Kapitel 4

Die seelische Wende – das erste Erfordernis

Die Seele, das seelische Wesen, steht in unmittelbarer Fühlungnahme mit der göttlichen Wahrheit, sie ist aber im Menschen durch das Mental, das vitale Wesen und die physische Natur verhüllt. Man mag den Yoga ausüben und Erleuchtungen im Mental und Verstand erlangen; man mag Macht erringen und in allen Arten von vitalen Erfahrungen schwelgen; man mag sogar erstaunliche physische siddhis erlangen; wenn sich aber die Seelenmacht im Hintergrund nicht offenbart, wenn die seelische Natur nicht in den Vordergrund tritt, ist nichts Wahres geschehen. In diesem Yoga ist es das seelische Wesen, welches die übrige Natur dem wahren, supramentalen Licht und schließlich dem höchsten Ananda öffnet. Das Mental kann sich aus eigener Kraft gegenüber seinen höheren Bereichen öffnen; es kann sich in das Schweigen und Unpersönliche weiten; es kann sich aber auch in einer Art statischen Befreiung oder nirvana selbst spiritualisieren; das Supramental aber vermag in einem nur spiritualisierten Mental keine ausreichende Grundlage zu finden. Wenn die innerste Seele erwacht ist, wenn eine neue Geburt aus dem rein mentalen, vitalen und physischen in das seelischen Bewusstsein stattfindet – dann kann dieser Yoga getan werden; andernfalls (durch die reine Macht des Mentals oder irgendeines anderen Teils) ist es unmöglich.

SRI AUROBINDO (24:1095)

Sicherlich ist es besser, wenn die Seele bewusst und aktiv ist, bevor der Schleier oder Schirm zwischen dem individuellen und dem universalen Bewusstsein entfernt wird, was dann stattfindet, wenn das innere Wesen in seiner ganzen Weite hervortritt. Die Gefahr der Schwierigkeiten des Zwischenbereiches – wie ich ihn genannt habe – ist dann viel geringer.

SRI AUROBINDO (23:1054)

In der Sadhana ist alles gefährlich oder kann es sein, außer der seelischen Wandlung.

SRI AUROBINDO (24:1095)

Läuterung und Weihung sind die beiden großen Erfordernisse der Sadhana. Diejenigen, die Erfahrungen vor der Läuterung haben, sind einer großen Gefahr ausgesetzt; es ist viel besser, zuerst das Herz zu läutern, weil dann der Weg ungefährlich wird. Das ist der Grund, warum ich als erstes zur seelischen Wandlung der Natur rate – denn sie bedeutet die Läuterung des Herzens und seine völlige Hinwendung zum Göttlichen, die Unterwerfung von Mental und Vital unter die Kontrolle des inneren Wesens, die Seele. Immer wenn sich die Seele im Vordergrund befindet, erhält man die richtige Führung von innen, hinsichtlich des zu Geschehenden und des zu Meidenden, des Wahren oder Falschen im Denken, Fühlen und Handeln. Dieser innere Hinweis aber tritt in dem Maße hervor, wie das Bewusstsein reiner und reiner wird.

SRI AUROBINDO (23:902)

Ich habe den Bericht über deine Sadhana gelesen. Ich glaube, es gibt dazu nichts zu sagen – denn er ist in Ordnung –, außer dass es das Wichtigste für dich ist, das seelische Feuer im Herzen zu entwickeln, sowie das Streben nach dem Hervortreten des seelischen Wesens als Lenker der Sadhana. Wenn das geschehen ist, wird dir die Seele die „verborgenen Egoknoten“, von denen du sprichst, aufzeigen und sie lösen oder im seelischen Feuer verbrennen. Diese seelische Entwicklung und die seelische Wandlung von Mental, Vital und physischem Bewusstsein sind von höchster Wichtigkeit, da hierdurch die Herabkunft des höheren Bewusstseins und die spirituelle Umwandlung, ohne welche die supramentale immer in weiter Ferne bleiben muss, sicher und einfach werden. Mächte usw. haben ihren Platz, aber einen sehr untergeordneten, solange dies nicht geschehen ist.

SRI AUROBINDO (24:1095)

Was die Erfahrungen anbelangt, so ist es gut, wenn man sie hat; das Problem ist nur, dass sie die Natur nicht zu wandeln scheinen, sondern lediglich das Bewusstsein bereichern – selbst die Verwirklichung des Brahman auf der Mentalebene scheint die Natur beinahe dort zu lassen, wo sie ist –, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Aus diesem Grund bestehen wir auf der seelischen Umwandlung als dem vordringlichsten Erfordernis, denn sie ist es, welche die Wandlung der Natur herbeiführt, und ihr hauptsächlichstes Hilfsmittel ist bhakti, Hingabe usw.

SRI AUROBINDO (24:1609)