DAS ERWACHEN DES BEWUSSTSEINS

Aller Yoga ist seiner Natur nach eine neue Geburt; es ist ein Geborenwerden aus dem gewöhnlichen, dem mentalisierten stofflichen Leben des Menschen in ein höheres, spirituelles Bewusstsein und ein größeres und göttlicheres Sein. Kein Yoga kann erfolgreich aufgenommen und ausgeübt werden ohne ein intensives Erkennen der Unumgänglichkeit jenes größeren spirituellen Daseins. Die Seele, die zu dieser tiefen und umfassenden Wandlung aufgerufen wird, mag auf verschiedene Arten zu dem anfänglichen Aufbruch gelangen. Sie mag durch ihre eigene natürliche Entwicklung dahin kommen, die sie unbewusst zu dem Erwachen geführt hat; sie mag über den Einfluss einer Religion dahin gelangen oder durch die Anziehungskraft einer Philosophie; sie mag sich. ihm durch eine langsam fortschreitende Erleuchtung nähern, oder durch eine plötzliche Fühlungnahme oder einen Schock darauf zustürmen; sie mag durch den Druck der äußeren Umstände zu ihm [diesem Aufbruch] getrieben oder gelenkt werden oder durch ein inneres Erfordernis; durch ein einziges Wort, das die Siegel des Mentals bricht, oder durch lange Überlegung, durch das ferne Beispiel eines, der den Pfad gegangen ist, oder durch Kontakt und täglichen Einfluss. Der Natur und den Umständen entsprechend wird der Ruf kommen.

Doch auf welche Weise auch immer er kommt, der Entschluss des Mentals und Willens muss gegeben sein und daraus hervorgehend eine völlige und wirksame Selbstweihung. Das Annehmen einer neuen spirituellen Ideen-Kraft und die Aufwärtsorientierung im Wesen, eine Erleuchtung, eine Umkehr oder Wende, die der Wille und des Herzens Sehnsucht begierig ergreifen – das ist der folgenschwere Akt, der wie in einem Samen alle Ergebnisse enthält, die der Yoga zu geben hat. Die bloße Idee oder das intellektuelle Suchen von etwas Höherem jenseits, wie intensiv auch immer von der Neigung des Mentals ergriffen, ist wirkungslos, wenn es nicht vom Herzen als das eine Wünschenswerte und vom Willen als das eine zu Geschehende an sich gerissen wird. Denn die Wahrheit des Spirits muss nicht nur gedacht, sondern auch gelebt werden, und sie zu leben erfordert eine kompakte Eingleisigkeit des Wesens; eine derart große Wandlung, wie sie der Yoga ins Auge fasst, kann nicht durch einen geteilten Willen oder ein geringes Maß von Energie oder ein zögerndes Mental bewirkt werden. Derjenige, der das Göttliche sucht, muss sich Gott weihen und Gott allein.

Wenn die Wandlung plötzlich und entscheidend durch einen überwältigenden Einfluss kommt, gibt es keine weitere wesentliche oder andauernde Schwierigkeit. Die Wahl folgt dem Denken oder findet zur gleichen Zeit statt, und die Selbstweihung folgt der Wahl. Die Füße haben sich bereits auf den Weg gemacht, auch wenn sie zunächst unsicher zu wandern scheinen, da der Pfad selbst nur undeutlich gesehen werden und die Kenntnis des Ziels unvollkommen sein mag. Der geheime Lehrer, der innere Führer, hat die Arbeit bereits aufgenommen, obwohl er sich noch nicht manifestieren und in der Person seines menschlichen Vertreters erscheinen mag. Wie auch immer die nachfolgenden Schwierigkeiten und Verzögerungen sein mögen, sie können sich am Ende gegen die Macht der Erfahrung nicht behaupten, die den Strom des Lebens gewendet hat. Der Ruf, einmal entscheidend, hält stand; die Sache, die geboren wurde, kann letzten Endes nicht erstickt werden. Selbst wenn die Macht der Umstände einen regelmäßigen Verfolg oder eine volle praktische Selbstweihung von Anbeginn an verhindern, das Mental ist dennoch entschlossen und harrt aus und kehrt mit einer stets wachsenden Wirksamkeit zu seinem hauptsächlichen Anliegen zurück. Eine unentrinnbare Beharrlichkeit besteht im inneren Wesen und dagegen sind am Ende die Umstände machtlos und keine Schwäche in der [menschlichen] Natur kann auf die Dauer ein Hindernis sein.

