Kapitel 9

Die innere Haltung der Dankbarkeit und Demut

Worte der Mutter

Die Leute merken von der Funktionsweise der Gnade erst dann etwas, wenn eine Gefahr da war, das heißt beim Beginn eines Unfalls oder wenn ein Unfall passierte und sie davonkamen. Da wird es ihnen klar. Aber sie bemerken nie, dass es eine unendlich viel größere Gnade ist, wenn zum Beispiel eine Reise oder sonst etwas ohne Unfall verläuft. Das bedeutet, dass die Harmonie so stabil ist, dass nichts passieren kann. Aber das kommt ihnen ganz selbstverständlich vor. Wenn die Leute krank sind und schnell wieder gesund werden, sind sie voll Dankbarkeit, doch sie denken nie daran, dankbar zu sein, wenn es ihnen gesundheitlich gut geht. Und doch ist das ein viel größeres Wunder!

Worte der Mutter

Es gibt jene, die eine angeborene Fähigkeit zur Dankbarkeit haben, jene, die ein glühendes Bedürfnis haben zu antworten, mit Herzlichkeit, Ergebenheit und Freude auf etwas zu antworten, das sie wie ein Wunder fühlen, das hinter dem ganzen Leben verborgen ist, hinter dem winzigsten Element, dem kleinsten Ereignis des Lebens. Sie fühlen diese souveräne Schönheit oder diese unendliche Gnade, die hinter allem steht.

Ich kannte Leute, die sozusagen nichts wussten, die kaum gebildet waren, deren Verstand von dieser völlig alltäglichen Qualität war und die in sich diese Wesensart der Dankbarkeit, der Herzlichkeit hatten, die sich gibt, die versteht und dankt.

Nun, bei ihnen war die Berührung mit dem Seelischen sehr häufig, fast beständig, und soweit sie dazu fähig waren, war sie bewusst – nicht sehr bewusst, doch ein wenig bewusst –, insoweit sie sich getragen, unterstützt, über sich selbst hinausgehoben fühlten.

Worte der Mutter

Nichts kann einem die gleiche Freude geben wie Dankbarkeit. Man hört einen Vogel singen, man sieht eine hübsche Blume, man schaut einem kleinen Kind zu, man wird Zeuge einer selbstlosen Tat, man liest einen schönen Satz, man betrachtet einen Sonnenuntergang – ganz gleich –, plötzlich überkommt einen diese tiefe und intensive Gefühlsregung, dass die Welt das Göttliche manifestiert, dass es hinter der Welt etwas gibt, das das Göttliche ist.

Worte der Mutter

Unter allen Regungen ist spontane Dankbarkeit vielleicht diejenige, die am meisten Freude gibt, unvermischte Freude, frei von dieser Färbung des Egoismus.

Sie ist etwas ganz Besonderes. Sie ist nicht Liebe, sie ist nicht Selbsthingabe. Sie ist eine volle, sehr volle Freude. Sie ist eine ganz besondere Schwingung, die nichts anderem außer sich selbst gleicht. Sie ist etwas, das einen weitet, erfüllt – etwas so Glühendes!

Unter allen Regungen, die dem menschlichen Bewusstsein zugänglich sind, ist es gewiss diejenige, die dich am meisten aus deinem Ego herausholt…

Wenn du in diese Schwingung in ihrer Reinheit eintreten kannst, wirst du sofort bemerken, dass sie von der gleichen Beschaffenheit ist wie die Schwingung der Liebe: Sie hat keine Richtung… Im Grunde ist Dankbarkeit nur eine sehr leichte Farbschattierung der eigentlichen Schwingung der Liebe.

Worte der Mutter

Demut ist die Erkenntnis, dass man nichts weiß, überhaupt nichts, und dass es etwas anderes geben kann als das, was uns im Augenblick als das Wahrste, das Edelmütigste und das Selbstloseste erscheint: die wahre Demut, die darin besteht, sich stets auf den Herrn zu beziehen, ihm alles vorzulegen.

Worte der Mutter

Wenn man den Leuten sagt, „Seid demütig“, denken sie sofort daran, gegenüber anderen Menschen demütig zu sein, und diese Demut ist schlecht. Die wahre Demut ist die Demut gegenüber dem Göttlichen, das heißt die präzise und konkrete Wahrnehmung, dass man ohne das Göttliche nichts ist, nichts kann und nichts versteht, dass man nichts ist im Vergleich zum göttlichen Bewusstsein, selbst wenn man außerordentlich intelligent und begabt ist. Und diese Demut muss man immer beibehalten, denn dadurch nimmt man die wahre Haltung der Empfänglichkeit ein, einer demütigen Empfänglichkeit, die dem Göttlichen keinen persönlichen Anspruch entgegenstellt.

Worte der Mutter

Demütig zu sein bedeutet für das Mental, das Vital und den Körper, niemals zu vergessen, dass sie ohne das Göttliche nichts wissen, nichts sind und nichts zu tun vermögen. Ohne das Göttliche sind sie nichts außer Unwissenheit, Chaos und Unfähigkeit. Das Göttliche allein ist Wahrheit, Leben, Macht, Liebe und Glückseligkeit.

Deshalb müssen das Mental, das Vital und das Physische ein für allemal lernen und fühlen, dass sie gänzlich unfähig sind, das Göttliche zu verstehen und beurteilen zu können, und das nicht nur in seinem eigentlichen Wesen, sondern auch in seinem Wirken und seiner Manifestation.

Das ist die einzig wahre Demut, und mit ihr kommen Ruhe und Frieden.

Das ist ebenso der sicherste Schutz gegen alle feindlichen Angriffe. Tatsächlich ist Stolz stets die Eingangspforte im menschlichen Wesen, an die der Widersacher klopft, denn es ist diese Tür, die ihm Einlass gewährt.