühlt, dass der Friede, die Macht, die Liebe, das Licht, die Seligkeit oder die Gegenwart, in der all dies existiert, eine selbst-bestehende Unendlichkeit ist und nicht etwas, das durch unsere erste Wahrnehmung davon hier geformt oder begrenzt wurde. Mc Taggarts Liebe zu Freunden blieb für ihn die einzig wirkliche Sache. Ich muss annehmen, dass er diese erste Wahrnehmung nicht hatte. Doch ist einmal dieser Einbruch erfolgt, dann wird dieses Herabkommen und Erheben zwangsläufig das einzig Wirkliche, denn nur dadurch kann das Übrige seine eigene, anhaltende und größere Wirklichkeit finden. Es ist die Herabkunft des Göttlichen Bewusstseins und unser Aufsteigen und Erhoben-werden in dieses Göttliche Bewusstsein, wovon wir in unserem Yoga sprechen. Alles Übrige kann nur dann standhalten, gut werden, sich erfüllen, wenn es sich dazu erheben kann, ein Teil dieser göttlichen Verwirklichung oder seiner Manifestation zu sein, und hierfür muss es eine große Umwandlung und Vervollkommnung in Kauf nehmen. Die zentrale Verwirklichung aber muss das zentrale Ziel sein, und allein diese Verwirklichung ist es, die andere Dinge – alles was ein Teil davon werden soll – auf göttliche Weise möglich macht.

2. Bhakti und Anbetung
Das Wesen der bhakti ist Verehrung und Anbetung sowie die Selbst-Darbringung an etwas, das größer ist als man selbst; das Wesen der Liebe ist ein Gefühl der Nähe und Einung oder das Suchen danach. Das Selbst-Geben liegt im Wesen von beidem, beides ist im Yoga notwendig und jedes für sich erhält erst seine volle Kraft, wenn es vom anderen unterstützt wird.

Bhakti ist keine Erfahrung, es ist ein Zustand des Herzens und der Seele. Es ist ein Zustand, der eintritt, wenn das seelische Wesen erwacht ist und hervortritt.

Auf dem Weg der ahaituki bhakti (bhakti ohne Motiv) kann alles zu einem Instrument gemacht werden – Dichtung und Musik zum Beispiel sind nicht mehr allein Dichtung und Musik, sogar nicht nur ein Ausdruck der bhakti, sondern werden selbst zu einem Mittel, um den Zustand von Liebe und bhakti herbeizuführen. Die Meditation ist kein Bemühen mentaler Konzentration mehr, sondern ein Strömen von Liebe und Verehrung und Anbetung.

In diesem Yoga gibt es keine Begrenzung auf eine nur innere Anbetung und Meditation. Da es ein Yoga für das ganze Wesen und nicht allein für das innere Wesen ist, kann eine derartige Begrenzung nicht beabsichtigt sein. Alte Formen der verschiedenen Religionen können wegfallen, doch ist das Fehlen aller Form nicht die Regel der Sadhana.

Das sind die Übertreibungen des Mentals, welches die eine Seite der Wahrheit erkennt und die anderen nicht beachtet. Die innere bhakti ist die Hauptsache und ohne sie wird die äußere zu einer Form und einem bloßen Ritual – und dennoch hat sie ihren Platz und Wert, wenn sie offen und ehrlich ist.

Was ist mit bahyapuja (äußerer Ritus) gemeint? Wenn er wirklich rein äußerlich ist, stellt er natürlich die niedrigste Form dar; wenn er aber im wahren Bewusstsein verrichtet wird, kann er der Anbetung die größtmögliche Vollendung bringen, indem er dem Körper und rein äußerlichen Bewusstsein erlaubt, am Geist und Akt der Anbetung teilzunehmen.

Die Photographie ist nur ein Mittel [des Ausdrucks] – wenn du aber das rechte Bewusstsein hast, kannst du etwas vom lebendigen Wesen hineinbringen oder das Wesen wahrnehmen, das sie ausdrückt, und auf diese Weise kann sie zu einem Instrument des Kontaktes werden. Dies gleicht dem pranapratistha [dem Einhauchen von Leben in ein Idol] im Bildnis des Tempels.

Was du sagst, ist zweifellos richtig, es ist jedoch besser, die Stütze nicht zu entfernen, die dem Glauben jener dienen könnte, die solcher Stütze noch bedürfen. Visionen, Bildnisse und Zeremonien haben diesen Zweck. Es ist ein spirituelles Prinzip, einen Glauben oder etwas, das einen Glauben stützt, nicht wegzunehmen, solange die betreffenden Personen nicht fähig sind, diese Dinge durch etwas Größeres und Vollständigeres zu ersetzen.
Wenn durch den pranaprathista eine machtvolle Gegenwart herabgebracht wurde, kann diese noch lange dort verweilen, auch wenn derjenige, der sie herab brachte, seinen Körper bereits verlassen hat. Meist wird sie durch die bhakti des Priesters und die Aufrichtigkeit des Glaubens und die Anbetung jener bewahrt, die zur Andacht in den Tempel kommen. Wenn diese versagen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich die Gegenwart zurückzieht.

Man kann auf mancherlei Weise sehen. Es gibt die oberflächlich Schau [oder das normale Sehen], die nur für den Augenblick oder für eine gewisse Zeitspanne ein Bildnis des gesehenen Wesens errichtet oder empfängt; das bringt keine Wandlung – es sei denn, die innere bhakti macht es zu einem Instrument der Wandlung. Es gibt aber auch das Empfangen des lebenden Bildnisses in einer seiner Formen im eigenen Inneren – zum Beispiel im Herzen; das kann eine unmittelbare Auswirkung haben und eine Zeit spirituellen Wachsens einleiten. Dann gibt es noch die Schau außerhalb von einem in einer mehr oder weniger objektiven und feinstofflichen oder stofflichen Weise.
Was die milana [Kontakt, Einung] anbelangt, so findet der bleibende Kontakt innerlich statt, und das kann zu allen Zeiten stattfinden; die äußere milana oder der äußere Kontakt hält meist nicht an. Es gibt Menschen, die oft oder beinahe immer, wenn sie ihre Andacht verrichten, den Kontakt haben; die Gottheit kann für sie im Bildnis oder einem anderen Idol, das sie anbeten, lebendig werden und durch es etwas auslösen oder handeln; andere mögen sie immer als gegenwärtig empfinden, äußerlich, feinstofflich – dort wo sie leben oder im gleichen Zimmer bei ihnen weilend; das hält aber meist nur für eine gewisse Zeit an. Oder sie können die Gegenwart fühlen, sie häufig in einem Körper sehen (aber nicht stofflich, abgesehen von Ausnahmen), ihre Berührung oder Umarmung spüren, sich fortwährend mit ihr unterhalten – auch das ist eine Art von milana. Die größte milana ist die, in der man immerfort die Gottheit in sich wahrnimmt – die Gottheit, die allem in der Welt innewohnt, die die ganze Welt in sich birgt, die mit ihrem Dasein identisch und dennoch zuhöchst jenseits der Welt ist –, aber auch in der Welt nichts als die Gottheit sieht, hört und fühlt, so dass selbst die Sinne sie bezeugen. All dies schließt solche besonderen persönlichen Offenbarungen, wie sie X und seinem Guru gewährt werden, nicht aus. Je mehr Wege der Einung es gibt, desto besser.

Man kann die Offenbarung durch jeden der Sinne empfangen oder durch ein Fühlen im Bewusstsein – in der vollständigen objektiven Offenbarung gibt es Sehen, Hören, Berührung, alles.

Was ich meinte war, dass man das göttliche Bewusstsein als einen unpersönlichen, spirituellen Zustand fühlen kann, einen Zustand des Friedens, des Lichtes, der Freude, der Weite, ohne darin die göttliche Gegenwart zu empfinden. Die Göttliche Gegenwart hingegen wird so empfunden, als sei jemand die lebendige Quelle und Essenz jenes Lichtes usw., also als ein Wesen und nicht als spiritueller Zustand. Die Gegenwart der Mutter ist noch konkreter, noch eindeutiger und persönlicher – sie gleicht nicht der [Gegenwart] eines Unbekannten, einer Macht oder eines Wesens, sondern ist wie die Gegenwart von jemand, den man kennt, der einem vertraut ist, den man liebt, dem man das ganze Wesen in einer lebendigen, konkreten Weise darbringen kann. Das Bildnis ist nicht unerlässlich, obwohl es hilft – die Gegenwart kann auch ohne es innerlich empfunden werden.

Wenn die Gegenwart des Göttlichen gefestigt ist, so heißt das, dass das Wesen für die Umwandlung bereit ist, die dann auf natürliche Weise vor sich geht.

Adesha und darshana sind Elemente eines Stadiums der Sadhana, das noch weit von dem Zustand der Einung entfernt ist. Mental und Vital suchen den Kontakt durch darshana und die Führung durch adesha. Das Ziel in unserem Yoga ist das fortwährende Einssein mit dem Göttlichen, seine Gegenwart und Führung in jedem Augenblick. Auf der mentalen und vitalen Ebene aber bleibt dies meist unvollkommen, und die Wahrscheinlichkeit des Irrens ist groß. Erst die Supramentalisierung macht die vollkommene Wahrheit dieser Göttlichen Einung in ihrem Wirken möglich.

3. Bhakti-Emotion
Die Annahme, dass ich gegen bhakti oder gegen emotionelle bhakti sei – was auf das gleiche hinausläuft, da es ohne Emotion keine bhakti geben kann –, beruht auf einem Missverständnis. Ich habe vielmehr in meinen Schriften über den Yoga der bhakti den obersten Rang eingeräumt. Ich betone allerdings immer, und das könnte das Missverständnis erklären, dass ich gegen eine ungeläuterte Emotion bin, die meiner Erfahrung nach zu Gleichgewichtsverlust, zu erregtem oder unharmonischem Ausdruck oder gar zu gegenteiligen Reaktionen führt und im äußersten Fall zu nervöser Störung. Das Beharren auf Läuterung aber bedeutet nicht, dass ich das wahre Gefühl und die wahre Emotion verurteile, ebenso wenig wie das Beharren auf einem geläuterten Mental oder Willen bedeutet, dass ich das Denken oder den Willen verurteile. Im Gegenteil, je tiefer die Emotion, je inniger die bhakti ist, desto größer ist die Kraft für die Verwirklichung und Umwandlung. Die Intensität der Emotion bringt meist das seelische Wesen zum Erwachen – und dann öffnen sich die inneren Türen dem Göttlichen.

Das verdorrte Herz gehört nicht zu diesem Yoga – die Emotionen aber müssen dem Göttlichen zugewandt sein. Es kann kurze Zeitspannen geben, in denen das Herz still ist, sich von den gewöhnlichen Gefühlen abwendet und auf das Einströmen von oben wartet; solche Zustände sind jedoch nicht die des Verdorrens, sondern des Schweigens und Friedens. In Wirklichkeit sollte das Herz in diesem Yoga das Hauptzentrum der Konzentration sein, bis das Bewusstsein nach oben aufsteigt.

In diesem Yoga ist die Emotion notwendig; es ist lediglich die übersteigerte emotionale Sensitivität, die einen über kleine Dinge verzweifeln lässt und die überwunden werden muss. Die eigentliche Grundlage dieses Yoga ist bhakti, und wenn man sein emotionales Wesen abtötet, kann es keine bhakti geben. Daher kann die Emotion nicht vom Yoga ausgeschlossen werden.

Die Emotion ist ein gutes Element im Yoga, das emotionale Begehren aber wird leicht zu einer Ursache der Störung, zu einem Hindernis.
Wende deine Emotionen dem Göttlichen zu, strebe nach ihrer Läuterung – dann werden sie zu einer Hilfe auf dem Weg und sind nicht mehr eine Ursache des Leidens.
Die Emotion nicht abzutöten, sondern sie dem Göttlichen zuzuwenden – das ist der richtige Weg im Yoga.
Sie muss aber eine reine Emotion werden und auf spirituellem Frieden und auf spiritueller Freude aufgebaut sein und sie muss in den Ananda umgewandelt werden können. Gleichmut und Ruhe im Mental und den vitalen Teilen und eine intensive seelische Emotion im Herzen können durchaus harmonieren.
Erwecke durch dein Streben das seelische Feuer im Herzen, das stetig zum Göttlichen brennt – das ist der einzige Weg, die emotionale Natur zu befreien und zu vollenden.

Die gewöhnlichen vitalen Emotionen sind es, die Energie verschwenden und die Konzentration und den Frieden stören und die verhindert werden müssen. Emotion als solche ist nichts Schlechtes; sie ist ein notwendiger Teil der menschlichen Natur, und die seelische Emotion ist eine der machtvollsten Hilfen der Sadhana. Diese seelische Emotion, welche die Tränen der Liebe für das Göttliche oder die Tränen des Ananda auslöst, sollte nicht unterdrückt werden; es ist allein das vitale Gemisch, das die Störung in der Sadhana verursacht.

Die emotionale Anbetung ist äußerlicher als die seelische – sie neigt dazu, sich äußerlich auszudrücken. Die seelische ist innerlich und kann die Richtung für das ganze innere und äußere Leben bestimmen. Die emotionale kann zwar intensiv sein, ist aber in ihrer Grundlage weder fest noch machtvoll genug, um richtungsändernd auf das Leben einzuwirken.

Es ist durchaus richtig, dass man sich aller Probleme entziehen kann, indem man sein Bewusstsein nach oben wendet, denn dann hören sie auf zu bestehen; unten aber sind sie weiterhin vorhanden, und es ist schwierig, mit soviel Ungelöstem, das nach Lösung verlangt, immer oben zu bleiben. Man kann sich aber auch – so wie man sich hoch erheben kann – tief nach innen wenden, und diese Wendung nach innen ist notwendig. Was sich in deinem Fall ereignete, fand an der Oberfläche des emotionalen Wesens statt, und dort können die Schwierigkeiten des Emotionals auftauchen; man darf also nicht an der Oberfläche bleiben, sondern muss tief nach innen gehen. Denn hinter der emotionalen Oberfläche, tief hinter dem Herzzentrum, befindet sich die Seele. Ist sie einmal erreicht, können einen diese Dinge nicht länger berühren, denn dort ist der innere Friede, das Glück, das ungestörte Streben, die Gegenwart oder Nähe der Mutter.

Sentimentalität ist, sich den Emotionen – der Liebe, dem Leid, der Sorge und Verzweiflung, der Freude usw. – hinzugeben, und zwar um ihrer selbst willen, mit einer Art mental-vitaler Überbetonung. In einem tiefen Gefühl sollten Ruhe, Kontrolle, läuternde Beschränkung und Maßhalten vorherrschen. Man sollte seinen Gefühlen und Regungen nicht ausgeliefert, sondern immer Herr über sich selbst sein.

Wenn das Bewusstsein sich diesen Dingen hingibt und in der Erregung emotionaler Freude oder emotionalen Leidens schwelgt, nennt man das Sentimentalität. Es gibt noch eine andere Art von Sentimentalität, in der das Mental Freude über die Wahrnehmung von Emotion, Liebe, Leid usw. empfindet und damit spielt – das aber ist eine nicht so tiefe und oberflächlichere Sentimentalität.

Die mentale Kenntnis der Sadhana ist nicht unerlässlich. Wenn man bhakti hat und in der Stille des Herzens strebt, wenn die wahre Liebe für das Göttliche vorhanden ist, wird sich die menschliche Natur von selbst öffnen, die wahre Erfahrung kommen und die Macht der Mutter in dir wirken – und dann wird auch die nötige Kenntnis kommen.

Das Göttliche und die Wahrheit haben immer eine persönliche und eine unpersönliche Seite, und es ist ein Fehler anzunehmen, dass allein die unpersönliche wahr oder wichtig ist; denn wenn man nur einer Seite Genüge tut, führt das in einem Teil des Wesens zu einer leeren Unvollkommenheit. Das Unpersönliche ist Sache des intellektuellen Mentals und des statischen Selbstes, das Persönliche hingegen ist Sache der Seele, des Herzens und des dynamischen Wesens. Jene, die das persönliche Göttliche außer acht lassen, übersehen etwas, das tief und wesentlich ist.
Dem Herzen in seinen reineren Impulsen zu folgen, ist mindestens so wertvoll wie die Treue des Mentals zu seiner Auffassung der Wahrheit.

Die Ursache liegt im analysierenden Mental, das aktiv ist, was immer mit einer gewissen Trockenheit verbunden ist; das höhere Mental oder die Intuition bringt ein viel spontaneres und vollkommeneres Wissen – den Beginn des wahren jnana ohne Bemühung. Die bhakti, die du fühlst, ist seelisch, doch mit einer starken vitalen Färbung; der Gegensatz zwischen bhakti und jnana wird durch das Mental und Vital verursacht, die zwischen ihnen stehen. Das Vital, dessen Anliegen allein die Emotion ist, findet mentales Wissen trocken und ohne rasa, [Saft], das Mental aber glaubt, dass bhakti ein blindes Gefühl sei, das erst dann interessant wird, wenn sein Wesen analysiert und verstanden wurde. Dieser Gegensatz hört auf zu bestehen, wenn die Seele und das Wissen einer höheren Ebene weitgehendst zusammenwirken – dann heißt die Seele das Wissen willkommen, das ihre Emotion stützt, und das höhere Denk-Bewusstsein erfreut sich der bhakti.

Es gibt nichts Derartiges wie eine mechanische und künstliche Anbetung – entweder Anbetung oder keine Anbetung. Anbetung kann innig oder nicht innig sein, vollständig oder unvollständig, manchmal offenbar und manchmal verhüllt – eine mechanische oder künstliche Anbetung jedoch ist ein sprachlicher Widerspruch.

Deine neue Einstellung gegenüber dem Essen und den äußeren Dingen ist die richtige, das heißt die seelische Haltung, die anzeigt, dass die Seele bereits das Vital-Physische und die anderen Teile der vitalen Natur lenkt.
Was nun das Herz anbelangt, so ist die Bewegung der Sehnsucht nach dem Göttlichen – das Weinen, Sorgen und Sehnen – nicht wesentlich in diesem Yoga. Ein kraftvolles Streben muss vorhanden sein, eine intensive Sehnsucht kann sehr wohl auch vorhanden sein, ebenso eine glühende Liebe und der Wille zur Einung; Sorge und Unruhe jedoch sind nicht notwendig. Die Ruhe und Stille, die du in deinem Herzen fühlst, rühren her von dem Druck des höheren, herabkommenden Bewusstseins. Das bringt immer Ruhe in das Mental und Herz und im Maße seines Herabkommens großen Frieden und großes Schweigen. Im schweigenden Herzen und Mental muss die wahre Haltung vorhanden sein, und dann wirst du dich als Kind der Mutter fühlen und den Glauben und Willen haben, mit ihr vereint zu sein. Das Streben und die schweigende Erwartung des Kommenden können damit Hand in Hand gehen. Auch das scheinst du zu haben. Und daher ist alles in Ordnung.
Ich habe oft dargelegt, dass es zwei Umwandlungen in diesem Yoga gibt. Die erste findet statt, wenn das seelische Wesen hervortritt und die menschliche Natur lenkt und wandelt. Das geschah sehr rasch in dir; sie muss sich noch vervollständigen, was aber auf natürliche Weise vonstattengehen wird. Die zweite [Umwandlung] besteht in der Herabkunft des Bewusstseins der Mutter von oberhalb des Kopfes und seiner Umwandlung des ganzen Wesens und der Natur. Auch das bereitet sich nun in dir vor. Es ist der Grund für den Druck und das Schweigen im Herzen usw.. Als du dieses Mal [bewusstseinsmäßig] aufgestiegen bist, hattest du die Erfahrung der Weite des höheren Wesens in diesem höheren Bewusstsein über dir sowie des Lichtes, das durch es herabkommt. Diese Weite und dieses Licht werden später in dich herabkommen, und dein Bewusstsein wird in das Licht und die Weite und alles, was darin enthalten ist, umgewandelt werden.

Viraha [die Abwesenheit des Göttlichen Geliebten] ist eine vorübergehende Erfahrung auf der Ebene des vitalen Suchens nach dem Spirit, und es gibt keinen Grund, warum es in einem verhältnismäßig frühen Stadium der Sadhana nicht möglich sein sollte. Das Kennzeichen einer fortgeschrittenen Sadhana sind Verwirklichungen ohne jedes Unbehagen, Verwirklichungen im reinen Ananda.

Das reine Gefühl von viraha ist seelisch – wenn aber rajasische oder tamasische Bewegungen aufkommen (wie Niedergeschlagenheit, Klagen, Aufbegehren usw.), dann wird es tamasisch oder rajasisch.

Trennungsschmerz gehört dem Vital und nicht der Seele an; die Seele kennt keine Schmerzen und braucht sie daher nicht auszudrücken. Die Seele ist immer dem Göttlichen in Glauben, Freude und Vertrauen zugewandt – ihr Streben ist immer voller Zuversicht und Hoffnung.

Je eher du dich von abhimana [verletztem Stolz] befreien kannst, umso besser. Jeder, der sich verletztem Stolz hingibt, liefert sich dem Einfluss feindlicher Mächte aus. Abhimana hat mit wahrer Liebe nichts zu tun; es ist wie die Eifersucht ein Teil des vitalen Egoismus.

Das eigentliche Ziel des Yoga ist eine Wandlung des Bewusstseins; durch die Erlangung eines neuen Bauwesens oder indem das verborgene Bewusstsein des wahren Wesens im Inneren enthüllt und in zunehmendem Maß offenbar und vervollkommnet wird, gelangt man zunächst in Kontakt und dann zu einer Einung mit dem Göttlichen. Ananda und bhakti sind Teile dieses tieferen Bewusstseins, und nur wenn man in ihm lebt oder in es hineinwächst, können Ananda und bhakti zu einem dauernden Zustand werden. Bis dahin kann man nur Erfahrungen von Ananda und bhakti haben, nicht aber den immerwährenden, andauernden Zustand. Dieser Zustand der bhakti und immerfort wachsenden Hingabe tritt jedoch nicht bei allen in einem frühen Stadium der Sadhana ein; viele, sogar die meisten, müssen eine lange Reise der Läuterung und tapasya auf sich nehmen, bevor es soweit ist, und Erfahrungen dieser Art, zuerst selten und vereinzelt, später häufiger, sind dann die Marksteine ihres Fortschritts. Es hängt von bestimmten Voraussetzungen ab, die mit einer großen oder kleinen Fähigkeit für den Yoga nichts zu tun haben, sondern eher mit der Bereitschaft des Herzens sich zu öffnen – wie du sagst, der Sonne des Göttlichen Einflusses.

Das Strömen der Hingebung und Liebe ist etwas, das, Je öfter es sich wiederholt, je öfter es erwacht, zwangsläufig alle Teile des Wesens erfasst und seine Wirkung auf sie ausübt.

Was du über die Ersetzung fühltest, ist durchaus richtig. Die Umwandlung schreitet zu einem großen Teil voran, indem das alte, oberflächliche Selbst und seine Bewegungen beseitigt oder ausgestoßen und durch ein neues, tieferes Selbst mit seinem wahren Wirken ersetzt werden.
Es macht nichts aus, wenn das höhere Gefühl, die Hingebung usw. dir manchmal wie ein Einfluss oder eine Farbgebung erscheinen. Es gleicht dem Gefühl, das entsteht, wenn du im äußeren Physischen, im äußeren Vital oder äußeren Mental lebst. Diese Gefühle sind in Wirklichkeit die deines innersten Selbstes, deiner Seele, des seelischen Wesens in dir, und wenn du im seelischen Bewusstsein lebst, werden sie normal und natürlich. Wenn sich aber dein Bewusstsein verlagert und veräußerlicht, dann wird dieses Wirken der Seele oder des Göttlichen Bewusstseins selbst als etwas Äußerliches oder als bloßer Einfluss empfunden. Nichtsdestoweniger musst du dich ihm [diesem Wirken der Seele] fortwährend öffnen, damit es mehr und mehr in dich einsickert oder in aufeinanderfolgenden Wogen oder Fluten kommt, bis es das Mental, das Vital und den Körper erfüllt hat. Du wirst es dann nicht nur immer als normal empfinden, sondern als Teil deines eigenen Selbstes, als die wahre Substanz deiner Natur.

Wenn man die Hingebung des emotionalen Wesens nur deshalb nicht unterstützt, weil das niedere Vital noch nicht unter Kontrolle steht und anders handelt, wie soll dann die Hingebung wachsen und das niedere Vital sich verändern? Bis zur letzten Klärung und Harmonisierung der Natur gibt es immer Widersprüche im Wesen, das ist aber kein Grund, das Spiel der höheren Bewegungen zu unterdrücken – im Gegenteil, sie sollten gepflegt und gemehrt werden.