Doch beginnt es nicht immer so. Oft wird der Sadhak stufenweise geführt und ein großer Zwischenraum liegt zwischen der ersten Wende des Mentals und der vollen Zustimmung der [menschlichen] Natur zu der Sache, der sie sich zugewandt hat. Zu Beginn mag lediglich ein lebhaftes intellektuelles Interesse bestehen, eine zwingende Anziehungskraft zu der Idee und irgendeine unvollkommene Form der Ausführung. Oder vielleicht besteht eine Bemühung, die nicht von der ganzen Natur begünstigt wird, eine Entscheidung oder Wende, die durch einen intellektuellen Einfluss auferlegt wurde oder durch persönliche Zuneigung oder Bewunderung für jemanden, der selbst dem Höchsten geweiht und hingegeben ist. In solchen Fällen mag eine lange Zeitspanne der Vorbereitung notwendig sein, bevor die unwiderrufliche Weihung erfolgt; und in einigen Fällen mag sie nicht kommen. Es mag ein gewisser Fortschritt stattgefunden haben, eine große Bemühung, sogar viel Läuterung, und viele Erfahrungen, die nicht die zentralen oder höchsten sind, mag. es gegeben haben; das Leben aber wird entweder in Vorbereitung vergehen oder, nachdem ein gewisses Stadium erreicht wurde, mag das Mental, dessen Triebkraft nicht ausreicht, zufrieden an der Grenze des ihm möglichen ausruhen. Oder es mag sogar zum niederen Leben zurückfallen, – was in der Umgangssprache des Yoga ein Abfall vom Pfad genannt wird. Dieses Zurückfallen hat seine Ursache in einem zentralen Defekt. Der Verstand ist interessiert gewesen, das Herz hat sich angezogen gefühlt, der Wille hat sich zu der Bemühung gesellt, doch war die [menschliche] Natur in ihrer Gesamtheit noch nicht vom Göttlichen gefangen genommen. Sie hat das Interesse, die Anziehung oder die Bemühung lediglich geduldet. Es ist ein Experiment gewesen, vielleicht sogar ein eifriges Experiment, jedoch kein volles Sich-Geben an ein zwingendes Erfordernis der Seele oder ein unaufgebbares Ideal. Selbst solch unvollkommener Yoga ist nicht vergebens gewesen; denn keine strebende Bemühung ist umsonst. Auch wenn sie für den Augenblick versagt oder nur zu einem vorbereitenden Stadium oder einer vorläufigen Verwirklichung gelangt, hat sie dennoch die Zukunft der Seele bestimmt.

Wenn wir jedoch das meiste aus der Gelegenheit machen wollen, die dieses Leben uns bietet, wenn wir gebührend auf den empfangenen Ruf reagieren und das Ziel erreichen wollen, das wir flüchtig erblickten, und nicht nur ein wenig darauf zugehen, ist ein volles Selbst-Geben unerlässlich. Das Geheimnis des Erfolges im Yoga besteht darin, ihn nicht als eines der zu verfolgenden Lebensziele zu betrachten, sondern als die Gesamtheit des Lebens.

SRI AUROBINDO

Es ist genug, einmal eine Minute des Strebens gehabt zu haben und einen Willen, wenngleich kurzlebig, um sich des Göttlichen bewusst zu werden, das Göttliche zu erkennen, damit es wie ein Blitz das ganze Wesen durchfahre – es gibt sogar Körperzellen, die darauf reagieren. Dies ist nicht sofort sichtbar, doch findet eine Reaktion überall statt. Und wenn man langsam und vorsichtig alle diese Teile, die reagiert haben – auch wenn es nur einmal gewesen ist – zusammentut, kann man etwas Zusammenhängendes und Geordnetes aufbauen, das der eigenen Tätigkeit erlaubt, mit Willen, Aufrichtigkeit und Ausdauer fortzufahren.

