DAS WACHSEN DES BEWUSSTSEINS: SCHWIERIGKEITEN UND FALLGRUBEN
Bei der menschlichen Natur und dem Charakter des Individuums handelt es sich um ein Gebilde, das sich in und aus der Unbewusstheit der stofflichen Welt erhoben hat und vom Druck des Unbewussten niemals ganz frei werden kann. In dem Maße wie Bewusstsein im Wesen wächst, das in diese stoffliche Welt hineingeboren wurde, nimmt es die Form einer Unwissenheit an, die langsam Wissen aufnimmt oder unter Schwierigkeiten danach strebt; aus dieser Unwissenheit besteht die menschliche Natur, und aus den Elementen der Unwissenheit besteht der Charakter des Einzelwesens. Es ist großenteils ein mechanischer Vorgang, wie alles übrige in der stofflichen Natur, und es besteht beinahe ausnahmslos ein Widerstand, meist sogar ein starker und hartnäckiger Widerstand gegenüber jeder von ihr geforderten Wandlung. Der Charakter setzt sich aus Gewohnheiten zusammen und klammert sich an sie; er neigt dazu, sie für das eigentliche Gesetz seines Wesens zu halten, und es ist eine harte Aufgabe, ihn überhaupt zur Wandlung zu bewegen, wenn er nicht einem starken Druck von Umständen ausgesetzt ist. Dieser Widerstand besteht besonders in den physischen Teilen, im Körper, im physischen Mental und in den physischen Bewegungen des Lebens; das tamasische Element in der Natur ist dort machtvoll, das, was die Gita als aprakasa beschreibt, das Fehlen von Licht, und apravrtti, eine Tendenz zu Trägheit, Untätigkeit, sowie die Abneigung, sich zu bemühen, und als Folge davon, selbst wenn eine Bemühung erfolgt, eine ständige Bereitschaft zu zweifeln, zu verzagen und die Hoffnung sowie das Ziel und die Bemühung aufzugeben, zusammenzubrechen. Glücklicherweise gibt es in der menschlichen Natur auch ein sattwisches Element, das sich dem Licht zuwendet, sowie ein rajasisches oder kinetisches Element, dessen Wunsch und Bedürfnis es ist zu handeln, und das man dazu bewegen kann, nicht nur die Wandlung, sondern auch ständigen Fortschritt zu wollen. Aber auch diese Elemente sind infolge der Begrenzung durch die menschliche Unwissenheit und der Hemmnisse durch die grundlegende Unbewusstheit mit Kleinlichkeit und Spaltung behaftet und können das spirituelle Bewusstsein sowohl behindern als auch fördern. Die spirituelle Wandlung, welche der Yoga von der menschlichen Natur und ihrem individuellen Charakter fordert, ist daher sehr schwierig, man kann beinahe sagen, dass es die schwierigste aller menschlichen Bestrebungen und Bemühungen ist. Wenn die sattwischen und rajasischen Elemente veranlasst werden können, sie [die spirituelle Wandlung] zu unterstützen, vereinfacht das ihren Weg; doch selbst das sattwische Element kann sich durch sein Verhaftet sein mit alten Ideen, vorgefassten Meinungen, mentalen Vorlieben und einseitigen Beurteilungen sowie mit Ansichten und Gedankengängen, die sich der höheren Wahrheit in den Weg stellen, widersetzen. Das kinetische Element widersteht durch seinen Egoismus, seine Leidenschaften, Begierden und starke Bindungen, seine Eitelkeit und seinen Eigendünkel, seine ständige Gewohnheit zu fordern, und viele andere Hindernisse. Der Widerstand des Vitals hat einen ungestümeren Charakter als ihn die übrigen [Elemente] haben, und unterstützt die anderen mit der ihm eigenen Leidenschaft und Heftigkeit, was die Ursache der ganzen akuten Schwierigkeit, des Aufruhrs, der Umwälzung und Störung ist, die den Ablauf des Yogas beeinträchtigen. Das Göttliche ist da, aber Es missachtet nicht die Bedingungen, Gesetze und Umstände der Natur; diese Umstände sind es, unter denen Es all seine Arbeit tut, Seine Arbeit in der Welt und im Menschen und folglich auch im Sadhak, im Strebenden, selbst im Gott-Erkennenden und Gott-Liebenden; sogar der Heilige und Weise haben weiterhin Schwierigkeiten und werden durch ihre menschliche Natur behindert. Eine vollständige Befreiung und Vollendung oder das vollständige Besitzergreifen des Göttlichen [durch den Sadhak] und die Besitzergreifung [des Sadhaks] durch das Göttliche sind möglich, sie geschieht aber meist nicht durch ein schlichtes Wunder oder eine Reihe von Wundern. Das Wunder kann geschehen und geschieht, aber nur, wenn der Ruf voll gehört wird und das vollständige Selbstgeben der Seele und das gänzliche weiteste Sich -Öffnen der [menschlichen] Natur stattfindet.
Dennoch, wenn einmal der Ruf der Seele ergeht, auch wenn es nicht der volle Ruf ist, kann es, wie groß und hartnäckig die Schwierigkeiten auch sein mögen, keinen endgültigen, nicht wiedergutzumachenden Fehlschlag mehr geben; selbst wenn der Faden durchtrennt wurde, wird er wieder aufgenommen, zusammengeknüpft und bis zu seinem Ende verfolgt werden. In der [menschlichen] Natur selbst findet als Reaktion auf das innere Bedürfnis ein Wirken statt, das, wie langsam auch immer, das Ergebnis herbeiführt.
SRI AUROBINDO

