Kapitel 7
Aphorismen
Worte Sri Aurobindos
434. – Als ich Krishna zuerst begegnete, liebte ich Ihn als Freund und Spielgefährten, bis Er mich betrog; da war ich entrüstet und konnte Ihm nicht vergeben. Später liebte ich Ihn als Geliebten, und Er betrog mich noch immer; ich entrüstete mich wieder und noch viel mehr, aber diesmal musste ich vergeben.
435. – Nachdem Er sich vergangen hatte, zwang Er mich nicht durch Abbitte zum Verzeihen, sondern durch neue Vergehen.
436. – Solange Gott versuchte, Seine Vergehen gegen mich wiedergutzumachen, fuhren wir fort uns regelmäßig zu streiten; als Er aber Seinen Fehler einsah, hörte der Streit auf, denn ich musste mich Ihm völlig unterwerfen.
437. – Als ich andere außer Krishna und mir auf der Welt sah, hielt ich Gottes Treiben mit mir geheim; doch seit ich Ihn und mich überall zu sehen begann, bin ich schamlos und geschwätzig geworden.
438. – Alles, was mein Geliebter hat, gehört mir. Warum beschimpfst du mich, dass ich den Schmuck zur Schau trage, den Er mir schenkte?
439. – Mein Geliebter nahm Krone und Königskette von Seinem Haupt und Nacken und kleidete mich damit; doch die Jünger der Heiligen und Propheten schmähten mich und sagten: „Er ist hinter Siddhis her.“
440. – Ich tat in der Welt nach meines Geliebten Geheiß und meines Gebieters Willen; sie aber riefen: „Wer ist dieser Verführer der Jugend, dieser Verderber der Sitten?“
441. – Kümmerte ich mich nämlich um euren Beifall, O ihr Heiligen, und achtete ich auf mein Ansehen, O ihr Propheten, so hätte mich mein Geliebter nie in Sein Herz geschlossen und mir Zutritt zu Seinen geheimen Kammern gewährt.
442. – Ich war berauscht von der Verzückung meines Geliebten und warf sogar auf den Hauptstraßen der Welt das Weltkleid ab. Was kümmerte es mich, dass die Weltlinge spotteten und die Pharisäer ihr Gesicht abwandten?
443. – Dem Dich Liebenden, O Herr, ist das Gespött der Welt wilder Honig, und das Prasseln der Steine des Pöbels ist Sommerregen auf den Körper. Denn bist nicht Du es, der mich verspottet und bewirft, und bist nicht Du es in den Steinen, der mich trifft und verletzt?
444. – Zwei Dinge gibt es in Gott, die die Menschen schlecht nennen: das, was sie überhaupt nicht verstehen können, und das, was sie missverstehen und, wenn sie es besitzen, missbrauchen; nur wonach sie halb vergeblich tappen und was sie dunkel begreifen, das nennen sie gut und heilig. Für mich aber sind alle Dinge in Ihm liebenswert.
445. – Man sagt, O mein Gott, ich sei verrückt, weil ich an Dir nichts auszusetzen finde; bin ich aber tatsächlich verrückt vor Liebe zu Dir, so will ich nie mehr normal werden.
446. – „Irrtümer, Lügen, Fehltritte!“ schreien sie. Wie hell und schön sind Deine Irrtümer, O Herr! Deine Lügen halten die Wahrheit am Leben; durch Deine Fehltritte wird die Welt vollendet.
447. – Leben, Leben, Leben, höre ich die Leidenschaften rufen; Gott, Gott, Gott, ist die Antwort der Seele. Bis du das Leben einzig als Gott siehst und liebst, bleibt auch das Leben für dich eine versiegelte Freude.
448. – „Er liebt sie“, sagen die Sinne; die Seele aber sagt: „Gott, Gott, Gott“. Dies ist des Daseins allumfassende Formel.
449. – Kannst du den wertlosesten Wurm und den gemeinsten Verbrecher nicht lieben, wie kannst du dann meinen, du habest Gott angenommen in deinem Geist?
450. – Gott lieben und die Welt ausschließen heißt, Ihm eine starke, aber unvollkommene Anbetung zollen.
451. – Ist Liebe bloß eine Tochter oder Magd der Eifersucht? Wenn Krishna Chandrabali liebt, warum sollte ich sie nicht auch lieben?