Selbst eine flüchtige Vorstellung in einem Kind, in einem bestimmten Augenblick seiner Kindheit, wenn das seelische Wesen ganz im Vordergrund ist und sie [diese Vorstellung] das äußere Bewusstsein zu durchdringen vermag und dem Kind lediglich einen Eindruck von etwas Schönem vermittelt, das verwirklicht werden muss, so schafft dies einen kleinen Kern, und darauf baust du dein Handeln [später] auf. Zu der überwiegenden Mehrheit der Menschen würdest du niemals sagen: „Du hast das Göttliche zu erkennen“ oder „Übe den Yoga aus, um das Göttliche zu finden.“ Und wenn du genau hinsiehst, wirst du erkennen, dass es eine winzige Minderheit ist, zu der dies gesagt werden kann. Es bedeutet, dass diese Minderheit von Wesen darauf „vorbereitet“ ist, den Yoga auszuüben – so ist es. Bei ihnen hat ein Beginn der Verwirklichung stattgefunden – ein Beginn ist genug.

DIE MUTTER

Wie kann man den zentralen Willen wahrnehmen?

Vor allem muss man das, was das Höchste, Wahrste, Universalste und Ewige im eigenen Bewusstsein ist, wahrnehmen.

Das lernt man allmählich. Man lernt zu unterscheiden zwischen seinen gewöhnlichen äußeren Regungen und den verschieden abgestuften Regungen seines inneren Bewusstseins. Und wenn man fortfährt, dies mit einer gewissen Beharrlichkeit zu tun, erkennt man, was es ist, das diesen höchsten Teil des eigenen Wesens bewegt, der das Ideal des Wesens verkörpert. Es gibt keinen anderen Weg. Manchmal erwacht es durch Lesen, manchmal durch ein Gespräch, manchmal durch ein mehr oder weniger dramatisches, gleichsam unerwartetes Ereignis, das dir einen Schock versetzt, dich aufwühlt, dich aus deinem gewöhnlichen kleinen Trott herausreißt. Manchmal, wenn du in sehr großer Gefahr bist, ist dir plötzlich, als würdest du dich über dir selbst befinden und jenseits deiner kleinen gewohnheitsmäßigen Schwäche, da du etwas Höheres in dir hast, das den äußeren Umständen standhalten kann.

Solche Anlässe lassen dich zuerst in Kontakt damit treten. Danach, durch methodische Disziplin, vermagst du den Kontakt andauern zu lassen; doch normalerweise dauert das lang. Doch auf diese Weise kommt es anfangs zu dir, plötzlich, aus dem einen oder anderen Grund.

(Langes Schweigen)

Es mag mit einer sehr starken Emotion einhergehen, mit einer sehr großen Sorge, mit sehr großem Enthusiasmus. Wenn man aufgerufen ist, eine außergewöhnliche Tat zu vollbringen, unter Voraussetzungen, die ungewöhnlich sind, fühlt man plötzlich, als würde etwas in einem gleichsam zerbrechen oder sich öffnen, man fühlt sich über sich selbst hinausgewachsen, als wäre man auf eine höhere Sprosse geklommen und würde von dort mit den gewohnten Sinnen auf sein eigenes Dasein hinabblicken. Wenn man einmal diese Erfahrung hatte, vergisst man sie nicht; selbst wenn es nur einmal war, vergisst man es nicht. Und später kann man durch Konzentration den Zustand willentlich wieder herstellen. Das ist der erste Schritt.

Danach kann man sehr leicht diesen Zustand wieder zurückrufen, jedes Mal, wenn eine Entscheidung getroffen werden muss, und dann trifft man sie im vollen Bewusstsein der Folgen und alles voraussehend, was geschehen wird. Ich glaube, dass es nicht einen Menschen auf der Welt gibt, der das nicht erfahren hat, jedenfalls, keinen kultivierten Menschen – etwas bricht und öffnet sich … und man versteht.