4. Bhakti und Glaube
Deine rückhaltlose Billigung der Vaishnava Idee und der bhakti nimmt sich etwas verwirrend aus angesichts deiner Behauptung, dass man das Göttliche erst lieben kann, wenn man die Erfahrung des Göttlichen hat. Denn was ist verbreiteter in der Einstellung des Vaishnava als die Freude der bhakti um ihrer selbst willen? „Gib mir bhakti“, ruft er, „was immer du mir sonst auch vorenthältst. Lass meine bhakti, mein Suchen nach dir, meinen Ruf, meine Liebe, meine Anbetung immer währen, auch wenn es noch lange dauert, bis ich dir begegne, und du mich auf deine Offenbarung warten lässt.“ Und singt nicht der bhakta ständig: „Mein ganzes Leben lang habe ich dich gesucht, und du bist immer noch nicht gekommen – ich aber suche dennoch weiter und muss dich immerfort suchen und lieben und anbeten.“ Es sei unmöglich, Gott zu lieben, bevor du die Erfahrung von ihm hast? Also wirklich, dein Mental scheint den Karren vor das Pferd zu spannen! Zuerst sucht man Gott mit Ausdauer oder Geduld, später findet man ihn, die einen früher, die anderen später, die meisten jedoch erst nach langem Suchen. Man findet ihn nicht zuerst und sucht dann nach ihm. Selbst ein flüchtiger Eindruck wird einem oft erst nach langem oder fieberhaftem Suchen gewährt. Man hat die Liebe zu Gott oder auf jeden Fall ein gewisses Verlangen des Herzens nach ihm, später nimmt man die Liebe Gottes wahr, seine Antwort auf das Verlangen des Herzens, seine Erwiderung in Form der höchsten Freude, des höchsten Ananda. Man sagt aber nicht zu Gott: „Zeige mir von Anfang an deine Liebe, überhäufe mich mit der Erfahrung deiner selbst, befriedige mein Verlangen, dann werde ich schon sehen, ob ich dich so lieben kann, wie du es verdienst.“ Ganz bestimmt ist es der Suchende, der zuerst suchen und lieben muss, der die Suche aufnehmen und die Leidenschaft für die Suche in sich entfachen muss – erst dann hebt sich der Schleier und erscheint das Licht und offenbart sich das Antlitz, das der Seele nach ihrem langen Aufenthalt in der Wüste allein Genüge tun kann.
Und wiederum wirst du sagen: „Ob ich liebe oder nicht, ich will, ich habe immer gewollt und will mehr und mehr – ich erhalte aber nichts.“ Doch Wollen allein genügt nicht. Wie du jetzt einzusehen beginnst, gibt es Bedingungen, die erfüllt werden müssen, wie zum Beispiel die Läuterung des Herzens. Deine Theorie war: „Wenn ich Gott wirklich will, muss Gott sich mir offenbaren, zu mir kommen, mir wenigstens einen flüchtigen Eindruck von sich gewähren, die wirkliche, solide, konkrete Erfahrung, nicht bloß verschwommene Dinge, die ich weder verstehen noch schätzen kann. Gottes Gnade muss auf meinen Ruf antworten, ob ich es verdiene oder nicht – oder aber es gibt keine Gnade.“ Gottes Gnade kann dies in bestimmten Fällen tatsächlich tun, doch woher nimmst du das „muss“? Wenn Gott es tun muss, ist es nicht mehr Gottes Gnade, sondern Gottes Pflicht, seine Obliegenheit, ein Vertrag oder ein Pakt. Das Göttliche blickt in das Herz und entfernt den Schleier in dem Augenblick, den es für den richtigen hält. Du verweist auf die bhakti-Theorie, wonach man nur seinen Namen zu rufen braucht und er zu antworten hat und sofort gegenwärtig sein muss. Vielleicht, doch für wen trifft dies zu? Mit Sicherheit für einen bestimmten Typ des bhakta, der die Macht des Namens fühlt, der die Glut des Namens fühlt und sie in seinen Aufschrei legt. Wenn man so ist, kann die unmittelbare Erwiderung kommen – wenn nicht, dann muss man erst so werden. Manche jedoch wiederholen den Namen jahrelang, bevor eine Antwort erfolgt. Ramakrishna erhielt sie nach einigen Monaten, doch was waren das für Monate! Und welche Bedingungen hatte er zu erfüllen, bevor er sie erhielt! Dennoch war es ein rascher Erfolg, da er bereits ein reines Herz hatte, in dem die göttliche Leidenschaft brannte.
An sich ist es nicht der bhakta, sondern der Mann des Wissens, der zuerst nach Erfahrung verlangt. Er sagt: „Wie vermag ich ohne Erfahrung zu wissen?“ und fährt in seiner Suche fort, und wenn es dreißig Jahre lang dauert, um nach der entscheidenden Verwirklichung zu streben. Es ist wirklich der Mann des Intellekts, der Rationalist, der sagt: „Gott, wenn es ihn gibt, soll sich mir erst beweisen, dann werde ich glauben, dann werde ich eine ernsthafte und bleibende Anstrengung machen, um ihn zu erforschen und zu sehen, wie er ist.“
All dies bedeutet nicht, dass Erfahrung ohne Belang für die Sadhana ist – ganz bestimmt habe ich nicht etwas derartig Dummes gesagt. Was ich sagte war, dass die Liebe zum Göttlichen, das Suchen nach dem Göttlichen vorhanden sein können und meist vorhanden sind, bevor sich eine Erfahrung einstellt – es ist ein Instinkt, ein inneres Sehnen der Seele, die sich entfalten, sobald gewisse Hüllen der Seele sich auflösen oder aufzulösen beginnen. Weiterhin habe ich gesagt, dass es besser sei, die Natur vorzubereiten (das geläuterte Herz und all das), bevor die „Erfahrungen“ beginnen – besser als umgekehrt –, und ich begründe dies mit den vielen Fällen, denen Erfahrungen zur Gefahr wurden, bevor Herz und Vital für die wahre Erfahrung bereit waren. Es gibt allerdings Fälle, bei denen anfangs eine wahre Erfahrung stattfindet, eine Berührung durch die Gnade, doch ist das nichts Anhaltendes und immer Gegenwärtiges, sondern vielmehr ein Anrühren, das sich dann zurückzieht und auf das Bereit-sein der menschlichen Natur wartet. Dies ist jedoch nicht immer so, vermutlich nicht einmal in der Mehrzahl der Fälle. Man hat mit der inneren Sehnsucht, die der Seele innewohnt, zu beginnen, es folgt das Ringen der menschlichen Natur, damit der Tempel bereit werde, dann die Enthüllung des Bildnisses, die bleibende Gegenwart im Heiligtum.

Die Yogis und Sucher in alten Zeiten baten als erstes um Frieden und erachteten das ruhige und schweigende Mental, das immer den Frieden bringt, für die beste Voraussetzung zur Verwirklichung des Göttlichen. Ein frohes und sonnen-helles Herz ist das geeignete Gefäß für den Ananda, und wer wollte behaupten, dass der Ananda oder seine Vorbereitung ein Hindernis für die Göttliche Einung sei? Was die Depression anbelangt, so ist sie tatsächlich eine furchtbare Bürde auf dem Weg… Die Gita sagt ausdrücklich: „Übe den Yoga mit unverzagtem Herzen aus anirvinnacetasa.“ Ich weiß sehr wohl, dass Schmerz und Leid, dass Kampf und Anfälle von Verzweiflung auf dem Weg durchaus an der Tagesordnung sind – sie sind aber nicht unvermeidlich –, nicht weil sie uns helfen, sondern weil sie uns von der Dunkelheit dieser menschlichen Natur auferlegt wurden, aus der wir uns zum Licht hin durchzukämpfen haben. Ich glaube nicht, dass Ramakrishna oder Vivekananda solche Dinge wie jene, auf die du anspielst, als Beispiel für die anderen empfohlen hätte; sie hätten vielmehr gesagt, dass Glaube, Kraft und Ausdauer der bessere Weg seien. Das jedenfalls war es, woran sie sich letzten Endes hielten, trotz dieser dunklen Augenblicke… Ramakrishna jedenfalls erzählte die Geschichte von Narada und den beiden Yogis, dem Asketen und dem Vaishnava-bhakta, und stimmte ihrer Moral zu. Ich erzähle sie mit meinen Worten, bewahre aber ihre Substanz: Narada ein himmlischer risi traf auf seinem Weg nach Vaikuntha [der Himmel Vishnus] einen Yogi, der sich in den Bergen einer harten tapasya unterzog. „O Narada“, rief der Yogi, „du gehst nach Vaikuntha und wirst dort Vishnu begegnen. Ich habe mein ganzes Leben eine furchtbare Askese praktiziert und ihn dennoch bisher nicht erreicht. Frage ihn statt meiner, wann ich zu ihm gelangen werde.“ Dann traf Narada einen Vaishnava, einen bhakta, der Lieder auf Hari [ein Name Vishnus] sang und dazu tanzte. Und auch er rief: „O Narada, du wirst meinem Gott Hari begegnen! Frage ihn statt meiner, wann ich ihn erreichen und sein Gesicht sehen werde.“ Auf seinem Rückweg traf Narada zuerst den Asketen. „Ich habe Vishnu gefragt“, sagte der Weise, „du wirst ihn nach weiteren sechs Leben verwirklichen.“ Da brach der Yogi in lautes Wehklagen aus. „Was, nach solcher Askese! Nach solch gewaltigen Anstrengungen! Wie hart ist doch Gott Vishnu mit mir!“ Als nächsten traf Narada den bhakta und sagte zu ihm: „Ich habe keine gute Nachricht für dich! Du wirst Gott Vishnu erst nach hunderttausend Leben begegnen.“ Da sprang der bhakta mit einem lauten Schrei des Entzückens auf und rief: „Oh, ich werde meinem Gott Hari begegnen! Nach hunderttausend Leben werde ich meinen Gott Hari sehen! Wie groß ist doch die Gnade des Gottes!“ Und in erneuter Ekstase begann er zu tanzen und zu singen. Darauf sagte Narada: „Du hast ihn bereits erlangt! Noch heute wirst Du den Herrn sehen.“ Nun, du wirst sagen: „Was für eine übertriebene Geschichte und der menschlichen Natur so widersprechend!“ Ganz und gar nicht so widersprechend und auf keinen Fall übertriebener als die Geschichten von Harishchandra und Shivi. Dennoch stelle ich den bhakta nicht als Beispiel hin, denn ich selbst beharre auf einer Verwirklichung in diesem Leben und nicht auf einer nach sechs oder hunderttausend weiteren Leben. Doch die Pointe dieser Geschichte liegt in ihrer Moral, und als Ramakrishna sie erzählte, war es ihm sicher bewusst, dass es einen sonnenhellen Yogaweg gibt. Er scheint sogar ausdrücken zu wollen, dass es der schnellere und auch der bessere Weg ist. Die Möglichkeit des sonnenhellen Pfades ist also weder meine Entdeckung noch meine eigene Erfindung. In den ersten Büchern über den Yoga, die ich vor mehr als dreißig Jahren las, war die Rede von einem dunklen und einem sonnenhellen Weg, wobei die Überlegenheit des letzteren betont wurde.

Die wahre Bewegung besteht in einem reinen Streben, einer reinen Hingabe. Schließlich hat man kein Recht, vom Göttlichen zu verlangen, sich zu offenbaren, sondern dies kann nur als Erwiderung eines spirituellen oder seelischen Bewusstseinszustandes eintreten oder nach einer langen Sadhana, die auf die richtige Weise ausgeübt wurde; oder aber, wenn es vorher kommt und ohne ersichtlichen Grund, ist es die Gnade; man kann aber die Gnade nicht verlangen oder erzwingen. Gnade ist etwas Spontanes, das dem Göttlichen Bewusstsein als freies Strömen entspringt. Der bhakta sucht sie, ist aber bereit, in vollkommener Zuversicht zu warten – wenn es sein muss, sein ganzes Leben lang –, da er weiß, dass sie kommen wird, und er wird in seiner Liebe oder Hingabe niemals schwanken, wenn sie nicht sogleich oder bald kommt. Das findet seinen Ausdruck in so vielen Liedern von Gläubigen, die auch du gesungen hast. Ich hörte vor einiger Zeit solch ein Lied von dir auf einer Schallplatte – es war sehr schön und wurde schön von dir gesungen: „O Herr, auch wenn ich dich nicht erlangen konnte, bete ich dich dennoch an.“
Was dich an dieser Einstellung hindert, ist das rastlose Element vitaler Ungeduld und die immer wiederkehrende und beharrliche Enttäuschung darüber, nicht das zu bekommen, was du vom Göttlichen willst. Es ist die Vorstellung: Da ich es mir so sehr wünsche, sollte ich es eigentlich auch erhalten. Warum wird es mir vorenthalten? Doch das Wollen ist kein Passierschein für das Erhalten – hierzu bedarf es etwas mehr als das.

Unsere Erfahrung ist, dass zu viel vitaler Eifer, zu viel Beharren häufig den Weg versperren; sie bilden eine Art blockierende Masse oder einen Wirbel von Rastlosigkeit und Störung, der für das Göttliche oder für das, worum man bat, keinen ruhigen Platz lässt, um einzutreten. Häufig kommt es erst dann, wenn die Ungeduld endgültig zurückgewiesen wurde und man in ruhigem Geöffnet-sein auf das wartet, was einem gegeben wird (das heißt, im Augenblick noch nicht gegeben wurde). Sehr häufig aber, wenn du den Weg für einen größeren Fortschritt in der wahren Hingabe vorbereitest, taucht die Gewohnheit dieses vitalen Elementes auf, bemächtigt sich des erzielten Fortschritts und unterbricht ihn.
Die Freudlosigkeit rührt ebenfalls vom Vital her; teilweise ist die Enttäuschung daran schuld, doch nicht allein; denn es ist ein sehr verbreitetes Phänomen, dass ein Druck des Mentals und der Seele auf das Vital häufig eine rajasische oder tamasische, statt der sattvischen vairagya hervorruft; das Vital weigert sich, an irgendetwas Freude zu haben, und wird trocken, lustlos oder unglücklich. Oder es sagt: „Nun denn, warum erhalte ich die Verwirklichung nicht, die du mir versprochen hast? Ich kann nicht warten!“ Die beste Art, sich davon zu befreien, ist, während man es beobachtet, sich nicht damit zu identifizieren; wenn das Mental oder ein Teil des Mentals es billigt oder rechtfertigt, wird es fortbestehen oder wiederkommen. Wenn die Sorge durchaus sein muss, ist die andere Art vorzuziehen, die du in deinem vorhergehenden Brief beschreibst: die Traurigkeit, in der die Süße enthalten ist – keine Verzweiflung, nur das seelische Sehnen nach der wahren Sache. Durch das Anwachsen der reinen und wahren bhakti wird es rasch kommen.

Was den Weg aus der Sackgasse betrifft, von dem du sprichst, so kenne ich nur das Beruhigen des Mentals, das die Meditation wirksam macht, die Läuterung des Herzens, welche die göttliche Berührung bringt und nach einer gewissen Zeit die göttliche Gegenwart, die Demut vor dem Göttlichen, die von Egoismus und Stolz des Mentals und Vitals befreit – sowohl von jenem Stolz, der den Wegen des Spirits seine eigenen Überlegungen auferlegt, als auch von dem, der die Hingabe zurückweist oder ihrer unfähig ist – und den anhaltenden, beharrlichen inneren Ruf und das Vertrauen auf die Gnade von oben. Meditation, japa, das Gebet oder Streben aus dem Herzen können alle erfolgreich sein, wenn sie von diesen Dingen oder zumindest von einigen dieser Dinge begleitet werden. Ich bin fest überzeugt, dass jemand, der den Ruf in sich hat, unbedingt das Ziel erreichen muss, wenn er geduldig dem Weg zum Göttlichen folgt.
Ich habe bestimmt niemals gesagt, dass du kein Verlangen nach der göttlichen Erwiderung haben solltest. Sie ist das Ziel des Yoga. Was ich sagte war, dass du sie nicht sofort oder innerhalb kurzer Zeit erwarten oder darauf bestehen sollst. Sie kann früh kommen oder spät kommen, doch sie wird kommen, wenn man in seinem Ruf stetig ist; denn man hat nicht nur aufrichtig, sondern in allem auch stetig zu sein. Wenn ich das Beharren missbillige, dann deshalb, weil ich immer gefunden habe, dass es Schwierigkeiten und Verzögerungen schafft, verursacht durch eine gewisse Anstrengung und Ruhelosigkeit, die in der menschlichen Natur entstehen, sowie durch die Depressionen und das Aufbegehren des Vitals, wenn das Beharren nicht befriedigt wird. Das Göttliche weiß es am besten, und man muss seiner Weisheit vertrauen und sich mit seinem Willen in Einklang bringen. Auch wenn es lange dauert, ist das kein Beweis einer elementaren Unfähigkeit, überhaupt am Ziel anzulangen, es ist lediglich ein Zeichen dafür, dass es etwas in dir gibt, das überwunden werden muss; und es kann überwunden werden, wenn der Wille vorhanden ist, das Göttliche zu erreichen.
Wenn man dem Leben ganz und gar zu entkommen sucht, kann es nur auf dem Weg einer vollkommenen inneren Entsagung geschehen oder indem man in die Stille des Absoluten eintaucht oder durch eine bhakti, die absolut wird, oder durch den Karmayoga, durch den man seinen eigenen Willen und seine Wünsche dem Willen des Göttlichen unterordnet. Ich habe zudem gesagt, dass die Gnade ganz plötzlich in jedem Augenblick wirken kann, doch hat man hierüber keine Kontrolle, denn es geschieht durch einen unberechenbaren Willen, welcher Dinge sieht, die das Mental nicht sehen kann. Genau das ist der Grund, weshalb man niemals verzweifeln darf, und auch deshalb, weil kein wahrhaftes Streben nach dem Göttlichen letzten Endes fehlschlagen kann.

Es gibt nur eine Logik in spirituellen Dingen: wenn ein Verlangen nach dem Göttlichen vorhanden ist, ein aufrichtiger Ruf, muss es sich eines Tages erfüllen. Diese Logik ist nur dann nicht länger anwendbar, wenn irgendwo eine starke Unaufrichtigkeit besteht, ein Trachten nach etwas anderem – Macht, Ehrgeiz usw. –, das sich dem inneren Ruf widersetzt. In deinem Fall kommt sie [die Erfüllung] wahrscheinlich durch das Herz, durch eine wachsende bhakti oder die seelische Läuterung des Herzens; daher mein Drängen, den seelischen Weg einzuschlagen.
Erlaube diesen falschen Gefühlen nicht, dich zu beherrschen, und lass diesen Zustand der Niedergeschlagenheit nicht Herr über deine Entscheidungen sein. Versuche einen festen, zentralen Willen für die Verwirklichung zu bewahren; entschließe dich dazu, denn diese Dinge sind nicht unmöglich! Du wirst sehen, dass die spirituelle Schwierigkeit am Ende verschwindet wie ein Trugbild. Sie gehört dem physischen Selbst an und kann, wo der innere Ruf aufrichtig ist, selbst das äußere Bewusstsein nicht immer in Beschlag legen; ihre scheinbare Beharrlichkeit wird sich auflösen.
Natürlich ist es richtig, um die bhakti zu bitten, denn ich vermute, dass sie der höchste Anspruch deiner Natur ist; schließlich ist sie die stärkste Triebkraft, die eine Sadhana haben kann, und das beste Hilfsmittel für alles Übrige, das kommen wird. Daher sagte ich, dass die spirituelle Erfahrung durch das Herz zu dir kommen muss.

Was Krishna anbelangt, warum näherst du dich ihm nicht einfach und geradewegs? Die einfache Annäherung ist gleichbedeutend mit Vertrauen. Wenn du betest, vertraue darauf, dass er dich erhört. Wenn die Erwiderung lange auf sich warten lässt, vertraue darauf, dass er es weiß und dich liebt und dass er in seiner Weisheit die richtige Zeit wählen wird. Reinige in der Zwischenzeit ruhig das Gelände, damit er nicht über Stock und Stein stolpern möge, wenn er schließlich kommt. Das ist mein Vorschlag, und ich weiß, was ich sage – denn was immer du auch denken magst, ich kenne sehr wohl all die menschlichen Schwierigkeiten und Kämpfe, und ich weiß um ihre Heilung. Daher lege ich soviel Wert auf das, was die Kämpfe und Schwierigkeiten vermindern und abkürzen würde, nämlich auf die seelische Wende, den Glauben, ein vollkommenes und einfaches Vertrauen und Sich-Verlassen. Du wirst dich erinnern, dass dies die Ziele des Vaishnava-Yoga sind. Natürlich, es gibt auch den anderen Vaishnava-Weg, der zwischen Sehnen und Verzweiflung hin und her pendelt – inbrünstiges Suchen und Trennungsschmerz. Diesem letzteren scheinst du zu folgen, und ich leugne nicht, dass man auch auf ihm das Ziel erreichen kann, wie beinahe auf jedem anderen Weg, sofern man ihm ernsthaft folgt. Jene aber, die ihm folgen, finden dann sogar Geschmack an der Trennung, an der Abwesenheit und der Laune des Göttlichen Liebenden. In ihren Liedern berichten einige, wie sie ihm ihr ganzes Leben folgten, er aber immer wieder ihrer Schau entglitt, und selbst hieran finden sie Gefallen und suchen ihn immerzu. Du aber findest keinen Gefallen daran, weshalb du nicht erwarten kannst, dass ich diesem Weg für dich zustimme. Folge Krishna um jeden Preis, doch mit der festen Absicht, ihn zu erreichen, folge ihm nicht mit der Befürchtung eines Fehlschlages oder indem du irgendwie der Möglichkeit zustimmst, auf halbem Wege abzubrechen.

Ich habe gegen die Anbetung Krishnas oder gegen die vishnuitische Art der Anbetung absolut nichts einzuwenden, es besteht auch keine Unvereinbarkeit zwischen der vishnuitischen bhakti und meinem supramentalen Yoga. Es gibt tatsächlich keine spezielle und exklusive Form des supramentalen Yoga: alle Wege können zum Supramental führen, genau wie alle Wege zum Göttlichen führen können.
Wenn du durchhältst, ist dir die immerwährende bhakti und die Verwirklichung gewiss; du solltest aber lernen, fest darauf zu vertrauen, dass Krishna sie dir geben wird, wenn er alles bereit findet und die Zeit gekommen ist. Schließlich ist es verständlich, wenn er von dir erwartet, dass du dich zuerst von Unvollkommenheiten und Unreinheiten befreist. Ich sehe nicht ein, warum es dir nicht gelingen sollte, nachdem deine Aufmerksamkeit jetzt so beharrlich darauf gerichtet ist. Der erste Schritt ist, sie deutlich zu sehen und zu erkennen, der nächste ist, den festen Willen zu haben, sie zurückzuweisen; das letzte Stadium ist, dich von ihnen gänzlich zu befreien, damit sie, wenn sie überhaupt noch eindringen, dies als fremde Elemente tun – nicht mehr als Teil deiner üblichen Natur, sondern als Einflüsse von außen; sie können sogar, wenn sie einmal erkannt und zurückgewiesen wurden, automatisch abfallen und verschwinden; doch bei den meisten Menschen ist es ein langer Prozess. Diese Dinge sind nicht eine besondere Eigenheit von dir, sie gehören vielmehr zur universalen menschlichen Natur – doch sie können und werden sich auflösen.

Deine Verwirrung hat ihre Ursache darin, dass du das Gefühl des Gläubigen mit der Beobachtung des Beobachters verwechselst. Natürlich, der Gläubige liebt Krishna, weil Krishna liebenswert ist, und aus keinem anderen Grund – das ist sein Gefühl, sein wahres Gefühl. Er hat keine Zeit, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, was ihn zur Liebe befähigt; ihm genügt die Tatsache, dass er liebt, und er braucht seine Gefühle nicht zu analysieren. Für ihn besteht die Gnade Krishnas darin, dass Krishna liebenswert ist, dass er sich dem Gläubigen zeigt, dass er ihn ruft und seine Flöte ihn lockt. Das ist genug für das Herz, und wenn es nach mehr verlangt, dann ist es die Sehnsucht, dass der andere oder dass alle die Flöte hören, sein Gesicht sehen und die ganze Schönheit und die Wonne seiner Liebe fühlen mögen.
Nicht das Herz des Gläubigen, sondern das Mental des Beobachters fragt, wie es kommt, dass die Gopis gerufen wurden und sofort reagierten und andere – die Frauen der Brahmanen zum Beispiel – nicht gerufen wurden und nicht sofort reagierten. Wird diese Frage einmal durch das Mental gestellt, dann gibt es zwei mögliche Antworten: einmal, dass es einfach der Wille Krishnas war, ohne jeden besonderen Grund, das was das Mental als die absolute göttliche Wahl bezeichnen würde, seine willkürliche göttliche Laune, zum anderen aber die Bereitschaft des Herzens, das gerufen wurde – und das läuft dann auf adhikaribheda hinaus… Wir müssen auf diese beiden Alternativen zurückgreifen: Krishnas Gnade ruft, wen sie will, ohne jeden entscheidenden Grund für die Wahl oder Zurückweisung – alles ist seine Gnade oder seine Vorenthaltung oder zumindest der Aufschub seiner Gnade; oder aber er ruft die Herzen, die bereit sind, bei seinem Ruf zu erschauern und empor zuspringen – und selbst dann wartet er, bis der rechte Augenblick gekommen ist. Es ist zweifellos richtig zu sagen, dass es von einem äußeren Verdienst oder der scheinbaren Tauglichkeit nicht abhängt; es ist jenes Etwas, das zu erwachen bereit war – vielleicht trotz vieler harter Schichten, die es einschlossen –, und das nur für Krishna sichtbar ist, nicht aber für uns. Vielleicht war es vorhanden lange bevor die Flöte zu spielen begann und Krishna noch damit beschäftigt war, die harten Schichten zu schmelzen, damit das Herz durch sie, wenn die erweckenden Töne kämen, in seinem Sprung nicht zurückgehalten würde. Die Gopis hörten sie und stürmten hinaus in den Wald, die anderen hörten sie nicht – oder glaubten sie vielleicht, dass es nur eine Art Bauernmusik sei, ein grober Hirte, der für seinen Schatz die Flöte spielt, und nicht etwa ein Ruf, den geübte, kultivierte und rechtschaffene Ohren als den Ruf des Göttlichen zu erkennen vermöchten? Noch etwas muss gesagt werden zum adhikaribheda, nämlich dass es in einem weiten Sinn verstanden werden sollte; manche mögen den adhikari [die Fähigkeit] haben, Krishnas Flöte zu erkennen, manche den Ruf Christi und wieder andere den Tanz Shivas – jeder erwidert den Göttlichen Ruf auf seine eigene Weise, die Weise seiner Natur. Adhikari kann nicht in streng mentalen Ausdrücken festgelegt werden; zwischen dem Gerufenen und dem Rufer besteht etwas Spirituelles und Subtiles, etwas Mystisches und Geheimes.

Radha ist die Personifizierung der absoluten Liebe zum Göttlichen, die total und integral in allen Teilen des Wesens ist, vom höchsten spirituellen bis zum physischen; sie bringt das absolute Selbstgeben und die totale Weihung des ganzen Wesens und ruft in den Körper und die allerstofflichste Natur den höchsten Ananda herab.

Das Aufkommen von Sex-Vorstellungen beim Betrachten des Bildnisses von Krishna und Radha wird durch vergangene sexuelle Assoziationen mit dem Radha-Krishna Kult verursacht. Tatsächlich aber hat das Bild nichts mit Sex zu tun. Das wahre Symbol des Bildes ist nicht die menschlich-sexuelle Anziehungskraft, sondern die Seele, das seelische Wesen, das den Ruf des Göttlichen hört und in der vollendeten Liebe und Hingabe erblüht, die den höchsten Ananda bringt. Das ist es, was Krishna und Radha durch ihre göttliche Einung im menschlichen Bewusstsein auslösen, und so musst auch du das Bild betrachten und dabei die alten sexuellen Assoziationen ablegen.

Die Gopis sind nicht übliche Menschen im eigentlichen Sinn des Wortes: sie sind vielmehr Verkörperungen einer spirituellen Leidenschaft und außergewöhnlich durch das Übermaß an Liebe, persönlicher Hingabe, und rückhaltlosem Selbstgeben. Wer immer dies hat, und sei seine Stellung in anderer Hinsicht auch noch so bescheiden (seine Erziehung, seine Gestaltungskraft, sein Bildungsgrad, seine äußere Heiligkeit usw.), kann Krishna mit Leichtigkeit folgen und ihn erreichen. Hierin scheint mir die Bedeutung des Gopi-Symbols zu liegen. Natürlich gibt es viele andere Bedeutungen – das ist nur eine unter vielen.

Ja, Krishna wird große Launenhaftigkeit nachgesagt, ein schwieriger Umgang und ein spielerisches Wesen (lila!), was die, mit denen er spielt, nicht immer gleich zu schätzen wissen. Doch steckt in seinen Launen Überlegung, und wenn er sie ablegt und es ihm gefällt, freundlich zu sein, ist er von höchster Anziehungskraft, voller Charme und Verlockung, wodurch alles, was du erlitten hast, ausgeglichen und mehr als ausgeglichen wird.

Warum sollte Krishna nicht auf einem Pferd reiten, wenn er will? Seine Taten oder Gewohnheiten können durch das menschliche Mental oder eine starre Tradition nicht fixiert werden. Besonders Krishna ist ein Gesetz für sich. Vielleicht hatte er es eilig, zu dem Ort zu kommen, wo er die Flöte spielen wollte.

Wenn Krishna immer und von Natur aus kalt und fern wäre (Himmel, welche Entdeckung, ausgerechnet Krishna!), wie könnten dann menschliche Anbetung und menschliches Streben ihn erreichen? Es wäre so etwa wie der Nord- und der Südpol, die eisiger und eisiger werdend einander immer zugewandt sind, sich wegen der Erdkrümmung aber niemals erblicken können. Außerdem, wenn Krishna kein Verlangen nach dem menschlichen bhakta hätte, genauso wie der bhakta Verlangen nach ihm trägt, wie sollte man ihn dann erreichen? Er würde wie Shiva immer auf den Schneefeldern des Himalaya sitzen. Die geschichtliche Überlieferung beschreibt ihn anders, und meist wird ihm zu viel Wärme und Mutwilligkeit nachgesagt.

