Anhang
Die Botschaft der Gita
Die Botschaft der Gita, das Wort ihres göttlichen Lehrers, können wir so zusammenfassen: „Das Geheimnis des Handelns ist eines mit dem Geheimnis allen Lebens und Daseins. Sein ist nicht nur ein Mechanismus der Natur, das Rad eines Gesetzes, in das die Seele für einen Augenblick oder für lange Zeiten verwickelt ist. Es ist eine ständige Manifestation des Geistes. Leben ist nicht nur da um des Lebens willen, sondern für Gott; und die lebendige Seele des Menschen ist ein ewiger Bestandteil der Gottheit. Handeln geschieht um der Selbst-Findung, um der Selbst-Erfüllung willen, wegen der Selbst-Verwirklichung und nicht nur wegen seiner äußeren oder sichtbaren Früchte des Augenblicks oder der Zukunft. Es gibt ein inneres Gesetz und einen inneren Zweck aller Dinge, abhängig von der höchsten Natur des Selbsts wie auch von seiner manifestierten Natur. Dort liegt die wahre Wahrheit des Wirkens. In den äußeren Erscheinungen des Mentals und seines Wirkens kann sie nur beiläufig, unvollkommen und durch die Unwissenheit verkleidet dargestellt werden. Darum ist es höchstes, fehlerloses und umfassendstes Gesetz des Handelns, die Wahrheit unseres eigenen höchsten und innersten Daseins herauszufinden und in ihr zu leben. Es gilt nicht, irgendeiner äußeren Norm oder einem solchen Dharma zu folgen. Solange wir das tun, muss alles Leben und Handeln etwas Unvollkommenes und Schwieriges, ein Ringen und ein Problem sein. Nur wenn du dein wahres Selbst entdeckst und im Einklang mit seiner wirklichen Wahrheit, seiner wahren Wirklichkeit lebst, kann das Problem endgültig gelöst, die Schwierigkeit und das Ringen überwunden werden, kann alles, was du tust, vervollkommnet werden und sich in der Sicherheit des entdeckten Selbstes und Geistes in ein verbürgtes göttliches Wirken verwandeln. Erkenne also dein Selbst! Erkenne, dass dein wahres Selbst Gott ist und eins ist mit dem Selbst aller Menschen! Erkenne, dass deine Seele ein Wesensteil Gottes ist! Lebe in dem, was du weißt! Lebe im Selbst! Lebe in deiner höchsten spirituellen Art! Sei mit Gott geeint und Gott gleich! Bringe zuerst dein ganzes Wirken dem Erhabenen und dem Einen in dir und dem Erhabenen und dem Einen in der Welt als ein Opfer dar! Überantworte schließlich alles, was du bist und tust, in seine Hand, damit der höchste und universale Geist durch dich seinen Willen und sein Wirken in der Welt vollziehen kann! Das ist die Lösung, die Ich dir anbiete. Am Ende wirst du finden, dass es keine andere gibt.“
Hier ist es notwendig, dass wir den Standpunkt der Gita zu dem fundamentalen Gegensatz darstellen, zu dem sie, wie jede indische Lehre, Stellung nimmt. Es ist nicht leicht, das wahre Selbst und die Erkenntnis zu gewinnen, dass die Gottheit in unserem Inneren und in allen Wesen ist. Es ist ebensowenig leicht, diese Erkenntnis dann, wenn sie vom Mental gewonnen wird, in den Stoff unseres Bewusstseins und zur einzigen Grundlage unseres Handelns zu verwandeln. Alles Wirken wird durch den tatsächlichen Zustand unseres Wesens bestimmt; und dieser tatsächliche Zustand unseres Wesens wird durch den Zustand unseres ständig das Selbst schauenden Willens und aktiven Bewusstseins bestimmt und dessen Grundlage für die dynamische Bewegung. Das, was wir sehen, von dem wir mit unserer ganzen aktiven Natur glauben, dass wir es sind und dass unsere Beziehungen zur Welt dieses bedeuten, das ist unser Glaube, unser śraddhā; das macht uns zu dem, was wir sind. Das Bewusstsein des Menschen ist aber von doppelter Art und entspricht einer doppelten Wahrheit des Seins. Denn es gibt eine Wahrheit der inneren Wirklichkeit und eine Wahrheit der äußeren Erscheinung. Je nachdem der Mensch in der einen oder der anderen lebt, wird er ein mentales Wesen, das in menschlicher Unwissenheit lebt, oder eine Seele sein, die im göttlichen Wissen gegründet ist.
In ihrer äußeren Erscheinung ist die Wahrheit des Seins lediglich das, was wir Natur oder Prakriti nennen: eine Kraft, die sich als Gesetz und Mechanismus des Seienden auswirkt, die Welt erschafft, Gegenstand des Mentals und der Sinne ist und auch Mental und Sinne erschafft als Mittel der Beziehung zwischen Geschöpf und objektiver Welt, in der es lebt. In dieser äußeren Erscheinung erscheint der Mensch in seiner Seele, seinem Mental, seinem Leben und seinem Körper als Geschöpf der Natur, das sich von anderen Geschöpfen durch Sonderung seines Körpers, Lebens und Mentals, besonders aber durch seinen Ego-Sinn unterscheidet –, jenen subtilen Mechanismus, der für ihn konstruiert wurde, damit er sein Bewusstsein dieser starken Sonderung und Verschiedenheit absichern und zentralisieren kann. Alles in ihm, die Seele seines Mentals und dessen Wirkens ebenso gut wie das Wirken seines Lebens und seines Körpers, wird offensichtlich durch das Gesetz seiner Natur bestimmt. Es kann nicht aus diesem heraustreten, kann sich nicht auf andere Weise betätigen. Gewiss schreibt er seinem persönlichen Willen, dem Willen seines Ego, eine bestimmte Freiheit zu. Das hat aber in Wirklichkeit keine Bedeutung, da sein Ego nur ein Sinn ist, mittels dessen er sich mit der Schöpfungsform identifizieren kann, die die Natur aus ihm gemacht hat: mit dem von anderen verschiedenen Mental, Leben und Körper, die sie gebildet hat. Sein Ego ist aber selbst ein Produkt ihres Wirkens. So wie die Art seines Ego ist, so wird die Art seines Willens sein. Und im Einklang mit diesem muss er handeln, er kann nicht anders.
Dies also ist des Menschen gewöhnliches Bewusstsein von sich selbst. Dies ist sein Glaube an sein eigenes Wesen, dass er ein Geschöpf der Natur ist, ein gesondertes Ego, das Beziehungen zu anderen Wesen und zur Welt herstellt, das irgendeine Entwicklung seiner selbst zustande bringt, das jedes Wollen und Begehren, jede Idee seines Mentals befriedigt, die im Ablauf der Natur zulässig ist und mit ihrer Absicht oder ihrem Gesetz in seinem Sein übereinstimmt.
Es gibt jedoch etwas im Bewusstsein des Menschen, das mit dieser starren Formel nicht übereinstimmt. Er hat einen Glauben an eine andere und innere Wirklichkeit des Seins, der in seiner Seele größer wird, je mehr diese sich entfaltet. In dieser inneren Wirklichkeit ist die Wahrheit des Seins nicht mehr Natur, sondern Seele und Geist, viel mehr Purusha als Prakriti. Natur selbst ist nur eine Macht des Geistes, Prakriti die Kraft des Purusha. Ein Geist, ein Selbst, ein Wesen, eins in allem: das ist der Meister dieser Welt, die nur seine Teil-Manifestation ist. Dieser Geist ist der Erhalter der Natur und ihres Wirkens. Er erteilt die Zustimmung, durch die allein ihr Gesetz unumgänglich und ihre Kraft und ihr Arbeiten praktisch wirksam werden. Dieser Geist in ihr ist der Wissende, der sie erleuchtet und in uns bewusst macht. Ihm eigen ist der immanente und überbewusste Wille, der ihre Wirkensweisen inspiriert und motiviert. Die Seele des Menschen, ein Wesensteil dieser Gottheit, nimmt an ihrer Art teil. Unser Wesen ist die Manifestation unserer Seele; sie führt alles durch ihre Zustimmung aus, sie verkörpert ihr geheimes Selbst-Wissen, ihr Selbst-Bewusstsein und ihren Seins-Willen in den Regungen, Formen und Veränderungen unseres Wesens.
