DAS SEELISCHE WESEN UND INNERES WACHSEN
Es ist notwendig, den Unterschied zwischen der sich entfaltenden Seele [dem seelischen Wesen] und dem reinen Atman, dem Selbst oder Spirit klar zu verstehen. Das reine Selbst ist ungeboren, es durchläuft weder Tod noch Geburt und ist unabhängig von Geburt oder Körper, von Mental oder Leben oder dieser manifestierten Natur. Es wird durch diese Dinge weder gebunden noch eingeschränkt, noch beeinträchtigt, obwohl es sie annimmt und stützt. Im Gegensatz hierzu ist die Seele etwas, das in die Geburt herabkommt und den Tod durchläuft – obwohl sie selbst nicht stirbt, da sie unsterblich ist – und von einem Zustand zum anderen, von der Erdebene zu anderen Ebenen und wieder zurück zum Erdendasein wandert. Sie schreitet von Leben zu Leben voran durch eine Evolution, die sie zum menschlichen Zustand emporführt, und entfaltet in all dem ein Wesen ihrer selbst, das wir das seelische Wesen nennen, welches die Evolution stützt; sie entwickelt ein physisches, vitales und mentales menschliches Bewusstsein als ihre Instrumente der Welterfahrung und eines verhüllten, unvollständigen, doch wachsenden Selbstausdrucks. All dies tut sie hinter dem Schleier und offenbart von ihrem göttlichen Selbst nur soviel, wie es die Unzulänglichkeit des instrumentalen Wesens zulässt. Es kommt jedoch eine Zeit, in der sie sich darauf vorbereiten kann, hinter dem Schleier hervorzutreten, die Führung zu übernehmen und die gesamte instrumentale Natur einer göttlichen Erfüllung zuzuwenden. Dies ist der Beginn des wahren spirituellen Lebens. Die Seele ist nunmehr fähig, sich für eine höhere Evolution des verkörperten Bewusstseins als die des mentalen menschlichen bereitzumachen – sie kann vom mentalen zum supramentalen Zustand fortschreiten. Bis dahin aber gibt es keinen Grund, warum sie sich vom Geborenwerden abkehren sollte, und tatsächlich ist sie hierzu gar nicht in der Lage. Erst nach der Erreichung des spirituellen Zustandes kann sie die Erdmanifestation verlassen; es ist aber auch eine höhere Manifestation möglich – im Wissen, und nicht in der Unwissenheit.
SRI AUROBINDO

Das menschliche Individuum ist ein sehr komplexes Wesen; es ist aus unzähligen Elementen zusammengesetzt, wovon jedes eine unabhängige Wesenheit ist und beinahe eine eigene Personalität besitzt. Nicht nur das, die widersprüchlichsten Elemente wohnen beieinander. Wenn eine bestimmte Qualität oder Fähigkeit vorhanden ist, findet sich Seite an Seite damit das krasse Gegenteil davon, es gleichsam zunichte machend und in sich aufnehmend. Ich habe einen Mann gekannt, tapfer, mutig, bis zum Äußersten heroisch, vor keiner Gefahr zurückschreckend, sich gelassen dem höchsten Risiko aussetzend, wirklich der Tapferste der Tapferen; und dennoch habe ich gesehen, wie der gleiche Mann sich wie der größte Feigling im höchsten Maß erschreckt angesichts gewisser Umstände duckte. Ich habe einen sehr freigiebigen Mann gekannt, der Dinge im Großen weggab, freizügig, ohne Ausgaben oder Opfer zu scheuen, unbesorgt und rückhaltlos; die gleiche Person war der abstoßendste Geizhals hinsichtlich gewisser anderer Überlegungen. Und wiederum habe ich einen höchst intelligenten Menschen gekannt, mit einem klaren Mental, voller Licht und Verstand, mit Leichtigkeit die Logik und den Zusammenhang eines Themas begreifend, aber auch er verriet, wie ich gesehen habe, die äußerste Dummheit, derer selbst ein gewöhnlicher Mensch ohne Erziehung oder Intelligenz nicht fähig wäre. Das sind keine theoretischen Beispiele: ich bin solchen Menschen tatsächlich begegnet.