Ich weiß nicht, ob ich deine Frage, was X mit Krishnas Licht meint, beantworten kann. Es ist bestimmt nicht das, was gewöhnlich mit Wissen bezeichnet wird. Er kann das Licht des Göttlichen Bewusstseins meinen oder das Licht, das daraus hervorgeht, er kann auch das leuchtende Wesen Krishnas meinen, in welchem alle Dinge in ihrer höchsten Wahrheit bestehen – der Wahrheit des Wissens, der Wahrheit der bhakti, der Wahrheit der Ekstase und Ananda – alles ist dort.
Es gibt auch eine Manifestation des Lichtes – die Upanishaden sprechen von dem Licht, das Brahman ist, jyotirbrahman. Sehr häufig fühlt der Sadhak ein Licht, das auf ihn herabfließt oder ihn umgibt, oder er fühlt, wie ein Strom von Licht in seine Zentren eintritt, sogar in sein ganzes Wesen, in seinen Körper, jede Zelle durchdringend und erleuchtend; in diesem Licht wächst das spirituelle Bewusstsein, und man wird für alle oder viele seiner Tätigkeiten und Verwirklichungen offen. Ich habe gerade eine Besprechung des Buches „Vision“ von Ramdas vor mir liegen, in dem eine derartige Erfahrung beschrieben ist, die durch die Wiederholung des Rama-mantras erlangt wurde – wenn ich aber recht verstehe, erst nach einer rigorosen und langen Selbstdisziplin. „Als das mantra automatisch aufhörte [sich zu wiederholen], erblickte er in seiner mentalen Schau einen kleinen Lichtkreis. Dies flößte ihm Schauer des Entzückens ein. Nachdem sich diese Erfahrung einige Tage lang wiederholt hatte, fühlte er ein blendendes Licht wie einen Blitz in seinen Augen aufleuchten, das ihn schließlich durchdrang und aufsog. Und jede Pore seines physischen Systems wurde von einem Fließen unaussprechlicher Seligkeit erfüllt.“ Es kommt nicht immer so. Sehr häufig geschieht es in einzelnen Phasen oder mit langen Unterbrechungen und wirkt zunächst auf das Bewusstsein ein, bis es bereit ist.
Wir sprechen auch hier [in diesem Yoga] von dem Licht Krishnas: Krishnas Licht im Mental, Krishnas Licht im Vital usw., doch ist es ein besonderes Licht; in das Mental bringt es Klarheit, Befreiung von Finsternis, von mentalem Irren und mentaler Entstellung, es reinigt das Vital von allem gefährlichen Stoff, und dort, wo es ist, ist reines göttliches Glück und Frohsein.
Doch warum sich begrenzen, nur auf einer Sache bestehen und jede andere ausschließen. Wodurch auch immer man die anfängliche Verwirklichung des Göttlichen erhält – sei es durch bhakti, durch Licht oder den Ananda, durch Frieden oder irgendetwas anderes –, sie überhaupt zu erhalten ist wesentlich, und jedes Mittel ist recht, das es herbeiführt.
Wenn es die bhakti ist, auf der man besteht, kommt sie [die göttliche Verwirklichung] durch bhakti – und bhakti in ihrer Fülle ist nichts anderes als ein völliges Selbstgeben. Dann aber müssen die ganze Meditation, die ganze tapasya, alle Arten des Gebetes oder mantras allein dies zum Ziel haben, und wenn man hierin hinreichend fortgeschritten ist, kommt die Göttliche Gnade herab, die Verwirklichung tritt ein und entwickelt sich, bis sie vollendet ist. Der Augenblick ihres Kommens aber wird allein von der Göttlichen Weisheit gewählt, und man muss die Stärke haben durchzuhalten bis er da ist, denn wenn alles wahrhaft bereit ist, wird er unweigerlich kommen.

1 Vermutlich jemand, der durch einen Jünger Sri Aurobindos eine Anfrage an ihn gerichtet hatte. Anmerkung des Übersetzers.
2 Das natürliche Gesetz des Seins – eine esoterische buddhistische Richtung.
3 Mentale Verwirklichung: Man kann zum Beispiel die These „Der Eine in allen“ mental erfassen, in sich aufnehmen und zu einer Wirklichkeit im eigenen Leben werden lassen. Das ist eine abgeleitete mentale Verwirklichung im Gegensatz zu der unmittelbaren Verwirklichung des spirituell Suchenden oder Mystikers, der den „Einen in allen“ in sich erfährt. Anmerkung des Übersetzers.
8. Kapitel
Menschliche Beziehungen im Yoga
1. Liebe, Freundschaft und Wohlwollen
Du scheinst das Prinzip dieses Yoga nicht verstanden zu haben. Der alte Yoga forderte eine vollkommene Entsagung, die bis zur Aufgabe des weltlichen Lebens reichte. Dieser Yoga hat stattdessen ein neues und umgewandeltes Leben zum Ziel. Er besteht aber ebenso unerbittlich auf einem vollkommenen Ablegen von Begehren und Verhaftet-sein im Mental, Leben und Körper. Sein Ziel ist, das Leben in der Wahrheit des Spirits neu zu gründen und zu diesem Zweck den Ursprung all dessen, was wir sind und tun, vom Mental, Leben und Körper in ein größeres Bewusstsein über dem Mental zu verlegen. Das bedeutet, dass in dem neuen Leben alle menschlichen Beziehungen auf einer spirituellen Vertrautheit gründen müssen und auf einer ganz anderen Wahrheit als jener, die unsere gegenwärtigen Verbindungen stützt. Wenn der höhere Ruf ergeht, muss man bereit sein, all das zurückzuweisen, was man als natürliche Neigungen bezeichnet. Wenn sie dennoch beibehalten werden, kann es nur in einer veränderten Form sein, durch die sie insgesamt umgewandelt werden. Ob sie aber zurückgewiesen oder beibehalten und verändert werden sollen, darf nicht durch das persönliche Begehren, sondern muss durch die Wahrheit über uns entschieden werden. Alles muss dem Höchsten Meister des Yoga hingegeben werden.
Die Macht, die in diesem Yoga wirkt, ist von kompromissloser Art und duldet am Ende nichts Großes und nichts Kleines, wenn es der Wahrheit und ihrer Verwirklichung im Wege steht.

Persönliche Beziehungen gehören nicht zu diesem Yoga. Erst wenn man die Einung mit dem Göttlichen erlangt hat, kann man eine wahre spirituelle Beziehung zu anderen aufnehmen.

Die Meinung, dass sich alle Sadhaks aus dem Wege gehen und miteinander auf Kriegsfuß stehen müssten, ist eine vorgefasste Meinung, die aufzugeben ist. Harmonie und nicht Hader ist das Gesetz yogischen Lebens. Diese vorgefasste Meinung hat möglicherweise ihre Ursache in der alten Auffassung von nirvana als dem Ziel; nirvana aber ist nicht das Ziel in diesem Yoga. Das Ziel hier ist vielmehr die Erfüllung des Göttlichen im Leben, und hierfür sind Eintracht und Solidarität unerlässlich.
Das Ideal dieses Yoga ist, dass alles im Göttlichen und um das Göttliche zentriert sein sollte; auf dieser festen Grundlage muss sich das Leben der Sadhaks aufbauen, und auch in ihren persönlichen Beziehungen sollte das Göttliche im Mittelpunkt stehen. Außerdem sollten alle Beziehungen von der vitalen zur spirituellen Ebene verlagert werden, wobei die vitale Ebene der spirituellen nur als Form und Instrument dienen kann; das bedeutet, dass aus allen Beziehungen der Sadhaks untereinander Eifersucht, Hass, Kampf, Abneigung, Bitterkeit und andere böse vitale Gefühle aufgegeben werden sollten, da sie nichts mit dem spirituellen Leben zu tun haben. Ebenso hat jede egoistische Liebe und Anhänglichkeit zu verschwinden – jene Liebe, die nur um des Egos willen liebt und zu lieben aufhört und sogar Groll und Hass nährt; sobald das Ego verletzt oder unbefriedigt ist. Die Liebe muss von einer echten, lebendigen und bleibenden Eintracht getragen werden. Es versteht sich von selbst, dass Dinge wie sexuelle Unreinheit ebenfalls verschwinden müssen.
Das ist das Ideal – der Weg zu seiner Erreichung mag für verschiedene Menschen verschieden sein. Eine Möglichkeit ist, alles zurückzulassen und allein dem Göttlichen zu folgen. Das bedeutet aber nicht eine Abneigung gegen irgendjemand, ebenso wenig wie gegen das Leben und die Welt. Es bedeutet, allein auf das zentrale Ziel ausgerichtet zu sein, wobei man weiß, dass, nachdem es einmal erreicht ist, es ein leichtes sein wird, alle Beziehungen auf der wahren Grundlage aufzubauen und mit anderen im Herzen, Spirit und Leben wahrhaft geeint zu sein – geeint in der spirituellen Wahrheit und im Göttlichen. Ein anderer Weg ist, von dort aus, wo man gerade steht, weiterzugehen, ausschließlich das Göttliche zu suchen und alles Übrige dem unterzuordnen, also nicht alles Übrige abzulegen, sondern langsam und fortschreitend zu versuchen, das umzuwandeln, was einer Umwandlung fähig ist. Alle die Dinge, die in der [menschlichen] Beziehung unerwünscht sind – sexuelle Unreinheit, Eifersucht, Ärger, egoistische Forderung –, fallen in dem Maße ab, wie das innere Wesen reiner wird und diese Dinge ersetzt werden durch das Einssein zweier Seelen und den Zusammenschluss des Lebens mit anderen durch das Band des Göttlichen.
Man kann mit Menschen von außerhalb des Ashrams, die dem Kreis der Sadhaks nicht angehören, Beziehungen aufrecht erhalten; doch auch hier muss das spirituelle Leben, wenn es innerlich wächst, notwendigerweise die Beziehung beeinflussen und spiritualisieren. Eine Bindung, die eine persönliche Beziehung zu einem Hemmnis oder Rivalen für das Göttliche machen würde, darf nicht bestehen. Häufig ist die Bindung an die Familie von dieser Art, und wenn das der Fall ist, muss der Sadhak sie aufgeben – eine Forderung, die, wie ich meine, nicht unangemessen ist. All dies aber kann nach und nach geschehen. Ein Sich-Loslösen von allen bestehenden Beziehungen ist für manche notwendig, nicht aber für alle. Eine Umwandlung, wie langsam auch immer, ist unerlässlich – Loslösung, wo Loslösung das richtige ist.
PS. Ich möchte wiederholen, dass jeder Fall anders liegt – eine Regel für alle ist weder praktisch noch praktikabel. Jedem das, was er für seinen spirituellen Fortschritt braucht – das ist das eine Erfordernis, das wir nicht aus dem Auge verlieren dürfen.

Mangel an Liebe und Zusammengehörigkeitsgefühl ist nicht notwendig, um dem Göttlichen nahe zu sein; im Gegenteil, die Empfindung der Nähe zu anderen und des Einsseins mit anderen ist ein Teil des Göttlichen Bewusstseins, in das der Sadhak durch die Nähe zum Göttlichen und das Gefühl des Einsseins mit dem Göttlichen eintritt. Des Mayavadins [ein Anhänger der Lehre, dass die Welt Illusion sei] höchstes Ziel ist es hingegen, alle menschlichen Beziehungen zurückzuweisen, und in einem asketischen Yoga würde das völlige Fehlen aller Beziehungen der Freundschaft und Zuneigung, der Bindung an die Welt und ihre lebenden Geschöpfe als ein vielversprechendes Zeichen des Fortschritts auf die Befreiung, moksa, hin angesehen werden; doch ist vermutlich selbst dort das Gefühl des Einsseins und nicht-verhafteten spirituellen Wohlwollens für alle Wesen ein zumindest vorletztes Stadium, ähnlich dem Mitleid des Buddhisten vor der endgültigen Hinwendung zu moksa und nirvana. In unserem Yoga ist das Gefühl der Einheit mit anderen, der Liebe, der universalen Freude und des Ananda ein wesentlicher Teil jener Befreiung und Vollendung, die das Ziel der Sadhana sind.
Auf der anderen Seite aber haben Dinge wie die menschliche Gesellschaft, die Freundschaft, die Liebe und Zuneigung und das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Regel – nicht völlig oder in allen Fällen – eine vitale Grundlage und werden zentral vom Ego beherrscht. Die Menschen lieben meist aus Freude daran, geliebt zu werden, aus Freude, ihr Ego durch Kontakt oder gegenseitige geistige Erfahrung zu vergrößern, und aus Freude am vitalen Austausch, der ihre Persönlichkeit stärkt – es gibt auch andere, noch selbstsüchtigere Motive, die sich mit dieser essentiellen Bewegung mischen. Natürlich gibt es auch höhere spirituelle, seelische, mentale und vitale Elemente, die hinzukommen oder hinzukommen können, die ganze Sache aber ist sehr vermischt, selbst in ihrer besten Form. In einem bestimmten Stadium verlieren daher – mit oder ohne ersichtlichen Grund – die Welt, das Leben, die menschliche Gesellschaft und menschliche Beziehung sowie die Philanthropie (die so egozentrisch wie alles Übrige ist) ihren Reiz. Manchmal gibt es dafür einen scheinbaren Grund – eine Enttäuschung des Oberflächenvitals über die Abkehr von anderen Menschen, die Erkenntnis, dass jene, die man gern hat, oder die Menschen im Allgemeinen nicht so sind, wie man dachte, und eine Unmenge anderer Gründe; häufig jedoch ist der Grund in der geheimen Enttäuschung eines inneren Wesensteils zu suchen – die gar nicht oder nicht gut auf das Mental übertragen wurde –, der von diesen Dingen etwas erwartete, was sie nicht geben können. Dies trifft für viele zu, die sich dem spirituellen Leben zuwenden oder in es hineingedrängt werden. Bei manchen nimmt es die Form einer vairagya an, die sie zu asketischer Gleichgültigkeit führt und den Anstoß für die Befreiung gibt. Wir hingegen erachten es als notwendig, dass dieses ganze Gemisch verschwindet und das Bewusstsein auf einer reineren Ebene gefestigt wird (nicht mir spirituell und seelisch, sondern ein reineres und höheres mentales, vitales und physisches Bewusstsein), auf der es dieses Durcheinander nicht gibt. Dort würde man den wahren Ananda des Einsseins, der Liebe, der Zuneigung und der Zusammengehörigkeit fühlen, der in seinem Grunde spirituell und selbst-bestehend ist, sich aber durch die anderen Teile der menschlichen Natur ausdrückt. Wenn dies geschehen soll, muss ganz offensichtlich eine Wandlung stattfinden; die alten Formen dieser Bewegungen [Liebe, Zuneigung, Zusammengehörigkeitsgefühl] müssen abfallen und einem neuen und höheren Selbst Platz machen, damit es die ihm eigene Art des Ausdrucks und der Verwirklichung seiner selbst und des Göttlichen durch diese Dinge offenbaren kann – das ist die innere Wahrheit der Sache.
Ich nehme daher an, dass der Zustand, den du beschreibst, eine Periode des Übergangs und der Veränderung ist, negativ zu Beginn, wie es diese Bewegungen häufig zuerst sind, um für das neue Positive einen freien Raum zu schaffen, damit es erscheinen und darin leben und ihn erfüllen kann. Das Vital aber, das keine lang andauernde oder auch nur annähernd ausreichende oder vollständige Erfahrung dessen hat, was die Leere ausfüllen soll, empfindet nur den Verlust und bedauert ihn, während ein anderer Teil des Wesens, ja sogar ein anderer Teil des Vitals bereit ist, das, was geht, ziehen zu lassen und nicht zurückzuhalten. Wenn es diese Bewegung des Vitals nicht gäbe (das in deinem Fall sehr stark und weit und lebensgierig ist), würde das Verschwinden dieser Dinge, zumindest nach dem ersten Gefühl der Leere, lediglich ein Gefühl des Friedens, der Erleichterung und einer ruhigen Erwartung von etwas Größerem verursachen. Das, was vor allem diese Leere ausfüllen soll, wurde in dem Frieden und der Freude angedeutet, die wie die Anrührung Shivas zu dir kamen – das wird natürlich nicht alles sein, es ist nur ein Anfang, eine Grundlage für ein neues Selbst, ein neues Bewusstsein, eine Aktivität von größerer Art; eine tiefe spirituelle Ruhe, ein tiefer spiritueller Friede sind – wie ich dir sagte – die einzig stabile Grundlage für eine beständige bhakti und einen immerwährenden Ananda. In diesem neuen Bewusstsein würde es auch eine neue Grundlage für die Beziehungen zu anderen geben, denn asketische Dürre oder isolierte Einsamkeit kann nicht dein spirituelles Schicksal sein, da es mit deinem svabhava nicht übereinstimmt, welches für Freude, Weite und Ausdehnung geschaffen ist, für eine umfassende Bewegung der Lebenskraft. Lass dich daher nicht entmutigen – warte auf die läuternde Bewegung Shivas.

Ich habe immer gesagt, dass das Vital für die göttliche oder spirituelle Arbeit unerlässlich ist – ohne es kann es keinen vollständigen Ausdruck, keine Verwirklichung im Leben und kaum eine Verwirklichung in der Sadhana geben. Wenn ich von dem vitalen Gemisch, den Behinderungen oder dem Aufbegehren des Vitals spreche, so meine ich das ungeläuterte äußere Vital, voller Begehren, Ego und niederer Leidenschaften. Das gleiche könnte man gegen das Mental und Physische vorbringen, wenn sie hemmen oder widerstreben; doch gerade weil das Vital so machtvoll und unerlässlich ist, ist seine Behinderung, sein Widerstreben oder sein Verweigern der Zusammenarbeit von größter Auswirkung und sein falsches Gemisch für die Sadhana besonders gefährlich. Aus diesem Grund habe ich immer die Gefahren des ungeläuterten Vitals hervorgehoben und das Erfordernis der Läuterung und Meisterung betont; doch nicht deshalb, weil ich wie die sannyasins der Ansicht bin, dass das Vital und seine Lebenskraft zu verdammen und ihrer eigentlichen Natur nach zurückzuweisen wären.
Zuneigung, Liebe, Zärtlichkeit sind ihrem Wesen nach seelisch – sie treten im Vital in Erscheinung, weil die Seele versucht, sich durch das Vital auszudrücken. Die Seele drückt sich am leichtesten durch das emotionale Wesen aus, denn sie befindet sich unmittelbar dahinter im Herzzentrum. Sie will aber, dass diese Dinge rein sind. Sie lehnt zwar den äußeren Ausdruck durch das Vital und Physische nicht ab, doch empfindet sie natürlich, da das seelische Wesen die Form der Seele ist, die Anziehung von Seele zu Seele und die Vereinigung von Seele mit Seele als die beständigsten und konkretesten Dinge. Mental, Vital und Körper sind Mittel des Ausdrucks, und zwar sehr kostbare Mittel des Ausdrucks; aber das innere Leben ist für die Seele das wichtigste, die tiefste Wirklichkeit, und jene [Mental, Vital und Körper] müssen sich ihr unterordnen und von ihr abhängig sein – als ihr Ausdruck, ihre Instrumente, ihr Kanal. Ich glaube nicht, dass in meiner Betonung der inneren Dinge, der Seele und des Spirituellen, etwas Neues, Seltsames oder Unverständliches liegt. Diesen Dingen wurde immer Wichtigkeit beigemessen, und je mehr das menschliche Wesen entwickelt ist, desto mehr gewinnen sie an Bedeutung. Ich kann mir nicht vorstellen, wie der Yoga ohne diese besondere Betonung des inneren Lebens, der Seele und des Spirits möglich sein soll. Auch die Meisterung des Vitals, seine Unterordnung und Abhängigkeit gegenüber dem Spirituellen und der Seele sind nichts Neues, Fremdartiges oder Ungewöhnliches. In jeder Art von spirituellem Leben wurde darauf bestanden, und selbst Yogasysteme, die das Vital durchaus zu benutzen suchten, wie bestimmte Formen des Vishnuismus, forderten seine Läuterung und gänzliche Darbringung an das Göttliche. Jede Verwirklichung des Göttlichen ist eine innere Verwirklichung, und hier bringt sich die Seele durch das emotionale Wesen als Instrument dar. Die Seele oder das seelische Wesen ist nichts Unbekanntes oder Unbegreifliches.

Menschliche Zuneigung ist offensichtlich deshalb unzuverlässig, da sie so sehr auf Selbstsucht und Begehren beruht; sie ist eine Ego-Flamme, manchmal trübe und verschleiert, manchmal in klaren und lichteren Farben brennend – manchmal tamasisch und auf Instinkt und Gewohnheit gründend, manchmal rajasisch, genährt durch Leidenschaft oder den Schrei nach vitalem Austausch, manchmal etwas mehr sattvisch in dem Versuch, selbstlos zu sein oder sich so vorzukommen. Grundlegend aber hängt sie von einem persönlichen Erfordernis oder einer Erwiderung innerer oder äußerer Art ab, und wenn das Erfordernis nicht befriedigt wird oder die Erwiderung nachlässt oder verweigert wird, schwächt sie sich meist ab oder geht zu Ende oder besteht lediglich als ein laues, gestörtes Überbleibsel einer Gewohnheit aus der Vergangenheit fort, oder aber sie wendet sich zur Befriedigung jemandem anderen zu. Je intensiver sie ist, desto mehr neigt sie dazu, durch Wirrnis, Zusammenstöße, Streit und egoistische Störungen aller Art sowie durch Selbstsucht, übermäßige Anforderungen, sogar durch Wut- oder Hassausbrüche und Trennung beunruhigt zu werden. Nicht dass diese Zuneigungen nicht andauern können – tamasische, instinktive Zuneigungen dauern aus Gewohnheit an, trotz allem, was die Betreffenden trennt, wie zum Beispiel gewisse familiäre Zuneigungen; rajasische Zuneigungen können manchmal trotz aller Störungen, Gegensätzlichkeiten und ungestümer Ausbrüche andauern, weil man ein vitales Verlangen nach dem anderen hat und sich deshalb an ihn klammert oder weil beide Beteiligten dieses Verlangen haben und sich fortwährend trennen, um zueinander zurückzukehren, und zurückkehren, um sich wieder zu trennen – vom Streit zur Versöhnung übergehend und von der Versöhnung zum Streit; sattvische Zuneigungen dauern aus Pflichtgefühl gegenüber einem Ideal oder aufgrund einer anderen Unterstützung oft sehr lange an, obwohl sie dabei ihre Heftigkeit, Intensität oder Klarheit einbüßen können. Wahre Zuverlässigkeit aber ist nur dann vorhanden, wenn das seelische Element in den menschlichen Zuneigungen so stark wird, dass es dem Übrigen Farbe verleiht oder es beherrscht. Aus diesem Grund ist Freundschaft die dauerhafteste der menschlichen Zuneigungen – oder besser gesagt, kann es sein –, da sich hier das Vital weniger einmischt; und wenngleich auch sie eine Ego-Flamme ist, kann sie ein ruhiges und reines Feuer sein, das immer Wärme und Licht spendet. Nichtsdestoweniger ist eine verlässliche Freundschaft in der Regel nur einigen wenigen vergönnt; eine Schar liebender, selbstloser, treuer Freunde zu haben, ist ein derartig seltenes Phänomen, dass man es getrost in den Bereich der Illusion verweisen darf… In jedem Fall aber hat die menschliche Zuneigung, was immer auch ihr Wert ist, ihren Platz, da durch sie das seelische Wesen die emotionale Erfahrung erhält, deren es bedarf, bis es bereit ist, das Wahre dem Scheinbaren vorzuziehen, das Vollkommene dem Unvollkommenen, das Göttliche dem Menschlichen. Genau wie das Bewusstsein sich zu einer höheren Ebene erheben muss, müssen sich auch die Bewegungen des Herzens zu dieser höheren Ebene erheben und ihre Grundlage und ihren Charakter ändern. Yoga ist die Gründung des gesamten Lebens und Bewusstseins im Göttlichen; daher müssen auch Liebe und Zuneigung im Göttlichen wurzeln und auf einem spirituellen Einssein im Göttlichen beruhen. Der gerade Weg zu dieser Veränderung besteht darin, zuerst das Göttliche zu erreichen und andere Dinge beiseite zu lassen oder ausschließlich das Göttliche zu suchen. Das bedeutet, nicht verhaftet zu sein – es braucht aber nicht zu bedeuten, Zuneigung in Abneigung oder kühle Gleichgültigkeit zu verwandeln. X scheint seine vitalen Emotionen, so wie sie sind, mit zum Göttlichen nehmen zu wollen; lass es ihn versuchen und belästige ihn nicht mit Kritik und Predigten; wenn es nicht möglich ist, wird er es selbst herausfinden müssen.

Nicht deine Natur oder dein schlechtes Geschick ist die Ursache dafür, dass dein Vital die Befriedigung, die es von der Beziehung zu anderen erhofft, nicht finden kann. Solche Beziehungen können niemals voll und dauernd befriedigen; wenn dies möglich wäre, gäbe es keinen Grund dafür, warum das menschliche Wesen jemals das Göttliche suchen sollte. Es würde zufrieden im gewöhnlichen Erdenleben ausharren. Erst wenn das Göttliche gefunden und das [gewöhnliche] Bewusstsein in das wahre Bewusstsein erhoben ist, können wahre Beziehungen mit anderen Menschen hergestellt werden.
Wenn ich sagte, dass es nichts schaden würde, meinte ich, dass es besser sei, der Mutter zu sagen, was dich drückt, statt es in dir herumzuwälzen. Wenn es aber einmal gesagt ist, sollte es aus dem Mental verschwinden und dieses seine Ruhe wiedergewinnen.

Diese Bewegungen gehören zur unwissenden vitalen Natur des Menschen. Die Liebe, die menschliche Wesen zueinander empfinden, ist meist eine egoistische, vitale Liebe, und Bewegungen wie Forderung, Begehren, Eifersucht, abhimana [verletzter Stolz], Ärger usw. sind ihre üblichen Begleiterscheinungen. Im Yoga haben sie keinen Platz, ebenso wenig wie in der wahren Liebe, die von seelischer oder göttlicher Natur ist. Im Yoga sollte alle Liebe dem Göttlichen zugewandt sein, den menschlichen oder anderen Wesen aber lediglich als den Gefäßen des Göttlichen – abhimana und all das Übrige sollten von ihr ausgeschlossen sein.

All das ist natürlich nicht Liebe, sondern Selbst-Liebe. Eifersucht ist nichts als eine hässliche Form der Selbstliebe. Die Menschen verstehen das nicht und glauben sogar, dass Forderungen, Eifersucht und verletzte Eitelkeit Zeichen der Liebe oder zumindest ihre natürlichen Begleiterscheinungen sind.

Die Bewegung des höheren Vitals ist verfeinerter und weiter als die des gewöhnlichen Vitals. Sie misst der Emotion mehr Gewicht bei als der Erregung und dem Begehren, ist aber nicht frei von Forderung und dem Verlangen nach Besitz.

[Persönliche] Beziehungen, die der gewöhnlichen vitalen Natur im menschlichen Leben angehören, haben im spirituellen Leben keinen Wert – sie beeinträchtigen vielmehr den Fortschritt, denn auch Mental und Vital sollten gänzlich dem Göttlichen zugewandt sein. Überdies ist es das Ziel der Sadhana, in ein spirituelles Bewusstsein einzutreten und alles auf einer neuen spirituellen Grundlage zu errichten, was aber nur dann geschehen kann, wenn man die vollkommene Einheit mit dem Göttlichen erreicht hat. Bis dahin sollte man ein ruhiges Wohlwollen für alle Wesen empfinden; vitale Beziehungen aber sind nicht förderlich, denn sie halten das Bewusstsein auf einer vitalen Basis und verhindern seinen Aufstieg zu einer höheren Ebene.

