Bewusst werden

Sich dessen bewusst zu werden, was in der eigenen Natur geändert werden muss, ist der erste Schritt dazu, es zu ändern. Aber man muss die Abläufe in der eigenen Natur beobachten, ohne zu verzweifeln oder zu denken: „Es ist hoffnungslos“ oder „Ich kann mich nicht ändern.“

SRI AUROBINDO, CWSA 31:89

„Sich selbst kennen und sich selbst kontrollieren.“

DIE MUTTER

Was bedeutet das?

Das bedeutet, sich seiner inneren Wahrheit bewusst zu sein, der verschiedenen Teile seines Wesens und ihrer entsprechenden Wirkungsweisen. Du musst wissen, warum du etwas tust, du musst deine Gedanken und deine Gefühle kennen, all deine Aktivitäten, all deine Beweggründe, das wozu du fähig bist usw. Und sich selbst zu kennen ist nicht genug: dieses Wissen muss zu einer bewussten Kontrolle führen. Sich selbst vollkommen zu kennen bedeutet, sich selbst vollständig leiten zu können. Das sollte in jedem Moment von einer inneren Sehnsucht nach Vollkommenheit begleitet sein.

Es ist nie zu früh, um damit zu beginnen, niemals zu spät, es fortzusetzen. Das heißt, wenn du sehr jung bist, kannst du damit anfangen, dich selbst zu studieren und dich kennenzulernen und dich dann allmählich selbst zu kontrollieren. Und selbst wenn du das bist, was man „alt“ nennt, wenn du sehr viel älter bist, ist es nicht zu spät, dir die Mühe zu machen, dich selbst immer besser zu verstehen und dich immer besser selbst zu führen. Das ist die Wissenschaft des Lebens.

Um perfekt zu werden, muss man sich zuerst seiner selbst bewusst werden. Ich bin zum Beispiel sicher, dass die folgende Situation öfter in deinem Leben stattgefunden hat: Jemand fragt dich plötzlich: „Warum hast du das getan?“ Nun, die spontane Antwort ist meist: „Ich weiß es nicht.“ Wenn jemand dich fragt: „An was denkst du?“ antwortest du: „Ich weiß es nicht.“ „Warum bist du müde?“ – „Ich weiß es nicht.“ „Warum bist du glücklich?“ – „Ich weiß es nicht“ usw. Ich kann tatsächlich fünfzig Leuten plötzlich, ohne Vorbereitung, die Frage stellen: „Warum hast du das getan?“, und wenn sie innerlich nicht wach sind, werden sie sagen: „Ich weiß es nicht.“ (Ich rede hier natürlich nicht von denen, die einer Disziplin der Selbsterfahrung folgen und die ihre Motive bis zur äußersten Grenze ergründen. Natürlich können sich diese Leute selbst innerlich sammeln, konzentrieren und die richtige Antwort geben, aber erst nach einer gewissen Zeit). Aber wenn du auf deinen gesamten Tag zurückblickst, wirst du sehen, dass es so ist. Du sagst etwas und du weißt nicht, warum du es gesagt hast – erst wenn du die Worte schon ausgesprochen hast, merkst du, dass dies nicht ganz das war, was du eigentlich sagen wolltest. Zum Beispiel: du besuchst jemanden und du bereitest in Gedanken schon die Worte vor, die du ihm sagen willst. Aber wenn du dann vor dieser Person stehst, passiert es, dass du überhaupt nichts sagst oder etwas ganz anderes, als du beabsichtigt hattest. Bist du fähig zu erkennen, in welchem Ausmaß die Atmosphäre der anderen Person dich beeinflusst und davon abgehalten hat, das zu sagen, was du vorbereitet hattest? Wie viele Menschen können das sagen? Es fällt ihnen nicht einmal auf, dass die andere Person in dieser oder jener Verfassung war und dass sie ihr deshalb nicht das sagen konnten, was sie geplant hatten. Natürlich gibt es die sehr offensichtlichen Fälle, in denen die Person in solch einer schlechten Stimmung ist, dass du sie um gar nichts bitten kannst.

Von denen spreche ich nicht. Ich rede von der genauen Beobachtung gegenseitiger Beeinflussung: was auf deine Natur einwirkt und worauf sie reagiert; diese Wahrnehmung hat man im Allgemeinen nicht. Man fühlt sich zum Beispiel plötzlich unwohl oder glücklich, aber wie viel Menschen können sagen: „Das ist die Ursache.“ Es ist auch schwierig, das zu erkennen, es ist überhaupt nicht leicht. Man muss dafür sehr „wach“ sein, in einem dauernden sehr aufmerksamen Zustand der Beobachtung.