Die Komplexität liegt nicht nur in der Weite, sondern auch in der Tiefe. Man lebt nicht nur auf einer einzelnen Ebene, sondern auf vielen Ebenen zur gleichen Zeit. Es gibt eine Staffelung im menschlichen Bewusstsein: je höher man in der Staffelung steigt, desto größer ist die Zahl der Elemente oder Persönlichkeiten, die man besitzt. Ob man meist oder hauptsächlich auf der physischen oder vitalen oder mentalen Ebene lebt, oder auf den Ebenen darüber und jenseits von ihnen, zeitigt entsprechende Unterschiede in der Beschaffenheit oder dem psycho-physischen Make-up der individuellen Persönlichkeit. Je höher man steht, umso reicher ist die Persönlichkeit, denn sie lebt nicht nur auf ihrer eigenen normalen Ebene, sondern auch auf allen Ebenen darunter, die sie überschritten hat. Manche Okkultisten sagen, dass der vollständige oder integrale Mensch 365 Personalitäten besitzt; tatsächlich aber mögen es viel mehr sein. Die Veden sprechen von den drei und den dreiunddreißig und den dreiunddreißig-hundert und den dreiunddreißig-tausend Göttern, die das menschliche Fahrzeug beherbergen kann – die zugrundeliegende drei ist offensichtlich der dreifache Status oder die dreifache Welt von Körper, Leben und Mental.
Was bedeutet dieser Widerspruch in sich, diese Teilung im Menschen? Um das zu verstehen, müssen wir wissen und uns daran erinnern, dass jede Person eine bestimmte Eigenschaft oder Fähigkeit vertritt, eine bestimmte zu verkörpernde Errungenschaft. Wie kann es am besten geschehen? Wie kann man eine Eigenschaft in ihrer höchsten Reinheit, Höhe und Vollendung erwerben? Es geschieht, indem man sie ihrem Gegenteil gegenüberstellt. Auf diese Weise wird eine Kraft gemehrt und gestärkt – indem man gegen alles kämpft und alles überwindet, was sie schwächt und im Widerspruch zu ihr steht. Die Mängel hinsichtlich einer bestimmten Eigenschaft zeigen dir, wo du auszubessern und zu verstärken hast, und auf welche Weise sie zu verbessern ist, um sie wirklich ganz perfekt zu machen. Es ist der Hammer, der das schwache und weiche Eisen schlägt, um es in harten Stahl umzuwandeln. Der vorangehende Missklang muss für eine höhere Harmonie genutzt werden. Das ist das Geheimnis, weshalb der Mensch mit sich selbst in Widerstreit liegt. Du bist am schwächsten in gen au dem Element, das bestimmt ist, dein größter Vorzug zu sein.
Jeder Mensch hat demnach im Universum eine Aufgabe zu erfüllen, eine Rolle zu spielen, eine Rolle, die für den Kosmischen Zweck zu lernen und anzunehmen ihm gegeben wurde, eine Rolle, die er allein darzustellen vermag und kein anderer. Diese muss er durch Lebenserfahrungen lernen und sich aneignen, das heißt nicht in einem Leben, sondern in einem Leben nach dem anderen. Tatsächlich ist das die Bedeutung der Lebenskette, die der Einzelne durchlaufen muss, nämlich Erfahrungen zu erwerben und von ihnen den Faden für das Muster des Lebens, das er zu weben hat, aufzunehmen – den Strang von Eigenschaften und Attributen, Mächten und Fähigkeiten. Nun, das innerste Wesen, die wahre Persönlichkeit, das zentrale Bewusstsein des sich entfaltenden Individuums ist sein seelisches Wesen. Es ist gleichsam ein winziger Funken von Licht, der in durchschnittlichen Menschen weit hinter den Erfahrungen des Lebens liegt. In ausgewachsenen Seelen besitzt dieses seelische Bewusstsein ein vermehrtes Licht – vermehrt an Intensität, Volumen und Reichhaltigkeit. Das ist der Grund, weshalb es alte und neue Seelen gibt. Alt und aus alter Zeit herkommend sind jene, die im Begriff sind, die Fülle der Vollkommenheit zu erreichen; sie sind durch die lange Geschichte unzähliger Leben gewandert und haben die höchst komplexe und dennoch die am meisten integrierte Persönlichkeit entwickelt. Neue Seelen sind jene, die gerade aufgetaucht sind, oder im Begriff sind, aus der physisch-vitalen Existenz aufzutauchen; sie gleichen einfachen Organismen, die aus wenigen Bestandteilen bestehen, meist auf das physische Leben bezogen mit nur einer winzigen Quantität von Mental. Es ist jedoch die Seele, die mit den Erfahrungen wächst, und es ist die Seele, die die Persönlichkeit aufbaut und bereichert. Welchem Teil des äußeren Lebens auch immer, welchem Element im Mental, Vital oder Körper es auch gelingt, in Kontakt mit dem seelischen Bewusstsein zu kommen – das heißt, dem es gelingt, unter seinen Einfluss zu geraten – wird aufgenommen und dort beherbergt: er verbleibt im seelischen Wesen als lebendige Erinnerung und dauernder Besitz. Diese Elemente sind es, die die Grundlage, das Fundament formen, auf dem die Struktur der integralen, wahren Persönlichkeit aufgebaut wird.
