Kapitel 6

Kollektive Meditation und Konzentration

Worte der Mutter

„Die Ausübung dieses Yoga erfordert eine ständige innere Besinnung auf das eine zentrale befreiende Wissen… In allem ist das eine Selbst, das eine Göttliche ist alles; alle sind im Göttlichen, alle sind das Göttliche, und es gibt nichts anderes im Universum, – dieser Gedanke oder dieser Glaube ist der ganze Hintergrund, bis er die gesamte Substanz des Bewusstseins des Arbeitenden wird. Ein Erinnern, eine dynamische Meditation dieser Art muss und wird sich am Ende in eine tiefe und ununterbrochene Vision und in ein lebendiges und allumfassendes Bewusstsein dessen verwandeln, woran wir uns so machtvoll erinnern oder worüber wir so beständig meditieren.“ – Sri Aurobindo (Die Synthese des Yoga)

Liebe Mutter, was versteht Sri Aurobindo unter einer „dynamischen“ Meditation?

Es ist eine Meditation, die die Kraft hat, dein Wesen umzuwandeln. Es ist eine Meditation, die dich Fortschritte machen lässt, im Gegensatz zur statischen Meditation, die unbeweglich und relativ träge ist und die weder an deinem Bewusstsein noch an deiner Seinsweise etwas verändert. Eine dynamische Meditation ist eine Meditation der Transformation.

Im allgemeinen halten die Menschen keine dynamische Meditation. Wenn sie sich in Meditation begeben (oder zumindest was sie „Meditation“ nennen), treten sie in eine Art Unbeweglichkeit ein, in der sich nichts rührt – und sie kommen genau so aus ihr heraus, wie sie hineingegangen sind, ohne irgendeine Veränderung, weder in ihrem Wesen noch in ihrem Bewusstsein. Und je unbeweglicher es ist, desto glücklicher sind sie. Sie könnten so in alle Ewigkeit meditieren, das würde weder am Universum noch an ihnen selbst jemals etwas ändern. Darum spricht Sri Aurobindo von dynamischer Meditation, die genau das Gegenteil davon ist. Es ist eine transformierende Meditation.

Wie übt man sie aus? Ist die Art, wie man meditiert, anders?

Ich denke, die Aspiration muss anders sein, die Haltung muss anders sein. „Andere Art“, was nennst du „Art“? – (lachend) Wie man sitzt?… Nein? Die innere Art?

Ja.

Aber das ist bei jedem anders.

Ich meine, das Wichtigste ist, dass man weiß, warum man meditiert; das verleiht der Meditation die Qualität, das,was bewirkt, dass sie von dieser oder jener Art ist.

Man kann meditieren, um sich der göttlichen Kraft zu öffnen, man kann meditieren, um das gewöhnliche Bewusstsein zurückzuweisen, man kann meditieren, um in die Tiefen seines Wesens einzudringen, man kann meditieren, um zu lernen, sich ganzheitlich zu geben; man kann aus allen möglichen Gründen meditieren. Man kann meditieren, um in den Frieden und die Stille einzutreten (das machen die Menschen im Allgemeinen, ohne darin großen Erfolg zu haben). Aber man kann auch meditieren, um die Kraft zur Transformation zu empfangen, um die Stellen, die umgewandelt werden müssen, zu entdecken, um sich den Weg zum Fortschritt zu bahnen. Und dann kann man auch aus sehr praktischen Gründen meditieren: wenn man eine Schwierigkeit zu bewältigen hat, eine Lösung zu finden hat, wenn man für irgendeine Handlung Hilfe sucht; man kann auch dafür meditieren.

Ich glaube, jeder hat seine eigene Art zu meditieren. Aber wenn man will, dass die Meditation dynamisch sei, dann braucht man eine Aspiration nach Fortschritt, und man muss meditieren, um diese Aspiration nach Fortschritt zu begünstigen und zu erfüllen. Dann wird die Meditation dynamisch.

Worte der Mutter

Was ist die Wirkung und der Wert eines gemeinsamen Gebets?

Es gibt verschiedene Arten des gemeinsamen Gebets, so wie es auch verschiedene Arten von Gemeinschaften gibt. Es gibt die anonyme Masse, die Menge, die sich anlässlich einer Gegebenheit zufällig bildet, ohne innere Koordination, getrieben durch die Kraft eines Ereignisses, zum Beispiel wenn sich ein Herrscher oder eine Persönlichkeit, die die Aufmerksamkeit der Masse anzieht, in einer kritischen Situation befindet, krank ist oder Opfer eines Unfalls wurde, und die Bevölkerung sich versammelt hat, um Nachrichten zu erhalten und auch nur um ihre Empfindungen auszudrücken; die Menschen haben sich dort lediglich durch das Zusammentreffen von Umständen versammelt, das heißt, es existiert keine innere Verbindung außer der einer gleichen Emotion und eines gleichen Interesses.

Man hatte Beispiele von Menschenmengen, die spontan für die Heilung von jemandem beteten, der sie ganz besonders interessierte. Natürlich können sich die gleichen Menschenmengen auch zu einem entgegengesetzten Zweck zusammenfinden, zum Zweck des Hasses; ihre Schreie sind auch eine Art Gebet, ein Gebet zu den feindlichen und zerstörerischen Kräften.

Diese Bewegungen sind spontane Regungen, nicht organisiert, unerwartet.