Yoga hat immer seine Schwierigkeiten, welcher Yoga auch immer es sei. Außerdem wirkt Yoga auf jeden Suchenden anders. Einige haben zuerst die Schwierigkeiten ihrer Natur zu überwinden, bevor ihnen irgendwelche nennenswerten Erfahrungen zuteil werden, andere haben einen glanzvollen Beginn, und alle Schwierigkeiten kommen später, andere erleben für lange Zeit abwechselnd ein Aufsteigen zum Kamm der Woge und dann ein Absinken in den Schlund, und so fort, bis die Schwierigkeit abgebaut ist; andere wiederum haben einen ebenen Weg, was nicht bedeutet, dass sie keine Schwierigkeiten hätten – sie haben deren viele, aber es macht ihnen nichts aus, weil sie fühlen, dass das Göttliche ihnen dazu verhelfen wird, das Ziel zu erreichen, oder dass Es mit ihnen ist, auch wenn sie Es nicht fühlen – ihr Glaube macht sie unerschütterlich.
SRI AUROBINDO

Ich habe niemals gesagt, dass Yoga, oder dieser Yoga, ein sicherer und leichter Weg sei. Ich behaupte vielmehr, dass jeder, der den Willen hat hindurchzugehen, hindurchgehen kann. Wenn du hoch hinaus willst, besteht immer die Gefahr eines tiefen Sturzes, sofern du dein Flugzeug falsch steuerst. Aber die Gefahr besteht nur für jene, die einem Zwiespalt in sich stattgeben, indem sie hoch hinauswollen, gleichzeitig aber ihrer niedrigen Einstellung und ihren niederen Begierden nachgeben. Was kannst du anderes erwarten, wenn Menschen sich so verhaltene. Du musst zielstrebig sein, dann werden die Schwierigkeiten des Mentals und Vitals überwunden. Jene aber, die zwischen ihren Höhen und Abgründen hin- und herpendeln, sind immer in Gefahr, bis sie zielstrebig geworden sind. Das trifft für den ,Fortgeschrittenen‘ ebenso zu wie für den Anfänger. Es sind Tatsachen der Natur; ich kann nicht, nur um irgend jemand zu beruhigen, etwas anderes behaupten. Es gilt aber auch die Tatsache, dass niemand sich in dieser Gefahr aufzuhalten braucht. Zielstrebigkeit, Hingabe an das Göttliche, Glaube, wahre Liebe zum Göttlichen, vollständige Aufrichtigkeit des Willens, spirituelle Demut (die echte, nicht die äußerliche) – es gibt so viele Dinge, die einen Schutz gegen jede Möglichkeit eines Sturzes bieten. Ein Ausgleiten, ein Stolpern, Schwierigkeiten und Aufregungen kennt jeder; gegen diese Dinge kann man sich nicht absichern, wenn man aber diesen Schutz hat, sind sie etwas Vorübergehendes und helfen der Natur, zu lernen – es folgt ihnen dann ein rascherer Fortschritt.
SRI AUROBINDO