452. – Da du einzig Gott liebst, stellst du leicht den Anspruch, mehr von Ihm geliebt zu werden als andere; dies ist aber ein falscher Anspruch, ist wider Recht und Natur der Dinge. Denn Er ist der Eine, du aber gehörst zu den Vielen. Werde lieber in Herz und Seele eins mit allen Wesen, dann gibt es für Seine Liebe auf der ganzen Welt niemand als dich allein.
453. – Jenen, die so töricht sind, meinen Geliebten nicht zu lieben, gilt mein Streit, und nicht jenen, die Seine Liebe mit mir teilen.
454. – An denen, die Gott liebt, habe deine Freude; mit denen, die Er vorgibt nicht zu lieben, habe Mitleid.
455. – Hassest du den Atheisten, weil er Gott nicht liebt? Dann dürfte man auch dich nicht leiden mögen, weil du nämlich Gott nicht vollkommen liebst.
456. – Bei einer Sache vor allem unterwerfen sich Bekenntnisse und Kirchen dem Teufel, nämlich bei ihren Anathemen. Wenn der Priester Anathema Maranatha singt, sehe ich einen Teufelsanbeter beten.
457. – Kein Zweifel, wenn der Priester verflucht, ruft er Gott an; aber der Gott des Zorns und der Finsternis ist es, dem er sich samt seinem Feind übergibt; denn wie er sich Gott naht, so empfängt ihn Gott.
458. – Ich wurde von Satan sehr geplagt, bis ich herausfand, dass Gott es war, der mich versuchte; da verließ die Angst vor ihm meine Seele für immer.
459. – Ich hasste den Teufel und ärgerte mich über seine Versuchungen und Quälereien; und ich konnte nicht sagen, warum seine Stimme bei den Abschiedsworten so süß war, dass ich ihn nur ungern zurückwies, wenn er jeweils wiederkehrte und sich mir anbot. Dann entdeckte ich, dass es Krishna bei Seinen Streichen war, und mein Hass wandelte sich in Lachen.
460. – Sie erklärten das Böse auf der Welt damit, dass Satan gegen Gott die Oberhand gewonnen habe; ich aber denke stolzer von meinem Geliebten. Ich glaube, im Himmel oder in der Hölle, auf Erden oder über den Wassern geschieht nichts ohne Seinen Willen.
461. – In unserer Unwissenheit sind wir wie Kinder, stolz auf unseren Erfolg, ohne Hilfe aufrecht gehen zu können, und zu eifrig, um die stützende Berührung der Mutter an der Schulter zu bemerken. Wenn wir erwachen, blicken wir zurück und sehen, dass Gott uns immer lenkte und aufrechterhielt.
462. – Zuerst, wann immer ich in die Sünde zurückfiel, pflegte ich zu weinen und mir selbst und Gott zu zürnen, es zugelassen zu haben. Später wagte ich höchstens noch zu fragen: „Warum hast du mich wieder im Schmutz gewälzt, O mein Spielkamerad?“ Dann kam mir sogar das zu kühn und vermessen vor; ich konnte mich nur noch schweigend erheben, ihm einen Seitenblick zuwerfen – und mich säubern.
463. – Gott hat das Leben so eingerichtet, dass die Welt der Gatte der Seele ist; Krishna ist der göttliche Liebhaber. Wir schulden der Welt einen Dienst und sind durch Gesetz, zwingende Meinung und gemeinsame Erfahrung von Schmerz und Vergnügen an sie gebunden, aber unseres Herzens Verehrung und unsere geheime Freude sind für unseren Geliebten.
464. – Die Freude an Gott ist geheim und wundervoll; sie ist ein Mysterium und ein Glück, worüber der Menschenverstand spöttische Gesichter zieht; aber die Seele, die sie einmal gekostet hat, kann sie niemals lassen, was für weltliche Schande, Pein und Not sie auch bringen mag.
465. – Gott, der Weltguru, ist weiser als dein Mental; vertraue Ihm und nicht jenem ewigen Egoisten und anmaßenden Skeptiker.
466. – Das skeptische Mental zweifelt immer, weil es nicht verstehen kann, aber der Glaube des Gottliebenden fährt fort zu wissen, obwohl er nicht versteht. Beide sind für unsere Dunkelheit nötig, doch darüber, welcher mächtiger ist, kann es keinen Zweifel geben. Was ich jetzt nicht verstehen kann, werde ich eines Tages meistern; wenn ich aber Glauben und Liebe verliere, falle ich vollends von dem Ziel ab, das Gott mir gesetzt hat.