Die wirkliche Seele und unser Selbst sind verborgen vor unserer Intelligenz durch deren Unwissenheit hinsichtlich der inneren Dinge, durch falsche Identifikation mit unserem äußeren Mechanismus von Mental, Leben und Körper und durch das Ausgeliefert-sein an sie. Sobald sich aber die aktive Seele des Menschen von dieser Identifikation mit den Instrumenten ihrer Art zurückziehen kann, ihre innere Wirklichkeit sieht, im vollen Glauben daran leben kann, ist für sie alles verändert: Leben und Sein nehmen ein anderes Aussehen an, das Wirken bekommt einen anderen Sinn und Charakter. Unser Wesen ist dann nicht mehr dieses kleine egoistische Geschöpf der Natur; vielmehr wird es zur umfassenden Weite einer göttlichen, unsterblichen und spirituellen Macht. Unser Bewusstsein ist nicht mehr das Bewusstsein dieses beschränkten und ringenden mentalen und vitalen Geschöpfes; vielmehr wird es zu einem unendlichen, göttlichen und spirituellen Bewusstsein. Und unser Wille und Wirken sind nicht mehr Wille und Wirken dieser begrenzten Persönlichkeit und ihres Ego; vielmehr werden sie zum göttlichen und spirituellen Willen und Wirken, zum Willen und zur Macht des Universalen, des Erhabenen, des All-Selbstes und Geistes, die in freier Weise mittels der menschlichen Gestalt wirken.
„Dies ist die große Wandlung und Umgestaltung“, lautet die Botschaft der Gottheit im Menschen, des Avatars, des göttlichen Lehrers, „zu der Ich die Auserwählten berufe“. Auserwählt sind alle, die ihren Willen von der Unwissenheit der Instrumente ihrer Natur ab- und hinwenden können zur tiefen Erfahrung der Seele, zu ihrer Erkenntnis des inneren Selbstes und Geistes, zu ihrem Kontakt mit der Gottheit, zu ihrer Macht, in das Göttliche einzugehen. Erwählt sind alle, die diesen Glauben und dieses höhere Gesetz annehmen können. Dies anzuerkennen, ist allerdings schwer für den Intellekt des Menschen, der stets an seinen alten Wolkengebilden und Halblichtern der Unwissenheit und an den noch finstereren Gewohnheiten der mentalen, nervlichen und physischen Seiten festhält. Hat er aber dies Gesetz einmal empfangen, ist es ein großer, sicherer, rettender Weg, da es identisch ist mit der wahren Wahrheit des Wesens des Menschen und die verbürgte Bewegung der innersten und höchsten Natur.
Die Wandlung ist aber eine große, gewaltige Transformation. Sie kann nicht getan werden, ohne dass du dein ganzes Wesen und deine Art wandelst und umkehrst. Es ist notwendig, dass du dein Selbst, deine Natur und dein Leben vollständig dem Erhabenen weihst, nichts anderem als dem Erhabenen. Denn nun muss alles nur um des Erhabenen willen unternommen werden. Nichts darf man annehmen, es sei denn in Gott und eine Gestaltung Gottes und um des Göttlichen willen. Es wird nötig, eine neue Wahrheit anzuerkennen, dein Mental völlig hinzuwenden und hinzugeben an eine neue Erkenntnis des Selbstes, der anderen Menschen, der Welt und Gottes, der Seele und der Natur, an ein Wissen um das Einssein; ein Wissen der universalen Göttlichkeit. Zuerst wirst du das nur mit dem Verstand annehmen; schließlich muss es aber zu einer Schau werden, zu einem Bewusstsein, zu einem Dauerzustand deiner Seele und zu einem Rahmen für ihre Maßnahmen.
Notwendig wird dazu ein Wille sein, der dieses neue Wissen, Schauen und Bewusstsein zu einem Motiv des Handelns macht, zu seinem einzigen Motiv. Das darf aber kein Motiv für ein Handeln sein, das du widerstrebend nur auf die notwendigen Maßnahmen der Natur oder auf die wenigen Dinge begrenzt und einschränkst, die für eine formelle Vollkommenheit hilfreich erscheinen, etwa einer religiösen Bekehrung oder individuellen Erlösung förderlich sind. Vielmehr soll alles Wirken des menschlichen Lebens in Gleichmut unternommen und um Gottes willen und für das Wohl aller Geschöpfe geleistet werden. Notwendig wird sein, dass das Herz in einem einzigen Streben zum Erhabenen emporgehoben wird, in einer einzigen Liebe zum Göttlichen Wesen, in einer einzigen Gottes-Verehrung. Auch das still gewordene und erleuchtete Herz soll so weit geworden sein, dass es Gott in allen Wesen umarmt. Es wird eine Umwandlung der gewohnheitsmäßigen und gewöhnlichen Art des Menschen, wie sie jetzt ist, in eine höchste und göttliche spirituelle Art nötig. Mit einem Wort: Erforderlich ist ein Yoga, der zugleich ein Yoga integralen Wissens, ein Yoga des integralen Willens und seines Wirkens, ein Yoga der integralen Liebe, Anbetung und innigen Hingabe und ein Yoga integraler spiritueller Vervollkommnung des ganzen Wesens und all seiner Seiten, Zustände, Mächte und Regungen ist.
Was ist nun das für ein Wissen, das vom Verstand anerkannt, vom Glauben der Seele gefördert und zu etwas Wirklichem und Lebendigem für Mental, Herz und Leben gemacht werden soll? Es ist das Wissen von der erhabenen Seele und vom erhabenen Geist in seinem Einssein und Ganzsein. Es ist das Wissen von dem Einen, der immer und ewig ist, jenseits von Zeit und Raum, von Namen und Form und Welt, weit jenseits seiner eigenen personalen und apersonalen Bereiche, und aus dem dennoch dies alles hervorgeht, der Eine, den alles in der vielfältigen Natur und der Menge ihrer Gestaltungen offenbart. Es ist die Erkenntnis von ihm, der ein apersonaler ewiger und unwandelbarer Geist ist, das stille und grenzenlose Ding, das wir Selbst nennen, das unendlich, gelassen und immer dasselbe ist, nicht beeinträchtigt, verändert und verwandelt inmitten des ständigen Wechsels und der Mannigfaltigkeit von Personalitäten, Seelen- und Natur-Mächten, von den Gestaltungen, Kräften und Zufälligkeiten dieses vergänglichen sichtbaren Daseins. Zugleich ist dieses Wissen auch die Erkenntnis von ihm als dem Geist und der Macht, die in der Natur stets veränderlich zu sein scheint; dem Innewohnenden, der sich zu jeder Form gestaltet, der sich zu jeder Stufe und zu jedem Grad und zu jeder Aktivität seiner Macht verändert; dem Geist, der zu allem wird, was ist, während er immer unendlich mehr ist als alles, was ist, der im Menschen, im Tier und im Ding wohnt, der Subjekt und Objekt ist, Seele und Mental, Leben und Materie, der jedes Seiende, jede Kraft und jede Kreatur ist.
Diesen Yoga kannst du nicht dadurch praktizieren, dass du dich nur auf diese oder jene Seite der Wahrheit festlegst. Das Göttliche, das du suchen sollst, das Selbst, das du zu entdecken hast, die erhabene Seele, deren ewiger Bestandteil deine Seele ist, all diese Dinge ist Er zugleich. Du sollst sie alle zusammen in höchstem Einssein erkennen, zugleich in sie alle eingehen, in allen ihren Zustandsformen und in allen Dingen Ihn allein wahrnehmen. Wäre er nur der in der Natur veränderliche Geist, dann gäbe es nur ein ewiges und universales Werden. Beschränkst du deinen Glauben und deine Erkenntnis nur auf diesen einen Aspekt, wirst du niemals über deine Persönlichkeit und ihre ständig wechselvollen Gestaltungen hinauskommen. Auf solcher Grundlage wärst du ganz und gar in den Umwälzungen der Natur gebunden. Du bist aber nicht nur eine Aufeinanderfolge von Seelen-Augenblicken in der Zeit. Es gibt in dir ein apersonales Selbst, das den Strom deiner Persönlichkeit trägt und eins ist mit Gottes unermesslichem und apersonalem Geist. Und unberechenbar jenseits dieser Persönlichkeit und Apersonalität bist du, beide ständigen Pole dessen, was du hier bist, beherrschend, ewig und erhaben in der Ewigen Transzendenz.