DIE MUTTER

Ich glaube mehr an die Macht der Atmosphäre und des Beispiels als an die einer rigorosen Lehre. Ich verlasse mich mehr darauf, etwas durch Übertragung im Wesen zu erwecken, als durch eine methodische, disziplinierte Bemühung.

Vielleicht wird doch etwas vorbereitet, und eines Tages kommt es zum Vorschein.

Das jedenfalls hoffe ich.

Eines Tages werdet ihr euch sagen, „Denk dir nur! Ich bin hier so lange Zeit gewesen, ich hätte soviel lernen können, soviel verwirklichen können, und ich habe niemals auch nur daran gedacht!“ Und dann, an diesem Tag … nun, an diesem Tag wirst du plötzlich zu etwas erwachen, das du niemals bemerkt hast, das aber tief in dir ist und das nach Wahrheit dürstet, nach Umwandlung dürstet und bereit ist, die erforderliche Bemühung auf sich zu nehmen, um sie [die Umwandlung] zu verwirklichen. An diesem Tag wirst du sehr rasch ausschreiten, du wirst mit Riesenschritten vorwärtsgehen.… Vielleicht wirst du plötzlich ein unwiderstehliches Bedürfnis empfinden, nicht in Unbewusstheit zu leben, in jenem Zustand, in dem du Dinge tust, ohne zu wissen warum, in dem du Dinge fühlst, ohne zu verstehen warum, in dem du einander widersprechende Dinge willst, von nichts etwas verstehst, allein mit Hilfe von Gewohnheit, Routine und Reaktionen lebst – du nimmst das Leben leicht. Und eines Tages bist du nicht länger damit zufrieden.

Es kommt darauf an, für jeden ist es anders. Am häufigsten ist es das Bedürfnis zu wissen, zu verstehen; für einige ist es die Notwendigkeit, das, was getan werden muss, so zu tun, wie es getan werden sollte; für andere ist es ein unbestimmtes Gefühl, dass hinter diesem Leben, so unbewusst, so leer, so bar jeden Sinnes, etwas zu finden ist, das wert ist, gelebt zu werden – dass es eine Wirklichkeit, eine Wahrheit hinter diesen Falschheiten und Illusionen gibt.

Der Ausgangspunkt: es zu wollen, es wahrhaft zu wollen, seiner zu bedürfen. Der nächste Schritt: daran vor allem anderen zu denken. Dann kommt sehr bald der Tag, da man an nichts anderes mehr denken kann.

Das ist die eine Sache, die zählt.

Und dann … nun, du wirst sehen, was geschieht.

Etwas wird geschehen. Mit Sicherheit wird etwas geschehen. Für jeden wird es eine andere Form annehmen.

DIE MUTTER

Mutter, wie soll man sein Bewusstsein ändern?

Es gibt natürlich viele Wege, doch jeder muss es auf die Weise tun, die ihm zugänglich ist; und der Hinweis auf den Weg kommt meist spontan durch etwas wie eine unerwartete Erfahrung. Und für jeden scheint es etwas anderes zu sein.

Man mag zum Beispiel die Wahrnehmung des gewöhnlichen Bewusstseins haben, das an der Oberfläche ausgebreitet ist, horizontal, und auf einer Ebene arbeitet, die gleichzeitig die Oberfläche der Dinge und in Kontakt mit der oberflächlichen äußeren Seite der Dinge, Menschen und Umstände ist; und dann plötzlich, aus dem einen oder anderen Grund – wie gesagt, für jeden ist es verschieden – findet ein Wechsel nach oben statt; und anstatt die Dinge horizontal zu sehen, sich auf der gleichen Ebene mit ihnen zu befinden, dominierst du sie plötzlich und siehst sie von oben, in ihrer Ganzheit, anstelle einer kleinen Anhäufung von Dingen, die dir gerade unmittelbar am nächsten sind; es ist, als würde dich etwas nach oben ziehen und dich [die Dinge] von einem Berggipfel oder Flugzeug aus sehen lassen. Und anstatt jede Einzelheit auf ihrer eigenen Ebene zu sehen, siehst du das Ganze als eine Einheit und von weit oben.