467. – Ich darf Gott, meinem Führer und Lehrer, die Frage stellen: „Habe ich recht, oder hast Du in deiner Liebe und Weisheit zugelassen, dass mein Mental mich täuscht?“ Zweifle an deinem Mental, wenn du willst, aber nicht daran, dass Gott dich führt.
468. – Weil dir zuerst unvollkommene Vorstellungen von Gott gegeben wurden, zürnst du jetzt und leugnest Ihn. Mensch, zweifelst du an deinem Lehrer, weil er dir nicht gleich das gesamte Wissen gab? Untersuche lieber jene unvollkommene Wahrheit und stelle sie an ihren Platz, so dass du gefahrlos zum weiteren Wissen fortschreiten kannst, das sich jetzt vor dir eröffnet.
469. – In dieser Weise lehrt Gott in Seiner Liebe die Kindseele und den Schwächling, Er führt sie Schritt um Schritt und enthält ihnen die Schau Seiner letzten und noch unerreichbaren Berggipfel vor. Und haben wir nicht alle irgendeine Schwäche? Sind wir vor Ihm nicht alle wie kleine Kinder?
470. – Dies habe ich bemerkt, was immer Gott mir vorenthielt, Er tat es aus Liebe und Weisheit. Hätte ich es damals begriffen, so würde ich ein großes Gutes in ein großes Gift verkehrt haben. Manchmal hingegen, wenn wir darauf bestehen, gibt Er uns Gift zu trinken, damit wir uns davon abwenden und Sein Ambrosia und Seinen Nektar im Wissen zu kosten lernen.
471. – Sogar der Atheist müsste nun sehen können, dass die Schöpfung irgendeinem unendlichen und mächtigen Ziel entgegen marschiert, das der Evolution ihrer eigentlichen Natur nach gesetzt ist. Aber unendliches Ziel und Erreichen setzt unendliche Weisheit voraus, die vorbereitet, führt, formt, schützt und rechtfertigt. Verehre also jene Weisheit und huldige ihr mit Gedanken in deiner Seele, wenn nicht mit Weihrauch in einem Tempel, und leugnest du auch das Herz unendlicher Liebe und das Mental unendlichen Selbst-Glanzes. Dann verehrst und huldigst du nämlich, ohne es zu wissen, dennoch Krishna.
472. – Der Herr der Liebe hat gesagt: „Die dem Unwissbaren und Unbestimmbaren nachfolgen, folgen Mir nach, und Ich nehme sie an.“ Er hat mit Seinem Wort den Illusionisten und den Agnostiker gerechtfertigt. Warum schmähst du also, O Frommer, wen dein Meister angenommen hat?
473. – Calvin, der eine ewige Hölle rechtfertigte, kannte Gott nicht, sondern machte eine furchtbare Maske von Ihm zu Seiner ewigen Wirklichkeit. Gäbe es eine endlose Hölle, so könnte sie nur ein Ort endloser Verzückung sein; denn Gott ist Ananda, und eine andere Ewigkeit als die Seiner Seligkeit gibt es nicht.
474. – Als Dante schrieb, Gottes vollkommene Liebe habe die ewige Hölle erschaffen, sprach er vielleicht weiser, als er wusste; denn nach vereinzelten Einblicken kam ich manchmal auf den Gedanken, es gebe eine Hölle, wo unsere Seelen Äonen unerträglicher Ekstase erdulden und gleichsam für immer in der äußersten Umarmung von Rudra, dem Süßen und Schrecklichen, schwelgen.
475. – Anhängerschaft zu Gott, dem Lehrer, Sohnschaft zu Gott, dem Vater, Zärtlichkeit zu Gott, der Mutter, Händedruck des göttlichen Freundes, Lachen und Scherzen mit unserem Gefährten und Spielkameraden, seliger Dienst für Gott, den Meister, verzückte Liebe für unseren göttlichen Geliebten, dies sind die sieben Seligpreisungen des Lebens im menschlichen Körper. Kannst du sie alle in einer einzigen höchsten und regenbogenfarbenen Beziehung miteinander verbinden? Dann brauchst du keinen Himmel irgendwelcher Art und übertriffst die Befreiung des Adwaitin.
