Kapitel 9

Die Nahrung für Kinder

Worte der Mutter

Alle, die die Fragen der Körpererziehung ernst nehmen und ihrem Kinde die besten Voraussetzungen geben wollen, sich normal zu entwickeln, werden leicht die notwendigen Ratgeber und Anweisungen finden. Diese Seite der Erziehung wird zunehmend sorgfältiger studiert, und zahlreiche Werke sind erschienen und erscheinen ständig neu, die diese Themen ausgiebig behandeln.

Es ist mir nicht möglich, hier auf praktische Einzelheiten einzugehen, denn kein Problem gleicht dem anderen, und so muss die Lösung immer individuell sein, dem gegebenen Fall angepasst.

Die Frage der Ernährung ist eingehend und sorgfältig untersucht worden. Die Diätvorschriften, die einzuhalten sind, um dem Kind in seinem Wachstum zu helfen, sind weitgehend bekannt und werden sinnvoll angewendet. Doch ist es sehr wichtig, sich daran zu erinnern, dass der Instinkt des Körpers, solange er unverbildet ist, sicherer ist als alle Theorie. Will man, dass das Kind sich normal entwickelt, darf man es darum nicht zwingen, Speisen zu sich zu nehmen, gegen die es einen Widerwillen empfindet; denn meistens hat der Körper ein sicheres Gefühl für das, was ihm schadet, es sei denn, dass das Kind besonders launisch ist.

In seinem normalen Zustand, das heißt, ohne das Dazwischentreten der Überlegung oder der vitalen Begierden, weiß der Körper sehr genau, was für ihn gut und notwendig ist; damit jedoch dieser Instinkt wirksam werden kann, muss man das Kind mit Sorgfalt erziehen und es lehren, zwischen seinen Wünschen und seinen Bedürfnissen zu unterscheiden. Man soll ihm beibringen, Geschmack an einer gesunden und einfachen, kräftigen und appetitlichen Nahrung zu finden; die keine unnötigen oder komplizierten Bestandteile enthält. In seinem täglichen Speiseplan muss alles vermieden werden, was schwer zu verdauen ist oder aufschwemmt. Vor allem sollte man das Kind lehren zu essen, um seinen Hunger zu stillen, nicht mehr und nicht weniger, und nicht die Mahlzeit zu einer Gelegenheit zu machen, seine Gier und Lust auf Leckerbissen zu befriedigen. Es ist wichtig, von Kindheit an zu begreifen, dass man sich ernährt, um seinem Körper Kraft und Gesundheit zu geben und nicht, um dem Gaumen zu schmeicheln. Man muss den Kindern die Nahrung geben, die ihrem Temperament zukommt, die mit allen Sicherheiten der Hygiene und Sauberkeit zubereitet, von angenehmem Geschmack und doch von größter Einfachheit ist. Diese Nahrung muss dem Alter und der Tätigkeit des Kindes entsprechend ausgewählt und zugemessen werden. Sie muss alle chemischen und dynamischen Bestandteile enthalten, die für seine Entwicklung und für das gleichmäßige Wachstum aller Teile seines Körpers notwendig sind.

Da man dem Kind nur das zu essen geben wird, was nötig ist, um es in guter Gesundheit zu erhalten und ihm die erforderlichen Kräfte zu verleihen, muss man sich sorgfältig davor hüten, die Nahrung als ein Mittel des Zwangs oder der Bestrafung zu benutzen. Die Gewohnheit, dem Kind zu sagen: „Du warst nicht brav, du bekommst keinen Nachtisch!“ ist äußerst schädlich. So erweckt man in seinem kleinen Bewusstsein den Eindruck, dass ihm die Nahrungsmittel hauptsächlich gegeben werden, um sein Leckermäulchen zu befriedigen und nicht, weil sie unerlässlich sind für das gute Funktionieren des Körpers.

Worte der Mutter

Wenn ich mich als Kind bei meiner Mutter über das Essen oder andere kleine Dinge dieser Art beklagte, pflegte sie mir zu sagen, ich solle lieber meine Arbeit tun oder fleißig lernen als mich mit Lappalien aufzuhalten. Sie fragte mich, ob ich im Glauben sei, für mein Vergnügen geboren zu sein. „Du bist geboren, um das höchste Ideal zu verwirklichen“, sagte sie und schickte mich weg. Sie hatte völlig recht, obwohl natürlich ihr Begriff vom höchsten Ideal nach unserem Maßstab ziemlich armselig war. Wir alle sind für das höchste Ideal geboren.

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