Es gibt Menschen, die schlafen zwölf Stunden am Tag und sagen: „Ich bin wach!“ Es gibt auch Menschen, die schlafen zwanzig Stunden am Tag und sind den Rest der Zeit nur halbwach. Um in diesen Zustand aufmerksamer Beobachtung zu gelangen, musst du sozusagen überall Antennen ausgefahren haben, die dauernd mit deinem wahren Zentrum des Bewusstseins in Kontakt stehen. Du registrierst alles, du organisierst alles und auf diese Weise kannst du nicht überrascht werden, nicht getäuscht werden, dich nicht irren und du kannst nichts anderes sagen als das, was du wirklich sagen wolltest. Aber wie viele Menschen leben normalerweise in so einem Zustand? Genau das meine ich, wenn ich sage: „Bewusst werden.“ Wenn du aus den Umständen und Bedingungen, in denen du dich befindest, den größten Nutzen ziehen willst, musst du voll wach sein: Du sollst durch nichts überrumpelt werden, du sollst nichts tun, ohne zu wissen warum, du sollst nichts sagen, ohne zu wissen warum. Du musst andauernd wachsam sein.

Du musst auch verstehen, dass ihr keine voneinander getrennten Individuen seid, sondern dass das Leben ein andauernder Austausch von Kräften ist, von unterschiedlichen Formen des Bewusstseins, von Vibrationen, von allen möglichen Arten von Bewegungen. Seht ihr, es ist wie in einer Menge: wenn jeder drängt, gehen alle vorwärts, wenn sich alle zurückziehen, geht jeder einzelne zurück. In der inneren Welt, in deinem Bewusstsein, ist es dasselbe. Da sind die ganze Zeit Kräfte und Einflüsse, die auf dich einwirken und auf dich reagieren, es ist wie ein Gas in der Atmosphäre, und wenn du nicht sehr wachsam bist, dringen diese Dinge in dich ein und nur, wenn sie gut zu dir passen, wenn sie hereingekommen sind und so aus dir herauskommen, als ob sie von dir selbst stammen, nimmst du sie wahr. Wie oft geschieht es, dass Menschen auf andere treffen, die nervös, verärgert und in schlechter Stimmung sind, und dann werden sie selbst nervös, ärgerlich, launisch, einfach so, ohne recht zu wissen, warum. Warum ist es so, dass du sehr gut spielst, wenn du gegen bestimmte Menschen spielst, aber wenn du gegen andere spielst, kannst du plötzlich nicht mehr gut spielen? Und was ist mit den sehr stillen Menschen, die überhaupt nicht böse sind, aber plötzlich wütend werden, wenn sie sich in einer aufgebrachten Menge befinden? Und niemand weiß, wer damit angefangen hat: es ist etwas, das vorbeikommt und das Bewusstsein weggefegt hat. Es gibt Menschen, die diese Art von Vibrationen herauslassen können und andere, die darauf antworten, ohne zu wissen, warum. In allem ist es so, von den kleinsten bis zu den größten Ereignissen.

Um in einer Kollektivität individualisiert zu leben, muss man sich seiner selbst sehr bewusst sein; Und welches Selbst meinen wir? Das Selbst, das über aller Vermischung steht, das heißt, das ich die Wahrheit deines Wesens nenne. Und solange du dir der Wahrheit deines Wesens nicht bewusst bist, wirst du durch alle möglichen Dinge beeinflusst, ohne es überhaupt zu bemerken. Kollektive Gedanken, kollektive Suggestionen sind ein gewaltiger Einfluss, der andauernd auf das individuelle Denken einwirkt. Außergewöhnlich daran ist, dass man es nicht wahrnimmt. Man glaubt, dass „man so denkt“, aber in Wirklichkeit ist es die kollektive Gemeinschaft, die „so denkt“. Die Masse ist immer minderwertiger als das Individuum. Nimm zum Beispiel Individuen mit ähnlichen Qualitäten in der selben Kategorie, nun, wenn diese Individuen allein für sich anzutreffen sind, sind sie mindestens um zwei Grade besser als Leute der selben Kategorie, die sich in einer Menschenmenge befinden. Bei denen findet sich durch den Einfluss der Menge eine Beimischung aus Unklarheit, eine Vermischung mit Unbewusstheit, und man rutscht unvermeidlich in diese Unbewusstheit hinein. Um dem zu entkommen, gibt es nur ein Mittel: sich seiner selbst bewusst zu werden und immer bewusster und immer aufmerksamer.