Gäbe es wiederum nur die Wahrheit eines ewigen apersonalen Selbsts, das weder handelt noch erschafft, dann wären die Welt und deine Seele Illusionen ohne jede wirkliche Grundlage. Beschränkst du deinen Glauben und deine Erkenntnis nur auf diesen alleinigen Aspekt, dann bleibt dir als einzige Hilfe nur, Leben und Handeln zu entsagen. Gott in der Welt und du in der Welt sind jedoch Wirklichkeiten. Die Welt und du sind wahre und wirkliche Mächte und Offenbarungen des Erhabenen. Nimm deshalb Leben und Handeln an und weise sie nicht zurück! Eins geworden mit Gott in deinem apersonalen Selbst und Wesen, ewiger Wesensteil der Gottheit, ihm zugewandt durch die Liebe und Anbetung deiner spirituellen Persönlichkeit um ihres eigenen Unendlichen willen, sollst du dein natürliches Wesen zu dem machen, wozu es bestimmt ist: zu einem Instrument für das Wirken Gottes, zu einem Vermittler und einer Macht des Göttlichen. Das ist es immer in seiner Wahrheit, aber hier und jetzt nur unbewusst und unvollkommen, durch die niedere Natur zu einer Entstellung der Gottheit durch dein Ego verurteilt. Mache also deine spirituelle Persönlichkeit bewusst und vollkommen und ohne alle Entstellung durch dein Ego zu einer Macht des Göttlichen in seiner erhabenen spirituellen Art und zum Träger seines Willens und seines Wirkens! Auf diese Weise wirst du in der integralen Wahrheit deines eigenen Wesens leben und die integrale Einheit mit Gott besitzen, den ganzen und makellosen Yoga.
Der Erhabene ist der Purushottama, ewig jenseits aller Manifestation, unendlich erhaben über alle Begrenzung durch Zeit, Raum und Kausalität oder irgendeine seiner zahllosen Eigenschaften und Eigenarten. Das bedeutet aber nicht, dass er in seiner erhabenen Ewigkeit ohne Verbindung wäre zu allem, was hier vorgeht, abgeschnitten von der Welt und der Natur, hoch erhaben über all diesen Wesen. Er ist das höchste, erhabene Brahman, er ist apersonales Selbst; er ist alle persönliche Daseinsformen. Der Geist hier, Leben und Materie, Seele und Natur und die Werke der Natur sind Aspekte und Bewegungen seines unendlichen und ewigen Seins. Er ist der erhabene transzendente Geist. Alles tritt aus ihm in die Manifestation hervor. Alle Wesen sind seine Gestaltungen und Selbst-Mächte. Als das eine Selbst durchdringt er hier alles. Er ist gleich und apersonal in Mensch, Tier und Ding, im Gegenstand und in jeglicher Kräfte der Natur. Er ist die erhabene Seele; alle anderen Seelen sind die nie-erlöschenden Flammen dieser einen Seele. In ihrer spirituellen Persönlichkeit sind alle lebenden Wesen unsterbliche Wesensteile der einen Person oder des Purusha. Er ist der ewige Meister des ganzen manifestierten Seins, Herr der Welten und ihrer Geschöpfe. Er ist der allmächtige Urheber jeglichen Handelns, durch seine Taten nicht gebunden. Zu ihm geht alles Handeln, Mühen und Opfern. Er ist in allem, und alle sind in ihm. Er ist zu allen geworden, und doch steht er auch über allen und ist durch seine Schöpfungen nicht begrenzt. Er ist das transzendente Göttliche. Er kommt hernieder als der Avatar. Er ist durch seine Macht in dem Vibhuti offenbar. Er ist die geheime Gottheit in jedem menschlichen Wesen. Alle Götter, die die Menschen verehren, sind nur Persönlichkeiten und Gestaltungen, Namen und mentale Verkörperungen des einen Göttlichen Seins.
Der Erhabene hat die Welt aus seiner spirituellen Wesenheit und innerhalb seines eigenen unendlichen Seins geoffenbart. Er hat auch sich verschiedenartig in der Welt manifestiert. Alle Dinge sind seine Mächte und Gestaltungen. Seiner Mächte und Gestaltungen gibt es kein Ende, denn er selbst ist unendlich. Diese ganze unendliche Manifestation in der Zeit und im Universum durchformt er als ein sie durchdringendes und sie in sich enthaltendes apersonales Selbst-Sein ausgeglichen und ohne jede Parteilichkeit, Bevorzugung oder Gebundenheit an eine Person, eine Sache, ein Geschehnis oder eine besondere Gestaltung. Dies reine, ausgeglichene Selbst handelt nicht; vielmehr trägt es unparteiisch alle Aktivitäten der Dinge. Dennoch ist es der Erhabene, der als der kosmische Geist und als der Zeit-Geist das Wirken der Welt durch seine vielfältige Macht-zum-Sein lenkt und bestimmt – durch jene Macht des Geistes, die wir Natur nennen. Er erschafft, erhält und zerstört, was er erschafft. Er hat auch seinen Sitz im Herzen jedes lebenden Geschöpfes. Von dort aus bringt er als geheime Macht im Einzelnen nicht weniger als von seiner universalen Gegenwart im Kosmos her durch die Kraft der Natur hervor, offenbart er einen besonderen Zug seines Mysteriums als Eigenschaft der Natur und als ausführende Kraft in ihr, gestaltet er jedes Ding und Wesen gesondert im Einklang mit seiner Art, gibt er Anstoß und Unterstützung zu jeder Aktion. So macht diese erhabene Ur-Schöpfung vom Höchsten her und Dessen ständige allumfassende und individuelle Offenbarung in den Dingen und Wesen den komplexen Charakter des Kosmos aus.
Immer gibt es diese drei ewigen Zustandsformen des Göttlichen Seins: Immer und ewig gibt es dieses eine ewige, unwandelbare Selbst-Sein, das Grundlage und Stütze der vorhandenen Dinge ist. Immer und ewig gibt es den veränderlichen Geist in der Natur, der durch sie manifestiert wird als alle Daseinsformen. Immer und ewig gibt es das transzendente Göttliche, das beides zugleich sein kann: reiner schweigender Geist und auch aktive Seele und Leben der Zyklen des Weltalls. Denn er ist noch mehr und etwas anderes als diese beiden, ob getrennt genommen oder zusammengefasst. In uns ist der Jiva, ein Geist seines Geistes, eine bewusste Macht des Erhabenen. Er ist der eine, der in seinem tiefsten Selbst das Ganze des immanenten Göttlichen trägt und in der Natur lebt, im universalen Göttlichen – keine zeitlich vergängliche Schöpfung, sondern eine ewige Seele, die im ewigen Selbst, im ewigen Unendlichen wirkt und sich bewegt.
Diese bewusste Seele in uns kann jede dieser drei Zustandsformen des Geistes annehmen. Der Mensch kann hier in der Veränderlichkeit der Natur, und allein in ihr, leben. Unwissend hinsichtlich seines wirklichen Selbstes, unwissend bezüglich der Gottheit in seinem Inneren, kennt er nur die Natur. Er sieht sie als eine mechanisch vollziehende und schöpferische Kraft und betrachtet sich und die anderen als deren Schöpfungen –, als Egos, gesonderte Existenzen in ihrem Universum. Derart oberflächlich lebt er jetzt. Solange das so ist und er nicht über das äußere Bewusstsein hinauskommt und weiß, was in ihm ist, kann all sein Denken und seine Wissenschaft nur ein Schatten des Lichtes sein, das auf Bildschirme und Wandflächen projiziert wird. Die Unwissenheit ist möglich, ist ihm sogar auferlegt, weil die Gottheit in seinem Inneren durch den Schleier ihrer eigenen Macht verborgen ist. Ihre größere Wirklichkeit ist unserem Blick nur dadurch verlorengegangen, dass Gott sich so vollständig mit seinen Geschöpfen und Abbildern in einer partiellen Erscheinung identifiziert und das erschaffene Mental im täuschenden Wirken seiner eigenen Natur so ganz hat aufgehen lassen. Und es ist auch deshalb möglich, weil die wirkliche, die ewige, die spirituelle Natur, die in den Dingen als deren Geheimnis ist, nicht in deren äußeren Erscheinungsformen manifest hervortritt. Die Natur, die wir hier sehen, wenn wir nach außen blicken, die Natur, die in unserem Mental, in Körper und Sinnen wirkt, ist eine niedere Kraft, etwas Abgeleitetes, ein Zauberer, der Formen des Geistes erschafft, aber den Geist in dessen Gestalten verbirgt, die Wahrheit verheimlicht und die Menschen dazu bringt, auf Masken zu schauen. Sie ist eine Kraft, die nur eine Anzahl sekundärer und herabgeminderter Werte zustande bringen kann, aber nicht imstande ist, die Macht, Herrlichkeit, Ekstase und Lieblichkeit des Göttlichen zu manifestieren. Diese Natur in uns ist eine Maya des Ego, ein Gewirr von Gegensätzlichkeiten, ein Gewebe aus Unwissenheit und den drei Gunas. Solange die Seele des Menschen in der oberflächlichen Tatsachenwelt von Mental, Leben und Körper lebt, kann er Gott, sich selbst und die Welt nicht so erkennen, wie sie wirklich sind, kann er diese Maya nicht überwinden, muss er vielmehr das tun, was er mit deren Begriffen und Formen fertigbringen kann.
