Kind und Hund

Tiere verstehen

Warum liebt man einen Hund? Warum schreckt man vor einer Schlange zurück? Wie zähmt man einen wilden Löwen oder tritt man einem wilden Tiger gegenüber? …


„Welche Art von Liebe haben Tiere zum Menschen?“

Es ist fast dieselbe wie jene von recht unintellektuellen Menschen für das Göttliche. Sie besteht aus Bewunderung, Vertrauen und einem Gefühl der Sicherheit. Bewunderung: es scheint dir etwas wirklich sehr Schönes zu sein. Und es ist nicht bewusst erdacht: eine Bewunderung von Herzen sozusagen, spontan. Hunde zum Beispiel haben dies in einem sehr hohen Grad. Und dann, Vertrauen – natürlich ist dies manchmal mit anderen Dingen vermischt: mit dem Gefühl einer Notwendigkeit und Abhängigkeit, denn jene Person ist es, die mir zu essen geben wird, wenn ich Hunger habe, mir Schutz geben wird, wenn es stürmt und regnet, sich um mich kümmern wird. Dies ist nicht die schönste Seite, und dann wird es unglücklicherweise vermischt (und ich denke – ich halte es ganz für den Fehler des Menschen) mit einer Art Furcht; einem Gefühl der Abhängigkeit und einer Art Furcht vor etwas, was viel stärker ist, viel bewusster, viel… was dich schädigen kann, und du hast nicht die Kraft, dich zu wehren. Es ist schade, aber ich glaube, es ist ganz und gar der Fehler des Menschen.

Aber wenn Menschen wirklich die Liebe der Tiere verdienten, würde sie von Seiten der Tiere eine Empfindung des Wunderbaren und der Geborgenheit sein. Es ist etwas sehr Schönes, dieses Gefühl der Geborgenheit; etwas, was dich zu schützen vermag, dir alles geben kann, was du brauchst, und in dessen Nähe du stets Zuflucht finden kannst.

Tiere haben ein ganz rudimentäres Mental. Sie werden nicht von ständigen Gedanken geplagt wie die Menschen. Zum Beispiel empfinden sie eine spontane Dankbarkeit für Freundlichkeit ihnen gegenüber, während die Menschen, achtundneunzig Mal von hundert, zu räsonieren beginnen und sich fragen, welches Interesse man daran haben könnte, gut zu sein. Dies ist eines der großen Übel der mentalen Aktivität. Tiere sind davon frei, und wenn man ihnen gegenüber freundlich ist, sind sie einem dankbar dafür, spontan. Und sie haben Vertrauen. Ihre Liebe besteht daraus, und sie wird zu einer sehr starken Gebundenheit, einem unwiderstehlichen Verlangen, in deiner Nähe zu sein.

Es gibt noch etwas anderes. Wenn der Meister wirklich ein guter Meister ist und das Tier treu, so findet ein Austausch von psychischen und vitalen Kräften statt, ein Austausch, der für das Tier zu etwas Wunderbarem wird, ihm eine intensive Freude gibt. Wenn sie dir auf diese Weise gern ganz nahe sind, wenn du sie hältst, so vibrieren sie im Inneren. Die Kraft, die man ihnen gibt – die Kraft der Zuneigung, der Zärtlichkeit, des Schutzes und so weiter, – sie spüren das, und es schafft in ihnen eine tiefe Bindung. Und in einigen der höheren Tierarten wie Hunden, Elefanten und selbst Pferden schafft es sogar recht leicht einen bemerkenswerten Drang zu liebevoller Hingabe (welche in der Tat nicht durch all das Räsonieren und Argumentieren des Mentalen vereitelt wird), die spontan und sehr rein in ihrer Essenz ist, etwas, was wirklich sehr schön ist.

Die Funktion des Mentalen im Menschen in seiner rudimentären Form, seine erste Manifestation, hat viele Dinge verdorben, die vorher viel reiner waren. Natürlich können die Dinge einen viel höheren Wert annehmen, wenn der Mensch zu einem höheren Niveau aufsteigt und richtigen Gebrauch von seiner Intelligenz macht; aber er macht sie zu einem Instrument der Berechnung, Beherrschung, Täuschung, und dort wird sie sehr hässlich. Ich habe in meinem Leben Tiere gekannt, die ich für viel höher erachtete als eine große Zahl von Menschen, denn eben jene üble Berechnung, jener Wunsch, zu betrügen und Profit zu machen, war in ihnen nicht vorhanden. Es gibt andere, die sich anstecken – die sich anstecken – durch den Kontakt mit dem Menschen stecken sie sich an – aber es gibt jene, bei denen es nicht geschieht.