Es gibt viele Wege, diese Erfahrung zu haben, doch im allgemeinen kommt sie zu dir wie zufällig – eines schönen Tages.

Oder aber, man kann eine Erfahrung haben, die beinahe das Gegenteil ist, aber auf das gleiche hinausläuft. Plötzlich taucht man in eine Tiefe, man entfernt sich von dem wahrgenommenen Ding, es erscheint fern; oberflächlich, unwichtig; man tritt in eine innere Stille oder innere Ruhe oder eine innere Schau der Dinge ein, in ein tiefes Gefühl, eine vertrautere Wahrnehmung der Umstände und Dinge, in der alle Werte sich verändern. Und man wird sich einer gewissen Einheit bewusst, einer tiefen Identität, die trotz der verschiedenen Erscheinungsformen eins ist.

Oder aber, ebenso plötzlich, schwindet der Sinn der Begrenzung und man tritt in die Wahrnehmung einer Art unendlicher Dauer ein, anfangslos und endlos, von etwas, das immer gewesen ist und immer sein wird.

Diese Erfahrungen kommen plötzlich zu dir, blitzartig, eine Sekunde, einen Augenblick lang in deinem Leben, und du weißt nicht, warum oder wie.… Es gibt andere Wege, andere Erfahrungen – sie sind unzählig, sie variieren mit den Menschen; doch in dieser einen Minute, dieser einen Sekunde solchen Daseins ergreift man den Schwanz der Sache. Man muss es also erinnern, versuchen, es wiederum zu leben, in die Tiefen der Erfahrung zu gehen, sie zurückzurufen, zu streben, sich zu konzentrieren. Das ist der Ausgangspunkt, das Ende des Leitfadens, der Fingerzeig. Für all jene, die dazu bestimmt sind, ihr inneres Wesen zu finden, die Wahrheit ihres Wesens, gibt es zumindest einen Augenblick im Leben, an dem sie nicht mehr die gleichen waren, vergleichbar vielleicht einem Blitzstrahl – doch ist das genug. Es zeigt den Weg auf, den man einschlagen sollte, es ist die Tür, die sich diesem Pfad öffnet. Und dann musst du durch die Tür gehen, und mit Ausdauer und unerschöpflicher Stetigkeit den Zustand zu erneuern suchen, der dich zu etwas Wirklicherem, Totalerem führt.

Viele Wege sind seit jeher aufgezeigt worden, aber ein Weg, den man dir zeigt, ein Weg, über den du in Büchern liest oder durch einem Lehrer hörst, hat nicht den nachhaltigen Effekt einer spontanen Erfahrung, die ohne jeden offensichtlichen Grund kam und die schlechthin das Erblühen des seelischen Erwachens ist, eine Sekunde des Kontakts mit deinem seelischen Wesen, die dir den besten Weg zeigt, den, der für dich am leichtesten erreichbar ist und dem du dann ausdauernd folgen musst, um das Ziel zu erreichen – eine Sekunde, die dir zeigt, wie du beginnen sollst, den Anfang.… Einige haben dies nachts in Träumen; einige haben es dann und wann: etwas, das man sieht oder hört, das dieses neue Bewusstsein in einem erweckt, eine schöne Landschaft, schöne Musik, oder einfach einige Worte, die man liest, oder aber die Intensität der Konzentration bei einer Bemühung – irgend etwas, es gibt tausend Gründe und tausend Wege, es zu haben. Doch, ich wiederhole, all jene, die zur Verwirklichung bestimmt sind, hatten es mindestens einmal in ihrem Leben. Es mag sehr flüchtig sein, es mag stattgefunden haben, als sie noch sehr jung waren, doch immer, mindestens einmal im Leben hat man die Erfahrung dessen, was wahres Bewusstsein ist. Nun, das ist der beste Hinweis auf den Pfad, dem man folgen soll.