Wenn sich ein Mensch aus der niederen Tendenz seiner Art, in der er jetzt lebt, zurückzieht, kann er aus diesem Licht, das eine Finsternis ist, erwachen und in der leuchtenden Wahrheit des ewigen unwandelbaren Selbst-Seins leben. Dann ist er nicht mehr in das enge Gefängnis seiner Persönlichkeit eingeschlossen, sieht er sich selbst nicht mehr als das kleine „Ich“, das für einen geringen Lohn denkt und handelt, fühlt und ringt und sich abmüht. Er ist in der unermesslichen, freien Apersonalität reinen Geistes aufgegangen. Er wird zum Brahman. Er weiß sich eins mit dem einen Selbst in allen Dingen. Er ist sich seines Ego nicht mehr bewusst, wird nicht mehr durch die Seinsweisen beeinträchtigt, empfindet nicht mehr die Pein der Sorge, die Beunruhigung durch Freude, wird nicht mehr von Begehren geschüttelt, nicht mehr durch Sünde behelligt oder durch Tugend eingeengt. Falls die Schatten dieser Dinge noch bleiben, sieht und erkennt er sie als bloße Natur, die ihren Gunas gemäß wirkt. Er empfindet sie nicht als die Wahrheit seiner selbst, in der er lebt. Die Natur allein handelt und arbeitet mechanisch ihre Gestaltungen aus, der reine Geist dagegen ist still, inaktiv und frei. Ruhig und unberührt durch ihre Wirksamkeiten betrachtet er sie völlig gelassen. Er weiß, dass er etwas anderes ist als diese Dinge. Solch spiritueller Zustand bringt stillen Frieden und Freiheit mit sich, aber nicht jene dynamische Göttlichkeit, jene integrale Vollkommenheit. Er bedeutet einen großen Schritt vorwärts, doch nicht vollständige Gott-Erkenntnis und Selbst-Erkenntnis.
Die vollendete Vollkommenheit tritt erst ein, wenn wir in dem erhabenen ganzen Göttlichen leben. Dann ist die Seele des Menschen mit der Gottheit geeint, deren Wesensteil sie ist. Dann ist sie eins mit allen Wesen im Selbst und im Geist, eins mit ihnen sowohl in Gott als auch in der Natur. Sie ist dann nicht nur frei sondern vollendet, versunken in die höchste Glückseligkeit, zubereitet für ihre letzte Vollkommenheit. Noch betrachtet der Mensch das Selbst als den ewigen und unwandelbaren Geist, der schweigend alle Dinge trägt. Aber er sieht auch die Natur nicht mehr als eine rein mechanische Kraft, die die Dinge im Einklang mit dem Mechanismus der Gunas ausarbeitet, sondern als eine Macht des Geistes und als die Kraft Gottes in Manifestation. Er erkennt, dass die niedere Natur nicht die innerste Wahrheit des Wirkens des Geistes ist. Er gewahrt eine höchste spirituelle Natur des Göttlichen, die sowohl den Ursprung wie die noch zu verwirklichende größere Wahrheit all dessen enthält, was jetzt in Mental, Leben und Körper unvollkommen dargestellt ist. Hat er sich aus dem niederen Mental zu dieser höchsten spirituellen Natur emporgeschwungen, ist er dort von allem Ego befreit. Er erkennt sich als ein spirituelles Wesen, das in seinem wesenhaften Sein eins ist mit allem, was existiert, in seiner aktiven Natur eine Macht der einen Gottheit und eine ewige Seele des transzendenten Unendlichen. Er erkennt alles in Gott und Gott in allem. Er betrachtet alle Dinge als Vasudeva. Er ist von den Gegensätzen befreit – von Freude und Kummer, Erfreulichem und Unerfreulichem, Begehren und Enttäuschung, Sünde und Tugend. Für sein bewusstes Schauen und Fühlen ist hinfort alles der Wille und das Wirken des Göttlichen. Er lebt und handelt als Seele und Wesensteil des universalen Bewusstseins und der universalen Macht. Er ist erfüllt von transzendenter göttlicher Seligkeit, dem spirituellen Ananda. Sein Handeln wird zum göttlichen Handeln und sein Zustand zum höchsten spirituellen Status.

Dies ist die Lösung, dies die Erlösung, dies die Vollkommenheit, die Ich allen anbiete, die auf die göttliche Stimme in ihrem Inneren hören können und zu solchem Glauben und solcher Erkenntnis fähig sind. Damit du dich aber zu diesem überragenden Zustand emporschwingen kannst, ist erste Notwendigkeit, der erste radikale Schritt, dass du dich von allem abwendest, was zu deiner niederen Natur gehört; dass du dich durch Konzentration des Willens und der Intelligenz fest an das hältst, was höher ist als Wille und Intelligenz, höher als Mental, Herz, Sinne und Körper. Zuerst musst du dich zu deinem ewigen unwandelbaren Selbst hinwenden, das apersonal und gleich ist in allen Geschöpfen. Solange du im Ego und der mentalen Persönlichkeit lebst, wirst du dich endlos in denselben Kreisen drehen. So kannst du zu keinem wirklichen Ergebnis gelangen. Wende deinen Willen nach innen, tiefer als das Herz mit seinen Wünschen, als die Sinne und was sie anzieht. Hebe den Willen über das Mental und seine Assoziationen hinaus; über alles, was dich abhängig macht, über sein Wünschen, Denken und jeden Impuls, der dich bindet. In deinem Inneren sollst du zu etwas Ewigem gelangen, das unverändert bleibt, still und unverwirrt, gleichmütig und unparteiisch allen Dingen, Personen und Geschehnissen gegenüber, unbeeinträchtigt durch Handeln, unverändert durch die Gestaltungen der Natur. Sei dies, sei das ewige Selbst, sei Brahman! Wenn du dies durch dauernde spirituelle Erfahrung werden kannst, wirst du eine gesicherte Basis besitzen, auf der du fest stehst, befreit von den Beschränkungen durch deine vom Mental erschaffene Persönlichkeit, geschützt vor dem Absturz aus Frieden und Erkenntnis; frei vom Ego.
Solange du aber dein Ego pflegst, verwöhnst und dich an es oder an etwas anderes klammerst, das zum Ego gehört, ist es nicht möglich, dein Wesen auf diese Weise apersonal zu machen. Begehren und Leidenschaften, die aus dem Begehren aufsteigen, sind das Hauptkennzeichen des Ego und seine Verknotung. Das Begehren lässt dein Ego weiter sagen: Ich und mein eigen. Es unterwirft dich durch beharrlichen Egoismus allem, was dich zufrieden und unzufrieden macht, Zuneigung und Abneigung, der Freude und dem Kummer, den kleinlichen Gefühlen dessen, was du liebst und verabscheust, dem Zorn und der Leidenschaft, deiner Abhängigkeit von Erfolg und angenehmen Dingen sowie dem Schmerz und Kummer über Versagen und unangenehme Dinge. Immer führt das Begehren zu einer Verwirrung des Mentals, zu einer egoistischen, verzerrten Betrachtung der Dinge, zu einer Beschränkung des Willens, zum Versagen oder zur Trübung der Erkenntnis. Das Begehren mit seinem Habenwollen und seinen Gewalttätigkeiten ist die Hauptwurzel von Sünde und Irrtum. Solange du noch das Begehren in dir hegst, kann es keine gesicherte, makellose Stille, kein dauerhaftes Licht, keine ruhige, reine Erkenntnis geben. Es kann kein rechtes Wesen aufkommen – denn Begehren ist die Umkehrung des Geistes – und kein sicheres Fundament geben für richtiges Denken, Handeln und Fühlen. Wenn man dem Begehren erlaubt, dass es unter irgendeiner Tarnung in uns bleibt, ist das eine ständige Bedrohung auch für den weisesten Menschen. Es kann in jedem Augenblick auf feine oder gewalttätige Weise das Mental selbst von seinem stärksten und scheinbar sichersten Fundament hinabstürzen. Das Begehren ist der Hauptfeind spiritueller Vollkommenheit.
