Kapitel 7

Träume und ihre Deutung

Worte der Mutter

Träume sind nicht nur die boshaften Informanten unserer Schwächen oder die arglistigen Zerstörer unserer täglichen Bemühung um Fortschritt.

Obwohl es Träume gibt, mit denen wir ringen oder wandeln sollten, gibt es andere, die wir als wertvolle Hilfsmittel unserer Arbeit im Inneren und im Äußeren kultivieren sollten.

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass von vielerlei Gesichtspunkten aus unser Unterbewusstsein mehr weiß als unser gewöhnliches Bewusstsein.

Wer hat nicht schon selbst ein metaphysisches, moralisches oder praktisches Problem gehabt, mit dem er am Abend erfolglos kämpfte und dessen Lösung, zu dem Zeitpunkt unmöglich zu finden, dann klar und genau am Morgen beim Erwachen erschien?

Die mentale Suche nach der Lösung hatte sich über die Zeitspanne des Schlafes hindurch fortgesetzt, und die inneren Kräfte, befreit von jeglicher materiellen Tätigkeit, konnten sich ausschließlich auf das sie interessierende Thema konzentrieren.

Sehr häufig bleibt selbst die Arbeit unbewusst; nur das Resultat wird wahrgenommen…

Worte der Mutter

Vor einiger Zeit war ein Schriftsteller mit einem zur Hälfte fertiggeschriebenen Kapitel beschäftigt, das er einfach nicht vollenden konnte.

Sein Mental, das an diesem Werk der Komposition besonders interessiert war, setzte das Kapitel während der Nacht fort, und je mehr es die Ideen, die die verschiedenen Absätze bildeten, formulierte und wieder umformulierte, desto klarer wurde ihm, dass diese Ideen nicht in der sinnvollsten Anordnung waren und dass die Absätze neu angeordnet werden mussten.

Diese ganze Arbeit wurde dem Bewusstsein unseres Schriftstellers in den folgenden Traum übersetzt: Er befand sich in seinem Arbeitszimmer mit verschiedenen Sesseln, die er gerade herbeigebracht hatte, und er ordnete sie im Zimmer solange immer wieder neu an, bis er den günstigsten Platz für jeden einzelnen gefunden hatte.

In dem Wissen, dass einige Menschen vielleicht solch ungenügende Übertragungen hatten, können wir den Ursprung des populären Glaubens der „Traumbücher“ finden, die so viele einfache Seelen erfreuen.

Doch ist es leicht zu verstehen, dass diese dürftige Transkription für jeden Einzelnen eine besondere Form annimmt; jeder schafft sich seine eigene Verzerrung.

Eine übermäßige Verallgemeinerung bestimmter Deutungen, die vielleicht recht zutreffend gewesen sein mögen für die Person, die sie auf ihren eigenen Fall angewendet hat, bietet daher nur Anlass zu gewöhnlichem und törichtem Aberglauben.

Worte der Mutter

Auf der mentalen Ebene kehren all die vom Mental gebildeten Formationen – die tatsächlichen „Formen“, die es den Gedanken verleiht – zu dir zurück und erscheinen dir so, als ob sie von außen kämen und dir Träume geben. Die meisten Träume sind so. Manche Menschen haben ein sehr bewusstes mentales Leben und können die mentale Ebene betreten und sich mit der gleichen Unabhängigkeit darin bewegen, die sie im physischen Leben besitzen. Diese Menschen haben mental reale Nächte. Doch die meisten Menschen sind dazu nicht in der Lage. Ihre mentale Aktivität setzt sich während des Schlafes fort und nimmt Formen an, die ihnen dann das geben, was sie Träume nennen.

Es gibt ein sehr geläufiges Beispiel – es ist amüsant, denn es ist recht lebensnah. Wenn du dich während des Tages mit jemandem gestritten hast, magst du vielleicht den Wunsch hegen, ihn zu schlagen, ihm sehr unangenehme Dinge zu sagen. Du beherrschst dich, du tust es nicht, doch dein Denken, dein Mental ist am Werke, und in deinem Schlaf hast du plötzlich einen schrecklichen Traum. Jemand nähert sich dir mit einem Stock, und ihr schlagt euch und tragt einen wirklichen Kampf aus. Und wenn du erwachst, wenn du nicht weißt, wenn du nicht verstehst, was geschehen ist, sagst du dir: „Was für einen unerfreulichen Traum hatte ich!“ Doch tatsächlich ist es dein eigener Gedanke gewesen, der in dieser Weise zu dir zurückgekehrt ist. So sei auf der Hut, wenn du träumst, dass jemand unfreundlich zu dir ist! Zuerst solltest du dich fragen: „Aber hatte ich nicht einen schlechten Gedanken gegen ihn?“

Worte der Mutter

Die zerebrale Übertragung der nächtlichen Aktivitäten ist manchmal in einem solchen Ausmaß verdreht, dass die Erscheinungen als das Gegenteil dessen wahrgenommen werden, was sie wirklich sind.

Wenn du zum Beispiel gegen jemanden einen schlechten Gedanken hegst, und wenn dieser Gedanke, sich selbst überlassen, über Nacht an Stärke gewinnt, dann träumst du, dass die betreffende Person dich schlägt, dir etwas Böses antut oder dich sogar verwundet oder versucht, dich zu töten.

Dazu kommt, dass wir grundsätzlich große intellektuelle Vorsicht walten lassen sollten, bevor wir einen Traum deuten, und vor allem sollten wir alle subjektiven Erklärungen ausgiebig betrachten, bevor wir ihm den Wert einer objektiven Realität zumessen.

Dennoch, besonders bei jenen, die die Gewohnheit abgelegt haben, ihre Gedanken stets auf sich selbst zu richten, gibt es Fälle, in denen wir Geschehnisse außerhalb unserer selbst beobachten können, Geschehnisse, die nicht die Widerspiegelung unserer persönlichen mentalen Gebilde sind. Und wenn wir lernen, die mehr oder weniger unzulänglichen Bilder, in die das Gehirn diese Geschehnisse übertragen hat, in eine intellektuelle Sprache zu übersetzen, dann können wir viele Dinge in Erfahrung bringen, die unsere begrenzten physischen Fähigkeiten uns nicht ermöglichen wahrzunehmen.

Wir benutzen Cookies

Wir verwenden auf unserer Website nur für den Betrieb notwendige sowie sogenannte Session Cookies, also ausdrücklich keine Werbe- oder Trackingcookies.

Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Website zur Verfügung stehen.