Versuch mal diese kleine Übung: Am Anfang des Tages sagst du dir: „Ich werde heute nicht reden, ohne vorher darüber nachzudenken, was ich sage.“ Du denkst, dass du über alles nachdenkst, was du sagst, nicht wahr? Das stimmt aber überhaupt nicht! Du wirst sehen, dass die Worte, die du nicht gebrauchen wolltest, ganz oft aus dir herauskommen wollen und dass du dazu gezwungen bist, eine bewusste Anstrengung zu machen, um sie daran zu hindern!

Ich kannte Leute, die waren sehr gewissenhaft in ihrer Absicht, keine Lügen zu erzählen. Aber ganz plötzlich, wenn sie in einer Gruppe von Menschen waren, äußerten sie ganz spontan eine Lüge, anstatt die Wahrheit zu sagen. Sie hatten nicht die Absicht das zu tun, eine Minute bevor sie logen, hatten sie noch nicht einmal daran gedacht, es geschah „einfach so“. Warum? – Weil sie sich in der Gesellschaft von Lügnern befanden, in einer Atmosphäre von Falschheit, und sie hatten sich einfach mit dieser Krankheit angesteckt.

So wird man stufenweise, langsam, mit Ausdauer, vor allem mit großer Sorgfalt und Aufmerksamkeit, bewusst, lernt sich selbst kennen und wird dann Herr über sich selbst.

DIE MUTTER, CWM 4:34

Was muss man tun, um sich für den Yoga vorzubereiten?

Vor allem, bewusst sein. Wir sind uns nur eines unbedeutenden Teils von uns selbst bewusst, zum größten Teil sind wir unbewusst. Es ist diese Unbewusstheit, die uns unten, in unserer unregenerierten Natur festhält und Wandel und Transformation in ihr verhindert. Durch diese Unbewusstheit dringen die ungöttlichen Kräfte in uns ein und machen uns zu ihren Sklaven. Du musst dir deiner selbst bewusst sein, du musst deine Natur und ihre Motive erkennen, du musst wissen, warum und wie du etwas tust, denkst und fühlst. Du musst deine Motivationen und deine Impulse verstehen, die Kräfte, die dich versteckt oder offensichtlich bewegen; tatsächlich ist es so, als ob du die gesamte Maschinerie deines Wesens auseinandernehmen und in ihre Bestandteile zerlegen würdest. Wenn du dann bewusst bist, heißt das, dass du unterscheiden und Dinge verändern kannst. Du kannst erkennen, welche Kräfte dich herunterziehen und welche dir weiterhelfen. Und wenn du das Richtige vom Verkehrten, das Wahre vom Falschen, das Göttliche vom Ungöttlichen unterscheiden kannst, wirst du strikt entsprechend dieses Wissens handeln, das heißt, das Eine entschlossen zurückweisen und das Andere annehmen. Diese Dualität wird sich dir bei jedem Schritt zeigen und bei jedem Schritt wirst du deine Wahl treffen müssen. Du wirst geduldig, ausdauernd und wachsam sein – „schlaflos“, wie die Adepten (Schüler der spirituellen Lehre) sagen; du musst es immer ablehnen, den ungöttlichen Kräften irgendeinen Vorteil gegenüber den göttlichen zu erlauben.

DIE MUTTER, CWM 3:2

Um etwas von sich zurückweisen zu können, muss man sich zuerst der Einflüsse der Natur bewusst werden, mit einer klaren inneren Erfahrung ihrer Wirkungsweisen und entdecken, wo sie tatsächlich in der Natur liegen. Dann kann man daran arbeiten, sie auszusortieren, wenn es sich um einen gänzlich falschen Einfluss handelt, oder man kann ihn umwandeln, wenn er nur eine Entstellung einer höheren und wahreren Eigenschaft darstellt.