Das erste also, was zu tun ist, ist herauszufinden, was du verwirklichen sollst, welches die Rolle ist, die du zu spielen hast, deine besondere Mission, sowie die Fähigkeit oder Eigenschaft, die du ausdrücken sollst.… Das hast du zu entdecken, und auch das Ding oder die Dinge, die dem entgegengerichtet sind und sein Blühen oder seine volle Manifestation verhindern. In anderen Worte, du musst dich kennen, deine Seele oder dein seelisches Wesen erkennen.
Hierfür hast du absolut aufrichtig und unvoreingenommen zu sein. Du musst dich beobachten, als würdest du eine dritte Person beobachten und kritisieren. Du darfst nicht mit der Vorstellung beginnen, dass irgendetwas deine Lebensaufgabe ist, etwas deine besondere Fähigkeit ist, dass du dieses oder jenes tun musst, dass hierin dein Talent oder Genius liegt usw. Das wird dich von der rechten Spur fortführen. Nicht die Neigung oder Abneigung des äußeren Wesens, nicht deine mentale oder vitale oder physische Wahl wird die wahre Linie deines Wachsens entscheiden. Du solltest aber auch nicht die gegenteilige Haltung einnehmen und sagen: „Ich tauge nicht zu dieser Sache, ich bin unbrauchbar für jene; es ist nichts für mich“. Weder Eitelkeit noch Arroganz noch Selbstherabwürdigung und falsche Bescheidenheit sollten dich motivieren. Wie ich sagte, du hast völlig unvoreingenommen und unbesorgt zu sein. Du solltest wie ein Spiegel sein, der die Wahrheit reflektiert und der nicht urteilt.
Wenn du fähig bist, eine derartige Haltung zu bewahren, wenn du diese Gelassenheit, dieses ruhige Vertrauen in deinem Wesen hast und auf das wartest, was dir enthüllt werden mag, dann wird etwas, geschehen, etwa so: du bist gleichsam in einem Wald, finster und lautlos; vor dir siehst du eine Wasserfläche, dunkel und still, kaum sichtbar, ein kleiner Teich, in Finsternis gebettet; und langsam fällt darauf ein Mondstrahl, und in dem kühlen, fahlen Licht taucht die ruhige, schimmernde Oberfläche auf. Auf die gleiche Weise wird die geheime Wahrheit deines Wesens erscheinen und sich dir bei deinem ersten Kontakt damit zeigen; dort wirst du allmählich die Spiegelung der wahren Eigenschaften deines Wesens erkennen, die Züge deiner göttlichen Persönlichkeit, was du wirklich bist und was du sein sollst.
Einer, der sich derart erkannt und besessen hat, allen Widerstand in sich besiegend, hat durch eben diese Tatsache sich und seinen Sieg ausgedehnt und es für andere leichter gemacht, den gleichen oder einen ähnlichen Sieg zu erringen. Diese sind die Pioniere oder die Elite, die durch einen siegreichen Kampf in sich den anderen zu ihrem Sieg verhelfen.
DIE MUTTER

Hier steht geschrieben: „Unser Ziel muss das Göttliche selbst sein, nach dem sich in unserer geheimen Natur, wissend oder unwissend, immer etwas sehnt.“ Was ist dieses Etwas, das sich sehnt?
Es ist ein Teil des Wesens, nicht immer derselbe in jedem, der instinktiv dem Einfluss der Seele offen ist.