Töte also das Begehren! Lege alle Bindung an Besitz und Genuss äußerer Dinge ab. Trenne dich von allem, was zu dir kommt als äußere Berührung und Verführung, von den Gegenständen des Mentals und der Sinne. Lerne den ganzen Ansturm der Leidenschaften zu ertragen und zurückzuweisen, sicher zu bleiben in deinem innersten Selbst, auch wenn sie sich in deinen Gliedern austoben, bis sie schließlich damit aufhören, irgendeinen Teil deines Wesens anzugreifen. Ähnlich sollst du die starken Angriffe und selbst die leichtesten sich einschmeichelnden Anschläge von Freude und Kummer ertragen und zurückweisen. Weise Zuneigung und Abneigung von dir! Zerstöre Vorliebe und Hass! Abscheu und Widerwillen reiße samt ihren Wurzeln aus! Lass eine gelassene Neutralität diesen Dingen und allen Gegenständen des Begehrens gegenüber in deiner Natur walten. Betrachte sie alle mit dem ruhigen und gelassenen Blick apersonalen Geistes.
Daraus wird sich unbedingter Gleichmut und die Macht unerschütterlicher Ruhe ergeben, wie sie der universale Geist seinen Schöpfungen gegenüber behält, wann immer er das vielfältige Wirken der Natur beobachtet. Betrachte alles mit gleichmütigem Blick. Heiße mit gelassenem Herzen und Mental alles willkommen, was zu dir kommt: Erfolg und Fehlschlag, Ehre und Unehre, Achtung und Liebe der Menschen und ihren Spott, ihre Verfolgung, ihren Hass, jedes Ereignis, das für andere eine Ursache von Freude wäre, und jedes Ereignis, das für andere ein Grund zum Schmerz ist. Schaue mit gleichmütigem Blick auf alle Personen – auf die Guten und die Bösen, auf die Weisen und die Toren; auf den Brahminen und den Kastenlosen, auf den Menschen von höchstem Stand und auf jede armselige Kreatur! Komme mit gleicher Gelassenheit allen Menschen entgegen ohne Rücksicht auf ihre Beziehungen zu dir – dem Freund und Verbündeten, dem Neutralen und Gleichgültigen, dem Gegner und Feind; dem, der liebt, und dem, der hasst! Diese Dinge berühren das Ego; und du bist aufgefordert, vom Ego frei zu werden. Das alles sind persönliche Beziehungen. Du musst alles mit dem tiefen Blick apersonalen Geistes betrachten. Es sind vorübergehende und personale Unterschiede, die du sehen, aber von denen du nicht beeinflusst werden sollst. Denn du sollst nicht diese Unterschiede festlegen, sondern das, was dasselbe in allen ist: das eine Selbst, das alle sind, das Göttliche in allen Geschöpfen, das eine Wirken der Natur, das der gleichgesinnte Wille Gottes in Menschen, Dingen, Kräften und Ereignissen ist, in allem Bemühen und Erfolg und in allem, was sich aus der Welt-Arbeit ergibt.
Das Handeln wird in dir noch weitergehen, da die Natur stets am Wirken ist. Du sollst aber lernen und fühlen, dass dein Selbst nicht der Täter der Tat ist. Beobachte schlicht, und beobachte unbewegt das Wirken der Natur, das Spiel der Qualitäten und den Zauber der Gunas! Nimm diese Aktivitäten unbewegt in dir selbst wahr! Blicke auf alles, was um dich herum getan wird, und erkenne, dass dasselbe Wirken auch in den anderen Menschen geschieht! Beobachte, dass das Ergebnis deines und ihres Wirkens ständig etwas anderes ist, als du oder sie begehrten oder beabsichtigten. Es ist gar nicht ihr oder dein Resultat, sondern wird auf allmächtige Art von einer höheren Macht festgesetzt, die hier, in der universalen Natur, will und handelt. Werde auch dessen inne, dass selbst der dein Wirken bestimmende Wille nicht dein eigener Wille ist, sondern der Wille der Natur. Es ist der Wille des Ego-Sinnes in dir; er wird durch die in deiner Wesens-Komposition vorherrschende Guna-Eigenschaft bestimmt, die die Natur in der Vergangenheit entwickelt hat oder im Augenblick hervorbringt. Dieser Ego-Wille hängt vom Spiel deiner natürlichen Persönlichkeit ab, einer Formation der Natur, die aber nicht deine wahre Person ist. Ziehe dich also aus dieser äußersten Gestaltung zurück in dein inneres schweigendes Selbst. Dabei wirst du finden, dass du als Purusha untätig bleibst, während die Natur fortfährt, im Einklang mit ihren Gunas zu wirken. Bleibe fest im Nichthandeln und in der Stille! Halte dich nicht mehr für den Täter! Behalte in dir einen festen Stand über diesem Spiel, frei von der verworrenen Aktion der Gunas! Lebe fest in der Reinheit apersonalen Geistes, lebe unerschüttert von den Wogen der Sterblichkeit, die in deinem Organismus weiter wirken!
Wenn du das kannst, wirst du dich emporgehoben finden in eine große Erlösung, in weite Freiheit und in tiefen Frieden. Dann wirst du Gottes gewahr werden und unsterblich, im Besitz deines zeitlosen Selbst-Seins, unabhängig von Mental, Vital und Körper, deines spirituellen Wesens gewiss, unberührt von den Reaktionen der Natur, ohne Makel durch Leidenschaft und Sünde, Schmerz und Sorge. Denn dann wirst du um deiner Freude und Wünsche willen nicht mehr abhängig sein von sterblichen, äußeren oder weltlichen Dingen. Vielmehr wirst du unveräußerlich die selbst-genügsame Seligkeit eines stillen, ewigen Geistes besitzen. Dann hast du aufgehört, ein mentales Geschöpf zu sein, bist Geist geworden, unbegrenzbar, Brahman. In diese Ewigkeit des schweigenden Selbsts kannst du zuletzt hinübergehen, indem du aus deinem Mental alle Gedankensaat und jede Wurzel des Begehrens entfernst, das Ideenbild von der Geburt im Körper zurückweist, dich auf das reine Ewige konzentrierst und dein Bewusstsein auf das Unendliche, Absolute überträgst.

Das ist jedoch nicht die ganze Wahrheit des Yoga. Und obschon dies Ziel und dieser Weg des Aufbruchs groß sind, schlage Ich sie dir nicht vor. Denn Ich bin der ewig Wirkende in dir und verlange von dir Werke. Ich fordere von dir nicht passive Zustimmung zu einem mechanischen Prozess der Natur, von dem du in deinem Selbst völlig gesondert bist, neutral und distanziert. Vielmehr will Ich von dir ein vollkommenes göttliches Handeln, das du als das wollende und verstehende Werkzeug des Göttlichen ausführen sollst, das du leistest für Gott in dir und in den anderen und für das Wohl der Welt. Solches Handeln schlage Ich dir vor, zuerst zweifellos als ein Mittel zu deiner Vervollkommnung zur höchsten spirituellen Natur, aber auch als Teil dieser Vollkommenheit. Handeln ist ein Teil der integralen Erkenntnis Gottes, seiner höheren geheimen Wahrheit und eines vollendeten Lebens im Göttlichen. Darum kann und muss das Wirken auch dann fortgesetzt werden, nachdem Vollkommenheit und Freiheit gewonnen sind. Ich fordere von dir das Handeln als Jivamukta, die Werke des Siddha. Zu dem Yoga, der bisher beschrieben wurde, muss noch ein weiteres hinzugefügt werden, denn das war nur ein erster Yoga des Wissens. Darüber hinaus gibt es noch einen Yoga des Wirkens in der Erleuchtung der Gott-Erfahrung. Das Wirken kann mit dem Wissen zu einem einzigen Geist geeint werden. Denn die Werke, die in einer völligen Schau des Selbstes und in der Schau Gottes vollzogen werden – in einer Schau Gottes in der Welt und der Welt in Gott – sind an sich ein Vorgang des Wissens, eine Bewegung von Licht, ein unentbehrliches Mittel und ein innerer Bestandteil der spirituellen Vollkommenheit.