Das Problem ist, dass in jedem Menschen zwei Personen stecken (mindestens) – eine im äußeren Vital und Physischen, die sich an das vergangene Selbst klammert und versucht, die Zustimmung des Mentals und inneren Wesens zu erhalten oder zu sichern, und die andere, die Seele, die nach einer neuen Geburt verlangt. Das, was in dir gesprochen und gebetet hat, ist das seelische Wesen, das sich mit Hilfe des Mentals und höheren Vitals Ausdruck verschaffte, und dieses ist es, das sich immer in dir erheben sollte durch das Gebet und die Hinwendung zur Mutter, um dir die richtige innere Vorstellung und den richtigen Impuls zu geben.
Es ist wahr dass, wenn du die Tätigkeit, die der alte Adam vorschlägt, immer zurückweist, das ein großer Schritt vorwärts sein wird. Der Kampf wird dann auf die psychologische Ebene verlegt, wo es viel leichter ist, die Sache auszufechten. Ich leugne nicht, dass es eine Zeitlang Schwierigkeiten geben wird; aber wenn die Tätigkeit kontrolliert wird, muss sich notwendigerweise auch die Kontrolle des Denkens und Fühlens einstellen. Bei Nachgiebigkeit hingegen wird mit dem alten Selbst ein neuer Pachtvertrag geschlossen.
SRI AUROBINDO

Selbst die dich so erschreckende Erfahrung von Bewusstseinszuständen, in denen du Dinge sagst und tust, die deinem wahren Willen zuwiderlaufen, ist kein Grund zur Verzweiflung. In der einen oder anderen Form ist es eine allgemeine Erfahrung aller, die versuchen, sich über ihre gewöhnliche Natur zu erheben. Nicht nur diejenigen, welche den Yoga ausüben, sondern auch religiöse Menschen und sogar jene, die nur eine moralische Kontrolle und Selbstverbesserung suchen, sind dieser Schwierigkeit gegenübergestellt. Und es ist wiederum nicht der Yoga oder die Bemühung um Vollendung, wodurch dieser Zustand hervorgerufen wird – es gibt gegensätzliche Elemente in der menschlichen Natur und in jedem menschlichen Wesen, die es veranlassen, auf eine Weise zu handeln, welche sein besseres Mental missbilligt. Das widerfährt jedem, dem allergewöhnlichsten Menschen im allergewöhnlichsten Leben. Es wird nur dann für unser Mental sichtbar und deutlich, wenn wir versuchen, uns über unser gewöhnliches, äußeres Selbst zu erheben, denn dann können wir erkennen, dass es die niederen Elemente sind, die dazu veranlasst werden, bewusst gegen den höheren Willen zu revoltieren. Es scheint dann eine Zeitlang eine Teilung in der [menschlichen] Natur zu bestehen, weil das wahre Wesen und alles, was es stützt, zurücktritt und sich von diesen niederen Elementen trennt. Das eine Mal beherrscht das wahre Wesen den Bereich der Natur, ein anderes Mal stößt die niedere Natur, die von einer Gegenkraft benutzt wird, es zurück und besetzt das Feld – jetzt aber erkennen wir den Vorgang, während, wenn es früher geschah, wir uns über die Natur des Geschehnisses nicht im klaren waren. Wenn der feste Wille zum Fortschritt besteht, wird diese Teilung überwunden; und wenn auch in der geeinten Natur, in der um diesen Willen geeinten Natur, andere Schwierigkeiten auftauchen können, so wird diese Art von Missklang und Kampf aufhören.
SRI AUROBINDO