Es gibt immer einen Teil – manchmal wirklich sehr verhüllt, dessen wir uns nicht bewusst sind – etwas im Wesen, das der Seele zugewandt ist und ihren Einfluss empfängt. Dies ist der Mittler zwischen dem seelischen Bewusstsein und dem äußeren Bewusstsein.
Es ist nicht in jedem der gleiche; in jedem ist er verschieden. Es ist der Punkt in seiner Natur oder seinem Charakter, durch den er die Seele berühren kann, durch den er den seelischen Einfluss empfangen kann. Es hängt von den Menschen ab; bei jedem ist es verschieden; jeder hat solch einen Punkt.
Manchmal fühlst du, dass es gewisse Dinge gibt, die dich plötzlich treiben, dich über dich selbst erheben, eine Art Tür öffnen zu etwas Größerem. Es können viele Dinge sein; und es hängt von der Natur eines jeden ab. Es ist jener Teil des Wesens, der von etwas begeistert ist; es ist diese Fähigkeit, Enthusiasmus zu haben.
Es gibt zwei hauptsächliche Dinge. Das eine ist die Fähigkeit, Enthusiasmus zu haben, die einen eine mehr oder weniger große Trägheit überwinden lässt, um sich mehr oder weniger ganz in jene Sache zu werfen, die einen wachgerüttelt hat. Zum Beispiel den Künstler in seine Kunst, den Wissenschaftler in seine Wissenschaft. Und im allgemeinen ist jede Person, die erschafft oder gestaltet, offen, offen für eine besondere Fähigkeit, eine besondere Möglichkeit, die den Enthusiasmus in ihr auslöst. Wenn diese aktiv ist, erwacht etwas im Wesen, und beinahe das ganze Wesen nimmt an dem Geschehnis teil.
Das ist das eine. Und dann gibt es jene, die eine angeborene Fähigkeit zur Dankbarkeit haben, die ein glühendes Bedürfnis haben zu reagieren, mit Wärme zu reagieren, mit Hingabe, mit Freude auf etwas, von dem sie fühlen, dass es wie ein Wunder hinter dem ganzen Leben verborgen ist, hinter dem winzigsten kleinen Element, dem unbedeutendsten kleinen Ereignis des Lebens, die diese höchste Schönheit oder unendliche Gnade fühlen, die hinter allen Dingen ist.
Ich kannte Menschen, die sozusagen keinerlei Wissen von irgend etwas hatten, die kaum eine Erziehung genossen hatten, deren Mental von ganz durchschnittlicher Art war, und die in sich diese Fähigkeit der Dankbarkeit hatten, der Wärme, die sich, gibt, die Fähigkeit, zu verstehen und dankbar zu sein.
Nun, für sie war der Kontakt mit der Seele ein sehr häufiger, ein beinahe konstanter und, in dem Ausmaß,. wie sie dazu fähig waren, ein bewusster – nicht sehr bewusst, doch ein wenig – in dem Sinn, dass sie fühlten, dass sie getragen wurden, ihnen geholfen wurde, dass sie über sich selbst erhoben wurden.
Diese beiden Dinge bereiten den Menschen am meisten vor. Sie werden mit einem von beiden geboren; und wenn sie sich die Mühe nehmen, entwickelt es sich allmählich, es wächst und wird größer.
Wir sagen: die Fähigkeit zum Enthusiasmus, etwas, das dich aus deinem elenden und gemeinen kleinen Ego hinauswirft; und die hochherzige Dankbarkeit, die Fülle der Dankbarkeit, die sich ebenfalls im Danken aus dem kleinen Ego hinauswirft. Dies sind die beiden machtvollsten Druckmittel, um in der Seele den Kontakt mit dem Göttlichen herzustellen. Sie dienen als Bindeglied zum seelischen Wesen – das sicherste Bindeglied.
DIE MUTTER

Mutter, in jedem neuen Leben sind sowohl das Mental und Vital als auch der Körper neu; wie können dann die Erfahrungen der vergangenen Leben nützlich für sie sein? Müssen wir durch alle Erfahrungen noch einmal hindurch?
Das hängt von den Menschen ab!