Füge deshalb der Erfahrung hoher Apersonalität nun auch diese Erkenntnis hinzu: Den Erhabenen, dem man als dem reinen schweigenden Selbst begegnet, kann man auch als den unermesslichen dynamischen Geist antreffen, der alles Wirken verursacht, als den Herrn der Welten und den Meister des menschlichen Wirkens, Bemühens und Opferns. Der nur scheinbar selbsttätige Mechanismus der Natur birgt in sich einen innewohnenden göttlichen Willen, der ihm gebietet, ihn lenkt und ihm seine Ziele vorschreibt. Du kannst aber jenen Willen so lange nicht fühlen oder erkennen, als du noch in der engen Gefängniszelle deiner Persönlichkeit eingeschlossen bist, blind und angekettet an deine vom Ego und vom Begehren bestimmte Anschauung. Denn erst dann kannst du diesem Willen völlig entsprechen, wenn du durch das Wissen die Apersonalität erlangt hast und so umfassend wurdest, dass du alle Dinge im Selbst und in Gott und das Selbst und Gott in allen Dingen schaust. Alles tritt hier durch die Macht des Geistes ins Werden ein. Alle Wesen üben ihr Wirken aus durch die Immanenz Gottes in den Dingen und durch seine Gegenwart im Herzen jeglichen Geschöpfes. Der Schöpfer der Welten wird durch seine Schöpfungen nicht begrenzt. Der Herr des Wirkens ist durch seine Werke nicht gebunden. Der göttliche Wille bindet sich nicht an seine Arbeit oder an die Ergebnisse seiner Arbeit. Denn dieser Wille ist allmächtig, er besitzt alles, er ist allselig. Dennoch schaut der Herr aus seiner Transzendenz auf seine Schöpfungen hernieder. Er kommt zu ihnen herab als der Avatar. Er ist hier in dir. Er regiert alle Dinge von innen her gemäß ihrer Art. Auch du musst deine Werke in ihm in der Weise und den Maßen deiner göttlichen Art tun, ohne dass dich Begrenzung, Hang oder Gebundenheit anfechten. Handle also für das höchste Wohl aller Menschen, wirke zur Aufrechterhaltung des Fortschritts in der Welt, schaffe für die Erhaltung oder Führung der Völker! Die von dir geforderte Aktion ist die des befreiten Yogin. Sie ist das spontane Ergebnis einer freien, in Gott gehaltenen Kraft, ein Schritt aus gelassenem Mental, von Ego-Interessen und Verlangen freie Arbeit.
Dein erster Schritt auf diesem freien, gelassenen, göttlichen Weg des Handelns ist, dass du die Bindung an Frucht und Lohn von dir abtust, dass du nur handelst um des Werkes willen, das getan werden muss. Denn du sollst tief in dir fühlen, dass die Früchte nicht dir gehören sondern dem Herrn der Welt. Weihe also deine Arbeit dem Geist und überlasse auch deren Ergebnisse ihm, der sich im universalen Gang der Evolution offenbart und zur Erfüllung bringt! Das Ergebnis deines Handelns wird allein durch seinen Willen bestimmt. Es wird durch ihn zur Erfüllung seiner Absicht mit der Welt vollendet, was dies Ergebnis auch sei: Glück oder Unglück, Erfolg oder Misserfolg. Darum ist die Grundregel des Karma-Yoga: Der persönliche Wille und das ganze instrumentale Wesen müssen völlig frei von Verlangen und egoistischen Interessen wirken. Verlange also keinen Lohn für dich, akzeptiere was immer dir gegeben wird! Nimm es hin mit Gleichmut und ruhigem Frohsinn! Ob du Erfolg oder Misserfolg, Glück oder Kummer hast, setze deinen Gang auf dem steilen Pfad der göttlichen Aktion fort ohne Furcht, Verdruss und Zaudern!
Das ist nur der erste Schritt auf dem Pfad. Denn du darfst nicht nur an den Ergebnissen deiner Arbeit hängen, sondern du darfst auch nicht an der Arbeit selbst hängen. Höre damit auf, deine Werke als deine eigenen zu betrachten! Genauso wie du die Früchte deines Wirkens hingegeben hast, sollst du auch das Wirken selbst dem Herrn des Wirkens und des Opferns überantworten. Halte an der Erkenntnis fest, dass deine Natur dein Wirken bestimmt! Deine Natur beherrscht die unmittelbaren Schritte deines Swabhava. Sie entscheidet darüber, in welcher Richtung sich dein Geist mittels der vollziehenden Kraft der Prakriti auswirken und entfalten soll. Lass deinen egoistischen Willen nicht mehr die Schritte deines Mentals verwirren, wenn es den Weg zu Gott gehen will! Sei mit dem Handeln zufrieden, das deiner Natur angemessen ist! Mache aus allem, was du tust, von der größten, außergewöhnlichsten Anstrengung bis hin zur kleinsten täglichen Tat, aus jedem Akt deines Mentals, jedem Mühen deines Herzens, jeder Tätigkeit deines Körpers, jeder inneren und äußeren Regung, jedem Denken, Wollen und Fühlen, aus jedem Schritt, jedem Stillstand und jeder Bewegung ein Opfer für den Meister alles Opferns und aller Tapasya.
Weiter sollst du wissen, dass du ein ewiger Bestandteil des Ewigen bist. Die Kräfte deiner Natur sind nichts ohne ihn, nichts, wenn sie nicht sein partieller Selbst-Ausdruck sind. Das Göttliche Unendliche wird in fortschreitendem Maß in deiner Natur zur Erfüllung gebracht. Es ist die erhabene Macht-zum-Sein, es ist die Shakti des Herrn, die dein Swabhava formt und in ihm Gestalt annimmt. Gib also jedes Empfinden auf, dass du der Täter bist! Betrachte den Ewigen allein als den Handelnden! Lass dein natürliches Wesen eine Gelegenheit sein, ein Werkzeug, ein Kanal der Macht, ein Mittel zur Manifestation. Bringe ihm deinen Willen dar und eine ihn mit seinem ewigen Willen! Unterwerfe im Schweigen deines Selbstes und deines Geistes alle deine Handlungen dem transzendenten Meisters deines Wesens! Das kann in Wirklichkeit nicht oder nur unvollkommen getan werden, solange noch eine Ego-Empfindung, ein mentaler Anspruch oder eine vitale Forderung in dir vorhanden ist. Wenn dein Handeln auch nur im geringsten Maß dem Ego zuliebe getan wird, durch das Begehren oder den egoistischen Willen verfärbt wird, ist es kein vollkommenes Opfer. Auch kann diese große Sache nicht richtig und vollkommen ausgeführt werden, solange noch irgendwo eine Unausgeglichenheit, eine Spur von ignorantem Widerwillen oder eine Vorliebe besteht. Gibt es jedoch völlige Gelassenheit allen Werken, Ergebnissen, Dingen und Personen gegenüber, Unterwerfung unter den Höchsten, anstatt unter das Begehren oder das Ego, dann bestimmt der göttliche Wille ohne Fehltritt oder Abweichung. Die göttliche Macht führt in freier Weise alles Wirken in der Reinheit und Sicherheit deiner gewandelten Natur zum Ziel ohne niedere Einmischung oder hinderliche Reaktion. Den höchsten Grad an Vollkommenheit erlangst du durch Wirken im Yoga dann, wenn du jede Tat durch dich hindurch vom göttlichen Willen in seiner makellosen Souveränität gestalten lässt. Tust du das, wird dein Wesen seinen kosmischen Weg in vollendeter, steter Einung mit dem Erhabenen gehen, das höchste Selbst zum Ausdruck bringen, dem Ishwara gehorchen.
Dieser Weg des göttlichen Wirkens führt viel besser zur Befreiung und ist eine vollkommenere Methode und Lösung als der physische Verzicht auf Leben und Wirken. In vollem Umfang ist physische Enthaltsamkeit überhaupt unmöglich; auch innerhalb der Grenzen ihrer Möglichkeit ist sie für die Befreiung des Geistes entbehrlich. Schließlich ist sie ein gefährliches Vorbild, denn sie übt auf gewöhnliche Menschen einen irreführenden Einfluss aus. Die Besten, die Größten errichten die Wertmaßstäbe, die der übrige Teil der Menschheit zu erreichen trachtet. Da nun aber das Handeln zur Natur des verkörperten Geistes gehört und das Wirken der Wille des ewig Wirkenden ist, müssen die großen Geister, die mentalen Meister dafür das Vorbild aufstellen. Arbeiter in der Welt sollten sie sein, die alle für die Welt notwendigen Werke ohne Vorbehalt tun: Gottes Arbeiter, frei, froh, ohne Begehren; erlöste Seelen und Naturen.

Das Mental des Wissens und der Wille zum Handeln sind nicht alles. In deinem Inneren hast du ein Herz, dessen Verlangen nach Freude trachtet. Auch hier, in des Herzens Macht und Erleuchtung, in seinem Sehnen nach Seligkeit und nach vollem Genüge für deine Seele, muss deine Natur umgekehrt, verwandelt und zu einer einzigen bewussten Ekstase im Göttlichen emporgehoben werden. Das Wissen vom apersonalen Selbst bringt sein eigenes Ananda mit sich. Es gibt eine Freude der Apersonalität, eine Einsamkeit der Wonne des reinen Geistes. Aber integrales Wissen bringt eine höhere dreifache Seligkeit. Sie öffnet die Tore zur Seligkeit des Transzendenten. Sie befreit in die grenzenlose Seligkeit allumfassender Apersonalität. Sie lässt dich die Wonne dieser vielfältigen Manifestation entdecken, denn es gibt eine Freude des Ewigen in der Natur. Dieses Ananda nimmt im Jiva, der hier ein Wesensteil Gottes ist, die Form einer Ekstase an, die in Gott gegründet ist, der Ursprung des Jiva, höchstes Selbst und Herr seines Daseins ist. Allumfassende Gottesliebe und Anbetung weitet sich aus in eine Liebe zur Welt, zu all ihren Gestaltungen, Kräften und Geschöpfen. In allem schaust du das Göttliche, entdeckst und verehrst du es, dienst du ihm und fühlst es im Einssein. Füge also zum Wissen und Wirken noch diese Krönung der ewigen dreieinigen Seligkeit hinzu! Nimm diese Liebe in dich auf und lerne diese Verehrung, mache sie mit Wirken und Wissen zu einem einzigen Geist. Dies ist der Gipfel der Vollkommenheit.