Du strebst nach einer Wandlung, vielleicht nach einer speziellen Wandlung; die Erwiderung auf dein Streben jedoch wird nicht sofort kommen, und mittlerweile wird deine Natur Widerstand leisten. Es geschieht folgendermaßen: in einem bestimmten Augenblick sieht es so aus, als hätte deine Natur nachgegeben, und du glaubst, du hättest das begehrte Ergebnis erlangt. Dein Streben verringert sich an Intensität, weil du der Meinung bist, du hättest das gewünschte Ergebnis erzielt. Der andere Bursche aber, der sehr schlau ist und ruhig in seiner Ecke wartet, springt auf wie ein Hampelmann, wenn du nicht auf der Hut bist, und dann beginnst du wieder ganz von vorne.
Wenn man aber die Wurzel der Sache ganz und gar auszureißen vermag?
Ah, dessen darf man sich nicht so sicher sein. Ich habe Menschen gekannt, die wollten die Welt retten, indem sie sie so sehr reduzierten, dass keine Welt mehr übrig blieb! Das ist der asketische Weg – du willst ein Problem beseitigen, indem du die Möglichkeit des Problems beseitigst. Das aber wird niemals etwas ändern.
Nein, es gibt eine Methode – eine sichere –, deine Methode aber muss sehr klarsichtig sein und erfordert ein hellwaches Bewusstsein deiner Person und dessen, was in ihr vor sich geht und wie die Dinge geschehen. Nimm das Beispiel von jemanden, der Anfälle von Wut und Gewalttätigkeit hat. Der einen Methode gemäß, würde man zu ihm sagen: „Sei so wütend, wie du willst, du wirst unter den Folgen deiner Wut leiden, und das wird dich kurieren.“ Darüber könnte man diskutieren. Einer anderen Methode gemäß, würde man zu ihm sagen: „Sitze auf deiner Wut, und sie wird verschwinden.“ Auch das könnte diskutiert werden. Immerhin würdest du stets darauf sitzen müssen, denn wenn du auch nur eine Minute aufständest, würdest du sehen, was passiert. Was also soll man tun?
Du musst mehr und mehr bewusst werden. Du musst beobachten, wie die Dinge geschehen, auf welchem Weg die Gefahr sich nähert, du musst dich ihr in den Weg stellen, bevor sie dich erfassen kann. Wenn du dich von einem Fehler oder einer Schwierigkeit kurieren willst, gibt es nur eine Methode: ganz und gar wachsam zu sein, ein sehr achtsames, hellhöriges Bewusstsein zu haben. Zunächst musst du sehr klar erkennen, was du willst. Du darfst nicht zögern und voller Zweifel sagen: „Soll ich dies tun oder nicht, gehört es zum ganzen oder nicht?“ Wenn du deinem Mental traust, wirst du erkennen, dass es immer hin und her pendelt: es ist immer unschlüssig. Wenn du eine Entscheidung triffst, wird es alle möglichen Argumente hervorbringen, um dir zu zeigen, dass deine Entscheidung nicht gut ist, und du wirst zwischen ,ja‘ und ,nein‘ hin- und herschwanken, zwischen schwarz und weiß, und bei nichts anlangen. Daher musst du zuerst genau wissen, was du willst – nicht mental wissen, sondern durch Konzentration, durch Streben und einen sehr bewussten Willen. Das ist der wichtige Punkt. Danach, allmählich, durch Beobachtung, durch standhafte Wachsamkeit, musst du eine bestimmte Methode entwickeln, die dir persönlich eigen ist – es ist sinnlos, andere überzeugen zu wollen, die gleiche Methode anzunehmen, denn das führt zu keinem Erfolg. Jeder muss seine eigene Methode finden, jeder muss seine eigene Methode haben, und in dem Maß, wie du deine Methode in die Praxis umsetzt, wird sie klarer und klarer werden und immer genauer. Du kannst einen bestimmten Punkt korrigieren, einen anderen klar machen usw. So, nun fängst du zu arbeiten an.… Eine Zeit lang wird alles gut gehen. Dann, eines Tages, siehst du dich einer unüberwindbaren Schwierigkeit gegenüber und wirst dir sagen: „Ich habe all dies getan, und dennoch ist alles so schlimm wie zuvor“. In diesem Fall musst du dich noch anhaltender konzentrieren, eine innere Tür in dir öffnen und in diese Bewegung eine Kraft einbringen, die zuvor nicht da war, einen Bewusstseinszustand, der zuvor nicht vorhanden war. Und dann, wenn deine eigene persönliche Kraft erschöpft und nicht länger wirksam ist, wird eine [andere] Kraft da sein. Wenn es mit der eigenen persönlichen Kraft zu Ende geht, sagen die durchschnittlichen Menschen: „Na gut, ich kann nichts weiter tun, es ist vorbei.“ Doch sage ich dir, wenn du dich vor dieser Wand befindest, ist es der Anfang von etwas Neuem. Durch hartnäckige Konzentration musst du auf die andere Seite der Wand gelangen, und dort wirst du neues Wissen finden, eine neue Kraft, eine neue Macht, eine neue Hilfe, und du wirst fähig sein, ein neues System auszuarbeiten, eine neue Methode, die dich mit Sicherheit sehr weit bringen wird.
DIE MUTTER