Das oder etwas Ähnliches wird manchmal grob und unvollkommen mit einem rudimentären und ungenügenden Wissen im System der Psychoanalyse versucht. Der Prozess der Anhebung der niederen Beweggründe der Natur in das volle Licht des Bewusstseins ist unvermeidlich, um sie zu erkennen und mit ihnen umzugehen, denn ohne diesen Prozess kann es keine vollständige Änderung geben. Sie kann aber nur wirklich gelingen, wenn ein höheres Licht und eine höhere Kraft genügend daran arbeiten, um früher oder später die Kraft der Neigung zu Begierden zu überwinden, die diese Änderung aufhält.

SRI AUROBINDO, CWSA 31:614

Um an deiner Perfektion zu arbeiten, ist der erste Schritt, dir deiner selbst bewusst zu werden und die verschiedenen Teile deines Wesens und ihre entsprechenden Aktivitäten zu erkennen. Du musst lernen, diese verschiedenen Teile voneinander zu unterscheiden, so dass du klar ihren Ursprung erkennen kannst, die Aktivitäten der vielen Impulse, Reaktionen und der unterschiedlichen Willensrichtungen, die miteinander im Wettstreit liegen und dich zum Handeln antreiben. Das ist ein arbeitsames Selbststudium, das viel Ausdauer und Aufrichtigkeit verlangt. Denn die Natur des Menschen, vor allem seine mentale Natur, hat eine spontane Neigung, für alles, was man denkt, fühlt, sagt und tut, eine günstige Erklärung zu finden. Nur wenn wir diese Neigungen in uns mit großer Sorgfalt beobachten und sie sozusagen vor das Tribunal unseres höchsten Ideals stellen, mit dem aufrichtigen Willen, uns dessen Urteil zu unterwerfen, können wir darauf hoffen, in uns ein Unterscheidungsvermögen zu entwickeln, das sich niemals irrt. Denn wenn wir uns wirklich weiterentwickeln wollen und die Kapazität erlangen wollen, die Wahrheit unseres Wesens zu erkennen, das heißt, das, wofür wir wirklich geschaffen sind, das, was wir unsere Mission auf dieser Erde nennen können, dann müssen wir auf sehr regelmäßige und dauerhafte Weise alles von uns zurückweisen oder aus uns herauswerfen, was mit der Wahrheit unserer Existenz nicht übereinstimmt und ihr entgegengesetzt ist. Auf diese Weise können nach und nach alle Teile und Elemente unseres Wesens zu einem homogenen Ganzen um unser psychisches Zentrum herum geordnet werden und unsere innerste wahre psychische Natur ausdrücken.

Es dauert sehr lange, bis diese Arbeit der Einigung einen bestimmten Grad der Vollkommenheit erreicht. Deshalb müssen wir uns mit Geduld und Ausdauer ausrüsten, um sie zu vollenden, mit der Entschlossenheit, unser Leben zu verlängern, damit wir Erfolg mit unserer Bemühung haben.

DIE MUTTER, CWM 12:3

Man sollte niemals versäumen, sein Zimmer sauber zu machen, das ist sehr wichtig; innere Reinheit ist mindestens so wichtig wie äußere Reinheit.

Vivekananda hat irgendwo geschrieben (Ich kenne das Original nicht, sondern habe nur die französische Übersetzung gelesen): „Man soll jeden Morgen seinen Körper und seine Seele reinigen, aber wenn du für beides nicht die Zeit hast, ist es besser, die Seele zu reinigen als den Körper.“

Wie können wir wissen, ob die schmutzigen kleinen Dinge in uns sich versteckt haben oder ob sie wirklich verschwunden sind?