Es ist nicht das Mental und Vital, das sich von Leben zu Leben entwickelt und Fortschritte macht – außer in ganz außergewöhnlichen Fällen und bei einem sehr fortgeschrittenem Stadium der Evolution –, es ist die Seele. Nun also, das ist es, was geschieht: die Seele hat alternierende Zeitspannen von Tätigkeit und Ruhe; sie hat ein Leben des Fortschritts, das aus den Erfahrungen des physischen Lebens resultiert, eines aktiven Lebens in einem physischen Körper, mit all den Erfahrungen des Körpers, des Vitals und Mentals; dann begibt sich die Seele normalerweise in eine Art Ruhezustand zur Assimilation, in welchem das Ergebnis des Fortschritts, der während ihres aktiven Daseins erzielt wurde, ausgearbeitet wird; nun, wenn diese Assimilation beendet ist, wenn sie den Fortschritt absorbiert hat, den sie in ihrem aktiven Leben auf Erden vorbereitete, kommt sie wiederum in einen neuen Körper herunter und bringt das Ergebnis all ihres Fortschritts mit; und in einem fortgeschrittenem Stadium wählt sie sogar die Umgebung, die Art des Körpers und die Art des Lebens, in denen sie leben wird, um ihre Erfahrung hinsichtlich des einen oder anderen Punktes vollständig zu machen. In einigen sehr fortgeschrittenen Fällen kann die Seele, bevor sie den Körper verlässt, entscheiden, welche Art von Leben sie in ihrer nächsten Inkarnation haben will.
Wenn sie ein beinahe vollkommen geformtes und bereits sehr bewusstes Wesen geworden ist, wacht sie über die Gestaltung des neuen Körpers und wählt, meist durch innere Beeinflussung, die Elemente und die Substanz, aus denen der Körper gebildet wird, damit er den Erfordernissen ihrer neuen Erfahrung angepasst ist. Dies ist jedoch ein ziemlich fortgeschrittenes Stadium. Und später, wenn sie voll geformt ist und zur Erde zurückkehrt mit der Idee des Dienens, der kollektiven Hilfe und Teilnahme an der göttlichen Arbeit, dann ist sie fähig, dem sich formenden Körper gewisse Elemente des Mentals und Vitals von vorhergehenden Leben zuzuführen, die mit psychischen Kräften in früheren Leben gestaltet und durchtränkt wurden, und die bewahrt werden konnten und infolgedessen am allgemeinen Fortschritt teilnehmen können. Dies jedoch findet in einem sehr, sehr fortgeschrittenen Stadium statt.
Wenn die Seele voll entwickelt und sehr bewusst ist, wenn sie ein bewusstes Instrument des Göttlichen Willens wird, ordnet sie Vital und Mental auf solche Weise, dass auch diese an der allgemeinen Harmonie teilhaben und bewahrt werden können.
Bei einem hohen Grad von Entwicklung können zumindest einige Teile der mentalen und vitalen Wesen trotz Auflösung des Körpers bewahrt werden. Wenn zum Beispiel einige Teile – mentale oder vitale – der menschlichen Tätigkeit besonders entwickelt wurden, werden diese Elemente des Mentals und Vitals aufrechterhalten, sogar „in ihrer Form“, in der Form der Tätigkeit, die voll organisiert wurde – wie zum Beispiel in hochintellektuellen Menschen, die besonders ihr Gehirn entwickelt haben, bewahrt der mentale Teil ihres Wesens diese Struktur und wird in der Form eines organisierten Gehirns erhalten, das sein eigenes Leben besitzt und unverändert bis zu einem künftigen Leben bewahrt werden kann, um dann mit allem Gewinn daran teilzunehmen.
In Künstlern zum Beispiel, in gewissen Musikern, die ihre Hände in besonders bewusster Weise gebraucht haben, wird die mentale und vitale Substanz in Form von Händen bewahrt, und diese Hände bleiben voll bewusst, sie können sogar die Körper lebender Menschen benutzen, wenn eine spezifische Affinität vorhanden ist – usw.
Im anderen Fall, in gewöhnlichen Menschen, in denen die seelische Form nicht voll entwickelt und organisiert ist, mögen die mentalen und vitalen Formen eine gewisse Zeit fortbestehen, wenn die Seele den Körper verlässt, vorausgesetzt, ihr Tod war besonders friedvoll und konzentriert; doch wenn ein Mensch plötzlich stirbt, im Zustand der Leidenschaft, mit zahlreichen Verhaftungen, nun, dann werden die verschiedenen Teile des Wesens verstreut und leben eine kürzere oder längere Zeit ihr eigenes Leben in ihrem Bereich – dann verschwinden sie.