Die selbstlose Regung, ohne zu berechnen, ist eine der schönsten Formen psychischen Bewusstseins in der Welt. Aber je höher man in der Skala mentaler Aktivität aufsteigt, desto seltener wird sie. Denn mit der Intelligenz kommt all das Geschick und die Cleverness, Korruption und Berechnung. Wenn zum Beispiel eine Rose blüht, so tut sie dies spontan, um der Freude am Schönsein willen, um süß zu duften, all ihre Lebensfreude auszudrücken, und sie berechnet nicht, sie hat nichts davon zu erwarten: sie tut es so spontan, in der Daseins- und Lebensfreude. Nehmen wir nun aber einen Menschen: Abgesehen von sehr wenigen Ausnahmen versucht er in dem Augenblick, wo sein Denkbewusstsein aktiv ist, einen Vorteil aus seiner Schönheit und seiner Cleverness zu ziehen; er will, dass sie ihm etwas einbringen, entweder die Bewunderung der Menschen oder noch viel niedrigere Dinge. Daher ist vom psychischen Standpunkt aus die Rose besser als die Menschen.

Aber wenn du eine Sprosse höher kletterst und bewusst tust, was die Rose unbewusst tut, dann ist es viel schöner. Aber es muss dasselbe sein: ein spontanes Aufblühen von Schönheit, ohne zu berechnen, nur einfach um der Daseinsfreude willen. Kleine Kinder haben dies bisweilen (bisweilen, nicht immer). Unglücklicherweise lernen sie unter dem Einfluss ihrer Eltern und ihrer Umwelt schon in sehr jungem Alter, berechnend zu sein.

Aber dieser Wunsch, zu profitieren durch das, was man hat oder tut, ist wirklich eines der hässlichsten Dinge in der Welt. Und es ist eines der weitverbreitetsten, so weitverbreitet, dass es fast spontan im Menschen ist. Nichts kann der göttlichen Liebe totaler den Rücken kehren als jenes, jener Wunsch, zu kalkulieren und zu profitieren.

Die Mutter

Es ist ein einfacheres und ehrlicheres Bewusstsein – das des Tieres. Natürlich erwartet es etwas, aber selbst wenn es nichts bekommt, bleibt die Zuneigung. Viele Tiere verlieren nicht ihre Liebe, selbst wenn sie schlecht behandelt werden, was auf eine bemerkenswerte psychische Entwicklung im Vitalen hinweist.

Sri Aurobindo

Das emotionale Wesen von Tieren ist oft sehr viel psychischer als das von Menschen, die sehr gefühllos sein können. Vor kurzem sahen wir Bilder der zahmen Tigerin, die von einer Familie gehalten und dann einem Zoo gegeben wurde. Der Blick des Kummers auf dem Gesicht der Tigerin in ihrem Käfig – zugleich sanft und ergreifend – ist so intensiv, dass es einem das Herz bricht.

Sri Aurobindo

Die meisten Tiere greifen in der Regel nicht an, wenn sie nicht bedroht oder erschreckt oder irgendwie provoziert werden – und sie können die Atmosphäre der Leute spüren.

Sri Aurobindo

„Woher kommt die Abstoßung, die man instinktiv gegenüber gewissen Tieren wie Schlangen und Skorpionen fühlt?“

Es ist nicht eine unvermeidliche Notwendigkeit, dass man diese oder irgendeine andere Abstoßung spürt. Keine Abstoßung zu fühlen, ist eines der Grundresultate des Yoga.

Die Abstoßung, von der du sprichst, kommt von der Furcht; wenn es keine Furcht gäbe, würde sie nicht existieren. Diese Furcht basiert nicht auf Verstand, sie ist instinktiv; sie ist nicht individuell, sondern in der Rasse veranlagt; es ist eine allgemeine Suggestion und gehört dem Bewusstsein der Menschheit in ihrer Gesamtheit an. Wenn man den menschlichen Körper annimmt, akzeptiert man damit gleichzeitig eine Menge dieser allgemeinen Suggestionen, Rassenvorstellungen, Rassengefühle der Menschheit. Assoziationen, Attraktionen, Abstoßungen, Ängste.

Aber von einem anderen Standpunkt aus liegt etwas sehr Persönliches in der Natur einer Attraktion oder Abstoßung; denn diese Regungen sind nicht dieselben für jedermann und hängen meist von der Qualität der Schwingung des vitalen Wesens in verschiedenen Leuten ab. Es gibt Menschen, die nicht nur keine Abstoßung gegenüber Geschöpfen wie Schlangen empfinden, sondern sie sogar mögen, sich sehr zu ihnen hingezogen fühlen.

Die Mutter