Man mag in sich selbst suchen, man mag sich erinnern, mag beobachten; man muss erkennen, was geschieht, man muss aufmerksam sein, das ist alles. Manchmal, wenn man eine hochherzige Tat sieht, von etwas Außergewöhnlichem hört, wenn man zum Zeugen von Heldentum oder Edelmut oder Seelengröße wird, wenn man jemanden trifft, der ein besonderes Talent aufweist oder in einer außergewöhnlichen oder wunderbaren Weise handelt, löst das eine Art Begeisterung oder Bewunderung oder Dankbarkeit aus, die plötzlich im Wesen erwacht und die Tür zu einem Zustand öffnet, einem neuen Bewusstseinszustand, einem Licht, einer Wärme, einer Freude, die man zuvor nicht kannte. Auch das ist ein Weg, um den Leitfaden zu ergreifen. Es gibt tausend Wege, man hat nur wach zu sein und zu beobachten. Vor allem musst du die Notwendigkeit dieser Bewusstseinswandlung empfinden, die Idee akzeptieren, dass es das ist, der Pfad, der zum Ziel führen muss; und wenn du einmal das Prinzip anerkannt hast, musst du wachsam sein.

Und du wirst ihn [den Pfad] finden, du findest ihn bestimmt. Und hast du ihn einmal gefunden, musst du, ohne lange zu zögern, auszuschreiten beginnen.

In der Tat, der Ausgangspunkt ist, sich zu beobachten, nicht in fortwährender Lässigkeit zu leben, in andauernder Gleichgültigkeit, man muss aufmerksam sein.

DIE MUTTER

Plötzlich fühlt man, dass alles, was man tut, alles, was man sieht, keinen Sinn, keinen Zweck hat, doch dass es etwas gibt, das einen Sinn hat; dass man im Grunde für etwas auf Erden ist, dass all dies – all diese Bewegungen, all diese Unruhe, dass alles eine Vergeudung von Kraft und Energie ist – all das muss einen Sinn haben, ein Ziel, und dass dieses Unbehagen, das man in sich fühlt, diese mangelnde Befriedigung, dieses Bedürfnis, dieser Durst nach etwas uns irgendwo anders hinführen muss.

Und eines Tages fragst du dich: “Warum ist man eigentlich geboren? Warum stirbt man? Warum leidet man? Warum ist man tätig?“

Du lebst nicht länger wie eine kleine Maschine, kaum halbbewusst. Du willst wahrhaft fühlen, wahrhaft handeln, wahrhaft wissen. Im gewöhnlichen Leben sucht man dann nach Büchern, nach Menschen, die ein wenig mehr wissen als man selbst, man beginnt, jemanden zu suchen, der diese Fragen zu lösen, den Schleier der Unwissenheit zu lüften vermag.

DIE MUTTER

Wann kann man sagen, dass man wahrhaft den spirituellen Pfad betreten hat?

Das erste Anzeichen in chronologischer Folge ist, glaube ich (es ist nicht dasselbe für jedermann), dass alles andere ohne jede Wichtigkeit zu sein scheint. Dein ganzes Leben, all deine Tätigkeiten, all deine Regungen bestehen weiter, aber sie erscheinen dir alle äußerst unwichtig, sie bedeuten nichts mehr in deinem Dasein. Ich glaube, das ist das erste Zeichen.