Was die Frage einer dich ergänzenden Seele und einer Heirat anbelangt, so ist die Antwort leicht zu geben; dein Weg spirituellen Lebens liegt in der einen Richtung, die Heirat aber liegt in einer ganz anderen und entgegengesetzten Richtung. Das ganze Gerede über eine dich ergänzende Seele ist eine Verschleierung, mit deren Hilfe das Mental versucht, die sentimentalen, sinnlichen und physischen Wünsche der niederen vitalen Natur zu verdecken. Diese vitale Natur in dir ist es, die die Frage stellt und gern eine Antwort hätte, die ihre Begierden und Forderungen mit dem Ruf der wahren Seele in dir in Einklang bringt. Von meiner Seite aber darf sie sich die Zustimmung zu einem derartig widerspruchsvollen Ausgleich nicht erhoffen. Der Weg des supramentalen Yoga ist klar, und er führt nicht über ein Zugeständnis an diese Dinge, in deinem Fall über die Befriedigung – möglichst unter einem spirituellen Deckmantel – des Verlangens nach den Bequemlichkeiten und Freuden eines häuslichen und ehelichen Lebens und über den Genuss der gewöhnlichen, emotionalen Begierden und physischen Leidenschaften, sondern über die Läuterung und Umwandlung jener Kräfte, die diese Bewegungen entstellen und missbrauchen. Nicht diese menschlichen und tierischen Forderungen, sondern der göttliche Ananda, der darüber und jenseits von ihnen ist und dessen Herabkunft durch die Hingabe an diese entstellten Formen verhindert würde, ist die große Sache, auf die das Streben des vitalen Wesens im Sadhak ausgerichtet sein sollte.

Menschlich-vitaler Austausch kann keine wahre Stütze für die Sadhana sein, sondern wird sie im Gegenteil bestimmt schädigen und entstellen, da er zu einer Selbsttäuschung im Bewusstsein und zu einer falschen Ausrichtung des emotionalen Wesens und der vitalen Natur führt.

Was du über die Familienbande schreibst, ist durchaus richtig. Durch sie entsteht ein unnötiger Austausch, und sie stehen der vollkommenen Hinwendung zum Göttlichen im Weg. Die menschlichen Beziehungen sollten, nachdem man den Yoga aufgenommen hat, weniger auf einem physischen Ursprung oder den Gewohnheiten des physischen Bewusstseins beruhen, sondern mehr und mehr auf der Grundlage der Sadhana – es sollten Beziehungen von Sadhak zu Sadhak sein, und zu anderen Menschen als Seelen, die den gleichen Weg gehen, oder als Kinder der Mutter, und nicht die üblichen Beziehungen mit dem alten Standpunkt.

Wenn man in das spirituelle Leben eintritt, fallen die Familienbande, die zum gewöhnlichen Leben gehören, ab, und man wird vergangenen Dingen gegenüber gleichgültig. Diese Gleichgültigkeit ist eine Befreiung und braucht keinerlei Härte zu enthalten. An vergangene physische Zuneigungen gebunden zu bleiben, würde bedeuten, an die gewöhnliche Natur gebunden zu bleiben und den spirituellen Fortschritt zu verhindern.

Die Bindung an die Eltern gehört der gewöhnlichen physischen Natur an und hat mit Göttlicher Liebe nichts zu tun.

Die Dankesschuld des Kindes gegenüber seinem Vater ist ein Gesetz der menschlichen Gesellschaft und kein karma-Gesetz. Das Kind hat den Vater nicht darum gebeten, es in die Welt zu setzen, und wenn es der Vater zu seinem Vergnügen tat, ist seine mindeste Pflicht, das Kind aufzuziehen. All dies sind familiäre Beziehungen (es besteht auch keinesfalls eine einseitige Schuld des Kindes gegenüber seinem Vater), doch was auch immer sie sind, sie hören auf zu bestehen, sobald man in das spirituelle Leben eintritt. Denn das spirituelle Leben beruht ganz und gar nicht auf äußeren physischen Beziehungen, sondern man hat es hier ausschließlich mit dem Göttlichen zu tun.

Das innere Wesen, das dem Göttlichen zugewandt ist, zieht sich natürlich von den alten vitalen Beziehungen, von äußeren Bewegungen und Kontakten zurück, bis es auch in das äußere Wesen ein neues Bewusstsein bringen kann.

Die Bewegung, von der du sprichst, ist nicht seelisch, sondern emotional. Es ist eine vitale emotionale Kraft, die du hervorbringst und verschwendest. Sie [diese Bewegung] ist auch deshalb schädlich, weil du auf der einen Seite versuchst, eine vergangene vitale Beziehung oder Verbindung zu diesen Menschen zurückzuweisen, durch diese Bewegung aber auf andere Weise wieder eine vitale Beziehung zu ihnen herstellst. Wenn schon in deiner ersten Bewegung etwas Falsches war, so ist dies bestimmt ein ganz falscher Weg, den Schaden wieder gutzumachen.
Natürlich wäre eine Zurückweisung ohne jedes heftige Gefühl gegenüber irgendjemand besser, denn Heftigkeit ist das Zeichen einer gewissen Schwäche im Vital, die überwunden werden muss – aus keinem anderen Grund sonst. Die Zurückweisung sollte ruhig, fest, selbstsicher und entschlossen sein, dann ist sie durchgreifend und wirksam.

In dem Maße wie die Liebe zum Göttlichen wächst, hören die anderen Dinge auf, das Mental zu beunruhigen.

Wenn die Liebe zum Göttlichen von einem Wesensteil Besitz ergreift, beeinflusst sie diesen sich dem Göttlichen zuzuwenden – wie du es als „Konzentration auf die Mutter“ beschreibst –, und am Ende ist das ganze Wesen um diese zentrale Wende versammelt und harmonisiert. Schwierigkeiten bereiten nur die mechanischen Wesensteile, in denen die alten Gedanken gewohnheitsmäßig weiterhin ablaufen. Wenn aber die Konzentration fortwährend wächst, wird dies zu etwas Bedeutungslosem an der Peripherie des Mentals und hört schließlich auf zu bestehen, um durch Dinge ersetzt zu werden, die dem neuen Bewusstsein angehören.

Innere Einsamkeit kann allein durch die innere Erfahrung des Einsseins mit dem Göttlichen geheilt werden; keine menschliche Beziehung vermag diese Leere auszufüllen. Ebenso darf im spirituellen Leben die Harmonie mit anderen nicht auf mentaler oder vitaler Wesensverwandtschaft beruhen, sondern muss auf dem göttlichen Bewusstsein und dem Einssein mit dem Göttlichen gründen. Wahre Harmonie kommt erst, wenn man das Göttliche fühlt, wenn man die anderen im Göttlichen fühlt. Solange aber sind Wohlwollen und Einigkeit angebracht, die das Gefühl eines gemeinsamen göttlichen Zieles zur Grundlage haben und die Empfindung, dass wir alle Kinder der Mutter sind… Echte Harmonie kann nur auf einer seelischen oder spirituellen Basis entstehen.

Mit dem Göttlichen allein zu sein, ist für den Sadhak der höchste aller privilegierten Zustände, denn in diesem kommt er innerlich dem Göttlichen am nächsten und kann das ganze Dasein in der Kammer des Herzens und im Tempel des Universums umschließen. Zudem ist das der Anfang und die Grundlage des wahren Einsseins mit allen, da es dieses Einssein auf seiner wahren Basis, dem Göttlichen, errichtet; denn das Göttliche ist es, in dem der Sadhak allen begegnet und sich mit allen eint und nicht mehr in einem fragwürdigen Austausch des mentalen und vitalen Egos. Fürchte dich also nicht vor der Einsamkeit, sondern vertraue auf die Mutter und schreite auf dem Pfad in ihrer Stärke und Gnade voran.

Die Liebe des Sadhaks sollte dem Göttlichen gehören. Erst wenn er dies in seiner ganzen Fülle erreicht hat, kann er auch andere auf die rechte Weise lieben.

Sich einem Außenstehenden zu widmen bedeutet, die Atmosphäre der Sadhana zu verlassen und sich den äußeren Weltkräften auszuliefern.
Man kann ein seelisches Gefühl der Liebe für jemanden haben, eine universale Liebe für alle Geschöpfe, man darf sich aber nur dem Göttlichen geben.

Man kann keine allgemeine Behauptung aufstellen, dass diese gegenseitigen Verbindungen entweder schlecht oder gut sind. Das hängt von der Person, den Auswirkungen und vielen anderen Dingen ab. Eine allgemeine Regel ist, dass all diese engen Beziehungen, zusammen mit der alten menschlichen Natur, dem Göttlichen hingegeben werden müssen, damit das, was sich in Harmonie mit der Göttlichen Wahrheit befindet, bewahrt und für ihre Arbeit in dir umgewandelt werden kann. Alle Beziehungen mit anderen Menschen müssen Beziehungen im Göttlichen sein und ihren alten persönlichen Charakter ablegen.

Es gibt eine Liebe, in der die Emotion in einer zunehmenden Empfangsbereitschaft und in wachsendem Einssein die Hinwendung zum Göttlichen vollzieht Was sie vom Göttlichen empfängt, strömt sie auf andere aus, doch frei, ohne etwas zurückzufordern – wenn du hierzu fähig bist, dann ist das der höchste und befriedigendste Weg der Liebe.

Eine persönliche Beziehung wird hergestellt, wenn man nur sich und den anderen sieht Die Regel für persönliche Beziehungen in diesem Yoga ist folgende: 1. Alle persönlichen Beziehungen müssen mit der einen Beziehung, die zwischen dem Sadhak und dem Göttlichen besteht, verschmelzen. 2. Alle persönlichen Beziehungen müssen von der Göttlichen Mutter ausgehen, von ihr bestimmt werden und Teil der einen Beziehung zur Göttlichen Mutter sein. Eine persönliche Beziehung ist erlaubt, sofern sie sich an diese beiden Regeln hält und keine physische Befriedigung, keine vitale Entstellung und kein vitales Durcheinander zulässt. Da aber das Supramental noch nicht gesiegt hat, sondern erst herabkommt, und es daher auf den vitalen und physischen Ebenen immer noch Kampf gibt, ist große Vorsicht geboten, die nicht nötig wäre, wenn die supramentale Umwandlung bereits stattgefunden hätte. Beide [Beteiligten] müssen in direkter Beziehung zur Mutter stehen und sich in vollkommener Abhängigkeit von ihr befinden, und sie müssen darauf achten, dass dies erhalten bleibt und nicht im mindesten seine Vollständigkeit verringert oder gefährdet wird.

In diesem Yoga ist die einzige Beziehung, die zwischen einem Sadhak und einer Sadhika erlaubt ist, die gleiche, die zwischen Sadhak und Sadhak oder zwischen Sadhika und Sadhika besteht – eine freundliche Beziehung als Anhänger des gleichen Yoga-Pfades und als Kinder der Mutter.

Allgemein gesagt, liegt die einzige Methode, um zwischen einem Mann und einer Frau jene freien und natürlichen yogischen Beziehungen herzustellen, wie sie zwischen einem Sadhak und einer Sadhika in diesem Yoga bestehen sollten, in der Fähigkeit, einander begegnen zu können, ohne überhaupt den Gedanken aufkommen zu lassen, dass der eine ein Mann und die andere eine Frau ist – beide sind einfach menschliche Wesen, beide sind Sadhaks, beide streben danach, dem Göttlichen zu dienen, und suchen allein das Göttliche und nichts sonst. Wenn du das voll in dir aufgenommen hast, wird es aller Wahrscheinlichkeit nach keine Schwierigkeit geben.

Gemeint ist, dass du eine Beziehung herstellen sollst, wie sie Sadhaks untereinander haben, eine Beziehung der Sympathie und freundlichen Gefühle; nicht aber eine Beziehung von vitalem Charakter. Wenn es jemanden gibt, dem du nicht begegnen kannst, ohne dass eine derartige vitale Beziehung entsteht, ist es ratsam, demjenigen oder derjenigen aus dem Wege zu gehen.

Alles dem Göttlichen hinzuwenden, ist ein Rat zur Vervollkommnung für jene, denen es nichts ausmacht, ohne Gepäck zu reisen. Andererseits aber ist Freundschaft unter Männern oder unter Frauen oder zwischen Mann und Frau nicht verboten, unter der einen Voraussetzung, dass es die wahre Sache ist und sich keine Sexualität einmischt, und unter der weiteren Voraussetzung, dass es nicht vom Ziel ablenkt. Wenn das zentrale Ziel stark ist, genügt das…. Als ich von persönlichen Beziehungen sprach, meinte ich mit Sicherheit nicht reine Gleichgültigkeit, denn Gleichgültigkeit schafft keine Beziehung, sondern ist auf Nicht-Beziehung ausgerichtet. Emotionale Freundschaft braucht ganz und gar kein Hindernis zu sein.

Eine Freundschaft unter Männern oder unter Frauen ist mit Sicherheit einfacher als zwischen Mann und Frau, da hier die sexuelle Einmischung fehlt. Bei einer Freundschaft zwischen Mann und Frau kann die sexuelle Wende – sei es in einer subtilen oder direkten Weise – in jedem Augenblick eintreten und Störungen verursachen. Eine Freundschaft zwischen Mann und Frau, die von diesem Element frei ist, ist aber nicht unmöglich – solche Freundschaften kann es geben und hat es immer gegeben. Das einzig Wichtige dabei ist, dass das niedrigere Vital nicht durch die Hintertür hereinschaut oder durch sie eintritt. Häufig besteht ein Gleichklang zwischen einer männlichen und weiblichen Natur, eine Anziehung oder Neigung, die auf etwas anderem als einer niederen, vitalen (sexuellen) Grundlage beruht, sei sie offen oder versteckt; manchmal gründet ihre Substanz überwiegend auf dem Mental, manchmal auf der Seele oder dem höheren Vital, manchmal auf einer Mischung von allen. In einem solchen Fall ist die Freundschaft etwas Natürliches und die Wahrscheinlichkeit gering, dass andere Elemente eindringen und sie herabziehen oder zerbrechen können.
Es ist auch ein Fehler zu glauben, dass allein das Vital Wärme besitzen würde und die Seele etwas Kaltes und ohne Feuer sei. Ein klares, reines Wohlwollen ist gut und wünschenswert. Das aber ist nicht mit seelischer Liebe gemeint. Liebe ist Liebe und nicht nur Wohlwollen. Die seelische Liebe kann eine Wärme und ein Feuer haben, die ebenso intensiv wie die des Vitals sind, ja intensiver, nur dass es ein reines Feuer ist und nicht abhängig von der Befriedigung des Ego-Verlangens oder davon, das Öl, von dem es genährt wird, aufzuzehren. Es ist eine weiße Flamme und keine rote, doch ist die weiße Hitze in ihrer Glut der roten nicht unterlegen. Es stimmt, meist kommt die seelische Liebe in der menschlichen Beziehung und Natur nicht voll zum Zug. Sie findet die Fülle ihres Feuers und ihrer Ekstase leichter, wenn sie sich zum Göttlichen erhebt. In der menschlichen Beziehung wird die seelische Liebe mit anderen Elementen vermischt, die sie sofort zu benützen oder zu überschatten suchen. Nur in seltenen Augenblicken erhält sie ein Ventil für ihre volle Intensität. Meist tritt sie nur als Element in Erscheinung, doch selbst dann steuert sie zu einer im Grunde vitalen Liebe alle höheren Dinge bei – die reine Süße, die Zärtlichkeit und Treue, das Selbstgeben, die Selbstaufgabe, das Ergriffen-werden zweier Seelen, die idealisierenden Vergeistigungen, welche die menschliche Liebe über sich selbst hinausheben – all dies hat seinen Ursprung in der Seele. Wenn sie fähig wäre, die übrigen Elemente menschlicher Liebe – die mentalen, vitalen und physischen – zu beherrschen, zu lenken und umzuformen, könnte die Liebe auf Erden eine Widerspiegelung oder Vorbereitung der wahren Sache sein, eine umfassende Einung der Seele mit ihren Instrumenten in einem Leben zu zweit. Doch selbst in unvollständiger Form kommt das nur selten vor.
Das Normale im Yoga ist unserer Ansicht nach, dass sich das ganze Feuer der menschlichen Natur dem Göttlichen zuwendet und das Übrige auf die wahre Grundlage zu warten hat; höhere Dinge auf dem Sand und Morast des gewöhnlichen Bewusstseins aufzubauen, ist keine sichere Sache. Das schließt aber Freundschaft und Kameradschaft nicht unbedingt aus, doch müssen sie sich völlig dem zentralen Feuer unterordnen. Wenn jemand in der Zwischenzeit die Beziehung zum Göttlichen zu seinem alles beanspruchenden Ziel macht, ist das etwas durchaus Normales und verleiht der Sadhana die volle Kraft. Seelische Liebe findet ihren vollen Ausdruck, wenn sie die Ausstrahlung jenes göttlicheren Bewusstseins ist, nach dem wir suchen; bis dahin aber hat sie es schwer, ihr ungeschmälertes Wesen und ihre wahre Form zu zeigen.
PS. Das Mental, Vital und das Physische sind eigentlich Instrumente der Seele und des Spirits; wenn sie selbständig arbeiten, bringen sie unwissende und unvollkommene Dinge hervor – wenn sie aber zu bewussten Instrumenten der Seele und des Spirits gemacht werden können, empfangen sie ihre göttlichere Erfüllung; das ist die Idee, die dem zugrunde liegt, was wir in diesem Yoga die Umwandlung nennen.

Freundschaft oder Zuneigung ist vom Yoga nicht ausgeschlossen. Die Freundschaft mit dem Göttlichen ist eine anerkannte Beziehung in der Sadhana. Es bestehen Freundschaften unter Sadhaks und werden von der Mutter gutgeheißen. Nur versuchen wir, sie auf einer sichereren Grundlage aufzubauen als die, auf der die Mehrzahl menschlicher Freundschaften trügerisch gründet. Gerade deshalb, weil wir Freundschaft, Bruderschaft und Liebe als heilige Dinge ansehen, wollen wir diese Veränderung; sie sollen nicht in jedem Augenblick durch Egobewegungen zerbrechen und durch Leidenschaften, Eifersucht und Verrat, wozu das Vital neigt, beschmutzt, verdorben und zerstört werden können. Um sie wahrhaft zu heiligen und zu schützen, wollen wir, dass sie in der Seele wurzeln, verankert im Felsen des Göttlichen. Unser Yoga ist kein asketischer Yoga; er zielt auf Reinheit, aber nicht auf kalte Enthaltsamkeit. Freundschaft und Liebe sind unerlässliche Noten in der Harmonie, nach der wir streben. Es ist kein leerer Traum, denn wir haben gesehen, dass selbst unter unvollkommenen Voraussetzungen die Sache möglich ist, wenn im tiefsten Grund nur ein wenig des unerlässlichen Elementes vorhanden ist. Es sei schwierig und die alten Hemmnisse würden sich hartnäckig anklammern? Es gibt aber keinen Sieg ohne langwierige Bemühung und standhafte Treue zum Ziel. Es gibt keinen anderen Weg als durchzuhalten.

Freundschaft kann im Yoga bestehen bleiben, doch muss die Bindung wegfallen, sowie jede Zuneigung, die derartig beanspruchend wäre, dass sie dich an das gewöhnliche Leben und Bewusstsein fesseln würde.

Jede Bindung ist ein Hindernis für die Sadhana. Für alle solltest du Wohlwollen und seelische Freundlichkeit empfinden, dich aber an niemanden vital binden.

Wenn du erwartest, dass deine Freundlichkeit erwidert wird, wirst du notwendigerweise enttäuscht werden. Nur diejenigen, welche Liebe und Freundlichkeit um ihrer selbst willen geben, ohne eine Erwiderung zu erwarten, werden von dieser Erfahrung verschont. Eine persönliche Beziehung kann nur dann auf einer sicheren Grundlage errichtet werden, wenn sie ohne Bindung oder auf beiden Seiten vorwiegend seelisch ist.

Es gibt ein grundlegendes seelisches Gefühl, das allen gegenüber gleich ist; es gibt aber auch ein besonderes seelisches Gefühl für die eine oder andere Person.

Nein, seelische Liebe schließt Unterscheidung nicht aus.

Es hängt davon ab, was du mit seelischer „Liebe“ meinst. Man kann ein seelisches Gefühl für alle Wesen haben, das von der Sexualität unabhängig ist und nichts Sexuelles enthält.

Beziehungen zwischen Mann und Frau, die durch Sexualität nicht getrübt wurden, hat es sogar im weltlichen Leben gegeben – rein seelische Beziehungen. Das Bewusstsein des anderen Geschlechts ist zweifellos vorhanden, doch nicht als eine Quelle des Begehrens und der Störung. Hierzu ist aber eine gewisse seelische Entwicklung notwendig.

Es ist schwierig, ihre Grenzen festzulegen oder zu erkennen. Denn selbst wenn eine seelische Liebe zu jemand anderem besteht, wird sie im menschlichen Wesen derart mit dem Vital vermischt, dass es die gewöhnlichste Sache ist, eine vitale Liebe zu rechtfertigen, indem man einen seelischen Charakter für sie in Anspruch nimmt. Man könnte vielleicht sagen, dass sich die seelische Liebe durch eine essentielle Reinheit und Selbstlosigkeit unterscheidet, die aber das Vital ausgezeichnet nachahmen kann, wenn es will.

Unserer Erfahrung nach besteht nur dann eine gewisse Aussicht, einander im Göttlichen zu begegnen, wenn beide Teile im wahren Bewusstsein leben, das um das Göttliche zentriert ist. Im anderen Fall kommt mit der sich bildenden persönlichen Beziehung entweder Enttäuschung oder Entfremdung auf, oder aber es stellen sich ungeläuterte Reaktionen ein.

Aber das ist doch das Wesen menschlich-vitaler Zuneigungen – sie bestehen ganz aus Selbstsucht, die sich als Liebe verkleidet. Manchmal, bei einer starken vitalen Leidenschaft, Forderung oder Bindung, ist die betreffende Person bereit, alles zu tun, um die Zuneigung des anderen zu erhalten. Doch nur dann, wenn die Seele die Bewegung aufzunehmen vermag, ist eine wirklich selbstlose Zuneigung oder wenigstens ein Element davon vorhanden.

Das ist ein durchaus normales Phänomen in der menschlichen Natur. Die Menschen werden durch ein gewisses Gefühl der Nähe, Übereinstimmung oder Anziehung zwischen einem Teil in der eigenen Natur und einem Teil in der Natur des anderen zueinander hingezogen. Zuerst fühlt man nur das; man sieht nur das, was man in der Natur des anderen als gut oder angenehm empfindet, und unterstellt ihm vielleicht Vorzüge, die gar nicht vorhanden sind oder nicht in dem Ausmaß, wie man glaubt. Bei näherer Bekanntschaft aber bemerkt man auch andere Teile der Natur, von denen man sich nicht angezogen fühlt – vielleicht gibt es einen Zusammenprall von Ideen oder gegensätzlichen Empfindungen oder den Konflikt zwischen zwei Egos. Wenn es eine starke Liebe oder Freundschaft von dauerhaftem Charakter ist, kann man diese Schwierigkeiten überwinden und eine Harmonisierung oder Angleichung erreichen; sehr häufig aber ist das nicht der Fall oder der Missklang ist so stark, dass er der Neigung zur Anpassung entgegenwirkt, oder aber das Ego wird derart verletzt, dass es zurückschreckt. Dann ist es durchaus möglich, dass man zu sehr die Fehler des anderen sieht oder sie übertreibt und ihm schlechte oder unangenehme Dinge zuschreibt, die nicht vorhanden sind. Alles kann sich ändern, das gute. Gefühl kann sich in Abneigung, Entfremdung, ja sogar Feindschaft und Antipathie verwandeln. So etwas geschieht laufend im menschlichen Leben. Auch das Gegenteil kann stattfinden, was aber nicht so häufig vorkommt – die Wandlung von Abneigung in Zuneigung, von Gegensatz in Harmonie. Natürlich braucht eine schlechte Meinung über eine Person oder eine Abneigung nicht allein diese Ursache zu haben; sie kann viele Gründe haben, instinktive Abneigung, Eifersucht, gegensätzliche Interessen usw..
Man muss versuchen, andere ruhig zu betrachten – mit ruhigem Geist und ruhiger Schau – und weder ihre Tugenden noch ihre Mängel übermäßig zu betonen.

Das ist der Verlauf, den die vitale Liebe meistens nimmt, wenn eine starke seelische Kraft fehlt, die sie in die rechten Bahnen lenkt und aufrechterhält. Nachdem die erste vitale Glut erloschen ist, beginnt sich die Unvereinbarkeit der beiden Egos zu zeigen, und die gegenseitigen Beziehungen werden immer mühsamer – das Vital des einen empfindet die Forderungen des anderen als unerträglich oder umgekehrt, eine ständige Gereiztheit greift um sich, und die Beanspruchung wird als Bürde und Joch empfunden. Natürlich gibt es in einem Leben der Sadhana keinen Platz für vitale Beziehungen – sie sind ein Hemmnis, das die volle Wende der menschlichen Natur zum Göttlichen hin verhindert.

2. Der Umgang mit anderen
Eine Stille in allen Teilen und ein intensives Streben wurden dir zuteil. Als Ergebnis hiervon, fühltest du in deiner inneren Meditation den Kontakt mit der Mutter, dein inneres Wesen erhob sich zu den Ebenen des Friedens, der Weite und des Lichtes über uns und kehrte schließlich zu seinem zentralen Ort im Herzen zurück.
Die Ungleichheit der Gefühle anderen gegenüber, Neigung und Abneigung, ist in der Natur des menschlichen Vitals tief verwurzelt. Das kommt daher, weil einige Menschen mit dem vitalen Temperament eines anderen harmonieren, andere aber nicht; auch ist das vitale Ego vorhanden, das ungehalten wird, sobald man es kränkt oder die Dinge nicht so laufen oder die Menschen nicht so handeln wie es möchte oder wie es seiner Vorstellung entspricht. Im Selbst über uns herrschen spirituelle Ruhe und die Gleichmäßigkeit [der Gefühle], ein Wohlwollen für alle oder in einem bestimmten Stadium eine ruhige Gleichgültigkeit gegenüber allem, außer dem Göttlichen; in der Seele besteht grundlegend eine gleiche Freundlichkeit oder Liebe gegenüber allen, es können jedoch spezielle Beziehungen zu einer bestimmten Person vorhanden sein; das Vital hingegen ist immer unbeständig und voller Neigungen und Abneigungen. Es muss durch die Sadhana beruhigt werden; vom Selbst über uns muss es das ruhige Wohlwollen und den Gleichmut gegenüber allen Dingen empfangen und von der Seele die allgemeine Freundlichkeit und Liebe. Das wird kommen, doch mag es eine gewisse Zeit beanspruchen, bis es so weit ist. In der Zwischenzeit musst du die Ideen, die du in dem Brief zum Ausdruck bringst, festigen, denn es sind wahre seelische Ideen, die dir dazu verhelfen werden, dieses Ziel zu erreichen. Du musst dich von allen inneren und äußeren Bewegungen des Ärgers, der Ungeduld oder der Abneigung befreien. Wenn etwas falsch läuft oder falsch getan wird, sagst du dir einfach „die Mutter weiß es“ und fährst ruhig und ohne Spannung fort, die Dinge so gut wie möglich zu tun oder dafür zu sorgen, dass sie so getan werden. Zu einem späteren Zeitpunkt werden wir dir zeigen, auf welche Weise du die Kraft der Mutter benutzen kannst, damit die Dinge besser laufen, doch musst du zuerst ein ruhiges Gleichgewicht in einem ruhigen Vital erlangen, denn nur so kann die Kraft mit dem bestmöglichen Erfolg eingesetzt werden.