476. – Wann wird sich die Welt in ein Ebenbild des Himmels verwandeln? Wenn die ganze Menschheit zu Knaben und Mädchen wird und gemeinsam mit Gott, enthüllt als Krishna und Kali, glücklichster Knabe und stärkstes Mädchen der Schar, in den Paradiesgärten spielt. Das semitische Eden war recht und gut, aber Adam und Eva waren zu erwachsen und deren Gott selbst zu alt und streng und ernst, als dass man das Angebot der Schlange hätte ausschlagen können.
477. – Die Semiten haben die Menschheit mit der Vorstellung von einem Gott bedrückt, der ein strenger und würdevoller König und ernster Richter ist und keine Fröhlichkeit kennt. Die wir aber Krishna gesehen haben, kennen Ihn als einen spielfreudigen Knaben und ein Kind voll Schalk und glücklichem Gelächter.
478. – Ein Gott, der nicht lächeln kann, könnte dies humorvolle Weltall nicht erschaffen haben.
479. – Gott nahm ein Kind, um es an Seiner Brust der Wonne zu liebkosen; jedoch die Mutter weinte und war untröstlich, weil ihr Kind nicht mehr da war.
480. – Leide ich an Schmerz oder Kummer oder an einem Unglück, so sage ich: „Na, mein alter Spielkamerad, du willst mich also wieder einmal ärgern“, und setze mich hin, das Vergnügen des Schmerzes, die Freude des Kummers und das Glück des Unglücks zu genießen; dann sieht Er sich entdeckt und entfernt Seine Geister und Schreckgespenster von mir.
482. – Mein Geliebter zog an meinem Kleid der Sünde, und ich ließ es gerne fallen; dann zupfte er am Kleid der Tugend, doch ich schämte mich und hinderte ihn bestürzt. Erst als er es mir gewaltsam entriss, sah ich, wie meine Seele vor mir verborgen gewesen war.
483. – Sünde ist eine List und Verkleidung von Krishna, um sich vor dem Blick der Tugendhaften zu verstecken. Sieh, O Pharisäer, Gott im Sünder, lass Sünde in dir selbst dein Herz läutern; umarme deinen Bruder.
484. – Die Liebe zu Gott, Güte zu den Menschen ist der erste Schritt zu vollkommener Weisheit.
485. – Wer Scheitern und Unvollkommenheit verdammt, verdammt Gott; er beschränkt seine eigene Seele und betrügt seine eigene Schau. Verdamme nicht, sondern beobachte die Natur, hilf deinen Brüdern, heile sie und stärke durch Mitgefühl ihre Fähigkeiten und ihren Mut.
486. – Liebe zum Mann, Liebe zur Frau, Liebe zu den Dingen, Liebe zum Nächsten, Liebe zum Vaterland, Liebe zu den Tieren, Liebe zur Menschheit sind alle die in diesen lebendigen Bildern gespiegelte Liebe Gottes. Liebe also und werde stark, um alles zu genießen, allem zu helfen und immerdar zu lieben.
487. – Sind da Dinge, die sich ganz und gar nicht in Gottes vollkommeneres Bild wandeln oder bessern lassen wollen, so mögen sie mit Zartheit im Herzen, doch schonungslos im Zuschlagen zerstört werden. Aber vergewissere dich erst, dass Gott dir dein Schwert und deine Mission gegeben hat.
488. – Ich sollte meinen Nächsten nicht darum lieben, weil er nahe ist, – denn was ist Nähe und Ferne? Auch nicht darum, weil die Religionen mir sagen, er sei mein Bruder, – denn worauf beruht jene Brüderlichkeit? Sondern darum, weil er ich selber ist. Nähe und Ferne betreffen den Körper, das Herz geht darüber hinaus. Brüderlichkeit ist eine des Blutes, der Heimat, der Religion oder der Menschheit, aber wenn sich der Eigennutz meldet, was wird dann aus dieser Brüderlichkeit? Erst wenn man in Gott lebt und Mental und Herz und Körper in das Bild dieser allumfassenden Einheit prägt, wird diese tiefe, selbstlose und unbeirrbare Liebe möglich.
489. – Lebe ich in Krishna, so verschwinden Ego und Eigennutz, und nur Gott selbst kann meine bodenlose und unbegrenzte Liebe beurteilen.
490. – Wenn man in Krishna lebt, wird sogar Feindschaft ein Spiel der Liebe und ein Ringkampf unter Brüdern.