Die Natur deiner Schwierigkeit weist auf die Natur des Sieges hin, den du erringen wirst, des Sieges, den du im Yoga deutlich machen wirst. Wenn daher eine hartnäckige Selbstsucht besteht, weist das auf eine Verwirklichung von Universalität als deiner hervorragendsten Errungenschaft in der Zukunft hin. Und wenn Selbstsucht vorhanden ist, hast du auch die Macht, genau diese Schwierigkeit in ihr Gegenteil umzuwandeln, in einen Sieg von größter Weite.
Wenn du etwas zu verwirklichen hast, wirst du in dir genau die Eigenschaft finden, die das Gegenteil von diesem Etwas ist. Und angesichts des Fehlers, der Schwierigkeit, sagst du: „Oh, so bin ich! Wie schrecklich.“ Doch solltest du die Wahrheit der Situation sehen. Sage dir: „Meine Schwierigkeit zeigt mir deutlich, was ich letzten Endes verkörpern soll. Das absolute Gegenteil davon zu erreichen, die Eigenschaft am anderen Ende – das ist meine Aufgabe.“
Selbst im gewöhnlichen Leben haben wir manchmal die Erfahrung der Gegensätze. Derjenige, der sehr schüchtern ist und keinen Mut hat, erweist sich, wenn es nötig ist, als fähig, das meiste zu ertragen.
Für denjenigen, der die Aspiration nach dem Göttlichen hat, ist die Schwierigkeit, die immer vor ihm liegt, das Tor, durch welches er Gott in seiner eigenen individuellen Weise erlangen wird; es ist sein spezieller Pfad zur Göttlichen Verwirklichung.
Wenn jemand hundert Schwierigkeiten hat, bedeutet es, dass er eine gewaltige Verwirklichung haben wird – auch das ist eine Tatsache – vorausgesetzt natürlich, dass er Geduld und Ausdauer hat und er die strebende Flamme Agnis gegen jene Mängel am Brennen erhält.
Und vergiss nicht: die Gnade des Göttlichen ist meist proportional zu deinen Schwierigkeiten.
DIE MUTTER

Du hast gesagt: „Jeder besitzt … zwei konträre Tendenzen in seinem Charakter… die wie Licht und Schatten der gleichen Sache sind.“ 9
Warum sind die Dinge so? Kann man nicht nur Licht haben?
Doch, wenn man den Schatten ausmerzt. Aber er muss ausgemerzt werden. Das geschieht nicht von selbst. Die Welt, wie sie ist, ist eine gemischte Welt. Es gibt kein Objekt, welches das Licht von der einen Seite empfängt, ohne einen Schatten auf die andere zu werfen. Das ist einfach so, und tatsächlich ist es der Schatten, der dich das Licht sehen lässt. Die Welt ist so, und wenn man nur Licht will, muss man mit Sicherheit durch die volle Disziplin gehen, die erforderlich ist, um den Schatten zu eliminieren. Das ist es, was ich ein wenig ausführlicher erklärt habe; ich habe gesagt, dass dieser Schatten wie ein Hinweis auf das ist, was du in deiner Natur zu bewältigen hast, um das zu verwirklichen, wofür du gekommen bist. Wenn du eine Rolle zu spielen, eine Mission zu erfüllen hast, wird die Hauptschwierigkeit, die dich an der Verwirklichung hindert, immer in dir sein und somit in deiner Reichweite. Wenn du eine Schwierigkeit zu bekämpfen hättest, die überall auf Erden ist, wäre das sehr schwierig (du müsstest ein sehr weites Bewusstsein und sehr große Macht haben), während der Schatten oder Fehler, den du nur in deiner eigenen Natur überwinden musst – nun, er ist da, in deiner Reichweite: du siehst die ganze Zeit über die Auswirkungen dieser Sache und kannst sie unmittelbar bekämpfen, sofort. Es ist sehr praktisch eingerichtet.
DIE MUTTER