Das Zentrum der Organisation ist immer die Gegenwart der Seele im Körper. Daher ist es ein sehr großer Fehler, zu glauben, dass der Vorgang fortdauert oder selbst, wie einige meinen, dass er vollständiger und schneller in der Zeitspanne des Übergangs zwischen zwei physischen Leben ist; im allgemeinen gibt es dort überhaupt keinen Fortschritt, denn die Seele tritt in einen“ Zustand der Ruhe ein, während die anderen Teile nach einem mehr oder weniger kurzlebigen Dasein in ihrem eigenen Bereich aufgelöst werden.
Das Erdenleben ist der Ort für den Fortschritt. Es ist hier, auf Erden, wo Fortschritt möglich ist, während der Zeitspanne des Erdendaseins. Und es ist die Seele, die den Fortschritt von einem Leben zum anderen hinüberträgt, indem sie ihre eigene Evolution und Entwicklung selbst organisiert.
DIE MUTTER

Wenn es nicht das Mental, Vital oder das Physische ist, sondern nur das seelische Wesen, das wiedergeboren wird, ist dann der mentale oder vitale Fortschritt, den man gemacht hat, ohne Wert in einem anderen Leben?
Nur in dem Ausmaß wie der Fortschritt dieser Teile sie der Seele nahegebracht hat, das heißt, in dem Ausmaß wie der Fortschritt darin besteht, alle Teile des Wesens nacheinander unter den seelischen Einfluss zu stellen. Denn alles, was unter dem seelischen Einfluss steht und mit der Seele identifiziert ist, dauert fort – und allein das dauert fort. Doch wenn die Seele zum Zentrum des Lebens und Bewusstseins gemacht wird, und wenn das ganze Wesen um sie herum angeordnet ist, gerät das ganze Wesen unter den seelischen Einfluss, eint sich damit und kann fortbestehen – wenn es erforderlich ist, dass es fortbesteht.
DIE MUTTER

Dann macht jeder immerzu Fortschritte – nicht wahr?
In gewisser Weise, ja. Es mag nur in einer Lebenszeit nicht offensichtlich sein, denn wenn keine bewusste Teilnahme des Wesens besteht, ist die Bewegung relativ langsam, sogar relativ zu der kurzen Dauer des menschlichen Lebens. Und so ist es durchaus möglich, dass zum Beispiel im Augenblick des Todes ein Wesen offenbar keinen Fortschritt gemacht hat und selbst manchmal zurückgefallen zu sein scheint, das verloren zu haben scheint, was es zu Beginn des Lebens hatte. Doch wenn wir die große Lebenskurve des seelischen Wesens durch viele Leben betrachten, besteht immer ein Fortschritt. Jede Erfahrung, die es in einer seiner physischen Lebenszeiten hatte, verhilft ihm zu einem gewissen Fortschritt. Es ist aber das seelische Wesen, das immer Fortschritte macht.
Das physische Wesen in dem Zustand, in dem es sich gegenwärtig befindet – nun, nachdem es einen gewissen Punkt des Aufstiegs erreicht hat, findet wieder ein Abstieg statt. Es gibt Elemente, die nicht wesentlich absinken; aber dennoch findet ein Abstieg statt, unleugbar.
Das vitale Wesen – nicht notwendigerweise, ebensowenig das mentale Wesen. Das vitale Wesen, wenn es weiß, wie es mit der universalen Kraft in Verbindung treten kann, braucht durchaus keine Rückentwicklung zu durchlaufen; es kann seinen Aufstieg fortsetzen. Und das mentale Wesen, das ist absolut sicher, ist von allem Absinken ganz frei, wenn es fortfährt, sich normal zu entwickeln. So, diese machen immer einen Fortschritt, solange sie koordiniert und unter dem Einfluss der Seele bleiben.
DIE MUTTER

Was ist zu tun, damit die seelische Personalität wächst?
Es sind die Erfahrungen des Lebens, durch die sich die seelische Personalität formt, wächst und entwickelt und schließlich ein vollendetes, bewusstes und freies Wesen wird.
