Kapitel 5

Vitale Liebe und sexuelles Begehren

Worte Sri Aurobindos

Alle Bewegungen sind im Großen und Ganzen Bewegungen der kosmischen Kräfte der Natur – sie sind Bewegungen der universalen Natur. Das Einzelwesen empfängt einen Teil davon, eine Woge oder den Druck einer kosmischen Kraft, und wird von ihm angetrieben; es hält dies für etwas Eigenes, das gesondert in ihm erzeugt wurde. Das aber ist nicht der Fall, es ist Teil einer allgemeinen Bewegung, die auf die genau gleiche Weise auch in anderen wirkt. Die Sex-Triebkraft zum Beispiel ist eine Bewegung der allgemeinen Natur, die ihr Spiel sucht und diesen oder jenen dafür gebraucht. Ein Mann, der vital oder physisch in eine Frau „verliebt“ ist, wie man das so bezeichnet, wiederholt und befriedigt nur die Weltbewegung des Sex, wenn nicht bei dieser Frau, dann bei einer anderen. Er ist nichts anderes als ein Instrument im Mechanismus der Natur, und es ist keine unabhängige Bewegung, die in ihm wirkt. Genauso ist es mit Ärger und anderen Triebkräften der Natur.

Worte Sri Aurobindos

Die Sex-Bewegung auf Erden ist eine Nutzbarmachung der fundamentalen physischen Energie durch die Natur zum Zweck der Zeugung. Der Schauer, von dem die Dichter sprechen, der von einer sehr derben Erregung begleitet wird, ist das Lockmittel, wodurch die Natur die vitale Zustimmung zu diesem sonst unerquicklichen Vorgang erhält. Zahlreiche Menschen haben nach dem Akt eine Reaktion des Ekels und deshalb des Abscheus vor dem Partner. Sie werden jedoch rückfällig, sobald der Ekel verflogen ist, aufgrund dieses Lockmittels.

Worte Sri Aurobindos

Es liegt in der üblichen Art der vitalen Liebe, nicht beständig zu sein und nicht zu befriedigen, selbst wenn sie es versucht, denn sie ist eine Leidenschaft, die von der Natur ins Spiel gebracht wurde, damit ein vorübergehender Zweck erfüllt wird. Für diesen vorübergehenden Zweck genügt sie, und wenn sie hinreichend dem Zweck der Natur gedient hat, verblasst sie, ihrer natürlichen Veranlagung folgend. In den Menschen – denn der Mensch ist ein mehr komplexes Wesen – ruft sie die Einbildungskraft und den Idealismus zu Hilfe, um ihren Impuls zu stützen, um ihm ein Gefühl von Begeisterung, Schönheit, Feuer und Glanz zu verleihen – all dies aber schwindet nach einer gewissen Zeit. Es kann nicht anhalten, da alles ein entlehntes Licht, eine entlehnte Macht ist – entlehnt in dem Sinne, dass es eine Widerspiegelung von etwas Jenseitigem ist und dem widerspiegelnden vitalen Medium, welches von der Einbildungskraft für diesen Zweck benutzt wird, nicht innewohnt. Zudem ist im Mental und Vital nichts beständig, dort ist alles im Fluss. Das einzig Dauerhafte ist die Seele, der Geist. Liebe kann daher nur dann währen oder befriedigen, wenn sie die Seele und den Geist zur Grundlage hat und dort wurzelt. Das aber bedeutet, nicht länger im Vital, sondern in der Seele und im Geist zu leben.

Worte Sri Aurobindos

Menschliche Liebe ist meist vital und physisch mit einem mentalen Rückhalt – sie kann allein dann eine selbstlose, edle und reine Form und einen ebensolchen Ausdruck annehmen, wenn sie von der Seele berührt wird. Meist ist sie ein Gemisch aus Unwissenheit und Verhaftetsein, aus Leidenschaft und Begehren. Doch was immer sie auch sein mag, einer, der das Göttliche zu erreichen sucht, darf sich mit menschlicher Liebe und menschlichem Verhaftetsein nicht belasten, da sie eine Unzahl von Fesseln bilden, seine Schritte hemmen und ihn zudem von der Konzentration seiner Gefühle auf das eine höchste Ziel der Liebe abwenden.

Es gibt so etwas wie die seelische Liebe, rein, ohne Forderung, aufrichtig im Selbstgeben, doch bleibt sie in der Anziehung menschlicher Wesen zueinander meist nicht rein. Während der Ausübung der Sadhana muss man sich vor der Bekundung seelischer Liebe hüten, denn meist ist das nur ein Deckmantel und eine Rechtfertigung für eine vitale Anziehung oder Bindung.

Worte der Mutter

Liebe ist nicht Geschlechtsverkehr.

Liebe ist nicht vitale Anziehung und vitaler Austausch.

Liebe ist nicht des Herzens Hunger nach Zuneigung.

Liebe ist eine mächtige Schwingung, die direkt vom Einen kommt, und nur die sehr Reinen und sehr Starken können sie empfangen und offenbaren.

Rein zu sein bedeutet, nur für den Einfluss des Höchsten geöffnet zu sein und für sonst keinen.

Worte der Mutter

Eine entscheidende Wahl muss getroffen werden, ob man den Körper entweder den Zielen der Natur zur Verfügung stellt, gehorsam gegenüber ihrer Forderung, die Art, so wie sie ist, aufrechtzuerhalten, oder denselben Körper so vorbereitet, dass er zu einer Stufe für die Schöpfung einer neuen Menschenart wird. Denn es ist nicht möglich, beides zur gleichen Zeit zu tun; in jedem Augenblick hat man zu entscheiden, ob man ein Teil der Menschheit von gestern bleiben oder ob man zur Übermenschheit von morgen gehören will.

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