Die Arbeit wird am besten im Schweigen verrichtet, außer man hat zur Arbeit selbst etwas zu sagen. Gespräche hebt man sich besser für Mußestunden auf. Daher wird niemand gegen dein Schweigen während der Arbeit etwas einzuwenden haben.
Was das Übrige anbelangt, so musst du die richtige Haltung anderen gegenüber bewahren und darfst dir nicht erlauben, durch irgendetwas, was sie sagen oder tun, dich aufregen, reizen oder kränken zu lassen – in anderen Worten, bewahre den Gleichmut, samata, und das universale Wohlwollen, wie es einem Sadhak dieses Yoga gebührt. Wenn du so handelst und die anderen sich dennoch aufregen oder gekränkt sind, darfst du nicht darauf achten, denn ihre falsche Reaktion ist nicht deine Schuld.

Ich habe deinen Brief gelesen und verstehe nun, was du schwierig findest – es scheinen aber nicht so ernsthafte Dinge zu sein, dass man sie zu Recht als eine Ursache der Störung empfinden könnte. Diese Art von Unbequemlichkeiten hat man immer, wenn man mit Menschen zusammenlebt und -arbeitet. Sie ergeben sich aus einem Missverständnis zwischen zwei Arten von Mental oder Willen, wobei jede in ihre Richtung zieht und sich verletzt oder gequält fühlt, wenn die andere nicht nachgibt. Nur ein Bewusstseinswandel kann dies ändern, denn erst wenn man in ein tieferes Bewusstsein eintritt, sieht man die Ursache dieser Dinge und ist nicht mehr beunruhigt – man erlangt das V erstehen, die Geduld und die Nachsicht, die von Ärger und anderen Reaktionen befreien. Wenn das Bewusstsein beider oder aller wächst, tritt auch das mentale Verstehen der gegenseitigen Standpunkte ein, wodurch Harmonie und ein leichtes Arbeiten ermöglicht werden. Das ist es, was durch die innere Veränderung gesucht werden sollte – diese gleiche Harmonie von außen, durch äußere Mittel zu schaffen, ist nicht so einfach, da das menschliche Mental in seinen Wahrnehmungen schwerfällig ist und das menschliche Vital auf seiner eigenen Weise des Handelns besteht. Richte dein hauptsächliches Augenmerk darauf, innerlich zu wachsen, lass das klarere und tiefere Bewusstsein sich entwickeln und habe den Wunsch, dass die gleiche Veränderung auch in anderen stattfindet, damit Klarheit und Einklang an die Stelle von Bruch und Missverstehen treten.

Nun, ich habe bereits gesagt, dass zu streiten oder den anderen zu schneiden nichts mit der Sadhana zu tun hat; die Zusammenstöße und Spannungen, von denen du sprichst, sind wie in der Welt draußen auf Reibereien des vitalen Egos zurückzuführen. Feindseligkeit, Antipathie, Abneigung und Streit dürfen genauso wenig als zur Sadhana gehörend betrachtet werden wie Sex-Impulse oder sexuelle Beziehungen. Harmonie, Wohlwollen, Nachsicht und Gleichmut sind die Ideale, die in der Beziehung von Sadhak zu Sadhak benötigt werden. Man ist nicht verpflichtet, mit anderen Umgang zu pflegen, doch wenn man für sich bleibt, sollte es aus Gründen der Sadhana sein und aus keinem anderen Motiv – und außerdem sollte es ohne jedes Gefühl der Überlegenheit oder Verachtung anderen gegenüber geschehen… Wenn jemand erkennt, dass der Umgang mit einer bestimmten Person aus irgendwelchen Gründen unliebsame vitale Gefühle in ihm weckt, kann sich der Betreffende aus Gründen der Vorsicht natürlich von dieser Verbindung zurückziehen, bis die Schwäche überwunden ist. Ein Zur-Schau-Stellen des Meidens oder ein öffentliches Schneiden ist aber hierin nicht mit einbezogen und verrät Gefühle, die überwunden werden müssen.

Diese Ergebnisse sind keine Bestrafung, sie sind ein natürliches Ergebnis der Nachgiebigkeit gegenüber dem Egoismus. Alle Streitereien wurzeln im Egoismus, der seine eigene Meinung durchsetzen will, in der Annahme, dass sie die richtige und alles Übrige falsch sei, und auf diese Weise Ärger und ein Gefühl der Kränkung usw. hervorruft. Diesen Dingen sollte man nicht nachgeben, sondern sie sofort zurückweisen.

Ich bitte dich darum, lass nicht Unmut oder etwas anderes aufkommen oder dein Benehmen diktieren. Überwinde diese Dinge und sieh zu, dass der innere Friede und das Suchen nach dem Göttlichen die einzig wichtige Sache sind – diese Zusammenstöße werden nur durch das Ego ausgelöst. Wende dich in diese eine Richtung und bewahre im Übrigen ein ruhiges Wohlwollen für alle.

Wenn du Wissen erlangen oder alle als Brüder sehen oder Frieden erreichen willst, darfst du weniger an dich selbst denken, an deine Wünsche und Gefühle oder daran, wie dich die Menschen behandeln, sondern musst deine Gedanken mehr dem Göttlichen zuwenden – für das Göttliche leben und nicht für dich selbst.

Du hast nun die richtige Einstellung gewonnen, und wenn du sie bewahren kannst, wird alles besser werden. Du bist zur göttlichen Mutter des Yoga wegen gekommen und nicht, um die alte Lebensweise fortzusetzen. Dies hier solltest du auch als einen Ashram betrachten und nicht als das gewöhnliche samsara [das Leben in der Welt der Unwissenheit]; in deinem Umgang mit anderen solltest du danach streben, des Ärgers, der Anmaßung und des Stolzes Herr zu werden, wie immer auch die Haltung oder das Benehmen der Menschen dir gegenüber sein mag; denn solange du diesen Stimmungen unterliegst, wirst du im Yoga schwerlich Fortschritte machen.

Streitereien und Zusammenstöße sind ein Beweis, dass die yogische Haltung fehlt, und diejenigen, die ernsthaft den Yoga ausüben wollen, müssen lernen, aus diesen Dingen herauszuwachsen. Es ist ein leichtes, keine Zusammenstöße zu haben, wenn keine Ursache für Hader, Kontroversen oder Streit vorhanden ist; wenn es aber Ursache gibt und die Gegenseite sich unmöglich und unvernünftig benimmt, erhält man die Gelegenheit, über seine vitale Natur hinauszuwachsen.

Um auf deine Frage zurückzukommen, es ist der sentimentale Teil der vitalen Natur, von dem der Streit mit Menschen ausgeht, oder die Weigerung, mit ihnen zu sprechen, und der gleiche Teil ist es, der in einer Reaktion gegen diese Stimmung wieder mit ihnen sprechen und die Beziehung herstellen will. Solange eine dieser Bewegungen vorhanden ist, ist auch die andere möglich. Erst wenn du dich von dieser Sentimentalität befreist und all deine geläuterten Gefühle dem Göttlichen zuwendest, können diese Schwankungen aufhören und stattdessen ein ruhiges Wohlwollen für alle Menschen an ihre Stelle treten.

Es gibt zwei Haltungen, die ein Sadhak einnehmen kann, entweder ruhiger Gleichmut gegenüber allen, ungeachtet ihrer Freundschaft oder Feindschaft, oder ein allgemeines Wohlwollen.

Kehre die Fehler der anderen nicht so sehr hervor. Es ist nicht förderlich. Bewahre in deiner Haltung immer Ruhe und Frieden.

Das ist ganz richtig. Nur die Wohlgesinnten vermögen zu helfen; natürlich sollte man auch fähig sein, die Fehler der anderen ohne Hass zu sehen. Hass verletzt beide Parteien und hilft keiner.

Es ist nichts dagegen einzuwenden, [bei anderen] etwas zu erkennen und zu beobachten, wenn es mit Sympathie und Unvoreingenommenheit geschieht; was eine schlechte Atmosphäre für einen selbst und für andere schafft, ist die Neigung, unnötig zu kritisieren, Fehler zu sehen und andere zu verurteilen (häufig ganz zu Unrecht). Warum auch diese Härte und dieses todsichere Urteil? Hat nicht jeder seine eigenen Fehler – woher also dieser Eifer, bei anderen Fehler zu entdecken und zu verurteilen? Manchmal hat man etwas zu beurteilen, was aber nicht hastig oder mit kritischer Einstellung geschehen sollte.

Die Menschen verstehen es immer besser, die Arbeit der anderen scharf zu kritisieren und ihnen zu sagen, wie die Dinge eigentlich zu geschehen hätten und was zu unterlassen sei, als selbst auf gekonnte Weise die gleichen Fehler zu vermeiden. Tatsächlich sieht man in anderen oft Fehler, die man selbst hat, aber nicht erkennt. Diese und andere Mängel sind in der menschlichen Natur weit verbreitet, und nur wenige entgehen ihnen. Das menschliche Mental ist sich seiner nicht wirklich bewusst – das ist der Grund, weshalb man im Yoga immer sehen und erkennen muss, was in einem selbst ist, und zunehmend bewusster zu werden hat.

Es ist nicht eine Frage des gewöhnlichen Lebens. Im gewöhnlichen Leben urteilen die Menschen immer falsch, da es von mentalen und meist von konventionellen Gesichtspunkten aus geschieht. Das menschliche Mental ist nicht ein Instrument der Wahrheit, sondern der Unwissenheit und des Irrens.

Das kleine Ego in jedem ist es, dass die „wirklichen und unwirklichen“ Mängel von anderen zu entdecken und darüber zu schwatzen sucht, wobei es keine Rolle spielt, ob sie wirklich oder unwirklich sind; das Ego aber hat kein Recht, sie zu beurteilen, da es nicht den richtigen Überblick und die richtige Einstellung besitzt. Allein der Spirit – still, teilnahmslos, leidenschaftslos, all-mitleidsvoll und all-liebend – vermag die Stärke und Schwäche in jedem Wesen auf die rechte Weise zu erkennen und zu beurteilen.

Ja, all das ist wahr. Das niedere Vital findet ein gemeines und minderwertiges Vergnügen daran, die Fehler der anderen herauszupicken; hierdurch wird der eigene Fortschritt und der des Opfers der Kritik gehemmt.

Eine geschwätzige Haltung ist immer ein Hindernis.

Derartige Vorwürfe (wie ein Stein zu sein usw.) gegen den Sadhak, der auf seinem Pfad gegenüber den gewöhnlichen menschlich-vitalen Forderungen fest bleibt, werden meist von Menschen erhoben, die dafür kein Verständnis haben. Das aber sollte dich nicht stören. Es ist besser, ein Stein auf dem Weg zum Göttlichen zu sein, als weicher, nachgiebiger Lehm auf den schlammigen Pfaden der gewöhnlichen vitalen menschlichen Natur.

Es kommt nicht darauf an, was andere über dich denken, sondern was du wirklich bist.

Selbst eine boshafte (eine unfaire oder in böser Absicht geäußerte) Kritik kann manchmal durch einen bestimmten Aspekt hilfreich sein, wenn man fähig ist, sie unberührt von ihrer Unbilligkeit zu betrachten.

Ja, Lob und Tadel können diese Wirkung haben (die menschliche Natur ist für sie empfänglicher als für beinahe alles Übrige, sogar empfänglicher als gegenüber echter Wohltat oder Kränkung), wenn nicht der Gleichmut gefestigt wurde; außer es besteht ein derart vollkommenes Vertrauen zu jemandem oder eine freudige Abhängigkeit von jemandem, dass Lob und Tadel gleichermaßen der Natur helfen. Es gibt Menschen, die, selbst ohne Yoga, ein derart ausgeglichenes Mental haben, dass sie Lob und Tadel ruhig hinnehmen oder gelten lassen – was aber außerordentlich selten ist.

3. Der Wunsch zu helfen
Die Idee, anderen zu helfen, ist eine subtile Form von Egoismus. Nur die Göttliche Kraft vermag zu helfen. Man kann ihr Instrument sein, zuerst aber solltest du lernen, ein brauchbares und egoloses Instrument zu sein.

Die Idee, anderen zu helfen, ist eine Täuschung des Egos. Man kann allein dann helfen, wenn die Mutter den Auftrag erteilt und ihre Kraft verleiht – und auch dann nur innerhalb bestimmter Grenzen.

Jede Veränderung muss von innen her durch die fühlbare oder verborgene Unterstützung der Göttlichen Macht stattfinden; nur indem man sich ihr innerlich öffnet, kann man Hilfe empfangen und nicht durch mentalen, vitalen oder physischen Kontakt mit anderen.

Sicher, es ist eine relative und teilweise Hilfe, manchmal jedoch ist sie nützlich. Eine radikale Hilfe kann aber nur von innen durch das Wirken der Göttlichen Kraft und die Zustimmung des Wesens erfolgen. Dem sei noch hinzugefügt, dass nicht jeder, der zu helfen glaubt, auch tatsächlich hilft; manchmal ist die Hilfe von der Ausübung eines „Einflusses“ begleitet, der von zweifelhaftem Charakter sein und, sofern das Instrument nicht rein ist, sowohl schaden als auch nützen kann.

Ja, so ist das menschliche V erhalten – die Menschen wollen einander helfen, doch mit einem Hintergedanken oder einem Gefühl, das im Ego wurzelt.
Erst wenn man in einem höheren Bewusstsein lebt, wird es anders.

Die wahre Schwäche des Mutter-Triebes, wie er sich zumindest bei vielen zeigt, liegt darin, dass er eine Ego-Bewegung verbirgt, den Wunsch, eine wichtige Rolle zu spielen, die Menschen in Abhängigkeit von sich zu halten, die Stellung einer Mutter einzunehmen usw. usw.. Menschlicher Altruismus hat in Wirklichkeit diese Ego-Grundlage. Wenn man sich davon befreien kann, wird der Wille zu helfen als eine Bewegung der reinen Sympathie und des seelischen Fühlens seinen wahren Platz einnehmen.

Du brauchst dich über Xs Ideen nicht sehr zu beunruhigen oder ihnen große Wichtigkeit beimessen. Wahr daran ist nur, dass sogar in die Bewegung der Sadhana sehr leicht ein vitales Gemisch eindringt, wenn man nicht auf der Hut ist. Die einzige Absicherung dagegen ist, alles dem Göttlichen zuzuwenden, alles vom Göttlichen zu empfangen und sich von Bindung, Ego und Begehren zu befreien. In der Beziehung zu anderen Sadhaks sollte es weder Starrheit und Härte noch Bindung und sentimentale Anlehnung geben.
Was das Mutter-Gefühl anbelangt, so muss es wie alles andere umgewandelt werden. Bei all diesen Beziehungen, sofern sie ungeläutert sind, besteht die Gefahr, dass sie auf subtile Weise dem Ego dienen. Um das zu vermeiden, muss man sich zu einem reinen Instrument machen – und sogar das Ego des Instrumentes ablegen –, muss man sich des Ursprungs bewusst werden und darf nicht auf einer Tat oder Verbindung bestehen, sondern ihr einfach erlauben, nützlich zu sein, wann immer man klar erkennt, dass dies die Absicht ist. Es ist auch darauf zu achten, dass man außer den richtigen Kräften keine anderen in sich eindringen lässt – also nur jene, die mit dem höheren Bewusstsein harmonieren und hilfreich sind. Wenn man immer in diesem Geist und mit dieser Vorsicht handelt, können sogar Fehler ohne Schaden begangen werden – das wachsende Bewusstsein wird sie in Ordnung bringen und zu einem vollkommeneren Wirken fortschreiten.

Natürlich besteht der Nachteil, anderen zu helfen, darin, dass man mit ihrem Bewusstsein und ihren Schwierigkeiten in Berührung kommt und auch, dass man sich nach außen wendet.

Ja, es ist gefährlich (mit jemandem, der in die Irre gegangen ist, zu sympathisieren); es bringt dich mit eben dieser feindlichen Kraft in Berührung, die ihn in die Irre führte, und sie wird sofort versuchen, auch dich zu ergreifen, dir ihre Vorschläge zu machen und dich durch einen verderblichen Einfluss oder ein Gift anzustecken.

Durch Sympathie kommst du mit jemandem in Kontakt und empfängst, was in ihm ist – oder aber du gibst einen Teil deiner Kraft oder lässt sie ausströmen oder dir entziehen, die dann auf den anderen übergeht. Vitale Sympathie hat diese Wirkung; ein ruhiges spirituelles oder seelisches Wohlwollen aber ruft derartige Reaktionen nicht hervor.

Ich befürchte jedoch, dass es für jedermann eine schwere Bürde wäre, die Schwierigkeiten des anderen zu tragen, und bezweifle die Wirksamkeit der Methode. Viel größeren Nutzen bringt es, dem anderen, wenn man Stärke hat, von der eigenen Stärke zu geben oder Frieden auf ihn auszuströmen, wenn man selbst Frieden hat usw.. Das kann geschehen, ohne dass man seine Stärke oder seinen Frieden einbüßt – vorausgesetzt, es geschieht auf die rechte Weise.

In dieser Angelegenheit gibt es zwei Einstellungen, und jede hat etwas für sich. Viel wäre zu Xs Einstellung zu sagen – dass erstens, solange die eigene siddhi nicht vollständig ist, die Hilfe, die man anderen zuteil werden lässt, immer ein wenig zweifelhaft und unvollkommen ist; und zweitens besteht die Gefahr – vor der erfahrene Yogis so häufig warnen –, dass man die Schwierigkeiten jener auf sich nimmt, denen man hilft. Trotzdem ist es nicht immer möglich, auf die Vollendung zu warten.

Dem anderen unentwegt Wohlergehen zu wünschen, sowohl im Mental als auch im Herzen, ist die beste Hilfe, die du geben kannst.

Wenn dein Gatte eine gefahrvolle Zeit in seinem Leben zu bewältigen hat und an schlechter Gesundheit leidet und wenn du dir um ihn Sorgen machst, ist es das Beste für ihn, dich selbst zu beruhigen und das Göttliche um Hilfe zu rufen. Sogar im gewöhnlichen Leben schaffen Unruhe und Verzagtheit eine ungünstige Atmosphäre für denjenigen, der krank oder in Schwierigkeiten ist. Als Sadhak aber besteht für dich oder für denjenigen, um den du dich sorgst, der beste und wirksamste Weg der Hilfe in der wahren spirituellen Haltung des Vertrauens auf den Göttlichen Willen und in dem Ruf nach der Hilfe von oben.

Was oder wen immer du dem Göttlichen anvertraut hast, du solltest nicht länger daran gebunden sein oder dich um ihn sorgen, sondern es dem Göttlichen überlassen, alles zum besten zu wenden.

Es ist sehr erfreulich, dass der von dir geschilderte Zustand sich gefestigt hat, womit ein großer Fortschritt erzielt wurde. Nun zu den Gebeten: die Tatsache des Betens als solche und die innere Haltung, die es mit sich bringt, besonders das selbstlose Gebet für andere, öffnet dich gegenüber der höheren Macht, selbst wenn in der Person, für die du betest, kein entsprechendes Ergebnis erzielt wird. Über letzteres kann nichts mit Bestimmtheit ausgesagt werden, denn das Ergebnis hängt notwendigerweise von der Person ab, das heißt, ob sie offen oder empfänglich oder etwas in ihr fähig ist, auf irgendeine Kraft zu reagieren, die das Gebet herabbringt.

4. Vitaler Austausch
Es ist mit Sicherheit förderlich, wenn man fähig ist, seine Kontakte zu beschränken, vorausgesetzt, dass es nicht zu weit führt. Ich möchte jedoch hinzufügen, dass selbst bei einer Beschränkung der Kontakte unerwünschte Strömungen eindringen können – es ist eine Vorsichtsmaßnahme, die dich aber nicht unbedingt absichert. Auf der anderen Seite führt ein völliges Sich-Abschließen zu einem anderen Extrem, das seine eigenen Gefahren hat. Erst wenn das innere Bewusstsein wächst, ist man vor allem „Stoff“, der ablenkt, stört, veräußerlicht usw., absolut sicher. Solange aber kann ein Sich-Zurückziehen sowie die Beschränkung von Kontakten wie diesem eine hilfreiche Maßnahme sein, wenn sie in wohlüberlegter Weise angewandt wird.

Ja, man muss versuchen, den inneren Zustand unter allen Umständen, selbst unter den widrigsten, zu bewahren; das bedeutet aber nicht, dass man unnötigerweise ungünstige Bedingungen hinnehmen muss, wenn für ihr Fortbestehen kein vernünftiger Grund vorhanden ist. Besonders das Nervensystem und das Physische können keine übermäßige Anstrengung ertragen – ebenso wenig das Mental und das höhere Vital; deine Ermüdung rührt von der Anspannung her, in dem Einen Bewusstsein zu leben und sich gleichzeitig sehr ausgedehnten Kontakten im gewöhnlichen Bewusstsein auszusetzen. Ein gewisses Maß an Selbstverteidigung ist notwendig, damit das Bewusstsein nicht ständig in die gewöhnliche Atmosphäre hinab- oder hinausgezogen oder das Physische überfordert wird, indem man es zu Tätigkeiten zwingt, die einem fremd geworden sind. Diejenigen, die den Yoga ausüben, suchen häufig in der Einsamkeit diesen Schwierigkeiten zu entgehen; das ist hier [in diesem Yoga] nicht nötig – immerhin ist es überflüssig, dich dieser nutzlosen Art von Anspannung fortwährend auszusetzen.

Du hast vollkommen recht. Durch die Tatsache, mit anderen keinen Umgang zu pflegen, entziehst du dich der Prüfung, die der Kontakt mit ihnen dem Bewusstsein auferlegen würde, und damit der Gelegenheit, in dieser Hinsicht Fortschritte zu machen. Vom spirituellen Standpunkt aus ist der Umgang mit anderen dann unvorteilhaft, wenn man nur dem Vital, dem Schwatzen oder dem Austausch vitaler Bewegungen freien Lauf lässt; auf jeden Umgang und Kontakt zu verzichten, ist aber auch nicht wünschenswert. Nur wenn das Bewusstsein wirklich einer vollen Abgeschiedenheit bedarf, kann man diese aufsuchen – es sollte aber keine absolute Abgeschiedenheit sein. Denn in der absoluten Abgeschiedenheit lebt man ein rein subjektives Leben ohne Gelegenheit, den spirituellen Fortschritt in das äußere Leben auszudehnen, um ihn dort gründlich zu prüfen.
Es ist erfreulich, dass du so schnell die richtige Einstellung gegenüber den Geschehnissen gewonnen hast – es zeigt einen guten Fortschritt im Bewusstsein an.

Der [oberflächliche] Umgang mit Menschen, das Lachen und Scherzen usw. ist eine Art vitaler Überschwänglichkeit, nicht aber vitale Stärke; diese Überschwänglichkeit kommt auch teuer zu stehen; denn die im Vital Starken gewinnen bei diesem Umgang Stärke hinzu, während die im Vital Schwachen verausgaben, was sie an Stärke besitzen.

Ich glaube, dass man keine Regel aufstellen kann, die für alle anwendbar wäre. Es gibt Menschen, die diese überschwängliche Neigung im Vital haben, während andere zur Konzentration neigen. Letztere sind von der Intensität ihrer Bemühung in Anspruch genommen und gewinnen hieraus bestimmt große Kraft für den Fortschritt – auch entgehen sie der Verausgabung und dem Verlust von Energie, womit die Kontaktfreudigeren zu rechnen haben, und öffnen sich weniger gegenüber den Einwirkungen anderer Menschen (obwohl dies nicht völlig vermieden werden kann). Die anderen haben das Bedürfnis mitzuteilen, was in ihnen ist, und können auf die volle Fülle nicht warten, bevor sie anwenden, was sie haben. Die Verausgabung kann ebenso wie die Aufnahme für ihren Fortschritt wichtig sein. Sie haben nur darauf zu achten, die beiden Neigungen im Gleichgewicht zu halten, also sich darauf zu konzentrieren, dass sie von oben ebenso viel oder mehr empfangen, als sie sich durch ein öffnen nach der Seite hin verausgaben.

X hat ein sehr starkes und expansives Vital, weshalb es ganz natürlich ist, dass er, wenn er jemanden gern hat, bei einem Zusammentreffen diese Wirkung auf ihn ausübt. Ich glaube aber nicht, dass er sich bewusst ist, was er gibt oder empfängt; mit größerer Wahrscheinlichkeit ist es ein spontanes Handeln. Er ist nicht daran gewöhnt, nur zu geben. Im Gegensatz zu einem starken, in sich ruhenden Vital ist es für ein starkes, expansives Vital notwendig, sowohl zu empfangen als auch zu geben.

Es ist eine Frage des Temperaments. Einige sind seelisch und vital empfindsam und reagieren auf alles, was von irgendwoher kommt; andere haben solide Nerven und sind gegen ein Eindringen von außen geschützt. Es ist durchaus nicht eine Frage von Stärke oder Schwäche. Die ersteren haben ein umfassenderes Lebensgefühl und stellen sich dem Leben – doch leiden sie mehr an diesem Leben, empfangen aber auch mehr davon. Es ist der gleiche Unterschied wie zwischen Griechen und Römern. Selbst ohne Egoismus bleibt der Unterschied bestehen, da er auf einer Verschiedenheit des Temperaments beruht. Im Yoga vermag der zuerst erwähnte Typ alles direkt zu fühlen und durch unmittelbare Erfahrung im einzelnen zu erkennen – das ist ein großer Vorteil. Die anderen müssen ihr Mental gebrauchen, um zu erkennen, und ihr Verständnis ist weniger innerlich.

Es stimmt, ein zu enger Verkehr mit anderen, wenn sie nicht die richtige Einstellung haben und zu sehr im Vital leben, trägt dazu bei, den Bewusstseins-Zustand zu senken. Bei all deinen Kontakten ist in erster Linie wichtig, in dir zu bleiben, eine distanzierte Haltung zu bewahren und dir nicht zu erlauben, dich durch die Schwierigkeiten in der Arbeit und in den Begegnungen mit Menschen beunruhigen zu lassen, sondern in dir selbst die wahre Einstellung zu bewahren. Lass dich nicht von dem Wunsch verleiten, anderen zu „helfen“, sondern tue und sage das Richtige in innerer Ausgewogenheit; überlasse es dem Göttlichen, ihnen zu helfen. Niemand vermag wahrhaft zu helfen – nur die Göttliche Gnade vermag es.

Harmonie, Entzücken und Liebe sind in dir und breiten sich von dort in die Atmosphäre aus – natürlich können nur die, die offen sind, daran teilhaben und den Einfluss fühlen. Jeder, der Liebe und Frieden in sich hat, vermehrt den Einfluss auf ihr Wachsen in der Atmosphäre.

Bei einem längeren Gespräch usw. findet immer ein gewisser vitaler Austausch statt, außer man weist das, was vom anderen kommt, instinktiv oder bewusst ab. Wenn man beeinflussbar ist, kann man von einem Menschen einen starken Eindruck oder Einfluss empfangen, den man möglicherweise bei einem anschließenden Zusammentreffen mit einer anderen Person auf diese überträgt. All dies geschieht aber, ohne dass der Übermittelnde es weiß. Wenn man bewusst ist, kann man es verhindern.

Es ist durchaus möglich, durch ein Gespräch mit einem anderen deprimiert zu werden. So etwas kann immer stattfinden, da Sprechen einen vitalen Austausch bewirkt.

Beim Umgang mit anderen Menschen kann immer ein gegenseitiger Austausch von Bewusstsein stattfinden – das ist aber nicht gleichbedeutend mit einer Bindung; hierzu bedarf es mehr, nämlich jemand durch das eigene Vital zu beherrschen oder die Beherrschung des eigenen Vitals durch jemand anderen.