Man kann ein kleines Experiment versuchen. Ich habe gesagt, dass man eine Taschenlampe nehmen kann, ein starkes Licht und damit im eigenen Wesen eine Runde läuft, um sich selbst innerlich auszuleuchten. Wenn man sehr aufmerksam ist, kann man leicht die hässlichen Ecken in sich finden. Nehmen wir an, du hast diese schöne Erfahrung, als Antwort auf deine innere Sehnsucht erscheint ein starkes Licht in dir, das dich mit innerer Freude, Kraft und Erkenntnis überflutet, und du hast den Eindruck, dass du dich an dem Punkt befindest, an dem du umgewandelt wirst, und dann geht die Erfahrung vorbei – sie geht immer vorbei, nicht wahr, besonders am Anfang – plötzlich hört sie auf. Dann sagst du dir, wenn du nicht aufmerksam bist: „Da, sieh mal, die schöne Erfahrung ist gekommen und wieder gegangen! Ich Ärmster; sie hat mir nur einen Geschmack von ihrem Wirken vermittelt und dann hat sie mich fallen lassen.“ Nun, es ist dumm, so zu denken. Du solltest dich besser fragen: „Schau, ich war nicht fähig, die Erfahrung zu halten, aber warum nicht?“ So, dann nimmst du eine Taschenlampe und gehst eine Runde damit in dir selbst und versuchst, die sehr enge Beziehung zu finden zwischen der Änderung in deinem neuen Bewusstsein, das die Erfahrung brachte und den Vorgängen in dir, die das Aufhören der Erfahrung begleitet haben. Und wenn du sehr sehr aufmerksam bist und die Runde in deinem Inneren ganz gewissenhaft machst, wirst du feststellen, dass plötzlich ein Teil deines vitalen Gefühls oder deines Denkens oder deines Körpers nicht mitgemacht hat und die Erfahrung nicht aufrechterhalten hat. Anstatt mental in Gedanken regungslos, still und aufmerksam zu bleiben, hat etwas in dir angefangen zu fragen: „Warte mal einen Moment, was ist das hier für eine Erfahrung? Was bedeutet sie?“ Dieser Teil in dir begann damit, eine Erklärung zu finden, wollte das haben, was er eine „Erkenntnis“ nennt. Oder vielleicht hat in deinem vitalen Gefühl etwas angefangen, diese Erfahrung zu genießen: „Oh, wie angenehm diese Erfahrung ist! Wie sehr ich wünsche, dass sie wächst, wie gut, wenn sie konstant bliebe, wie…“ Oder etwas im körperlichen Bereich sagte sich: „Oh, es ist etwas anstrengend, die Erfahrung auszuhalten, wie lange werde ich fähig sein, sie zu bewahren?“ Was du in dir finden wirst, ist vielleicht nicht ganz so offensichtlich wie all das, was ich beschreibe, aber ein kleines bisschen so, verborgen, steckt es irgendwo in dir. Du wirst immer eine von diesen drei Ursachen oder andere, vergleichbare in dir finden.

Hier braucht man eine Laterne: wo ist der schwache Punkt in einem selbst? Wo ist der Egoismus? Wo steckt das Verlangen? Wo befindet sich der alte Schmutz, den wir nicht länger wollen? Wo ist das Ding, das sich zurückhält, anstatt sich selbst dem Licht des Bewusstseins zu übergeben, sich ihm zu öffnen, sich zu befreien? Was ist es in mir, das sich abwendet und versucht, einen Vorteil aus der Erfahrung zu ziehen, und sich die Frucht der Erfahrung aneignen möchte? Oder besser, was ist es, das zu schwach oder zu hart ist, zu rigide, um der Entwicklung der Erfahrung zu folgen? Das fragst du dich und von da an bist du auf dem richtigen Weg, du fängst an, das Licht, das du gerade empfangen hast, genau darauf zu richten. Das musst du tun, das Licht so darauf fokussieren, dass der Widerstand sich auflöst.

Es wird dir nicht am ersten Tag gelingen, aber mache es einfach andauernd und nach und nach, oder vielleicht eines Tages ganz plötzlich, wird die Sache verschwinden. Dann wirst du nach einer Weile merken, dass du ein anderer Mensch geworden bist.

DIE MUTTER, CWM 4:359

Die Mutter hat nicht von Selbstanalyse gesprochen, das sind mentale Methoden, es sind keine spirituellen Methoden. Was die Mutter meinte, war nicht die Analyse, sondern die Schau von sich selbst und all der lebendigen Aktivitäten seiner eigenen Natur, eine lebhafte Beobachtung der Persönlichkeiten und Kräfte, die auf der Bühne unseres Wesens auftreten, ihrer Motive, ihrer Impulse, ihres Potentials, eine Beobachtung, die genauso interessant ist wie das Zuschauen bei einem Drama oder das Lesen einer Novelle, es ist eine lebendige Vision und Wahrnehmung, wie die Dinge in uns getan werden, was uns auch eine aktive Meisterschaft über dieses innere Universum verleiht. Diese Dinge werden nur dann zu trocken, wenn man sie mit dem analytischen oder rationalen Verstand untersucht, nicht, wenn man ihnen zuschaut und sie intuitiv als einen Ausdruck des Lebens behandelt. Wenn du diese Beobachtungen nicht vom intellektuellen oder ethischen, sondern vom inneren spirituellen Standpunkt aus machen würdest, wäre es verhältnismäßig leicht für dich, aus deinen Schwierigkeiten heraus zu kommen, zum Beispiel, würdest du sofort herausfinden, woher dieser irrationale Impuls, zu fliehen, herkam, und er hätte keine Macht über dich.