Der ganze Zweck des Yoga ist, all die auseinanderstrebenden Teile [deines Wesens] zusammenzusammeln und sie zu einer ungeteilten Einheit zu schmieden. Bis dahin kannst du nicht hoffen, ohne Schwierigkeiten zu sein – Schwierigkeiten wie zum Beispiel Zweifel, Niedergeschlagenheit oder Unschlüssigkeit. Die ganze Welt ist voll des Giftes. Du atmest es mit jedem Atemzug ein. Wenn du ein paar Worte mit einer unangenehmen Person wechselst oder wenn so eine Person nur an dir vorbeigeht, kannst du von ihrem Gift angesteckt werden. Es genügt, wenn du in die Nähe eines Ortes kommst, wo die Pest herrscht, um von dem Gift infiziert zu werden; du brauchst gar nicht zu wissen, dass es vorhanden ist. Du kannst in ein paar Minuten verlieren, was zu gewinnen Monate gedauert hat. Solange du zur Menschheit gehörst und solange du das gewöhnliche Leben führst, macht es nicht viel aus, wenn du mit den Menschen dieser Welt verkehrst; wenn du aber das Göttliche Leben willst, musst du außerordentlich vorsichtig hinsichtlich deines Umgangs und deiner Umgebung sein.
DIE MUTTER

Natürlich, je geradliniger das Streben ist, um so rascher ist der Fortschritt. Die Schwierigkeit entsteht, wenn sich entweder das Vital mit seinen Begierden oder das Physische mit seinen alten gewohnheitsmäßigen Regungen einmischt – wie es beinahe jedem geschieht. Hierdurch entstehen dann Dürre und Widerstand in einem spontanen Streben. Diese Dürre ist ein wohlbekanntes Hindernis in jeder Sadhana. Man muss jedoch ausharren und darf sich nicht entmutigen lassen. Wenn man seinen Willen in diesen unfruchtbaren Zeitspannen aufrecht erhält, werden sie vorübergehen, und nachher wird eine größere Kraft des Strebens und der Erfahrung möglich werden.
SRI AUROBINDO

Die Auf- und Abbewegung, von der du sprichst, ist allen Yogawegen gemein. Es gibt sie auf dem bhakti-Weg, es gibt aber auch den Wechsel von Zuständen des Lichtes und der Finsternis; und zuweilen, wenn man dem Pfad des Wissens folgt, ist es eine völlige und anhaltende Finsternis. Diejenigen, die okkulte Erfahrungen haben, erleben Zeiten, in denen alle Erfahrungen aufhören und sogar für immer beendet zu sein scheinen. Selbst viele und dauerhafte Verwirklichungen scheinen hinter dem Schleier zurückzutreten und im Vordergrund nichts als eine dumpfe Leere zurückzulassen, die, wenn überhaupt mit etwas, lediglich mit immer wiederkehrenden Angriffen und Schwierigkeiten erfüllt ist. Dieser wiederholte Wechsel wird durch die Beschaffenheit des menschlichen Bewusstseins verursacht und ist kein Beweis für Untauglichkeit oder ein vorbestimmtes Versagen. Man muss darauf gefasst sein und hindurchgehen. Es ist „der Tag und die Nacht“ der vedischen Mystiker.
SRI AUROBINDO

Jeder kennt diesen wiederholten Wechsel, denn das ganze Bewusstsein ist nicht fähig, immer in [dem Bereich] der höheren Erfahrung zu bleiben. Wichtig ist, dass zwischenzeitlich Ruhe herrscht, zumindest im inneren Wesen, keine Rastlosigkeit, kein Unbefriedigtsein, kein Kampf. Wenn dies erreicht wird, kann die Sadhana reibungslos weitergehen – nicht, dass es keine Schwierigkeiten mehr gäbe, aber Unruhe und Unbefriedigtsein usw. usw. werden nicht mehr vorhanden sein.
SRI AUROBINDO