Dieser Yoga der Liebe wird dir eine höchstmögliche Kraft zur spirituellen Weite, zur Einung und Freiheit verleihen. Es muss aber eine Liebe sein, die eins ist mit der Erkenntnis Gottes. Es gibt auch liebende Hingabe, die Gott nur im Leiden sucht, um Trost, Beistand und Erlösung zu erlangen. Eine andere Verehrung wendet sich an ihn nur um seiner Gaben willen, um göttlichen Beistand und Schutz zu empfangen. Gott ist für diese Liebe eine Quelle der Befriedigung des Begehrens. Eine andere Gottesverehrung ist noch im Unwissen befangen und bittet ihn um Licht und Erkenntnis. Solange man aber in diesen Formen begrenzt bleibt, wird doch, auch bei ihrem höchsten und edelsten Aufschwung zu Gott, ein Wirken der drei Gunas fortbestehen. Wenn der Gott-Liebende aber auch zu einem Gott-Erkennenden geworden ist, wird der Liebende zu einem einzigen Selbst mit dem Geliebten. Denn er ist der Auserwählte des Allerhöchsten und der Auserkorene des Geistes. Lass also in deinem Inneren diese ganz in Gott versunkene Liebe wachsen! Wenn dein Herz spiritualisiert und über die Grenzen deiner niederen Natur emporgehoben ist, wird es dir voll Vertrauen die Geheimnisse von Gottes unermesslichem Wesen offenbaren, die volle Berührung, den vollen Zustrom und Glanz göttlicher Macht auf dich übertragen, dir die Geheimnisse einer ewigen Ekstase erschließen. Nur die vollkommene Liebe ist der Schlüssel zu vollkommenem Wissen.
Diese integrale Gottes-Liebe verlangt auch ein integrales Wirken für die Sache Gottes in dir selbst und in allen Geschöpfen. Der gewöhnliche Mensch wirkt aus Gehorsam gegenüber einem sündigen oder tugendhaften Begehren, einem niederen oder hohen vitalen Impuls, einer alltäglichen oder erhabenen mentalen Entscheidung oder aus sonst einem aus Mental und Leben vermischten Motiv. Das Werk aber, das du tun sollst, muss frei und ohne Verlangen sein. Ein Werk, das ohne Verlangen getan wird, verursacht keine Reaktionen und legt auch keine Gebundenheit auf. Wird es so in vollkommener Gelassenheit vollbracht, in einem regungslosen Verharren in Stille und Frieden, aber ohne göttliche Leidenschaft, dann steht es anfänglich noch unter dem feinen Joch einer spirituellen Verpflichtung, kartavyaṁ karma. Danach wird es zur Darbringung eines göttlichen Opfers. In seiner höchsten Vollendung kann es zum Ausdruck einer stillen, frohen Ergebung in ein tätiges Einssein werden. Das Einssein in der Liebe wird viel mehr bewirken; es wird die frühere leidenschaftslose Stille durch starkes und tiefes Entzücken ersetzen, nicht durch die schwache Glut eines egoistischen Begehrens, sondern den Ozean des unendlichen Ananda. In dein Wirken wird es das ergreifende Gefühl und die reine göttliche Leidenschaft der Gegenwart des Geliebten bringen. Dann wirst du eine nachhaltige Freude an der Arbeit für Gott in dir und für Gott in allen Wesen haben. Liebe ist die Krönung des Wirkens und die Krönung des Wissens.
Diese Liebe, die Wissen ist, diese Liebe, die zum innersten Herzen deines Handelns werden kann, wird deine wirkungsvollste Kraft zur äußersten Hingabe und Vervollkommnung. Vollständige Einung des individuellen Wesens mit dem Göttlichen Wesen ist die Grundbedingung für ein vollkommenes spirituelles Leben. Wende dich also ganz dem Göttlichen zu! Bringe deine Natur zur Einung mit ihm durch Wissen, Liebe und Handeln! Kehre dich völlig zu ihm und lege ohne Widerspruch dein Mental, dein Herz und deinen Willen, dein ganzes Bewusstsein und selbst deine Sinne und deinen Körper in seine Hand! Lass ihn dein Bewusstsein durch seine souveräne Macht in ein geläutertes Abbild seines göttlichen Bewusstseins umprägen! Lass dein Herz zu einem strahlenden oder flammenden Herzen Gottes werden! Lass deinen Willen eine unfehlbare Handlung seines Willens sein! Lass deine Sinne und deinen Körper die verzückten Empfindungen und der Körper Gottes sein! Bringe ihm deine Verehrung dar und opfere ihm mit allem, was du bist! Gedenke seiner in allem Denken und Fühlen, bei jedem Impuls und in jeder Tat! Beharre darin, bis dies alles ganz sein Eigen wurde, bis er die gewöhnlichsten äußeren Dinge ebenso wie die innerste heilige Kammer deines Geistes mit seiner immerwährenden verwandelnden Gegenwart erfüllt!

Dieser dreifache Pfad ist das Mittel, mit dessen Hilfe du dich völlig aus deiner niederen zu deiner höchsten spirituellen Art emporschwingen kannst. Das ist die verborgene überbewusste Natur, in der der Jiva, ein Wesensteil des erhabenen Unendlichen und Göttlichen und im Gesetz des Seins eins mit ihm, in seiner Wahrheit wohnt und nicht mehr wie bisher in einer nach außen gekehrten Maya. Diese Vollkommenheit, diese Einung kann man in ihrem ursprünglichen Zustand fern im höchsten suprakosmischen Sein genießen. Du darfst und sollst sie aber auch hier als Wirklichkeit erfahren, hier im menschlichen Körper und in der physischen Welt. Für diesen Zweck genügt es nicht, dass du still, untätig, frei von den Gunas im inneren Selbst bist und gleichgültig deren mechanische Aktion in deinem äußeren Organismus beobachtest und zulässt. Denn die aktive Natur soll ebenso wie das Selbst dem Göttlichen hingegeben und göttlich werden. Alles, was du bist, soll in ein einziges Wesensgesetz mit dem Purushottama hineinwachsen, sādharmya. Alles soll in Mein bewusstes spirituelles Werden verwandelt werden, mad-bhāva. Darum muss es zu einer vollendeten Überantwortung kommen. Nimm auf all den vielen Wegen deiner Natur und bei allen ihren Lebensprozessen deine Zuflucht zu Mir! Dies allein wird diese große Umwandlung und Vollkommenheit zustande bringen.
Diese hohe Vollkommenheit des Yoga wird sofort das Problem des Handelns lösen oder vielmehr ganz beseitigen und mit der Wurzel ausreißen. Das Handeln des Menschen ist voller Schwierigkeiten und Verworrenheiten; es ist voller Dickicht und Wirrnis wie ein Wald, in den nur einige mehr oder minder dunkle Pfade hineinführen, aber nicht hindurchführen. Diese ganze Schwierigkeit und Verworrenheit entsteht aus der einzigen Tatsache, dass der Mensch in die Unwissenheit seiner mentalen, vitalen und körperlichen Natur eingekerkert leben muss. Einerseits steht er unter dem Zwang ihrer Eigenschaften. Andererseits wird er in seinem Willen von einem Verantwortungsgefühl angefochten, weil etwas in ihm fühlt, dass er eine Seele ist, die etwas sein sollte, was sie jetzt überhaupt noch nicht oder nur in sehr geringem Maße ist: Herr und Herrscher über ihre Natur. Unter diesen Umständen müssen darum all seine Lebensordnungen, all seine Dharmas, unvollkommen, vorübergehend und provisorisch, bestenfalls nur teilweise richtig oder wahr sein. Seine Unvollkommenheiten können nur dann aufhören, wenn er sich selbst erkennt; wenn er die wahre Natur der Welt versteht, in der er lebt; vor allem, wenn er den Ewigen erkennt, aus dem er herkommt, in dem und durch den er existiert. Sobald er einmal das wahre Bewusstsein und Wissen erlangt hat, besteht überhaupt kein Problem mehr, denn dann handelt er frei aus sich selbst und lebt spontan im Einklang mit der Wahrheit seines Geistes und seiner höchsten Natur. Auf der erfülltesten und höchsten Stufe dieses Wissens ist nicht mehr er es, der handelt, sondern Gott selbst, der Eine, ewig und unendlich, der in ihm und durch ihn, in seiner befreiten Weisheit, Macht und Vollkommenheit wirkt.