Es ist hauptsächlich eine innere Wachsamkeit, die du dir bewahren musst. Wenn du dich in einer Menschenmenge unbehaglich fühlst, ist es besser, diese zu meiden – ausgenommen Musikveranstaltungen, sofern du dort das Gefühl der Sicherheit hast. Eine Menschenansammlung, die sich rein gesellschaftlichem Austausch hingibt, befindet sich notwendigerweise auf einer niedrigeren Bewusstseinsebene, auf der unerwünschte Kräfte wirksam werden können, sofern jemand dafür empfänglich ist; und solange man in einem Bewusstseinsstadium ist, das sich zwar höheren Dingen öffnet, aber in einer stetigen und selbst-bestehenden Ruhe noch nicht gefestigt ist, ist es besser, solche Menschenansammlungen zu meiden.
In der Sadhana soll man äußere Kräfte von sich fernhalten, zumindest ihrem Eindringen nicht stattgeben. Wenn man einer Schwierigkeit in der rechten Haltung begegnet und sie überwindet, kann man natürlich Fortschritte machen, das ist aber etwas anderes, als fremde Kräfte oder Einflüsse in das bewusste Wesen eindringen zu lassen. Niemand braucht das herauszufordern – sie sind auch ohne Aufforderung hierfür nur allzu gern bereit. Man kann alle Kräfte erkennen und sich ihrer bewusst werden, selbst die schlimmsten, dunkelsten und feindlichsten, vorausgesetzt, man ist auf der Hut und verweigert ihren Einflüsterungen jeden Glauben und jede Unterstützung und verweist all ihre Forderungen auf einem bestimmten Platz im Bewusstsein und in der menschlichen Natur. Das kann aber in den frühen Stadien der Sadhana nicht von allen getan werden.

Ablenkung und Sadhana sind zweierlei Dinge, die sich nicht miteinander vertragen. In der Sadhana muss man das Mental und all seine Tätigkeiten kontrollieren; in der Ablenkung ist man durchaus nicht kontrolliert, man wird vielmehr vom Mental fortgetragen und ist unfähig, es bei einer Sache zu halten. Wenn das Mental immer abgelenkt wird, kannst du dich weder auf das Lesen noch auf irgendeine andere Beschäftigung konzentrieren; du wirst zu nichts anderem taugen als vielleicht zu schwatzen, Anschluss zu suchen, mit Frauen zu flirten und für ähnliche Dinge mehr.

Du hast unrecht, wenn du glaubst, dass die Sadhana von X, Y und Z nicht unter der Ablenkung ihres Mentals nach allen Richtungen leidet. Sie wären auf dem Yoga-Pfad viel weiter gekommen, wenn sie sich einem konzentrierten Yoga unterzogen hätten – selbst Y, der eine enorme Aufnahmebereitschaft hat und um seinen Fortschritt sehr bemüht ist, könnte schon dreimal so weit sein. Deine Natur hingegen ist in allem, was sie tut, voller Intensität; daher entsprach es ihrer Veranlagung, den direkten Weg zu wählen. Wenn dann einmal das höhere Bewusstsein gefestigt ist und das Vital und Physische so weit vorbereitet sind, dass die Sadhana von selbst vorangeht, ist eine strenge tapasya nicht mehr notwendig. So lange aber erachten wir sie als durchaus nützlich, hilfreich und in vielen Fällen unerlässlich. Wir bestehen aber nicht darauf, wenn die menschliche Natur sich ihr widersetzt. Ich habe auch beobachtet, dass in jenen, die den direkten Weg einschlagen (es sind bislang noch nicht sehr viele), von selbst die Neigung entsteht, diese ablenkenden Interessen und Beschäftigungen aufzugeben und sich voll in die Sadhana zu werfen.

Ja natürlich, Ablenkung ist eine innere Tatsache. Gewisse äußere Dinge tragen zur Ablenkung des Bewusstseins bei, und wenn jemand wie X sagt, dass es ihn nicht ablenkt, wenn er mit einem Gefährten wie Y verkehrt, möchte ich behaupten, dass er entweder nicht die Wahrheit sagt oder sich einer Selbsttäuschung hingibt. Wenn man immer im inneren Bewusstsein lebt, kann man nicht abgelenkt werden, selbst wenn man äußere Dinge tut; oder wenn man sich des Göttlichen zu allen Zeiten oder in allem, was man tut, bewusst ist, kann man auch eine Zeitung lesen und eine große Korrespondenz führen, ohne sich ablenken zu lassen. Und dennoch, auch wenn man nicht abgelenkt wird, hat das Bewusstsein während des Zeitunglesens und Briefeschreibens eine geringere Intensität als wenn man nicht mit einem Teil des Wesens in diese ganz äußerlichen Dinge verwickelt ist. Erst wenn das Bewusstsein ganz siddha ist, gibt es nicht einmal diesen Unterschied mehr. Das heißt aber nicht, dass man überhaupt keine äußeren Dinge tun sollte, denn dann würde man ohne Übung bleiben, die beiden Arten von Bewusstsein zu verbinden. Man muss aber erkennen, dass gewisse Dinge tatsächlich mehr als andere das Bewusstsein ablenken, senken oder veräußerlichen. Vor allem darf man sich nicht selbst täuschen oder sich vormachen, man wäre nicht abgelenkt, wenn es doch der Fall ist. – Jene Menschen aber, die andere zum Yoga bewegen wollen, könnten sich meiner Ansicht nach wesentlich fruchtbarer betätigen, wenn sie selbst sich näher auf das innere Ziel hinbewegen würden. Denn das würde am Ende viel mehr Menschen [zum Yoga] „bewegen“ und auf eine bessere Weise als das Schreiben vieler Briefe.

Das ist der Grund, weshalb wir die Korrespondenz mit Verwandten usw. außerhalb des Ashrams nicht befürworten. Es gibt keinen Berührungspunkt mit ihnen, außer du verlässt deine Bewusstseinsebene und begibst dich hinunter auf ihre Ebene, was aber vom Standpunkt des Yoga aus naheliegenden Gründen unerwünscht ist. Ich glaube nicht, dass viel Inspiration durch Briefe vermittelt werden kann, da das Bewusstsein dieser Menschen hierfür durchaus nicht vorbereitet ist. Worte berühren bestenfalls die Oberfläche ihres Mentals; für das Wichtige hinter den Worten jedoch sind sie nicht offen. Wenn bereits Interesse an spirituellen Dingen besteht, ist es etwas anderes. Doch auch dann ist es oft besser, die Menschen ihrem eigenen Guru folgen zu lassen, als sie zu diesem Pfad zu bewegen.

Das ist der Grund, warum es besser ist, die Korrespondenz mit Verwandten aufzugeben. Viele Menschen, die mit ihren Angehörigen weiterhin korrespondieren, empfinden es nicht so stark wie du; nichtsdestoweniger ist es eine Tatsache, dass sie Schwingungen aufrechterhalten und wirksam machen, welche die alten Kräfte im Vital aktivieren und ihre Einflüsse im Unterbewusstsein fortbestehen lassen.

Jeder Brief bedeutet einen Austausch mit demjenigen, der ihn schreibt – denn etwas ist hinter den Worten, etwas von seiner Person oder den Kräften, die er während des Schreibens hervorbrachte oder um sich hatte. Unsere Gedanken und Gefühle sind ebenfalls Kräfte, die sich auf andere auswirken können. Man muss sich der Bewegung dieser Kräfte bewusst werden, dann kann man seine eigenen mentalen und vitalen Gestaltungen kontrollieren und wird nicht länger von denen der anderen beeinflusst.

Ja, deine guten und schlechten Gedanken können eine gute oder schlechte Auswirkung auf andere haben; sie haben das zwar nicht immer, da sie nicht immer kraftvoll genug sind – es ist aber die allgemeine Tendenz. Daher wird von jenen, die dieses Wissen haben, immer betont, dass wir uns schlechter Gedanken über andere enthalten sollen. Es ist richtig, dass zu dem Mental in seinem gewöhnlichen Zustand beide Arten von Gedanken [gute und böse] in gleicher Weise kommen; wenn aber das Mental und der mentale Wille gut entwickelt sind, kann man seine Gedanken, genau wie die Taten, kontrollieren und die schlechten an ihrem Spiel hindern. Diese mentale Kontrolle ist aber für den Sadhak nicht genug. Er muss ein ruhiges Mental erlangen und darf im Schweigen des Mentals nur Göttliche Gedankenkräfte oder andere göttliche Kräfte empfangen und sich zu ihrem Wirkungsbereich und Instrument machen.
Um das Mental zum Schweigen zu bringen, genügt es nicht, jeden aufkommenden Gedanken abzuweisen – das kann nur eine untergeordnete Bewegung sein. Man muss von allem Denken zurückstehen, sich davon ablösen und ein schweigendes Bewusstsein entwickeln, das die Gedanken, wenn sie kommen, beobachtet, das aber nicht selbst denkt oder sich mit den Gedanken identifiziert. Gedanken müssen völlig als äußere Dinge angesehen werden. Es ist dann leichter, sie zurückzuweisen oder vorbeiziehen zu lassen, ohne dass sie die Stille des Mentals stören. Sich nicht beeinflussen zu lassen, weder durch Freude oder Schmerz, noch durch Gefallen oder Missfallen, noch durch das, was die Leute sagen oder tun, noch durch irgendwelche anderen äußeren Dinge, wird im Yoga als Zustand der samata, des Gleichmuts gegenüber allen Dingen, bezeichnet. Es ist von ungeheurer Wichtigkeit, diesen Zustand in der Sadhana zu erreichen. Er fördert das Eintreten der mentalen und vitalen Ruhe und des mentalen und vitalen Schweigens. Tatsächlich bedeutet es, dass das Vital selbst und das vitale Mental bereits zum Schweigen gelangen und ruhig werden. Das denkende Mental wird mit Sicherheit folgen.

Über jemanden zu sprechen, kann sehr wohl eine Auswirkung auf den Betreffenden haben; das ist oft der Fall, da es eine wirksame Formulierung eines Gedankens oder Gefühls sein kann, die ihn in dieser Form erreicht. Rein mechanische Gedanken oder schlecht geformte Vorstellungen haben vermutlich nicht diese Wirkung – auf jeden Fall würde es seltene und außergewöhnliche Bedingungen voraussetzen oder ein Spiel von Kräften, in dem eine Kleinigkeit von Bedeutung ist.

Der Teil unterhalb des Nabels ist das niedere Vital; in deinem Fall wurde es sehr empfindsam gegenüber dem Zustand des gleichen Teils in anderen Menschen, vielleicht sogar gegenüber ihrem allgemeinen Zustand, so dass eine Art Widerspiegelung oder eine entsprechende Reaktion stattfindet. Es ist eine Phase in der Entwicklung, die man überwinden muss, denn das niedere Vital muss vollständigen Frieden erlangen; selbst wenn es den Zustand der anderen spürt, darf es nur als ein Akt der Wahrnehmung oder Erkenntnis sein und keine Reaktion oder Reflexion hervorrufen.

Ich vermute, es hängt von dem betreffenden Menschen und deiner Reaktion ihm gegenüber ab. Wenn Sex-Vibrationen von ihm ausgehen oder er sich vitale Energie aneignet, ist es vielleicht nicht das Richtige, sich ihm gegenüber zu öffnen. Doch bei einem gewöhnlichen, oberflächlichen Austausch verliert man im Allgemeinen nichts oder so wenig, dass es nichts ausmacht, da es automatisch wieder ersetzt wird.

Es ist durchaus möglich, dass er sich unbewusst vitale Energie aneignet, denn er ist ein vital schwacher Mensch und die vital Schwachen tun dies unbewusst und automatisch.

Wenn Menschen miteinander Umgang pflegen, findet meist ein ganz unfreiwilliger Austausch von vitalen Kräften statt…. Vampirismus ist ein spezielles Phänomen – eine Person, die von dem Vital der anderen lebt und auf deren Kosten im Vital gedeiht.

Das Gefühl der Ermüdung, das die Menschen häufig überfällt, wenn sie mit diesem X zusammengetroffen sind, deutet auf Vampirismus hin, doch meist ist solch ein Gefühl nicht festzustellen, sondern eine ganz allgemeine Nachwirkung. Die Nerven geraten allmählich in Unordnung – die sogenannte Nervenhülle wird geschwächt, die Vitalität auf die eine oder andere Weise angegriffen, beziehungsweise ihr Zustand anormal – erregbar und gereizt. Die Auswirkung kann sich auf viele Arten zeigen.

Sex-Vampirismus ist etwas anderes – im sexuellen Verkehr ist es das Normale, zu geben und zu nehmen, der Sex-Vampir jedoch verschlingt das Vital des anderen und gibt nichts oder nur sehr wenig zurück.

Es ist nicht notwendig, derart vorsichtig zu sein. Der normale vitale Umgang [mit Menschen] ist nur von oberflächlicher Art. Niemand kann sich das Vital eines anderen aneignen, denn sonst müsste der Betreffende, dem das Vital genommen wurde, sterben. Es ist natürlich möglich, dass ein Mensch einem anderen vitale Kräfte entzieht und ihn schlaff, schwach und trocken macht, doch tun das nur Vampire. Man kann aber auch selbst zu viel eigene vitale Kraft verausgaben und sich auf diese Weise schwächen oder der Energie berauben – etwas, was man vermeiden sollte; nur diejenigen, die wissen, wie man zur Ergänzung der Lebensenergien auf die universale vitale Kraft zurückgreift oder unumschränkt auf sie zurückgreifen kann, sind in der Lage, sich rückhaltlos zu verausgaben. Natürlich entnehmen alle in gewissem Ausmaß Energie aus der universalen vitalen Kraft, sonst würden sie nicht am Leben bleiben, denn die vitale Energie, die fortwährend verausgabt wird, muss ersetzt werden; bei den meisten Menschen aber ist die Fähigkeit der Entnahme begrenzt, und auch die Fähigkeit des Sich-Verausgabens ohne Erschöpfung ist begrenzt.
Die gewöhnlichen Bewegungen des menschlichen Austausches aber sind harmlos, vorausgesetzt, sie werden innerhalb gewisser Grenzen gehalten. Eine Schwierigkeit in der Sadhana ist, dass man leicht einen unerwünschten Einfluss aufnehmen oder ihn auf andere übertragen kann. Das ist der Grund, warum in bestimmten Stadien eine Beschränkung des Redens und Umgangs häufig ratsam ist. Die wahre Lösung aber besteht darin, innerlich bewusst zu werden und fähig zu sein, jeden unerwünschten Eingriff oder Einfluss abzuweisen – fähig zu sein, beim Sprechen, Verkehr mit Menschen usw. einen Verteidigungswall um sich aufzurichten und nur das einzulassen, was man annehmen kann, und nichts sonst. Sie besteht auch darin, dass man zu beurteilen weiß, was gefahrlos verausgabt werden kann und was nicht. Wenn man das Bewusstsein und die Übung hat, findet dies beinahe automatisch statt.

Nein, die Menschen sind sich, von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, dieser Dinge nicht bewusst. Der vitale Austausch ist zwar vorhanden, sie vermögen ihn aber nicht zu erkennen, da sie im äußeren Vital leben und diese Dinge im Hintergrund vonstatten gehen. Selbst wenn sie sich nach einem Austausch energischer fühlen oder wenn sie deprimiert und ermüdet sind, würden sie es nicht auf das Gespräch oder den Kontakt zurückführen, denn der vitale Austausch findet unbewusst statt und ihr äußeres Mental, in dem sie leben, erkennt ihn nicht.

Das Bewusstsein des vitalen Austausches hängt von der Entwicklung einer inneren Macht ab, die auf dem Frieden gründet und auf diese Dinge einwirkt und sie verhindert. Solange man unbewusst ist, findet der Austausch in der Unwissenheit statt, und es gibt keine Möglichkeit, den Kreis zu verlassen, da man das Wissen noch nicht besitzt. Das Bewusstsein kommt mit der wachsenden inneren Entwicklung im Wesen, die Frieden und Befreiung zu einer Notwendigkeit macht – und damit öffnet man sich der höheren Kraft eines neuen Bewusstseins, die dem vitalen Umgang ein Ende bereitet und eine neue Einstellung für das mentale und vitale Leben mit sich bringt. Wenn man aber bei einer erhöhten Sensitivität anhält und nicht weitergeht, macht man natürlich keinen richtigen Gebrauch davon. Es gibt einige Menschen, wie X oder Y, die sich derart von „okkultem“ Wissen absorbieren ließen, dass sie dort zum Stillstand kamen, immerzu im Kreis umherwanderten und alle Arten von Fehler begingen, da das spirituelle Licht nicht vorhanden war. Man darf dort nicht anhalten, sondern muss weitergehen, um darüber hinaus in das spirituelle Bewusstsein zu gelangen, in das größere Licht, die größere Stärke und Ausgewogenheit, die damit verbunden sind.

Ich vermute, die Menschen sind sich dieses ganzen okkulten Geschehens überhaupt nicht bewusst. Manche, wie Daudet, mögen zwar die Verausgabung oder das Verschwenden von Kräften beobachten, doch nicht den Energie-Entzug oder die Auswirkung auf andere. Mit der Vorstellung eines mentalen Austausches, wenngleich nur von oberflächlicher Art, ist man vertraut, nicht aber mit dem schweigenden Einwirken von Mental auf Mental, das immerfort stattfindet; die vitalen Einwirkungen hingegen sind nur einigen wenigen Okkultisten bekannt. Wenn man sehr bewusst wird, kann man die Kräfte wahrnehmen, die in allem und aus allem rund um uns wirken, zum Beispiel Kräfte der Freude oder Niedergeschlagenheit oder des Ärgers.

Notwendigerweise muss ein Unterschied zwischen der vitalen Energie eines kultivierten und wohlerzogenen Menschen und der eines Menschen, der roh und unwissend ist, bestehen. Zumindest ist eine größere Feinheit und Subtilität in der vitalen Kraft und damit in der Energie vorhanden. Übermäßiges Trinken greift die Substanz und Qualität der Energie an, mäßiges Trinken und Rauchen würde jedoch eine weniger wahrnehmbare Auswirkung haben. Ich glaube nicht, dass die Menschen im gewöhnlichen Leben all dies klar erkennen, doch ist es durchaus möglich, dass sie manchmal einen unbestimmten Eindruck haben, den sie nicht erklären oder spezifizieren können.

9. Kapitel
Sadhana im Ashram und außerhalb des Ashrams
1. Der Ashram
Dieser Ashram wurde mit einem anderen Ziel gegründet als dem, das solchen Institutionen meist zugrunde liegt – nicht zur Entsagung von der Welt, sondern als ein Zentrum und Wirkungsfeld für die Evolution einer anderen Art und Form des Daseins, das letztlich von einem höheren spirituellen Bewusstsein gelenkt und ein größeres Leben des Spirits verkörpern wird. Es gibt keine allgemein gültige Regel dafür, in welchem Stadium man das gewöhnliche Leben verlassen sollte, um hier einzutreten; es hängt in jedem Fall von dem persönlichen Erfordernis jedes einzelnen ab, von seinem Impuls sowie der Möglichkeit und Ratsamkeit, diesen Schritt zu tun.

Dies ist nicht ein Ashram wie andere – seine Mitglieder sind keine sannyasins, nicht moksa ist hier das einzige Ziel des Yoga. Was hier geschieht ist vielmehr die Vorbereitung auf ein Werk – ein Werk, das sich auf yogischem Bewusstsein und der Yoga-Shakti gründen wird und keine andere Grundlage haben kann. Inzwischen aber wird von jedem Mitglied erwartet, dass es eine Arbeit im Ashram aufnimmt und sie als Teil dieser spirituellen Vorbereitung verrichtet.

Das Problem ist, dass sie anscheinend nur vairagya für das weltliche Leben empfindet, ohne die Kenntnis dieses Yoga oder einen besonderen Ruf dafür zu haben; doch sind der Yoga und das Leben hier etwas ganz anderes als der übliche Yoga in den üblichen Ashrams. Dies ist nicht ein Leben meditativer Zurückgezogenheit wie anderswo. Zudem können wir von ihr unmöglich etwas verlangen, ohne sie gesehen und aus der Nähe betrachtet zu haben. Wir wollen im Augenblick auch nicht mehr Mitglieder in den Ashram aufnehmen, von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen.

Die „Weihung des Lebens“ ist durchaus möglich, ohne dass man hier ist. Es ist eine Frage der inneren Haltung und der völligen Hingabe des Wesens an das Göttliche.

Wir halten es nicht für ratsam, dass X in diesem Stadium in den Ashram kommt, um hier zu bleiben. Durch den Eintritt in den Ashram hören die Schwierigkeiten nicht auf – man muss ihnen entgegentreten und sie überwinden, wo immer man ist. Für bestimmte Naturen ist ein Aufenthalt im Ashram von Anfang an förderlich – andere müssen sich in der Welt draußen vorbereiten.

Ich habe deinen Brief gelesen und darüber nachgedacht und bin zu dem Entschluss gekommen, dir die Gelegenheit, um die du bittest, zu geben; du kannst zunächst also zwei oder drei Monate lang im Ashram wohnen, um zu prüfen, ob dies tatsächlich der von dir gesuchte Ort und Weg ist; und auch wir können bei einer näheren Beobachtung deiner spirituellen Möglichkeiten erkennen, auf welche Weise wir dir am besten zu helfen vermögen und ob dieser Yoga für dich geeignet ist.
Diese Probezeit ist aus vielen Gründen erforderlich, besonders aber deshalb, weil es ein schwieriger Yoga ist und nicht viele die Anforderungen tatsächlich erfüllen können, die er an die menschliche Natur stellt. Du schreibst, dass du mich als jemanden betrachtest, der durch die Vervollkommnung des Intellekts seine Spiritualisierung und Vergöttlichung erreichte; in Wirklichkeit aber geschah es durch das vollkommene Schweigen des Mentals, und was immer an Spiritualisierung und Vergöttlichung erreicht wurde, geschah durch die Herabkunft eines höheren über-intellektuellen Wissens in dieses Schweigen. Das Buch „Essays on the Gita“ wurde in diesem Schweigen des Mentals geschrieben, ohne intellektuelle Bemühung und durch eine freie Tätigkeit dieses Wissens von oben. Das ist deshalb wichtig, da das Prinzip dieses Yoga nicht die Vervollkommnung der menschlichen Natur als solcher ist, sondern eine seelische und spirituelle Umwandlung aller Wesensteile durch die Tätigkeit eines inneren und später eines höheren Bewusstseins, das auf sie einwirkt, ihre alten Bewegungen ausstößt oder sie in das Ebenbild seiner eigenen [Bewegungen] verwandelt und auf diese Weise die niedrigere Natur in die höhere umformt. Es ist nicht so sehr die Vervollkommnung des Intellekts als vielmehr seine Transzendierung, eine Umwandlung des Mentals, die Einsetzung eines umfassenderen und größeren Wissensprinzips – und dies gilt für das ganze übrige Wesen.
Das ist ein langsamer und schwieriger Vorgang; der Weg ist lang, und allein die erforderliche Grundlage zu errichten, ist schon schwer. Die alte, vorhandene Natur widersetzt sich und hemmt, Schwierigkeiten erheben sich, eine nach der anderen, bis sie überwunden sind. Es ist daher notwendig, dass man diesen Pfad mit Sicherheit als denjenigen erkennt, zu dem man gerufen wurde, bevor man sich endgültig entschließt, ihn zu betreten.
Wenn du willst, sind wir bereit, dir die Probezeit zu gewähren, um die du bittest. Nach Erhalt deiner Antwort wird sich die Mutter um die notwendige Vorbereitung für deinen Aufenthalt im Ashram kümmern.

Eine Abkehr vom gewöhnlichen Leben ist nicht förderlich, solange das Wesen für das volle spirituelle Leben noch nicht bereit ist. Sich trotzdem dafür zu entscheiden bedeutet, einen Kampf zwischen den verschiedenen Wesenselementen heraufzubeschwören und ihn zu einer Intensität zu steigern, die die menschliche Natur nicht mehr zu ertragen vermag. Den vitalen Elementen in dir musst du teils durch Disziplin, teils durch Lebenserfahrung entgegentreten, dabei das spirituelle Ziel im Auge behalten und mit seiner Hilfe versuchen, das Leben immer mehr im Geist des Karmayoga zu führen.
Aus diesem Grund gaben wir unsere Zustimmung zu deiner Heirat.

Nein, es ist nicht genug, im Ashram zu sein; man muss sich der Mutter öffnen und das Mental ablegen, mit dem man in der Welt spielte.

Es gibt hier keine formelle Initiation – angenommen zu werden reicht aus; ich nehme aber meist niemanden an, den ich zuvor nicht gesehen habe oder den die Mutter nicht gesehen hat, es sei denn, ein deutliches Zeichen weist auf seine Bestimmung für diesen Yoga hin. Manchmal haben mich jene, die meine Jünger werden wollen, in einem Traum oder einer Vision gesehen.

Was du sagst, ist richtig. Die Einstellung, dass das Göttliche des Sadhaks bedarf und nicht der Sadhak des Göttlichen, ist vollkommen falsch und absurd. Wenn Menschen hier [im Ashram] angenommen werden, wird ihnen die Chance einer großen Göttlichen Gnade gegeben und Instrument eines großen Werkes zu sein. Es ist höchst arrogant und unlogisch anzunehmen, das Göttliche kann nicht ohne die Hilfe dieser oder jener Person seine Arbeit verrichten. Erinnere dich des rte pi tvam in der Gita, „auch ohne dich“ kann die Arbeit geschehen, und an das nimittamatram bhava [„werde nur zur Gelegenheit“, Gita 11.33].

Ich habe nicht pranam usw. gemeint, das einen lebendigen Wert besitzt, sondern die alten Formen [der Riten], die ohne Sinn fortbestehen – zum Beispiel sraddha für die Toten. Ich meinte vor allem Formen, die ohne Beziehung zu diesem Yoga sind, wenn sich zum Beispiel die Christen an christliche Formen klammern oder die Mohammedaner an das Namaz oder die Hindus an das sandhyavandana [das Morgen-, Mittag- und Abendgebet eines Brahmanen], werden sie bald erkennen, dass diese entweder abfallen oder ein Hindernis für die freie Entwicklung ihrer Sadhana darstellen.

2. Die Arbeit im Ashram
Dein Brief zeigt, dass du dir eine falsche Vorstellung von der Arbeit gemacht hast. Die Arbeit im Ashram ist weder als ein Dienst an der Menschheit gedacht noch für den Teil von ihr, der aus den Sadhaks dieses Ashrams besteht. Sie ist auch nicht als Gelegenheit für ein frohes Gemeinschaftsleben gedacht oder für den Austausch von Gefühlen und Bindungen oder den Ausdruck vitaler Bewegungen unter den Sadhaks, gleichsam als ein freier, vitaler Verkehr mit einigen von ihnen oder allen. Die Arbeit war vielmehr als Dienst am Göttlichen gedacht, als ein Übungsfeld für das innere Sich-Öffnen gegenüber dem Göttlichen, für die Hingabe allein an das Göttliche, für die Zurückweisung des Egos und all der gewöhnlichen vitalen Bewegungen und um sich in einer seelischen Erhebung zu schulen sowie in Selbstlosigkeit, Gehorsam, in der Zurückweisung aller Selbstanmaßung der begrenzten Persönlichkeit, sei sie mental, vital oder sonst wie. Selbstbestätigung ist hier nicht das Ziel, ebenso wenig die Formung eines kollektiven vitalen Egos. Das Ziel des Karmayoga ist das Aufgehen des kleinen Egos in der Einung mit dem Göttlichen, die Läuterung, die Hingabe, die Ersetzung der eigenen unwissenden Selbstführung, die sich auf persönliche Gefühle und Ideen stützt, durch die Führung des Göttlichen sowie die Unterordnung des eigenen Willens gegenüber dem Göttlichen Willen.
Wenn man sich menschlichen Wesen nahe fühlt und dem Göttlichen fern, wenn man das Göttliche durch den Dienst an den Menschen und durch ihre Liebe sucht und nicht durch den unmittelbaren Dienst am Göttlichen und die unmittelbare Liebe zum Göttlichen, dann folgt man einem falschen Prinzip – denn das ist das Prinzip des mentalen, vitalen und moralischen, nicht aber des spirituellen Lebens.