Natürlich kann das alles mit der besten Wirkung erreicht werden, wenn du vom Spiel deiner Natur zurücktrittst, es aus einer gewissen Distanz mit Abstand betrachtest und zum leitenden Beobachter – oder zum Zuschauer – Spieler – Manager deiner Natur wirst. Das geschieht, wenn du diese Position des Sich-Selbst-Betrachtens einnimmst.

SRI AUROBINDO, CWSA 31 :25

Sich der verschiedenen Beweggründe in sich selbst bewusst zu werden und zu wissen, was man macht und warum, ist der unverzichtbare Ausgangspunkt. Ein Kind sollte gelehrt werden, seine Reaktionen und Impulse zu bemerken und deren Ursachen zu erkennen und zu einem guten Beobachter seiner selbst zu werden. Es sollte lernen, seine Wünsche, seine Reaktionen von Wut und Leidenschaft, seine Besitzinstinkte und seine Instinkte der Aneignung und des Beherrschen-Wollens wahrzunehmen und zu unterscheiden, sowie deren gegenteilige Entsprechungen von Schwäche, Entmutigung, Depression und Verzweiflung und auch deren Hintergrund der Selbstgefälligkeit, der all das unterstützt.

DIE MUTTER, CWM 12:22

… Der normale Mensch ist sich vieler Dinge nicht bewusst, die in ihm ablaufen, denn seine vitale Natur versteckt sie vor seinem Denken und befriedigt sie, ohne dass der Verstand realisiert, welche Kraft ihn zum Handeln bewegt – so werden Dinge, die unter dem Vorwand von Nächstenliebe, Menschlichkeit, Gottesdienst usw. getan werden, größtenteils durch das Ego motiviert, das sie als Rechtfertigung für sich benützt und sich hinter ihnen versteckt. Im Yoga muss dieses verdeckte Motiv aus seinem Versteck geholt, entlarvt und abgeschafft werden. Zweitens, manche Dinge werden im normalen Leben unterdrückt und verbleiben in der Natur, verdrängt, aber nicht überwunden. Sie können jeden Tag wieder auftauchen oder können sich in verschiedenen nervösen oder anderen Störungen des Verstandes, des Gefühls oder des Körpers ausdrücken, ohne dass es offensichtlich wird, was deren wirkliche Ursache ist. Das wurde kürzlich durch europäische Psychologen entdeckt und stark betont und es wurde in einer neuen Wissenschaft, der Psychoanalyse, auch überbewertet. Auch hier muss man in der Sadhana diese unterdrückten Impulse bewusst machen und sie überwinden.

SRI AUROBINDO, CWSA 28:421

Was auch immer man sich bewusst machen möchte, zuerst muss man es wollen.

Und wenn ich sage: „Es wollen“, meine ich damit nicht, dass du an einem Tag sagst: „Oh, ich möchte es sehr!“, und es zwei Tage später völlig vergessen hast.

Um es zu wollen, braucht man eine dauernde, unterstützende, konzentrierte Bemühung, eine beinahe ausschließliche Beschäftigung des Bewusstseins damit. Das ist der erste Schritt. Es gibt noch viele andere: eine sehr aufmerksame Beobachtung seiner selbst, eine sehr durchdringende Analyse, eine sehr wache Unterscheidung von dem, was in diesem Bemühen rein ist und was nicht.

DIE MUTTER, CWM 4:244

Wenn man im wahren Bewusstsein lebt, fühlt man das Verlangen als etwas, das außerhalb von einem selbst existiert und von der universalen niederen Natur von außen in das Denken oder das vitale Gefühl hereinkommt. Im normalen menschlichen Gemütszustand wird das nicht so empfunden, die Menschen nehmen das Verlangen erst dann wahr, wenn es schon da ist, nachdem es in sie hineingekommen und einen Unterschlupf oder eine gewohnheitsmäßige Anhaftung vorgefunden hat, und deshalb denken sie, dass es ihr eigenes ist und Teil von ihnen selbst. Darum ist die erste Bedingung dafür, ein Verlangen loszuwerden, mit dem wahren Bewusstseins wahrzunehmen, dass es außerhalb von einem selbst in der universalen niederen Natur existiert, denn dann wird es viel leichter, es wegzuschicken, als wenn man so mit ihm kämpft, als wäre es ein Bestandteil von einem selbst, der aus dem Wesen herausgeworfen werden muss. Es ist leichter, es als einen Eindringling von außen hinauszuwerfen, als es als etwas herauszuschneiden, was man als Teil seiner Substanz empfindet.