Der Grund für diesen wiederholen Wechsel, über den du dich beklagst, liegt in der Natur des Bewusstseins; nach einer kleinen Weile der Wachsamkeit fühlt es das Erfordernis, ein wenig zu schlafen. Zu Beginn ist sehr häufig das Wachsein kurz und das Schlafen lang; nachher wird es annähernd gleich lang, und schließlich werden die Schlafperioden immer kürzer. Eine andere Ursache für diesen wiederholten Wechsel während [der Zeit] des Empfangens liegt in dem Bedürfnis der Natur, sich zu verschließen, um zu assimilieren. Sie kann möglicherweise viel empfangen, kann aber während der Dauer der Erfahrung nicht alles, was diese bringt, richtig aufnehmen – daher verschließt sie sich zur Assimilation. Eine dritte Ursache tritt während der Zeit der Umwandlung auf – ein Teil der Natur wandelt sich, und man hat das Gefühl, als hätte eine vollständige und dauerhafte Wandlung stattgefunden. Dann aber folgt die Enttäuschung, wenn man merkt, dass sie [die Wandlung] beendet ist, und dass eine Periode der Dürre oder des abgesunkenen Bewusstseins folgt. Der Grund hierfür ist, dass ein anderer Teil des Bewusstseins zur Wandlung hervortritt und eine Periode der Vorbereitung und des verhüllten Wirkens folgt, die eine Zeit der Nicht-Erleuchtung oder gar noch Schlimmeres zu sein scheint. Diese Dinge alarmieren, enttäuschen oder verwirren den Eifer und die Ungeduld des Sadhaks; wenn man sie aber ruhig hinnimmt und Nutzen aus ihnen zu ziehen weiß oder die richtige Haltung einnimmt, kann man auch diese unerleuchteten Zeiten zu einem Teil der bewussten Sadhana machen.
SRI AUROBINDO

Der wahre Grund der Schwierigkeit und des fortwährenden Wechsels ist der Kampf zwischen dem verhüllten wahren Wesen im Inneren und der äußeren Natur, besonders dem niederen Vital voller Begierden und dem physischen Mental voller Finsternis und Unwissenheit. Der Kampf ist unvermeidlich in der menschlichen Natur, und kein Sadhak kann ihm entrinnen; jeder muss sich mit dieser Finsternis und diesem Widerstand auseinandersetzen, mit ihrer Hartnäckigkeit und ständigen Rückkehr; es ist nicht nur die niedere Natur, die in ihren Wiederholungen und ihrer Wiederkehr so beharrlich ist; denn selbst, wenn sie im Begriff ist, sich zu wandeln, versuchen die allgemeinen Mächte dieser Ebene in der universalen Natur den Widerstand aufrechtzuerhalten, indem sie die alten Bewegungen bei jedem Schritt zurückholen, um zu verhindern, dass der Fortschritt für immer gefestigt und endgültig sei. Es trifft daher zu, dass eine beharrliche und ununterbrochene Sadhana notwendig ist, wenn man schnell vorankommen will; doch selbst im anderen Fall wird man am Ziel anlangen, wenn an die Seele im Inneren der Ruf ergeht; denn die Seele harrt aus, und nach jeder Verfinsterung oder jedem Straucheln bringt sie das Licht zurück und treibt dich auf dem Pfad voran, bis sie sich schließlich eines glatten und leichten Marsches zum Ziel gewiss ist.
SRI AUROBINDO