(„Die Liebe des Göttlichen in allen Wesen und das immerwährende Wahrnehmen und Annehmen seines Wirkens in allen Dingen.“) Das ist soweit in Ordnung für den gewöhnlichen Karmayoga, der auf die Einung mit dem Kosmischen Spirit hinzielt und beim Obermental haltmacht; hier dagegen hat eine bestimmte Arbeit zu geschehen, muss eine neue Verwirklichung für die Erde und nicht nur für uns erlangt werden. Es ist notwendig, von der übrigen Welt Abstand zu halten, um sich vom gewöhnlichen Bewusstsein abzusondern und damit ein neues Bewusstsein herabzubringen.
Nicht dass die Liebe zu allen kein Teil der Sadhana wäre, doch darf sie nicht derart ausarten, dass jeder mit jedem Umgang pflegt, sie sollte sich vielmehr in einem allgemeinen und, wenn nötig, dynamischen universalen Wohlwollen ausdrücken; im Übrigen aber muss sie sich Luft schaffen in dieser Arbeit des Herabbringens des höheren Bewusstseins mit seiner ganzen Auswirkung für die Erde. Was das Annehmen des Göttlichen Wirkens in allen Dingen anbelangt, so ist das auch hier [in diesem Yoga] notwendig, und zwar in dem Sinn, dass man selbst hinter unseren Kämpfen und Schwierigkeiten das Göttliche erkennt, die Natur des Menschen aber und die Welt, wie sie ist, nicht hinnimmt – unser Ziel ist vielmehr, sich auf ein göttlicheres Wirken hin zu bewegen, das alles Gegenwärtige durch eine größere und glücklichere Manifestation ersetzen wird. Auch das ist ein Werk göttlicher Liebe.

Wenn wir nach unserer Auffassung das gewöhnliche Leben als Maya bezeichnen, dann nicht in dem Sinne, dass es eine Illusion sei, denn es existiert und ist durchaus real, sondern dass es aus Unwissenheit besteht, etwas, das vom spirituellen Standpunkt aus gesehen auf Falschheit gründet1. Daher ist es logisch, es zu meiden, oder besser gesagt, wir sind gezwungen, eine gewisse Verbindung damit aufrechtzuerhalten, müssen aber diese weitgehend verringern, es sei denn, dass sie für unser Ziel nützlich ist. Wir müssen das Leben von der Falschheit in die spirituelle Wahrheit, von einem Leben der Unwissenheit in ein Leben spirituellen Wissens wenden. Solange wir aber hierin für uns selbst noch nicht erfolgreich waren, ist es besser, sich vom Leben der Unwissenheit in der Welt fernzuhalten – andernfalls würde unser kleines, langsam wachsendes Licht wahrscheinlich in den Meeren der Finsternis, die es umgeben, verlöschen. Die Bemühung, so wie sie ist, ist schwierig genug – sie wäre zehnmal so schwer, wenn wir uns nicht isolieren würden.

Die Arbeit hier ist natürlich nicht das gleiche wie die Arbeit in der Welt. Die Arbeit dort ist in keiner Weise eine göttliche Arbeit – es ist die gewöhnliche Arbeit der Welt. Und dennoch muss man sie als ein Training betrachten und im Geist des Karmayoga verrichten – was dabei zählt, ist nicht so sehr die Natur der Arbeit an sich, sondern die Einstellung, in der sie verrichtet wird. Sie hat im Geist der Gita zu geschehen, ohne Begehren, losgelöst, ohne Widerwillen, doch in größtmöglicher Vollkommenheit, nicht der Familie, der Beförderung oder des Vorgesetzten wegen, sondern einfach weil sie einem zur Verrichtung übergeben ist. Sie ist ein Bereich inneren Trainings, nichts anderes. In ihm hat man all die Dinge wie Gleichmut, Wunschlosigkeit und Weihung zu lernen. Was dem Göttlichen geweiht werden muss, ist nicht die Arbeit als eine Sache um ihrer selbst willen, sondern ihre Verrichtung und die Art ihrer Verrichtung. Bei dieser Einstellung spielt es keine Rolle, welche Art von Arbeit es ist. Wenn man sich auf diese Weise spirituell schult, wird man fähig werden, jede spezielle Arbeit, die einem jeden Tag gegeben werden kann (wie die Ashram-Arbeit), auf die wahre Weise und unmittelbar für das Göttliche zu tun.

Das Leben hier ist offensichtlich nicht der Ort, wo Mental und Vital darauf hoffen können, Befriedigung und Erfüllung zu finden oder ein lebensvolles Leben zu führen. Erst wenn man innerlich zu leben vermag, wird es einen befriedigen – und hat man einmal ein gefestigtes inneres Leben erreicht, dann gibt es auch keine Langeweile mehr. Die innere Verwirklichung muss das erste Ziel sein. Das Ergebnis, das folgen kann, ist die Arbeit für das Göttliche auf der Grundlage des wahren inneren Selbstes und eines neuen Bewusstseins – und nicht auf der Grundlage des alten. Bis dahin können Arbeit und Leben lediglich Hilfsmittel der Sadhana sein, nicht aber der „Selbst-Erfüllung“ oder einem blendenden und interessanten vitalen Leben in der alten Form dienen.

Hier gibt es nichts, was der menschlich-vitalen Natur dient; die Arbeit ist gering, still, von der äußeren Welt und ihren Umständen abgeschlossen, und hat nur einen Wert als Feld spiritueller Selbstkultur. Wenn man einzig vom spirituellen Motiv beherrscht wird und das spirituelle Bewusstsein erlangt hat, kann man Freude und Interesse an dieser Arbeit finden. Oder, wenn der Arbeitende trotz seiner menschlichen Unzulänglichkeiten hauptsächlich auf den spirituellen Fortschritt und die spirituelle Selbst-Vervollkommnung ausgerichtet ist, dann kann er ebenfalls Interesse an der Arbeit finden und sowohl ihre Nützlichkeit für die Entdeckung und Läuterung seiner egoistischen mentalen, vitalen und physischen Natur spüren, als auch an ihr als Dienst am Göttlichen Freude haben.

Es ist ganz und gar nicht eine Frage der Nützlichkeit – obwohl deine Arbeit, wenn du dich ihr widmest, durchaus nützlich ist. Arbeit ist ein Teil der Sadhana, und in der Sadhana erhebt sich die Frage der Nützlichkeit nicht – das ist ein äußeres, praktisches Maß der Dinge; doch selbst im äußeren, gewöhnlichen Leben ist Nützlichkeit nicht das einzige Maß. Die Frage ist, ob das Streben nach dem Göttlichen dein zentrales Lebensziel, dein inneres Bedürfnis ist oder nicht. Die Sadhana für einen selbst ist etwas anderes – man kann sie aufnehmen oder nicht. Die wahre Sadhana ist für das Göttliche – sie ist ein Erfordernis der Seele und kann nicht aufgegeben werden, auch wenn man in Augenblicken der Verzagtheit denkt, man könne es tun.

Die Arbeit hier soll nicht dazu dienen, die eigenen Fähigkeiten sichtbar zu machen oder eine Position zu erlangen oder der Mutter physisch nahe sein zu können, sondern als Wirkungsbereich und Gelegenheit für den Karmayoga, der Teil des Integralen Yoga ist; ihr Zweck ist zu lernen, sie im wahren yogischen Bewusstsein zu verrichten und sich durch Dienen zu weihen, Selbstlosigkeit, Gehorsam, Genauigkeit und Disziplin zu üben, das Göttliche und die Göttliche Arbeit voran- und sich selbst hintanzustellen, und Harmonie, Geduld und Ausdauer walten zu lassen. Wenn die Arbeitenden diese Dinge einmal erfasst und aufgehört haben, egozentrisch zu sein, wie es die meisten von euch sind, dann wird auch die Zeit für eine Arbeit kommen, in der Fähigkeiten tatsächlich sichtbar gemacht werden können, obwohl selbst dann dieses Sichtbarmachen von Fähigkeiten nur ein Nebenumstand sein wird und niemals die hauptsächliche Überlegung für die göttliche Arbeit oder ihr Ziel sein kann.

Es besteht nicht die Notwendigkeit, dass jeder ein Künstler oder Schriftsteller wird oder eine Arbeit von öffentlichem Charakter verrichtet. X und Y haben ihre eigenen Fähigkeiten, und für den Augenblick reicht es aus, wenn sie sich darin üben, für die Arbeit der Mutter nützlich zu sein. Andere haben große Fähigkeiten und sind damit zufrieden, sie in der kleinen und unauffälligen Arbeit des Ashrams zu gebrauchen, ohne mit etwas Großem vor die Öffentlichkeit zu treten. Das Wichtigste ist jetzt, das wahre Bewusstsein von oben zu empfangen, sich vom Ego zu befreien (was bislang noch niemand getan hat) und zu lernen, ein Instrument der Göttlichen Kraft zu sein. Erst dann kann die Manifestation stattfinden und nicht vorher.

Das, was man Politik nennt, ist zu rajasisch, verdorben und mit allen Arten von egoistischen Motiven vermengt. Unser Weg besteht in dem Druck des Spirits auf das Erdbewusstsein, damit es sich ändere.

Nein, Politik wird niemandem als Arbeit gegeben. Die Menschen beschäftigen sich aus vitalem Interesse oder aus Gewohnheit weiterhin damit und wollen sie nicht aufgeben – es ist wie die vitale Gewohnheit des Teetrinkens oder etwas Ähnliches. Politik erhält man hier nicht nur nicht als Arbeit, sondern auch das Diskutieren über Politik wird weitestgehend eingeschränkt.

Ganz sicher aber ist Politik nicht die einzig mögliche Beschäftigung für das Vital – es gibt hundert andere. Wann immer etwas hergestellt, geschaffen, organisiert, erworben und erobert werden muss, ist das Vital unerlässlich.

Ich habe es mir zur Regel gemacht, nichts über Politik zu schreiben. Auch die Frage, welche Aufgabe man in einer gesetzgebenden Körperschaft übernehmen soll, hängt von den Umständen und den praktischen Erfordernissen, der Situation ab. In einer solchen Körperschaft hat die Arbeit keinen spirituellen Charakter. Mit dem spirituellen Bewusstsein im Hintergrund kann jede Art von Arbeit verrichtet werden – tatsächlich muss man sich, außer man ist sehr weit fortgeschritten, von den Erfordernissen der Arbeit selbst und ihrer spezifischen Eigenart leiten lassen. Da du dich dieser Partei angeschlossen hast, musst du ihr Programm zu dem deinen machen und dich ihm mit aller dir zur Verfügung stehenden Gewissenhaftigkeit, Fähigkeit und Selbstlosigkeit widmen. Es ist gut, dass du wie versprochen keine Funktion übernimmst. In jedem Fall sollte ein Sadhak, der sich der Politik zuwendet, nicht für sich, sondern für sein Land arbeiten. Wenn er eine Funktion übernimmt, dann nur, wenn er dadurch etwas für sein Vaterland tun kann, und erst, wenn er seinen Charakter, seine Befähigung und Eignung für die Position geprüft hat. Du solltest dich auf einem hohen Niveau bewegen, das dir die Achtung sogar des Gegners einträgt und deine Nominierung durch die Wähler rechtfertigt.

Was die Propaganda anbelangt, so habe ich erkannt, dass sie ohne jeden Wert für uns ist – wenn überhaupt eine Wirkung erzielt wird, ist sie von nur sehr oberflächlicher und dürftiger Art und lohnt die Mühe nicht. Wenn die Wahrheit sich ausbreiten soll, wird sie es aus eigener Kraft tun; diese Dinge sind unnötig.

„Berühmt“ oder „unbekannt“ ist vom spirituellen Standpunkt aus betrachtet ohne jede Bedeutung. Das ist nur der Propaganda-Geist. Wir sind keine Partei oder Kirche oder Religion, die Anhänger oder Konvertiten sucht. Ein Mensch, der ernsthaft den Yoga ausübt, ist mehr wert als tausend berühmte Leute.

Furcht zu haben bei solchen Erfahrungen, ist etwas, wovon man sich befreien muss; wenn Gefahr besteht, reicht ein Ruf an die Mutter aus, tatsächlich aber gibt es keine Gefahr, denn der Schutz ist immer vorhanden.
Es ist wahr, dass die meisten Menschen hier die Eigenart haben, den auswärtigen Besuchern nachzulaufen, besonders wenn sie berühmt oder vornehm sind. Es ist dies eine allgemeine Schwäche in der menschlichen Natur, und die Sadhaks scheinen nicht den Wunsch zu haben, sie – wie auch andere Schwächen – loszuwerden. Der Grund dafür ist der, dass sie nicht genügend im Inneren leben und das Vital sich erregt oder angezogen fühlt, wenn etwas Wichtiges oder jemand Wichtiger von außerhalb kommt.

Was X oder andere sagen oder denken, ist im Grunde nicht sehr wichtig, da wir für unsere Arbeit nicht von ihnen, sondern allein vom Göttlichen Willen abhängen. Viele Leute von außerhalb haben alle möglichen Dinge über oder gegen uns gesagt, die weder uns noch unsere Arbeit im geringsten beeinträchtigten – es hat fast keine Bedeutung.

3. Die Sadhaks des Ashrams
Es ist notwendig oder ziemlich unvermeidlich, dass in einem Ashram, der – wie X es ausdrückt – ein Laboratorium für einen spirituellen und supramentalen Yoga ist, die Menschheit auf verschiedene Weise vertreten sein sollte. Denn die Umwandlung hat sich mit allen Arten von günstigen und ungünstigen Elementen auseinanderzusetzen, wobei in ein und demselben Menschen eine Mischung von beiden zu finden ist. Wenn nur sattvische und kultivierte Leute zum Yoga kämen, Menschen ohne viele vitale Schwierigkeiten in sich, könnten unsere Bemühungen leicht fehlschlagen, da der Widerstand des vitalen Elementes in der Erdnatur nicht besiegt und überwunden würde. Es wäre unter bestimmten Umständen denkbar, dass eine obermentale Schicht das Mental, Vital und Physische überlagert und beeinflusst, aber kaum etwas Supramentales und somit keine höhere Wandlung des menschlichen Wesens stattfindet. Die Bewohner des Ashrams kommen von überall her und sind von ganz unterschiedlicher Art – das ist anders gar nicht möglich.
Im Laufe des Yoga erheben sich in dem Maße, wie jede Ebene kollektiv erfasst wird, alle Schwierigkeiten – wenn auch nicht für jeden gleichermaßen. Das erklärt vieles im Ashram, was die Menschen dort nicht erwarten. Wenn die Vorarbeit im „Laboratorium“ beendet ist, müssen sich die Dinge ändern.
Auf menschliche Kameradschaft der üblichen Art unter den Bewohnern [des Ashrams] wird wenig Wert gelegt (obwohl Sympathie, Rücksichtnahme und Höflichkeit immer vorhanden sein sollten), da dies nicht das Ziel ist; das Ziel ist das Einssein in einem neuen Bewusstsein, und das Wichtigste für jeden ist, seine Sadhana zu tun, dieses neue Bewusstsein zu erlangen und darin das Einssein zu verwirklichen.
Alle Fehler in den Sadhaks müssen durch das Licht von oben ausgemerzt werden – eine sattvische Regel hingegen kann nur jene Naturen ändern, die für eine sattvische Regel empfänglich sind.

Wenn sein Glaube auf der Vollkommenheit der Sadhaks beruht, ist er vermutlich eine ziemlich wacklige Angelegenheit! Von Sadhaks und Sadhikas wird nicht erwartet, vollkommen zu sein. Nur von siddhas kann man Vollkommenheit fordern, und selbst dann nicht nach mentalen Maßstäben. Sein Glaube scheint von mehr mentaler als anderer Natur zu sein, und mentaler Glaube kann leicht erschüttert werden.
Um oft für sich allein sein zu können, braucht man eine gewisse Kraft inneren Lebens. Es ist vielleicht besser, Einsamkeit mit etwas Gegenteiligem abzuwechseln. Doch alles hat seine Vor- und Nachteile, und nur durch Wachsamkeit und die Bewahrung eines inneren Gleichgewichts kann man die Nachteile vermeiden.

In diesem Yoga ist das allgemeine Prinzip des Selbstgebens und Selbstweihens für alle gleich, doch schlägt jeder hierfür seinen eigenen Weg ein. Der von X gewählte Weg ist gut für X, genauso, wie der von dir eingeschlagene Weg für dich der richtige ist, da er mit deiner Natur übereinstimmt. Wenn es nicht diese Plastizität und Vielfalt gäbe, wenn man alle in die gleiche Schablone pressen würde, wäre der Yoga ein starrer, mentaler Mechanismus und keine lebendige Kraft.
Wenn du aus deinem inneren Bewusstsein heraus zu singen vermagst, in dem du fühlst, dass die Mutter all deine Tätigkeiten lenkt, besteht kein Grund, warum du es nicht tun solltest. Die Entwicklung von Fähigkeiten ist nicht nur erlaubt, sondern richtig, wenn sie zu einem Teil des Yoga gemacht werden kann; nicht nur die eigene Seele, sondern auch all seine Fähigkeiten kann man dem Göttlichen darbringen.

Von einer höheren spirituellen Warte aus ist es etwas schwierig, deine Frage so zu beantworten, wie du es erwartest, wie jedes mentale Wesen es erwartet, nämlich mit einem energischen „du sollst“ oder „du sollst nicht“, besonders dann, wenn mit dem „du“ „alle“ gemeint sein sollen. Denn obwohl es eine Identität des eigentlichen Zieles und allgemeine, klare Richtlinien des Bestrebens gibt, bestehen dennoch für die inneren Dinge im einzelnen keine allgemeinen Regeln, die für alle Suchenden gleichermaßen anwendbar wären. Du fragst: „Ist nicht dieses oder jenes schädlich?“ Doch was für den einen schädlich ist, mag für den anderen hilfreich sein, was in einem bestimmten Stadium hilfreich ist, mag es in einem anderen Stadium nicht mehr sein, was unter bestimmten Voraussetzungen schädlich ist, mag unter anderen förderlich sein, was man in einer bestimmten Einstellung tut, kann verhängnisvoll sein, und die gleiche Sache in einer anderen Einstellung verrichtet, kann harmlos oder sogar segensreich sein… Man muss viele Dinge in Betracht ziehen, die Umstände, die Person, das Erfordernis und die Veranlagung der Natur und das Entwicklungsstadium. Deshalb wird oft gesagt, dass der Guru jeden einzelnen Schüler seiner besonderen Natur gemäß behandeln und entsprechend seine Sadhana lenken muss; selbst wenn es eine gleiche Richtlinie der Sadhana für alle gäbe, würde sie sich doch für jeden an jedem einzelnen Punkt unterscheiden. Daher sagen wir auch, dass der göttliche Weg vom Mental nicht verstanden werden kann, weil das Mental nach harten und voreiligen Regeln und Normen arbeitet, während der Spirit die Wahrheit von allem und jedem sieht und gemäß der ihm eigenen weiten und komplexen Schau wirkt. Und deshalb wird weiterhin gesagt, dass niemand mit Hilfe seines persönlichen mentalen Urteils das Tun der Mutter und seine Gründe verstehen kann; es kann erst dann verstanden werden, wenn man in ein größeres Bewusstsein eintritt, von dem aus sie die Dinge sieht und auf sie einwirkt. Für das Mental ist das verwirrend, da es kleine Maßstäbe gebraucht, doch ist es die Wahrheit der Sache.
Du wirst daher erkennen, dass es hier keine mentale Regel gibt, sondern in jedem Fall spirituelle Gründe mit flexiblem Charakter die Führung bestimmen. Es gibt keine andere Betrachtungsweise, keine Regel. Musik, Malerei, Dichtung und viele andere Tätigkeiten, die aus dem Mental und Vital stammen, können für einen spirituellen Zweck als Teil der spirituellen Entwicklung oder Arbeit aufgenommen werden. Es hängt von der Einstellung ab, in der man sie ausübt.

Warum sollte die Mutter jeden auf die gleiche Weise behandeln? Sie würde damit etwas höchst Törichtes tun.

Nicht alles, was ich schreibe, ist für jeden auf die gleiche Weise anwendbar. Das würde voraussetzen, dass alle gleich sind und zwischen zwei Sadhaks kein Unterschied besteht. Wenn es so wäre, würde jeder auf die gleiche Weise vorankommen, die gleiche Zeit benötigen, um durch die gleichen Schritte und Entwicklungsstadien fortzuschreiten. Das ist keineswegs so. In diesem Fall wurden die allgemeinen Regeln für jemanden festgelegt, der nicht weiter gekommen war – doch hängt alles davon ab, auf welche Weise jeder den Yoga aufnimmt.

Es ist nicht immer ungefährlich, für sich in die Praxis umzusetzen, was für einen anderen festgelegt wurde. Jeder Sadhak ist ein Fall für sich, und eine mentale Regel starr für all jene anzuwenden, die den Yoga ausüben, ist nicht immer oder nur selten möglich. Was ich an X schrieb, war für X bestimmt und für ihn richtig; doch angenommen, es würde sich um einen anderen Sadhak mit einer anderen groben, vitalen Natur handeln, könnte ich zu ihm das anscheinend reine Gegenteil sagen, nämlich: „Sitze fest auf deinen niederen vitalen Neigungen, befreie dich von deiner Gier nach Nahrung, denn sie ist ein ernsthaftes Hindernis auf deinem Weg; es wäre besser für dich, in deinen Gewohnheiten asketisch zu sein, als in diesem Teil gemeinhin tierisch, so wie du es jetzt bist!“ Zu jemandem, der im Eifer seines Strebens nicht genügend Nahrung zu sich nimmt oder nicht genügend schläft und ruht, könnte ich dagegen sagen: „Iss mehr, schlafe mehr, ruhe dich besser aus, überanstrenge dich nicht und meide den asketischen Geist in deiner tapasya.“ Zu dem Nächsten mit der gegensätzlichen Übertreibung könnte ich in einer ganz anderen Sprache sprechen. Jeder Sadhak hat seine eigene Natur oder Veranlagung der Natur, und die Yoga-Entwicklungen zweier Sadhaks, selbst wenn sie gewisse Ähnlichkeiten aufweisen, sind selten genau gleich.
Weiterhin ist es in der Anwendung einer festgelegten Wahrheit notwendig, ihre genaue Bedeutung zu erkennen. Es ist zum Beispiel durchaus richtig, dass „auf unserem Pfad die Haltung nicht die einer gewaltsamen Unterdrückung, nigraha, ist“; auf keinen Fall wird auf ein nicht überzeugtes vitales Wesen ein Zwang entsprechend einer mentalen Regel oder eines mentalen Prinzips ausgeübt. Das bedeutet aber nicht, dass das Vital seinem eigenen Weg oder seiner Laune folgen soll. Nicht Zwang, sondern eine innere Veränderung wird angestrebt, in der das niedrigere Vital von einem höheren Bewusstsein, das von den Zielen des vitalen Begehrens abgelöst ist, geführt, erleuchtet und umgewandelt wird. Um diese Entwicklung zu fördern, muss man eine Haltung einnehmen, in welcher man den Forderungen der niederen vitalen Natur eine immer geringere Bedeutung beimisst, muss eine gewisse Meisterung stattfinden, samyama, die über jedem Anspruch dieser Dinge steht und so etwas wie Essen auf den ihm gebührenden Platz verweist. Das niedere Vital hat seinen Wert, es soll nicht zermalmt oder getötet, sondern gewandelt werden; „ergreife beide Enden“ – am oberen eine Meisterung und Kontrolle, am unteren die rechte Anwendung. Die Hauptsache ist, sich vom Verhaftet-sein und Begehren zu befreien – dann wird auch die völlig richtige Anwendung möglich werden. Durch welche Schritte, in welcher Reihenfolge, durch welche Vorgänge diese Meisterung des niederen Vitals geschehen soll, hängt von der menschlichen Natur und dem Druck der Entwicklung sowie der eigentlichen Yoga-Bewegung ab.
Es ist nicht wichtig, etwas Bestimmtes zu essen oder nicht zu essen; wichtig ist, welche Bedeutung du all dem oder allen diesen Essensfragen beimisst, wie dein innerer Zustand ist und wie jedes derartige Frönen, sei es Kochen oder Essen, seinem Fortschritt oder seiner Wandlung im Weg steht oder nicht, und welche yogische Disziplin für dich die beste ist. Eine Regel aber kann ich für dich festlegen: „Tue, sage oder denke nichts, was du vor der Mutter verbergen möchtest.“ Das erklärt auch den Widerstand, der sich in dir dagegen erhoben hat, „diese geringfügigen Dinge“ der Mutter vorzutragen. Warum glaubst du, dass die Mutter durch all dies gestört und es als unwichtig ansehen würde? Wenn alles Leben Yoga sein soll, was kann dann geringfügig oder unwichtig genannt werden? Selbst wenn dir die Mutter nicht antwortet, genügt schon die Tatsache, ihr einen Umstand deiner Arbeit und Selbstentwicklung im rechten Geist vorgetragen zu haben, um ihn unter ihren Schutz zu stellen, ihn dem Licht der Wahrheit und den Strahlen ihrer Macht auszusetzen, die für die Umwandlung arbeiten – denn sobald die Mutter davon Kenntnis erhält, beginnen diese Strahlen sofort zu spielen und auf die betreffende Sache einzuwirken. Das, was in deinem Inneren dir rät, etwas nicht zu tun, wenn der Spirit in dir dich dazu bewegen will, es zu tun, kann durchaus ein Trick des Vitals sein, um dem Lichtstrahl und dem Wirken der Kraft aus dem Weg zu gehen.

Man darf die menschliche Natur nicht wie eine Maschine unter Anwendung starrer mentaler Regeln behandeln – eine große Plastizität ist erforderlich, um mit ihren komplexen Beweggründen umzugehen.

4. Regel und Disziplin im Ashram
Auch im gewöhnlichen Dasein müssen Vital und Ego kontrolliert werden – im anderen Fall wäre Leben unmöglich. Selbst viele Tiere, die in Gruppen leben, haben ihre strengen Gesetze, die das Spiel des Egos kontrollieren, und ein Verstoß dagegen wird hart geahndet. Besonders die Europäer haben dies begriffen, und obwohl sie selbst voller Ego sind, verstehen sie es vorzüglich, sobald sich die Frage einer gemeinsamen Arbeit oder eines Zusammenlebens mit anderen ergibt, es im Zaum zu halten – auch wenn es innerlich grollt. Das ist das Geheimnis ihres Erfolges. Im yogischen Leben allerdings ist die Frage nicht so sehr die der Kontrolle des Egos als der Befreiung vom Ego und des Aufsteigens zu einem höheren Lebens-Prinzip, daher wird das Begehren noch viel stärker und nachdrücklicher zurückgewiesen.