Es kann auch etwas anderes sein; zum Beispiel das Gefühl, dass alles anders ist, dass das Leben anders ist, das Gefühl eines Lichtes im Mental, das zuvor nicht da war, eines Friedens im Herzen, der zuvor nicht da war. Das verändert alles; doch die tatsächliche Veränderung kommt meist später, sehr selten kommt sie als erstes, außer vielleicht blitzartig zur Zeit der Wende, wenn man beschlossen hat, das spirituelle Leben aufzunehmen. Manchmal beginnt es wie eine große Erleuchtung, eine tiefe Freude ergreift dich; aber im allgemeinen tritt das nachher in den Hintergrund, denn es gibt zu viele Mängel in dir, die noch andauern.… Es ist nicht Widerwille, nicht Verachtung, doch erscheint dir alles so uninteressant zu sein, dass es wirklich nicht die Mühe lohnt, sich damit abzugeben. Zum Beispiel, wenn du unter gewissen materiellen Voraussetzungen lebst, angenehmen oder unangenehmen (die beiden Extreme begegnen sich) und du sagst dir: „All das war so wichtig für mich? Es bedeutet doch gar nichts!“ Du spürst, dass du dich wahrhaft der anderen Seite zugewandt hast.

DIE MUTTER

Solange das Mental überzeugt ist, dass es der Gipfel des menschlichen Bewusstseins ist, dass es nichts jenseits und darüber gibt, solange glaubt es, dass es vollkommen funktioniert, und ist durchaus zufrieden mit dem Fortschritt, den es innerhalb der Grenzen dieses Funktionierens machen kann, und auch mit einer Steigerung der Klarheit, Präzision, Vielfalt, Geschmeidigkeit, Formbarkeit und Plastizität seiner Bewegungen.

Es hat immer eine spontane Tendenz, sehr zufrieden mit sich zu sein und mit dem, was es zu tun vermag, und wenn es keine größere Kraft gäbe als die eigene, eine höhere Macht, die ihm unwiderlegbar seine eigenen Begrenzungen, seine Dürftigkeit zeigt, würde es sich nie bemühen, den Weg durch die richtige Tür aus all dem herauszufinden: die Befreiung in eine höhere und wahrere Art zu sein.

Wenn die spirituelle Kraft zu handeln vermag, wenn sie einen Einfluss zu haben beginnt, rüttelt sie an der Selbstzufriedenheit des Mentals und lässt es durch fortgesetzten Druck fühlen, dass jenseits davon etwas Höheres und Wahreres ist; unter diesem Einfluss schwindet ein wenig von seiner charakteristischen Eitelkeit, und sobald es erkennt, dass es begrenzt, unwissend und unfähig ist, die volle Wahrheit zu erreichen, nimmt die Befreiung ihren Anfang mit der Möglichkeit, sich für etwas jenseits [des Mentals] zu öffnen. Doch muss es die Macht fühlen, die Schönheit, die Kraft dieses „jenseits“, um sich hingeben zu können. Es muss seine eigene Unfähigkeit und seine Begrenzungen angesichts von etwas Höherem als es selbst erkennen können, andernfalls könnte es seine eigene Unzulänglichkeit nicht fühlen.

Manchmal genügt ein einziger Kontakt, etwas, das einen kleinen Riss in jener Selbstzufriedenheit verursacht; dann erwacht das Sehnen, darüber hinauszugehen, das Bedürfnis nach einem reineren Licht, und mit diesem Erwachen kommt das Streben, es zu erlangen, und mit dem Streben beginnt die Befreiung; und eines Tages, alle Begrenzungen durchbrechend, erblüht man im unendlichen Licht.

Wenn es diesen fortwährenden Druck nicht gäbe, gleichzeitig von innen und außen, von oben und von den tiefsten Tiefen, würde sich nie etwas ändern.

Selbst damit, wie viel Zeit ist erforderlich, damit die Dinge anders werden! Welch hartnäckiger Widerstand in dieser niederen Natur, welch blindes und dummes Verhaftetsein mit den tierhaften Wegen des Wesens, welche Weigerung, sich selbst zu befreien! …

Wenn du dich dem Spirit in dir öffnest, bringt es dir einen ersten Vorgeschmack jenes höheren Lebens, das allein zu leben wert ist; dann kommt der Wille, sich zu dem zu erheben, die Hoffnung, es zu erreichen, die Gewissheit, dass es möglich ist, und schließlich die Stärke für die notwendige Bemühung sowie die Entschlossenheit, bis zum letzten Ende zu gehen.

Erst muss man erwachen, dann kann man siegen.

DIE MUTTER

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