Selbst bevor die Ruhe bringende Läuterung der äußeren Natur hinreichend bewirkt wurde, oder sogar vorher, kann man die Wand niederbrechen, die unser inneres Wesen von unserem äußeren Bewusstsein trennt, durch eine starke Kraft des Anrufes und des Strebens, durch einen ungestümen Willen, eine heftige Bemühung oder eine wirksame Disziplin oder Übung; doch es mag eine verfrühte Bewegung sein und nicht ohne ernsthafte Gefahren. Während man sich nach innen wendet, mag man sich inmitten eines Chaos von ungewohnten und übernormalen Erfahrungen wiederfinden, zu denen man nicht den Schlüssel hat oder [man kann] einem Druck von unterschwelligen oder kosmischen Kräften ausgesetzt sein – unterbewusste, mentale, vitale, feinstoffliche –, die übermäßig das Wesen beeinflussen oder es auf chaotische Weise antreiben, die es in einer dunklen Höhle einschließen oder fortwährend in einer Wildnis aus Blendwerk, Verlockung und Täuschung umherwandern lassen, oder es in ein obskures Schlachtfeld stoßen, das voller geheimer, verräterischer und irreführender oder offener und gewaltsamer Widerstände ist; Wesen und Stimmen und Einflüsse mögen dem inneren Sinn, der inneren Schau und dem inneren Hören erscheinen, die vorgeben, das Göttliche Wesen zu sein, oder Seine Boten oder Mächte oder Gottheiten des Lichts oder Führer auf dem Pfad zur Verwirklichung, während sie in Wirklichkeit von ganz anderer Natur sind. Wenn zu viel Egoismus in der Natur des Suchenden ist oder eine starke Leidenschaft, ein übermäßiger Ehrgeiz, wenn Eitelkeit oder eine andere beherrschende Schwäche vorhanden ist, eine Unklarheit des Mentals, ein schwankender Wille oder eine Schwäche in der Lebenskraft, eine Unstetigkeit oder ein Mangel an Gleichgewicht, wird er voraussichtlich von einem dieser Mängel ergriffen werden und scheitern oder vom wahren Weg des inneren Lebens abweichen und falsche Pfade suchen oder in einem dazwischenliegenden Chaos von Erfahrungen umherwandern und seinen Weg zur wahren Verwirklichung nicht mehr finden. Diese Gefahren waren einer vergangenen spirituellen Erfahrung wohlbekannt und man begegnete ihnen durch die Auferlegung einer obligatorischen Initiation, einer Disziplin, durch Methoden der Läuterung und der Prüfung durch ein Gottesurteil, eine völlige Unterwerfung an die Anweisungen des Pfad-Finders oder des Führenden auf dem Pfad, eines, der die Wahrheit verwirklicht hat und selbst das Licht und die Erfahrung besitzt und sie weiterzugeben vermag, eines Führers, der stark genug ist, die Hand zu ergreifen und über schwierige Passagen hinwegzuleiten und den Weg zu lehren und darzulegen. Selbst dann wird es Gefahren geben, die allein dann überwunden werden können, wenn eine vollkommene Aufrichtigkeit besteht oder heranwächst, ein Wille zur Reinheit, eine Bereitschaft, der Wahrheit zu gehorchen, eine Überantwortung an den Höchsten, eine Bereitwilligkeit, das begrenzende und geltungssüchtige Ego einem göttlichen Joch zu unterwerfen, in dem es sich verliert. Diese Dinge sind die Zeichen, dass der wahre Wille zur Verwirklichung, zur Umkehr des Bewusstseins, zur Umwandlung besteht und das erforderliche Stadium in der Evolution erreicht ist: in diesem Zustand können die Mängel in der Natur des menschlichen Wesens den Wandel vom mentalen zum spirituellen Status nicht dauerhaft behindern; der Vorgang mag niemals ganz einfach sein, doch der Weg wurde geöffnet und begehbar gemacht.
SRI AUROBINDO

Alles einmal Gewonnene ist vorhanden und kann wiedergewonnen werden. Yoga ist nicht etwas, das durch einen entscheidenden Vorstoß auf die eine oder andere Weise vor sich geht – es ist das Aufbauen eines neuen Bewusstseins, voller Aufwärts- und Abwärtsbewegungen. Wenn man aber dabei bleibt, führen die Aufwärtsbewegungen, indem sie sich summieren, zu einer entscheidenden Wende. Jammere nicht, wenn du einen Sturz getan hast, und sage: „Es ist um mich geschehen“, sondern stehe auf, schüttle den Staub ab und gehe auf dem rechten Pfade weiter.
SRI AUROBINDO
9 „… jeder besitzt in großem Ausmaß, und das außergewöhnliche Individuum mit zunehmender Genauigkeit, zwei einander entgegengerichtete Tendenzen des Charakters, in nahezu gleichem Verhältnis, die wie Licht und Schatten der selben Sache sind. So wird jemand, der die Eigenschaft besitzt, außerordentlich großzügig zu sein, plötzlich eine hartnäckige Habsucht in seiner Natur aufsteigen fühlen, der Mutige wird zum Feigling in einem Teil seines Wesens, und der gute Mensch wird plötzlich niederträchtige Impulse haben. Solcherart stattet das Leben scheinbar einen jeden nicht nur mit der Möglichkeit aus, ein Ideal auszudrücken, sondern auch mit konträren Elementen, und zeigt ihm so die Schlacht, die er auszufechten hat, und den Sieg, den er erringen muss, damit die Verwirklichung möglich wird.“ (Die Mutter, 12:19)