Dieser Vorgang der Entwicklung setzt sich durch unzählige Leben unermüdlich fort, und wenn man sich dessen nicht bewusst ist, dann deshalb, weil man sich seines seelischen Wesens nicht bewusst ist – denn dieses ist der unerlässliche Ausgangspunkt. Durch Verinnerlichung und Konzentration muss man in bewussten Kontakt mit seinem seelischen Wesen treten. Dieses seelische Wesen hat immer einen Einfluss auf das äußere Wesen, doch ist dieser Einfluss meist okkult, er wird weder gesehen noch wahrgenommen noch gefühlt, außer bei wahrhaft außergewöhnlichen Anlässen.
Um den Kontakt [mit dem seelischen Wesen] zu stärken und wenn möglich die Entwicklung der bewussten seelischen Persönlichkeit zu fördern, sollte man sich während der Konzentration ihr zuwenden, danach streben, sie zu kennen und zu fühlen und sich zu öffnen, um ihren Einfluss zu empfangen; und sehr darauf bedacht sein, dass man jedes Mal, wenn man einen Hinweis von ihr empfängt, ihm ganz gewissenhaft und aufrichtig Folge leistet. In einer großen Aspiration zu leben, dafür zu sorgen, innerlich ruhig zu werden und zu bleiben, so gut es geht, in allen Tätigkeiten des Wesens eine volle Aufrichtigkeit zu pflegen – dies sind die grundlegenden Bedingungen für das Wachsen des seelischen Wesens.
DIE MUTTER

Wenn dein seelisches Wesen genügend erweckt ist, um über dir zu wachen und deinen Pfad vorzubereiten, vermag es Dinge anzuziehen, die dir helfen – Menschen, Bücher, Umstände, alle Arten von kleinen Zufällen, die zu dir kommen, als wären sie durch einen gütigen Willen herbeigeführt worden, und die dir einen Hinweis geben, dir eine Hilfe sind, eine Stütze, um Entscheidungen zu treffen und dich in die richtige Richtung zu wenden. Doch wenn du einmal diese Entscheidung getroffen hast, wenn du dich einmal entschieden hast, die Wahrheit deines Wesens zu finden, wenn du einmal aufrichtig den Pfad betreten hast, scheint sich alles zu verschwören, um dir zu deinem Fortschritt zu verhelfen.
DIE MUTTER

… solange bis die Überantwortung eine gefestigt seelische ist, wird es Störungen geben, das Intervall von dunklen Augenblicken zwischen den lichten. Allein die Seele entwickelt sich in ungebrochener Linie immer weiter, ihre Bewegung ist ein fortwährender Anstieg. Alle anderen Bewegungen sind unterbrochen und diskontinuierlich. Erst wenn du die Seele als dich selbst empfindest, kannst du ein Individuum sein; denn sie ist das wahre Selbst in dir. Bevor das wahre Selbst erkannt wird, bist du ein Marktplatz und nicht ein Wesen. Es gibt so viele kollidierende Kräfte, die in dir arbeiten; wenn du daher wirklichen Fortschritt machen willst, erkenne dein eigenes Wesen.…
Du musst lernen, das, was du dein individuelles Selbst nennst, mit deiner wahren seelischen Individualität zu vereinen. Deine gegenwärtige Individualität ist eine sehr gemischte Angelegenheit, eine Reihe von Veränderungen, die dennoch eine gewisse Kontinuierlichkeit aufweisen, eine gewisse Gleichheit oder Identität der Vibration inmitten all des Fließens. Sie ist beinahe wie ein Fluss, der niemals der gleiche ist, und dem dennoch eine gewisse Endgültigkeit und Fortdauer eigen ist. Dein normales Selbst ist lediglich ein Schatten deiner wahren Individualität, die du erst dann erkennen wirst, wenn dieses normale Individuum, dessen Schwerpunkt zu verschiedenen Zeiten verschieden gelagert ist – einmal im Mental, dann im Vital, zu anderer Zeit im Physischen – in Kontakt mit der Seele tritt und sie als ihr wirkliches Wesen empfindet. Dann wirst du eins sein, nichts wird dich erschüttern oder stören, du wirst stetigen und andauernden Fortschritt machen.…
DIE MUTTER