SRI AUROBINDO, CWSA 31:265

Was kann man tun, um sich für den Yoga vorzubereiten?

Ich habe der Person, die mir diese Frage gestellt hat, geantwortet: „Werde vor allem zuerst bewusst.“ Die Person versuchte also bewusst zu werden und sagte mir ein paar Monate später: „Oh, was hast du mir für ein hässliches Geschenk gemacht! Früher schienen die Menschen in meinen Beziehungen alle so nett zu sein. Ich empfand Wohlwollen, sie waren so nett zu mir und nun, seit ich bewusst werde, sehe ich alle möglichen Dinge in mir, die nicht sehr schön sind, und gleichzeitig sehe ich auch in anderen Dinge, die überhaupt nicht gut sind!“ Ich antwortete ihr: „Sehr gut möglich! Wenn du keine Unannehmlichkeiten haben willst, ist es besser, nicht aus deiner Unwissenheit herauszukommen.“

Deshalb ist der erste Schritt herauszufinden, ob man die Wahrheit sehen und erkennen will oder bequem in seiner Ignoranz verharren will.

DIE MUTTER, CWM 3:2

Das erinnert mich an eine Dame, die, nachdem sie allmählich bewusst wurde, zu mir sagte: „Bevor ich dir zugehört habe, hatte ich Vertrauen in die Menschen, jeder war nett und ich war glücklich. Jetzt, da ich klar sehe und bewusst geworden bin, habe ich meine ganze Gelassenheit verloren. Es ist schrecklich, bewusst zu werden.“

Was kann man da machen? Noch bewusster werden.

DIE MUTTER, CWM 5:30

Süße Mutter, wann kann man wissen, dass man bewusst ist?

Das ist immer relativ. Man ist niemals völlig unbewusst und niemals vollständig bewusst.

Es ist ein fortschreitender Zustand.

Es kommt aber eine Zeit, wenn man beobachten kann, was in einem selbst vor sich geht, und man seine Beweggründe studieren und deren Ursachen herausfinden kann, anstatt die Dinge automatisch zu tun, angetrieben von einem Bewusstsein und einer Kraft, die man nicht bemerkt. Gleichzeitig kann man damit beginnen, Kontrolle über das auszuüben, was in uns selbst geschieht, und auch über die Einflüsse, die von außen auf uns einströmen und unser Handeln bestimmen. Das geschieht am Anfang fast völlig unbewusst und beinahe unfreiwillig, aber stufenweise immer bewusster, bis unser Wille erwacht und leitend eingreift. Dann, in diesem Moment, in dem der bewusste Wille fähig ist, das Bewusstsein zu führen, könnte man sagen: „Ich bin bewusst geworden“. Das bedeutet nicht, dass man schon eine umfassend perfekte Bewusstheit entwickelt hat, sondern, dass man einen Anfang gemacht hat: zum Beispiel, dass man fähig ist, all seine Reaktionen zu beobachten und dass man eine gewisse Kontrolle über sie hat, und denjenigen, denen man zustimmt, freies Spiel des Ausdrucks zu erlauben, und diejenigen zu prüfen, zu stoppen, und abzuschaffen, denen man nicht zustimmt.

Außerdem musst du in dir selbst so etwas wie ein inneres Ziel, einen inneren Sinn oder ein Ideal empfinden, dem du folgst, und das du verwirklichen möchtest; etwas mehr als den bloßen Instinkt, der dich dazu zwingt zu leben, ohne zu wissen, wie oder warum. Zu diesem Zeitpunkt, an dem das eintritt, kannst du sagen, dass du bewusst bist, aber nicht vollkommen bewusst. Und mehr noch, diese Vollkommenheit des Bewusstseins schreitet immer weiter voran und ich glaube, deshalb kann niemand von sich sagen, dass er vollständig bewusst ist; man ist auf dem Weg dazu, vollkommen bewusst zu werden, aber man ist es noch nicht.

DIE MUTTER, CWM 5:26