491. – Für die Seele, die der höchsten Glückseligkeit teilhaftig ist, kann das Leben nicht eine schlimme oder leidvolle Täuschung sein, sondern alles Leben wird zum Plätschern der Liebe und des Lachens eines göttlichen Liebhabers und Spielgefährten.
492. – Vermagst du Gott als das körperlose Unendliche zu sehen und Ihn dennoch so zu lieben wie ein Mann seine Geliebte? Dann ist dir die höchste Wahrheit des Unendlichen enthüllt worden. Vermagst du den Unendlichen auch in einen Körper zu kleiden, den man umarmen kann, und Ihn in jedem einzelnen dieser sicht- und greifbaren Körper zu sehen? Dann ist auch seine weiteste und tiefste Wahrheit in deinen Besitz gelangt.
493. – Die Göttliche Liebe hat zugleich ein doppeltes Spiel: eine universale Bewegung, tief, ruhig und bodenlos wie der untere Ozean, der auf der ganzen Welt und jedem Ding darin mit gleichem Druck wie auf ebenem Bette lastet, und eine persönliche Bewegung, ungestüm, intensiv und ekstatisch wie die tanzende Oberfläche desselben Ozeans, die Höhe und Gewalt ihrer Wogen wechselt und sich die Gegenstände auswählt, auf die sie fallen will mit dem Kuss ihres Schaums und ihrer Gischt und der Umarmung ihrer überflutenden Wasser.
494. – Ich pflegte Schmerz zu hassen und zu meiden und mich über seine Zufügung zu ärgern; jetzt aber erkenne ich, hätte ich nicht so gelitten, so besäße ich nun nicht, geübt und vollendet, dies unendlich und vielfältig sensitive Vermögen zur Verzückung in Mental, Herz und Körper. Gott rechtfertigt sich am Ende sogar dann, wenn Er sich als Schinder und als Tyrann verkleidet hat.
495. – Ich schwor mir, am Schmerz und an der Dummheit, an der Grausamkeit und Ungerechtigkeit der Welt nicht zu leiden, und machte mein Herz so hart im Ertragen wie der untere Mühlstein und mein Mental wie geschliffenen Stahl. Ich litt nicht mehr, aber die Freude war von mir gewichen. Da brach Gott mir das Herz auf und rodete mir das Mental. Ich stieg durch furchtbare, unaufhörliche Qual zu seliger Schmerzlosigkeit empor, und durch Kummer, Entrüstung und Auflehnung zu unendlichem Wissen und festem Frieden.
499. – Der göttliche Freund aller Geschöpfe verbirgt Seine Freundschaft hinter der Maske eines Feindes, bis Er uns für die höchsten Himmel vorbereitet hat; dann wird, wie in Kurukshetra, die schreckliche Form des Herrn des Kampfes, des Leidens und der Zerstörung zurückgenommen, und das süße Antlitz, die Innigkeit und der oft umarmte Körper Krishnas erstrahlen der erschütterten Seele und den geläuterten Augen seines ewigen Gefährten und Spielkameraden.
500. – Leiden macht uns für die volle Kraft des Herrn der Wonne tauglich; es befähigt uns auch, das andere Spiel, das des Herrn der Macht, zu ertragen. Schmerz ist der Schlüssel, der die Tore der Stärke öffnet; er ist die Heerstraße, die zur Stadt der Glückseligkeit führt.
501. – Dennoch aber, O Seele des Menschen, trachte nicht nach Schmerz, denn das ist nicht Sein Wille, sondern trachte einzig nach Seiner Freude; was das Leiden betrifft, so kommt es in Seiner Vorsehung schon so oft und so viel zu dir, wie für dich nötig ist. Dann ertrage es, damit du schließlich seinen Kern der Verzückung findest.
502. – Auch deinem Nächsten, O Mensch, füge keinen Schmerz zu; Gott allein hat das Recht, Schmerz zuzufügen; oder jene haben es, die Er dazu beauftragt hat. Aber wähne nicht fanatisch, wie es Torquemada tat, du seist einer von ihnen.
503. – In früheren Zeiten gab es eine edle Form der Beteuerung für Seelen, die nur von Kraft und Handeln erfüllt sind: „So wahr Gott lebt!“ Aber für unsere modernen Bedürfnisse würde eine andere Beteuerung besser passen: „So wahr Gott liebt!“