In seinem natürlichen Wesen ist der Mensch ein sattwisches, rajasisches und tamasisches Geschöpf der Natur. Je nachdem die eine oder andere dieser Eigenschaften in ihm vorherrscht, formt er dieses oder jenes Gesetz für sein Leben und Handeln und befolgt es. Ist sein Mental vom Tamas bestimmt, materialistisch, sinnlich, der Trägheit, Furcht und Unwissenheit unterworfen, dann gehorcht es teils dem Zwang seiner Umgebung, teils den verkrampften Impulsen seines Begehrens; oder er findet Schutz in der Routine und folgt einer stumpfen Gewohnheit der Vernunft. Das rajasische Mental des Begehrens kämpft mit der Welt, in der es lebt, und versucht, immer neue Dinge zu besitzen, zu beherrschen, zu erkämpfen, zu erobern, zu erschaffen, zu zerstören und anzuhäufen. Immer drängt es vorwärts, hin- und hergerissen zwischen Erfolg und Fehlschlägen, Freude und Kummer, Jubel und Verzweiflung. Aber welches Gesetz das Mental auch anzuerkennen scheint, es folgt dabei in Wahrheit doch nur dem Gesetz des niederen Selbstes und des Ego, dem ruhelosen, unermüdlich sich selbst und alles verschlingenden Mental der Natur des Asura und Rakshasa. Die vom Sattwa bestimmte Vernunft überwindet zu einem gewissen Teil diesen Zustand. Sie sieht ein, dass man einem besseren Gesetz gehorchen muss als dem des Begehrens und des Ego. Darum errichtet sie eine soziale, ethische, religiöse Ordnung, ein Dharma, ein Shastra und stellt sich selbst darunter. Bis zu dieser Höhe kann das gewöhnliche Mental des Menschen gelangen, dass er ein idealistisches oder praktisches Gesetz zur Leitung seines Mentals und seines Willens aufrichtet und dieses so getreu wie möglich in Leben und Verhalten befolgt. Dieses sattwische Mental muss bis zu seinem höchsten Punkt entwickelt werden. Dort gelingt es ihm dann, die Vermischung mit seinen egoistischen Motiven ganz und gar abzulegen. Dann gehorcht es dem Dharma um seiner selbst willen als einem apersonalen, sozialen, ethischen oder religiösen Ideal, als der Sache, die man ohne egoistische Interessen allein deshalb tun muss, weil sie recht ist, kartavyaṁ karma.
Die eigentliche Wahrheit all dieses Wirkens von Prakriti ist jedoch weniger eine äußerlich mentale, als vielmehr eine innerlich subjektive. Sie heißt: Der Mensch ist eine Seele, die einen Körper angenommen hat und sich in die materielle und mentale Natur involvierte. Er befolgt in ihr das progressive Gesetz seiner Entwicklung, das durch ein inneres Gesetz seines Wesens bestimmt wird. Das Gepräge seines Geistes bestimmt das Gepräge seines Mentals und Lebens, sein Swabhava. Jeder Mensch hat ein Swadharma, ein Gesetz seines inneren Wesens, dem er gehorchen, das er entdecken und dem er folgen muss. Die Tat, die durch seine innere Natur bestimmt ist, ist sein wirkliches Dharma. Diesem zu folgen, ist das wahre Gesetz seiner Entwicklung. Wenn er davon abweicht, kommt es zu Verwirrung, Aufschub und Irrtum. Dasjenige soziale, ethische, religiöse oder andere Gesetz und Ideal ist stets für ihn das beste, das ihm hilft, sein Swadharma zu wahren und zu befolgen.
Aber all dies Wirken ist, selbst im besten Fall, der Unwissenheit des Mentals und dem Spiel der Gunas unterworfen. Erst dann kann der Mensch Unwissenheit und Verwirrung durch die Gunas überwinden und aus seinem Bewusstsein auslöschen, wenn seine Seele sich selbst findet. Es ist wohl wahr, dass auch dann, wenn du dein Selbst gefunden hast und in ihm lebst, deine Natur immer noch eine Zeitlang auf gewohnte niedere Weise in ihren alten Bahnen weiterleben und handeln wird. Jetzt kannst du jedoch dieses Wirken mit vollendeter Selbsterkenntnis beobachten und aus ihm ein Opfer an den Herrn deines Daseins machen. Folge also dem Gesetz deines Swadharma! Führe die Handlung aus, die durch dein Swabhava von dir verlangt wird, von welcher Art sie auch sein mag! Weise jedes Motiv des Egoismus, jede Initiative des egoistischen Willens, jede Herrschaft des Begehrens von dir, bis du schließlich die vollkommene Überantwortung aller Seiten deines Wesens an den Erhabenen vollziehen kannst!
Und bist du einmal fähig, dies aufrichtig zu tun, wird das auch der Augenblick dafür sein, dass du die Einleitung deiner Handlungen ausnahmslos in die Hand der erhabenen Gottheit in deinem Inneren legst. Dann wirst du von allen Gesetzen des Verhaltens erlöst und von allen Dharmas befreit sein. Die Göttliche Macht und Gegenwart in deinem Inneren wird dich von der Sünde und vom Bösen befreien. Sie wird dich weit über die menschlichen Maßstäbe der Tugend hinaus erheben. Denn du wirst im absoluten und ungezwungenen Recht und in der Reinheit spirituellen Wesens und göttlicher Art leben und handeln. Gott, nicht du, wird seinen Willen und sein Wirken durch dich in Gang setzen – nicht mehr um deines niederen persönlichen Vergnügens und Begehrens willen, sondern für den Weltplan, für dein göttliches Wohl und für das offenbare oder verborgene Heil aller. Überflutet von Licht wirst du die Gestalt der Gottheit in der Welt und in den Werken der Zeit schauen. Du wirst seine Absicht erkennen und sein Gebot hören. Als Werkzeug wird dein Wesen allein seinen Willen annehmen, wie er auch sei, und ihn ohne zu fragen ausführen. Zusammen mit jeder Anregung zu deinen Handlungen wird von oben oder von innen her zu dir auch ein gebieterisches Wissen und eine erleuchtete Zustimmung zur göttlichen Weisheit und ihrer Bedeutung kommen. Der Kampf wird sein Kampf sein, sein der Sieg und sein auch das Reich.
Das wird deine Vollkommenheit in der Welt und im Körper sein. Jenseits von diesen Welten der zeitlichen Geburt wird dir das höchste und ewige Überbewusstsein eigen sein, und du wirst ewig im höchsten Zustand des Erhabenen Geistes wohnen. Die Zyklen der Inkarnation und Furcht vor der Sterblichkeit werden dich nicht bekümmern. Denn du wirst hier im Leben die Gottheit vollkommen zum Ausdruck gebracht haben, und deine Seele wird schon in der weiten Ewigkeit des Geistes leben, auch wenn sie in dieses Mental und in diesen Körper herabgekommen ist.
Das also ist die höchste Entwicklung: Dein ganzes Selbst und deine Natur Gott zu überantworten; alle Dharmas an Gott hinzugeben, der dein höchstes Selbst ist; mit dem ganzen Organismus unbedingt nach der erhabenen spirituellen Art zu streben. Wenn du einmal so weit kommen kannst – entweder schon zu Beginn deines Weges oder erst später –, ist dein Weg sicher und deine Vollkommenheit unausbleiblich, was immer du in deiner äußeren Natur bist oder gewesen bist. Eine erhabene Gegenwart in deinem Inneren wird deinen Yoga in ihre Hand nehmen. Sie wird ihn rasch im Einklang mit deinem Swabhava bis zu seiner höchsten Vollendung führen. Nachher wirst du auf jeglichem Lebensweg und bei jeder Art deines Tuns bewusst in ihm leben, handeln und vorwärtsschreiten. Die Göttliche Macht wird bei jedem Unternehmen deines inneren oder äußeren Wesens durch dich handeln. Das ist der erhabene Weg, denn er ist das höchste Geheimnis und Mysterium und doch eine innere Aufwärtsbewegung, die fortschreitend von allen verwirklicht werden kann. Das ist die tiefste und innerste Wahrheit deines wahren, deines spirituellen Seins. (572-94)