Eine Regel, die von jedermann anders ausgelegt werden kann, ist keine Regel. In allen Ländern, in denen organisierte Arbeit erfolgreich verrichtet wird (Indien ist keines von ihnen ), bestehen Regeln und niemand denkt daran, sie zu brechen, weil man erkannt hat, dass Arbeit (oder auch das Leben) ohne Disziplin bald in Verwirrung und einem chaotischen Misslingen enden würde. In Indiens großen Tagen hatte alles seine Regel, selbst die Kunst und Poesie, selbst der Yoga. In Wirklichkeit aber werden Regeln hier viel weniger starr aufgefasst als in jedem europäischen System. Dagegen misst man dem persönlichen Ermessen, selbst in einem Gefüge von Regeln, ausgiebig Spielraum zu – nur sollte dieses Ermessen richtig angewandt werden, sonst wird daraus etwas Willkürliches oder Chaotisches.

Der Schutz der Mutter umgibt alle Sadhaks, wenn sie jedoch durch ihre eigene Tat oder Haltung den Schutzkreis verlassen, kann es unerwünschte Folgen zeitigen.

Disziplin besteht darin, gemäß einem Wahrheitsprinzip zu handeln, entsprechend einer Regel oder einem Gesetz des Tuns (dharma) oder einer übergeordneten Autorität, oder den höchsten Prinzipien, welche die Vernunft und der Verstandeswille entdeckten, zu gehorchen, nicht aber den eigenen Launen und vitalen Impulsen und Begierden. Im Yoga besteht die Grundlage der Disziplin aus Gehorsam gegenüber dem Guru oder dem Göttlichen, sowie gegenüber dem Gesetz der Wahrheit, wie es vom Guru dargelegt wird.

Du spannst den Karren vor das Pferd. Gehorsam und froh zu sein unter der Bedingung, dass du erhältst, was du willst, ist nicht der richtige Weg. Sei vielmehr immer gehorsam und froh, dann hat das, was du willst, eine Chance, zu dir zu kommen.

Regeln sind unerlässlich für die ordentliche Verrichtung der Arbeit; denn ohne Ordnung und Einteilung kann nichts auf die richtige Weise geschehen, sondern endet in Konflikt, Verwirrung und Unordnung.
In all diesen Auseinandersetzungen mit anderen solltest du nicht nur deine Seite, sondern auch die Gegenseite sehen. Kein Ärger, keine heftige Erwiderung oder Drohung, denn diese Dinge fachen nur den Zorn und die Entgegnung des anderen an. Ich schreibe dir dies, da du versuchst, dich über dich selbst zu erheben und dein Vital zu beherrschen, und wenn man dies will, kann man in diesen Dingen mit sich selbst nicht streng genug sein. Das Beste ist, seinen eigenen Fehlern gegenüber unnachsichtig und gegenüber den Fehlern der anderen milde zu sein.

Ja, ganz richtig. Es ist ein Mangel an seelischem Wahrnehmungs- und spirituellem Unterscheidungsvermögen, welcher die Menschen auf diese Weise sprechen und die Wichtigkeit des Gehorsams ignorieren lässt. So argumentiert das Mental, das seiner eigenen Denkweise folgen will, und das Vital, das die Freiheit für seine Begierden sucht. Wenn du nicht den Regeln folgst, die vom spirituellen Lehrer festgelegt sind, oder demjenigen gehorchst, der dich zum Göttlichen führt, wem oder was willst du dann folgen? Vielleicht den Ideen des individuellen Mentals und den Begierden des Vitals? Diese Dinge werden dich aber niemals zur siddhi im Yoga führen. Regeln werden zum Schutz gegen gewisse Einflüsse und ihre Gefahren festgelegt und um die rechte Atmosphäre im Ashram aufrechtzuerhalten, die der spirituellen Entwicklung förderlich ist; Gehorsam ist notwendig, um sich vom eigenen Mental und Vital abzuwenden und zu lernen, der Wahrheit zu folgen.

Regeln wie diese sind dazu bestimmt, dem Vital und Physischen zu helfen, sich der Disziplin der Sadhana zu fügen und sich nicht in Launen, Impulsen und der Nachgiebigkeit gegenüber sich selbst zu zerstreuen; man sollte sich ihnen aber auf eine einfache Art und Weise unterordnen, nicht mit dem Gefühl der Überlegenheit oder des asketischen Stolzes, sondern als etwas ganz Natürliches. Es ist richtig, sie können in große mentale Starrheit ausarten – so als ob sie in sich Dinge von höchster Wichtigkeit und nicht nur Hilfsmittel wären. Doch am rechten Ort und im rechten Geist angewandt, können sie für ihren Zweck sehr nützlich sein.

Meist wollen die Menschen, dass die Dinge nach ihrem Wunsch ohne Prüfung oder Begutachtung geschehen sollen. Das Gerede von der Vollkommenheit ist Humbug. Vollkommenheit besteht nicht daraus, dass jeder sich selbst Gesetz ist. Vollkommenheit erlangt man durch die Zurückweisung der Wünsche und die Unterwerfung einem höheren Willen gegenüber.

Wenn ich Dinge sagen würde, welche die menschliche Natur einfach und natürlich findet, dann wäre das für die Sadhaks sicherlich sehr bequem, doch würde das spirituelle Ziel oder Bestreben zu kurz kommen. Spirituelle Ziele und Methoden aber sind nicht einfach oder natürlich (wie zum Beispiel Streit, Sex, Wohlleben oder Gier, Faulheit und das Hinnehmen aller Schwächen einfach und natürlich sind); von denen, die meine Jünger werden wollen, wird erwartet, dass sie spirituellen Zielen und Bemühungen folgen, wie hart und die gewöhnliche Natur überschreitend sie auch sein mögen, und nicht Dingen, die einfach und natürlich sind.

In der Welt draußen gibt es die mentale und gesellschaftliche Kontrolle und in anderen Dingen die Verdrängung. Hier bist du mit deinem Bewusstsein allein und musst die mentale und äußere Kontrolle durch eine innere Selbstkontrolle des Spirits ersetzen.

Es ist keine Frage von Schuld oder Bestrafung – wenn wir die Menschen ihrer Fehler wegen verdammen und bestrafen und mit den Sadhaks wie bei einem Gerichtstribunal verfahren mussten, wäre keine Sadhana möglich. Ich verstehe nicht, wie du deinen Vorwurf gegen uns rechtfertigen willst. Unsere einzige Pflicht besteht darin, die Sadhaks zu ihrer spirituellen Verwirklichung zu führen – wir können nicht wie ein Familienoberhaupt häuslichen Streit schlichten, und dabei den einen unterstützen und den anderen belasten. Wie oft X auch straucheln mag, wir haben ihn bei der Hand zu nehmen, ihn wieder aufzurichten und ihn dazu zu bewegen, sich wieder dem Göttlichen zuzuwenden. Das gleiche haben wir immer mit dir getan. Wir konnten aber keine deiner Forderungen an ihn unterstützen, sondern haben es immer als eine Sache zwischen ihm und dem Göttlichen betrachtet. Worauf wir bei dir bestanden haben war, die vitale Beziehung zu ihm völlig abzubrechen und nichts mehr darauf aufzubauen – und das mit deiner vollen Zustimmung und deiner Bitte an uns, dir dabei zu helfen. Nun aber schreibst du, dass du uns für immer verlassen willst, weil wir das nicht gebilligt hätten, war du zu Y gesagt hast, was immer es auch war.
Ich muss dich darum bitten, dich auf dein besseres Selbst und dein wahres Bewusstsein zu besinnen und diese Stimmungen vitaler Leidenschaft, die deiner Seele nicht würdig sind, zurückzuweisen. Du hast wiederholt von deiner Liebe zur Mutter geschrieben, von dem Ananda und den spirituellen Erfahrungen, die du von ihr empfingst. Erinnere dich all dessen und besinne dich darauf, dass dies dein wahrer Weg, dein wahres Wesen ist und nichts anderes zählt! Gewinne dein Gleichgewicht zurück und werfe die niedere Natur mit ihrer Dunkelheit und Unwissenheit ab!

5. Die Rückkehr in das Welt-Leben
Von niemandem wird verlangt hier zu bleiben, wenn es sein Wille oder Entschluss ist fortzugehen – obzwar die Grundregel des spirituellen Lebens sich gegen jede Rückkehr zum Alten wendet, auch wenn es nur für eine begrenzte Zeit ist, besonders wenn das tiefere Drängen und das Streben nach einem fest fundierten neuen Bewusstsein vorhanden ist; denn die Rückkehr zur gewöhnlichen Atmosphäre, Umgebung und zu den gewöhnlichen Beweggründen stört die Arbeit und hemmt den Fortschritt.

Wenn zwischen dem inneren und dem äußeren Wesen ein derart scharfer Zwiespalt besteht, hat immer der Sadhak selbst seine Wahl zu treffen. Was die Rückkehr [in den Ashram] anbelangt, so gibt es viele, die fortgegangen und wieder zurückgekommen sind, andere hinwiederum kamen nicht mehr – denn wenn man den Ashram verlässt, besteht immer die Gefahr, dass man in einen Kräftestrom gerät, der eine Rückkehr unmöglich macht. Welche Entscheidung du auch immer triffst, sie sollte eindeutig und gut überlegt sein; andernfalls könnte es sein, dass du von hier fortgehst, und sobald du draußen bist, wieder zurückkommen möchtest und nachdem du erneut hier bist, wieder gehen willst – das wäre unzulässig.

Es versteht sich von selbst, dass unsere Erlaubnis, den Ashram zu verlassen, die Möglichkeit nicht ausschließt, dass dieses Experiment ein schlechtes Ende nimmt. Es wird aber unumgänglich, wenn der Sog des Egos oder äußeren Wesens und der [Gegensog] der Seele für eine andere Lösung zu heftig wurden oder wenn das äußere Wesen darauf besteht, seine Erfahrung zu haben.

Das Experiment (den Ashram zu verlassen) wird besonders dann unvermeidlich, wenn das äußere Wesen die Wahrheit zurückweist und darauf besteht, sein eigenes Leben zu führen, und wenn es die Regel des spirituellen Lebens nicht anerkennt. Ich habe niemals gesagt, dass es zu empfehlen ist.

In einigen ist der Drang, den Ashram zu verlassen, zu groß – sie müssen daher gehen und selbst weitersehen. Das heißt aber nicht, dass jeder gehen soll, wann immer er auf eine Schwierigkeit stößt. Dies sind Ausnahmefälle.

Der Sieg über die hartnäckigeren Teile deiner Natur ist nicht so unmöglich wie du glaubst: Das einzig Erforderliche ist die Ausdauer, durchzuhalten bis der Widerstand zusammenbricht und die Seele – die weder abwesend noch unmanifestiert ist – die anderen Wesensteile zu beherrschen vermag. Das hat zu geschehen, ob du hier bleibst oder nicht; wenn du aber gehst, vergrößerst du vermutlich die Schwierigkeit nur und gefährdest das endgültige Ergebnis – es wird dir nicht helfen. Hier hingegen hat der Kampf durch die unmittelbare Gegenwart der Mutter die beste Chance und Gewähr für eine Lösung und ein siegreiches Ende.

Meist geschieht es auf diese Weise – wenn man aus der Welt kommt, versuchen die Kräfte, die die Welt regieren, dich in ihre eigene unruhige Bewegung zurückzuziehen.

Es ist recht eigenartig. Die meisten Menschen können, nachdem sie die Atmosphäre hier erlebt haben, die gewöhnliche Atmosphäre draußen nicht mehr ertragen. Wenn sie hinausgehen, finden sie keine Ruhe mehr, bis sie zurückgekehrt sind. Xs Tante, die nur einige Monate hier war, schreibt das gleiche. Wenn aber Menschen wie X oder Y unter die Herrschaft der Falschheit geraten, werden sie in die ungeläuterte vitale Natur projiziert und empfinden den Unterschied in der Atmosphäre nicht mehr.

Jeder Yoga ist schwierig, da jeder Yoga die Erreichung des Göttlichen, die gänzliche Hinwendung zum Göttlichen zum Ziel hat, was die Abkehr von den gewöhnlichen Bewegungen der menschlichen Natur bedeutet und die Hinwendung zu etwas, was darüber hinausreicht. Doch wenn man in voller Wahrhaftigkeit strebt, wird einem die Stärke gegeben, und zuletzt überwindet man die Schwierigkeiten und erreicht das Ziel.
Die Mutter sprach von Sadhaks, die in das Leben und die Atmosphäre des Ashrams eingetreten sind und die Anrührung ihrer Seele hier fühlten. Es betrifft nicht jene, die aus dem Leben der Welt draußen kamen und immer noch mit ihm verbunden sind. Xs Natur war noch ganz und gar mit dem äußeren Leben verhaftet; ihr Vital hatte sich dem Ashram-Leben nicht angepasst und schreckte vor der Vorstellung zurück, es immer leben zu müssen. Sie ließ ihrer Seele keine Zeit, die Verbindung herzustellen und jenen Einfluss aufzunehmen, der in ihr das Gefühl hätte erstehen lassen, dass der Ashram ihre eigentliche Heimat ist. Es gibt Menschen, die auf diese Weise zu uns kommen, eine Zeitlang hier bleiben und uns ohne jede Schwierigkeit wieder verlassen, wie es schon viele getan haben. Andererseits ist die Empfindung, dass es schwerfällt zu gehen oder man sich unbehaglich fühlt, ein Zeichen, dass die Seele hier Wurzeln geschlagen hat und es ihr weh tut, sich loszureißen. Es gibt einige, denen es so erging und die weggehen mussten, darüber aber nie froh wurden und immer überlegen, auf welche Weise sie baldigst zurückkommen könnten.
Ohne Egoismus oder Verhaftet-sein anderen zu helfen oder die spirituelle Umgebung und das spirituelle Leben zu verlassen, ist die eine Sache – vom persönlichen Verhaftet-sein oder dem Bedürfnis, anderen zu helfen, in die Welt hinausgezogen zu werden, ist eine andere.

Die Unfähigkeit, den Ashram zu verlassen, kann von der Seele herrühren, die, wenn sie diesen Punkt erreicht hat, nicht zulassen wird, dass sich die anderen Wesensteile von der Stelle rühren; sie kann aber auch vom Vital kommen, welches sich vom gewöhnlichen Leben nicht mehr angezogen fühlt und weiß, dass es dort niemals Befriedigung findet. Das betrifft meist die höheren Teile des Vitals. Das, was sich nach außen wenden will, ist vermutlich das physische Vital, in dem die alten Neigungen noch nicht erloschen sind.

Du solltest fähig sein zu erkennen, dass die Ursache der Unrast in dir selbst und nicht in den äußeren Umständen liegt. Es ist dein vitales Verhaftet-sein mit der Familie und den gewöhnlichen gesellschaftlichen Ideen und Gefühlen, das sich in dir erhoben hat und Schwierigkeiten schafft. Wenn du den Yoga ausüben willst, musst du, solange du draußen in der Welt bist, fähig sein dort zu leben mit einem Mental, das auf das Göttliche gerichtet und von der Umgebung unbeeinflusst ist. Einer, der hierzu in der Lage ist, kann den Menschen um sich herum hundertmal mehr helfen als einer, der an die Welt gebunden und mit ihr verhaftet ist.
Es ist der Mutter nicht möglich, dir zu sagen, dass du bleiben sollst, solange dein Mental und Vital danach verlangen zu gehen. Aus dir selbst muss auf die eine oder andere Weise die klare Entscheidung kommen.

Es ist leichter, die Göttliche Gegenwart in der Atmosphäre des Ashrams zu spüren als außerhalb. Dies aber ist nur eine anfängliche Schwierigkeit, die man durch einen stetigen Ruf und ein fortwährendes Sich-Öffnen gegenüber dem [Göttlichen] Einfluss überwinden kann.

Die Kraft ist in der Atmosphäre, doch du musst sie auf die rechte Weise empfangen – im Geist des Selbst-Gebens, Sich-Öffnens, Vertrauens. Alles Übrige beruht darauf.

Es ist wahr, dass von hier eine starke Kraft ausgeht, die im Zentrum natürlich am stärksten ist. Doch hängt ihre Wirkung davon ab, wie man sie empfängt. Wenn sie mit einfachem Vertrauen empfangen wird, mit Glauben, Offenheit und Zuversicht, wirkt sie als vollkommener Schutz. Sie kann auf die gleiche Weise aber auch aus der Entfernung wirken. Es ist nicht der Wohnort, sondern die innere Nähe, die von Bedeutung ist.

6. Sadhana im Leben der Welt
Der beste Weg, sich für das spirituelle Leben vorzubereiten, solange man noch einer gewöhnlichen Arbeit in einer gewöhnlichen Umgebung nachgeht, besteht darin, vollkommenen Gleichmut, eine [innere] Loslösung und den samata der Gita zu entwickeln, ferner den Glauben zu haben, dass das Göttliche hier ist, dass der Göttliche Wille in allen Dingen wirkt, wenn auch gegenwärtig noch unter den Bedingungen einer Welt der Unwissenheit. Jenseits davon sind das Licht und der Ananda, auf die das Leben hinarbeitet; der beste Weg aber, um ihre Ankunft und Errichtung im einzelnen Wesen und der einzelnen Natur zu beschleunigen, besteht darin, in diesen spirituellen Gleichmut hineinzuwachsen. Das würde auch deine Schwierigkeiten mit unangenehmen und unerwünschten Dingen lösen. Allem Unangenehmen sollte man in diesem Geist der samata begegnen.

Man kann sich im gewöhnlichen Leben nicht so wie in einem Ashram verhalten – man hat mit den Menschen zu verkehren und wenigstens äußerlich die üblichen Beziehungen aufrechtzuerhalten. Wichtig dabei ist, das innere Bewusstsein für das Göttliche offen zu halten und in ihm zu wachsen. In dem Maße wie man dies tut, wird sich mehr oder weniger schnell, entsprechend der inneren Intensität der Sadhana, die Haltung anderen gegenüber verändern. Alles wird mehr und mehr im Göttlichen gesehen, und die Gefühle, das Handeln usw. werden immer weniger durch die vergangenen Reaktionen, sondern mehr und mehr durch das wachsende Bewusstsein in dir bestimmt.

Die Schwierigkeit von Seiten der Verwandten und anderen ist das übliche Hindernis, wenn man die Sadhana in gewöhnlicher oder ungünstiger Umgebung ausüben muss. Dem kann man nur entgehen, indem man lernt, in sich zu leben, in seinem inneren Wesen – und das wird dann möglich, wenn die Offenheit und das Licht, wovon du in deinem Brief sprichst, sich mehren und ganz normal werden; denn nun nimmst du ständig dein inneres Wesen wahr, du lebst sogar in ihm, und das äußere wird zu einem Instrument, zu einem Hilfsmittel für die Verbindung mit der äußeren Welt und das Handeln in ihr. Dann ist es möglich, Beziehungen, die frei von Bindung und Reaktion sind: mit den Menschen in der Welt herzustellen und von innen die eigene Reaktion oder Nicht-Reaktion zu bestimmen; es findet eine grundlegende Befreiung von den äußeren Verknüpfungen statt – natürlich nur, wenn man es will.

Das Leben des samsara ist seinem Wesen nach ein Feld der Unrast – um es auf die rechte Weise durchschreiten zu können, muss man sein Leben und seine Taten dem Göttlichen darbringen und um den Frieden des Göttlichen im Inneren bitten. Wenn das Mental ruhig wird, kann man fühlen, wie die Göttliche Mutter das Leben stützt und alles in ihre Hände nimmt.

Frieden im Leben der Welt zu erlangen, ist niemals einfach und von Dauer, außer man lebt tief innerlich und erträgt die äußeren Tätigkeiten nur an der Oberfläche des Wesens.

Um bei ihrer derzeitigen Verfassung die Sadhana aufnehmen zu können, bietet sich als einziger Weg der, sich immer des Göttlichen zu erinnern, die Schwierigkeiten als zu bestehende Prüfungen hinzunehmen, fortwährend zu beten und die Göttliche Hilfe, den Göttlichen Schutz zu suchen sowie um das Sich-Öffnen ihres Herzens gegenüber der stützenden Göttlichen Gegenwart zu bitten.

Die Mutter kann nicht versprechen, dir in weltlichen Dingen zu helfen. Sie greift nur in besonderen Fällen ein. Es gibt natürlich einige, die durch ihr Offen-sein und ihren Glauben die Hilfe der Mutter in jeder weltlichen Schwierigkeit und Sorge erhalten, aber das ist etwas anderes. Sie denken einfach an die Mutter und rufen sie, und im rechten Augenblick zeigt sich das Ergebnis.

Die Neigung, von der du sprichst, die Familie und das gesellschaftliche Leben um eines spirituellen Lebens willen zu verlassen, ist seit mehr als 2000 Jahren in Indien zur Tradition geworden – meist bei Männern; Frauen werden davon nur in kleiner Zahl berührt. Es darf nicht vergessen werden, dass das indische Gesellschaftsleben den einzelnen fast völlig der Familie unterordnete. Männer und Frauen heiraten nicht in freier Entscheidung, sondern ihre Heiraten werden meist schon im Kindesalter für sie vereinbart. Nicht nur das, sondern es war typisch für die Gesellschaft, jedem Individuum mit beinahe eiserner Starrheit seinen Platz zuzuordnen und von ihm zu erwarten, dass es sich fügt. Du sprichst von Auswegen und einer mutigen Lösung, doch gibt es in diesem Leben weder Probleme noch Auswege noch den Ruf nach einer Lösung – eine mutige Lösung ist nur dort möglich, wo es die Freiheit des persönlichen Willens gibt. Wo aber die einzige Lösung, sofern man dieses Leben beibehält, darin besteht, sich der Familie unterzuordnen, gibt es nichts dieser Art. Es ist ein sicheres Leben und kann sogar glücklich sein, wenn man sich ihm anpasst oder keine ungewöhnlichen, darüber hinausreichenden Bestrebungen hat und in diesem Milieu zufrieden ist; doch bietet es keine Abhilfe und keinen Ausweg für Zwiespalt oder jede Art von individueller Frustration und lässt für Initiativen, für eine freie Bewegung oder für Individualismus nur wenig Raum. Der einzige Ausweg des Individuums ist sein inneres, spirituelles oder religiöses Leben, und ein anerkannter Fluchtweg ist die Abkehr vom samsara, dem Familienleben, durch eine Art von sannyasa. Der sannyasi, der vishnuitische vairagi oder der brahmachari sind frei; für die Familie sind sie gestorben und können nun dem Gebot des inneren Spirits folgen. Nur wenn sie in einen Orden oder in einen Ashram eintreten, müssen sie sich den entsprechenden Regeln fügen, doch ist das ihre Entscheidung. Dieser Fluchtweg aus der Gesellschaft wurde von ihr respektiert; und die Religion billigte die Idee, dass die Abneigung gegen das Leben der Gemeinschaft oder der Welt ein rechtmäßiger Grund dafür sei, das Leben eines Einsiedlers oder religiösen Wanderers aufzunehmen. Das betraf aber hauptsächlich Männer; für Frauen gab es, außer in alten Zeiten bei den Buddhisten, als sie ihre Klöster hatten, und später unter den Vaishnavas, wenig Gelegenheit für eine solche Flucht, außer sie wurden von einem starken spirituellen Impuls getrieben, der sich über jedes Verbot hinwegsetzte. Was die zurückgelassene Frau und die Kinder des sannyasi betraf, so gab es wenig Schwierigkeiten, denn die Großfamilie nahm sie auf und kümmerte sich um ihre Erhaltung.
Gegenwärtig besteht noch das alte Gefüge, doch kam mit den modernen Ideen ein Zustand der Nicht-Anpassungsfähigkeit und Unrast auf. Das alte Familiensystem bricht auseinander, und die Frauen suchen nun in größerer Zahl die gleiche Freiheit des Entkommens, wie sie die Männer schon in der Vergangenheit immer hatten. Das würde die von dir angeführten Beispiele erklären, ich glaube aber nicht, dass die Zahl dieser Beispiele bislang sehr groß sein kann, da es sich um ein ziemlich neues Phänomen handelt; die Zulassung von Frauen in einem Ashram ist an sich etwas Ungewöhnliches. Diese neue Entwicklung hat ihre Ursache in dem großen Elend eines mentalen und vitalen Wachsens, das sich in die Umwelt nicht einfügen kann, in den auferlegten, unpassenden Heiraten, in: denen nichts Gemeinsames zwischen Mann und Frau besteht, und in der feindlichen und intoleranten Haltung der Umwelt gegenüber dem inneren Leben des einzelnen; auf der anderen Seite aber in der angeborenen Neigung des indischen Mentals, sich in einen spirituellen oder religiösen Ausweg zu flüchten. Wenn die Gesellschaft dies verhindern will, muss sie sich selbst ändern. Was den einzelnen anbelangt, so muss jeder Fall nach seinen eigenen Werten beurteilt werden; das Problem ist zu komplex, und die Verschiedenheit in der Natur, des Ausgangspunktes und der Beweggründe ist für eine allgemeine Regel zu groß.
Ich habe das gesellschaftliche Problem nur allgemein behandelt. Im Ashram gingen viele Anträge [zur Aufnahme] ein, die ganz offensichtlich von der Abneigung diktiert wurden, den Schwierigkeiten und Verantwortlichkeiten des Lebens zu begegnen – natürlich wurden sie von uns nicht beachtet oder abgelehnt; sie kamen aber meist von Männern; erst neuerdings waren ein oder zwei Fälle von Frauen darunter. Sonst haben Frauen meist nicht aufgrund einer unglücklichen Heirat oder schwieriger Lebensbedingungen um Aufnahme gebeten. Viele der verheirateten Sadhikas folgten ihrem Mann oder begleiteten ihn deshalb, weil sie den Yoga bereits aufgenommen hatten; andere kamen hierher, nachdem sie zur Genüge die Verpflichtungen eines Ehelebens erfüllt hatten; in zwei oder drei Fällen fand eine Trennung von ihrem Gatten statt, bevor sie hierher kamen. In einigen Fällen waren keine Kinder vorhanden, in anderen blieben die Kinder bei der Familie. All dies fällt nicht unter die von dir erwähnte Kategorie. Einige der Sadhaks haben Frau und Familie zurückgelassen, doch glaube ich nicht, dass in irgendeinem Fall die Schwierigkeiten des Lebens der Beweggrund für ihre Abkehr vom Leben waren. Es war vielmehr deshalb, weil sie glaubten, einen Ruf zu fühlen und alles verlassen zu müssen, um ihm zu folgen.

1 Die Unwissenheit und aus ihr hervorgehend die Falschheit sind die beiden Begriffe, die von Sri Aurobindo als kennzeichnend für das Weltbewusstsein verwendet werden. Er beschreibt die Unwissenheit als einen Schleier, der Mental, Körper und Leben von ihrem Ursprung und der Realität, dem Sachchidananda-Bewusstsein oder Wahrheits-Bewusstsein, trennt. Die Falschheit wird als eine asurische Macht beschrieben, die sich in ständigem Aufruhr gegen die Wahrheit befindet, welche sie zu ergreifen und zu entstellen sucht. Anmerkung des Übersetzers.
Teil 3
ERFAHRUNG UND VERWIRKLICHUNG
„Der erfahrene Yogi weiß, dass die kleinen Anfänge von höchster Wichtigkeit sind, dass sie der Pflege bedürfen und ihrer Entwicklung mit großer Geduld stattgegeben werden muss. Er weiß zum Beispiel, dass die neutrale, für den vitalen Eifer des Sadhaks so unbefriedigende Ruhe der erste Schritt zu jenem Frieden ist, der alles Verstehen übersteigt, dass der feine Strom oder Schauer inneren Entzückens das erste Rinnsal des Ozeans Ananda ist; er weiß, dass das Spiel der Lichter oder Farben der Schlüssel zu den Türen der inneren Schau und Erfahrung ist, dass die Herabkunft, die den Körper in konzentriertem Schweigen erstarren lässt, die erste Berührung von etwas ist, an dessen Ende die Göttliche Gegenwart steht.“
— Sri Aurobindo