Es gibt auch die Gemeinschaft Einzelner, die sich um ein Ideal oder eine Lehre oder eine gemeinsame Aktion versammelt haben und zwischen denen eine organisierende Verbindung besteht, die Verbindung des gleichen Anliegens, des gleichen Willens und des gleichen Glaubens. Diese können sich regelmäßig treffen, um gemeinsam zu beten und zu meditieren; und ist ihr Ziel hoch, ihre Organisation gut, ihr Ideal machtvoll, dann haben diese Gruppen durch ihre Gebete oder Meditationen einen bedeutenden Einfluss auf das Weltgeschehen oder auf ihre eigene innere Entwicklung und ihren kollektiven Fortschritt. Diese Gruppen sind natürlich anderen weit überlegen, sie besitzen nicht die blinde Kraft der Masse, des kollektiven Wirkens der Masse. Sie ersetzen diese Vehemenz, diese Intensität der Masse durch die Macht einer wohlerwogenen und bewussten Organisation.

Zu allen Zeiten hat es auf der Erde Gruppen gegeben, die sich in dieser Art organisierten. Einige von ihnen hatten ein historisches Leben, eine historische Aktion in der Welt, doch alles in allem wirkten sie nicht erfolgreicher auf die Masse ein als außergewöhnliche Individualitäten. Sie wurden stets verdächtigt und waren Angriffen und Verfolgungen ausgesetzt, und oft wurden sie auch in sehr brutaler, obskurer und unwissender Weise ausgelöscht.

Es gab diese halb-religiösen, halb-ritterlichen Gruppierungen mit einer sehr interessanten Geschichte in der Welt, die um einen Glauben oder besser eine Weltanschauung versammelt waren, mit einem bestimmten Ziel. Gewiss haben sie durch ihre individuelle Bemühung sehr viel für den kollektiven Fortschritt getan.

Es gibt eine ideale Organisation, die, wenn voll verwirklicht, eine Art von sehr machtvoller Einheit schaffen könnte, zusammengesetzt aus Elementen, die alle das gleiche Ziel und den gleichen Willen haben und innerlich genügend entwickelt sind, um dieser inneren Einheit von Ziel, Aspiration und Handlung einen sehr kohärenten Körper zu verleihen.

Zu allen Zeiten haben Initiationszentren das mehr oder weniger erfolgreich versucht, und es wird immer in den okkulten Traditionen als ein außerordentlich machtvolles Mittel des Wirkens erwähnt.

Wenn die kollektive Einheit denselben Zusammenhalt erreichen würde wie die individuelle Einheit, dann würde das die Kraft und das Wirken des Einzelnen vervielfachen.

Kommen mehrere Individuen zusammen, liegt für gewöhnlich die kollektive Qualität weit unter dem individuellen Wert jeder einzelnen Person, doch mit einer genügend bewussten und koordinierten Organisation wäre es dagegen möglich, die Kraft des individuellen Wirkens zu vervielfachen.

Worte der Mutter

Während der Konzentration, die wir hier [im Ashram Playground] gemeinsam ausüben, worauf soll man sich da sammeln?

Kann mir jemand sagen, was diese Konzentration ist und warum wir sie machen? Das ist eine sehr interessante Frage, sie betrifft alle. Kann mir jemand sagen, worin sich diese Konzentration von einer sogenannten „gewöhnlichen“ Meditation unterscheidet? Warum wir sie haben und was dabei geschieht?

Wir bringen alle Tätigkeiten des Tages dar.

Ja, das ist der individuelle Aspekt. Und kollektiv gesehen, warum diese Konzentration? (Er ist auf dem Weg, merkt ihr, er hat schon die Hälfte des ersten Schritts getan).

Man konzentriert sich auf seine Schwachpunkte und strebt danach, dass sie verschwinden.

Das ist immer noch der individuelle Aspekt.

Bei den Meditationen, die wir früher dort [im Ashram] morgens und abends abhielten, bestand meine Aufgabe darin, das Bewusstsein aller zu vereinen und es so weit wie möglich zum Göttlichen emporzuheben. Wer die Fähigkeit hatte, diese Bewegung zu spüren, folgte ihr. Das waren normale Meditationen mit dem Bestreben, zum Göttlichen emporzusteigen. Hier im Playground besteht die Aufgabe darin, alle Anwesenden zu vereinen, sie zu öffnen und die göttliche Kraft in sie herabzubringen. Es handelt sich also um eine entgegengesetzte Bewegung, weshalb diese Form der Konzentration die andere nicht ersetzen kann, ebenso wie die andere nicht diese ersetzen kann. Hier geschieht etwas Außergewöhnliches – bei der anderen Meditation [im Ashram] sammelte ich das Bewusstsein aller Anwesenden und hob es mit der Macht der Aspiration zum Göttlichen empor, wobei jeder Einzelne einen kleinen Fortschritt machte. Hier hingegen nehme ich euch an, wie ihr seid; ihr alle kommt und sagt: „Hier sind wir, zusammen mit dem, was wir tagsüber gemacht haben, wir haben mit unserem Körper gearbeitet, hier ist er, wir bringen dir all unsere Regungen dar, so wie sie waren, so wie wir sind.“ Und meine Aufgabe ist es, all dies zu vereinen, es in eine homogene Masse zu verwandeln, und als Reaktion auf diese Darbringung (die jeder auf seine Weise machen kann), jedes einzelne Bewusstsein zu öffnen, die Empfänglichkeit zu erweitern und zu vereinen und die Kraft herabzubringen. Wenn ihr in diesem Augenblick ganz still und aufmerksam seid, wird jeder einzelne von euch mit Sicherheit irgendetwas empfangen. Ihr werdet euch dessen vielleicht nicht immer gewahr sein, aber ihr werdet auf jeden Fall etwas empfangen.

[Im März 1964 wurde der Mutter folgende Frage gestellt:]

Was passiert nun, da du bei der Konzentration im Playground nicht mehr physisch anwesend bist?

Ich hoffe, dass alle einen gewissen Fortschritt gemacht haben und meiner physischen Präsenz nicht mehr bedürfen, um die Hilfe und die Kraft zu verspüren.