Kapitel 6
Gäbe es keinen Egoismus, gäbe es kein Leid
Worte der Mutter
Wie soll man sich von abhimana [verletzter Stolz] befreien?
O mein Gott! Zuerst schauen, inwieweit es ein Unglück ist: Es ist ganz klein, es ist destruktiv; und dann noch einen Schritt weiter gehen und sich selbst der Lächerlichkeit preisgeben, sehen, inwieweit man komisch ist. Auf diese Weise wird man das dann los. Solange man es aber ernst nimmt, solange man die Regung als gerechtfertigt ansieht, solange irgendwo im Denken die Idee erscheint: „Nach alle dem ist das ganz natürlich, ich wurde schlecht behandelt, und ich leide aufgrund der schlechten Behandlung“, dann ist es aus, es geht nie weg. Fängst du aber an zu verstehen, dass es das Zeichen einer Schwäche ist, einer Unterlegenheit – natürlich einer recht beträchtlichen Ichsucht, einer mentalen Enge, und vor allem einer Belanglosigkeit im Gefühl, einer Engherzigkeit – wenn du das verstehst, dann kannst du kämpfen. Doch muss dein Denken einverstanden sein. Wenn diese Haltung da ist: „Man hat mir weh getan, ich leide, ich zeige, dass ich leide“, dann ist es so. Ganz zu schweigen von denen, die beträchtliche Rachegelüste verborgen in sich tragen und sagen: „Man hat mir Leid zugefügt, ich werde anderen Leid zufügen.“ Dies wird allerdings so gemein, dass die Leute merken, dass das nicht sein sollte – obschon es nicht immer leicht ist, dem zu widerstehen. Es zeigt etwas ganz Engstirniges in der Natur. Das kann sehr empfindsam sein, das kann sehr emotional sein, das kann eine bestimmte Intensität haben, aber es ist ganz engstirnig, es ist ganz in sich gebückt und sehr klein.
Natürlich kann man seine Vernunft gebrauchen, insofern man eine hat, die funktioniert. Man kann seine Vernunft gebrauchen und sich selbst etwas sehr Wahres sagen: Das, was in unserem Wesen immer leidet, ist der Egoismus, und gäbe es keinen Egoismus, gäbe es kein Leiden, und will man das spirituelle Leben, muss man seinen Egoismus überwinden. Also muss man als erstes diesem Leiden ins Gesicht blicken, erkennen, inwieweit es der Ausdruck einer sehr engstirnigen Ichsucht ist, und dann die Stelle rein fegen, alles raus werfen und sagen: „Ich will keinen solchen Schmutz, ich werde mein inneres Zimmer sauber machen.“
