Kapitel 4

Begehren – Nahrung – Sex

Alle gewöhnlichen vitalen Bewegungen sind dem wahren Wesen fremd und kommen von außerhalb; sie gehören weder der Seele an, noch haben sie ihren Ursprung in ihr, es sind vielmehr Wellen der allgemeinen Natur, Prakriti.

Die Begierden kommen von außen, treten in das unterbewusste Vital ein und steigen zur Oberfläche auf. Erst dann, wenn sie nach oben kommen und das Mental sie wahrnimmt, werden wir uns des Begehrens bewusst. Es kommt uns so vor, als ob es unser eigenes Begehren sei, da wir spüren, wie es vom Vital in das Mental aufsteigt und nicht wissen, dass es von außerhalb kam. Was dem Vital, dem Wesen angehört, was es verantwortlich macht, ist nicht das Begehren als solches, sondern die Gewohnheit, auf die Wellen oder Strömungen des Einflusses zu reagieren, die von der universalen Prakriti in es [das Wesen] eindringen.

Die Zurückweisung der Begierden ist grundlegend gleichbedeutend mit der Zurückweisung des Elementes der Begehrlichkeit, das hierdurch vom eigentlichen Bewusstsein als ein Fremdkörper, der nicht zum wahren Selbst und der inneren Natur gehört, ausgeschieden wird. Doch die Weigerung, den Suggestionen der Begierde nachzugeben, ist auch ein Teil der Zurückweisung; sich des suggerierten Handelns zu enthalten, wenn es nicht das richtige Handeln ist, muss in die yogische Disziplin miteinbezogen werden. Es kann nur dann Unterdrückung genannt werden, wenn es auf die falsche Weise, mit Hilfe eines mentalen asketischen Prinzips oder einer strengen moralischen Regel geschieht. Der Unterschied zwischen Unterdrückung und innerer essentieller Zurückweisung ist der gleiche wie zwischen mentaler oder moralischer Kontrolle und spiritueller Läuterung.

Wenn du im wahren Bewusstsein lebst, empfindest du die Begierden als etwas außerhalb deiner selbst Befindliches, das von außen, von der universalen niederen Prakriti in das Mental und die vitalen Teile eindringt. Im gewöhnlichen menschlichen [Bewusstseins] Zustand wird das nicht empfunden; die Menschen nehmen das Begehren erst dann wahr, wenn es bereits vorhanden und in sie eingedrungen ist und dort eine Stätte oder einen ständigen Zufluchtsort gefunden hat; und dann meinen sie, es sei ihr eigenes Begehren und ein Teil ihrer selbst. Mit dem wahren Bewusstsein bewusst zu werden, ist daher die erste Voraussetzung dafür, sich vom Begehren zu befreien; denn dann kann man sich seiner viel leichter entledigen, als wenn man damit zu kämpfen hätte, wie mit einem wichtigen Teil von einem selbst, der aus dem Wesen ausgemerzt werden muss. Es ist einfacher, sich von etwas Fremden zu befreien, als das auszuschalten, was als Teil der eigenen Substanz empfunden wird.

Wenn sich das seelische Wesen im Vordergrund befindet, wird auch die Befreiung vom Begehren einfach; denn das seelische Wesen als solches kennt keine Begierden, es kennt nur Streben und Suchen und Liebe für das Göttliche und alle Dinge, die das Göttliche sind oder sich zum Göttlichen hinwenden. Durch die immerwährende Vorherrschaft des seelischen Wesens entsteht von selbst die Neigung, das wahre Bewusstsein zutage treten zu lassen und die Bewegungen der Natur beinahe automatisch ins rechte Lot zu bringen.

Forderung und Begehren sind lediglich zwei verschiedene Aspekte der gleichen Sache – und ein Gefühl muss auch nicht unbedingt erregt oder rastlos sein, um ein Begehren zu sein; es kann im Gegenteil ruhig ausgerichtet und beharrlich sein oder aber beharrlich wiederkehren. Eine Forderung oder ein Begehren kommt aus dem Mental oder Vital, ein seelisches oder spirituelles Erfordernis hingegen ist etwas ganz anderes. Die Seele fordert oder begehrt nicht – sie strebt; sie stellt keine Bedingungen für ihre Hingabe oder zieht sich zurück, wenn ihr Streben nicht augenblicklich erfüllt wird – denn die Seele hat volles Vertrauen in das Göttliche oder den Guru und kann auf den rechten Augenblick oder die Stunde der Göttlichen Gnade warten. Die Seele hat ihre eigene Beharrlichkeit, mit der sie aber nicht das Göttliche, sondern die [menschliche] Natur unter Druck setzt und mit einem Lichtstrahl auf alle Mängel in ihr hinweist, die der Verwirklichung im Wege stehen, alles aussondernd, was vermischt, unwissend oder unvollständig in der Erfahrung oder den Bewegungen des Yoga ist; sie ist so lange weder mit sich noch mit der [menschlichen] Natur zufrieden, bis sie diese nicht gänzlich dem Göttlichen geöffnet hat – frei von allen Formen des Egos, hingegeben, einfach und richtig in der Einstellung und allen Bewegungen. Das ist es, was sich im Mental, Vital und physischen Bewusstsein durch und durch festigen muss, bevor die Supramentalisierung der ganzen Natur möglich ist. Andernfalls erhält man, mehr oder weniger brillante, halberhellte und halbverhüllte Erleuchtungen und Erfahrungen auf den mentalen, vitalen und physischen Ebenen, die entweder von einem größeren Mental oder einem größeren Vital inspiriert werden, oder bestenfalls von den mentalen Bereichen zwischen dem Intellekt und dem Obermental. Diese können bis zu einem gewissen Punkt sehr stimulierend und befriedigend sein und sind recht für jene, die eine spirituelle Verwirklichung auf diesen Ebenen suchen; aber die supramentale Verwirklichung ist in ihren Voraussetzungen viel schwieriger und anspruchsvoller, und das schwierigste von allem ist, sie auf die physische Ebene herabzubringen.

Die völlige Befreiung vom Begehren dauert lange Zeit. Wenn du aber einmal aus der [menschlichen] Natur herauszutreten vermagst und sie als eine Kraft erkennst, die von außen kommt, um ihre Klauen in das Vital und Physische zu graben, ist es leichter, sich von dem Eindringling zu befreien. Du bist zu sehr daran gewöhnt, sie als Teil deiner selbst oder als etwas in dich Gesetztes zu empfinden – das macht es schwieriger, mit ihren Bewegungen fertigzuwerden und ihre alte Kontrolle über dich auszuschalten.

Du solltest dich auf nichts anderes verlassen – wie hilfreich es auch erscheinen mag – als hauptsächlich, in erster Linie und grundlegend auf die Kraft der Mutter. Die Sonne und das Licht mögen und werden eine Hilfe sein, insofern es das wahre Licht und die wahre Sonne ist, sie können aber nicht die Kraft der Mutter ersetzen.

Ein Sadhak sollte möglichst wenig Bedürfnisse haben; denn es gibt kaum Dinge im Leben, die tatsächlich notwendig sind. Alles übrige sind entweder Dinge für den Gebrauch oder solche, die das Leben zieren, oder Luxusgegenstände. Diese zu besitzen oder sich ihrer zu erfreuen, hat der Yogi nur dann ein Recht, wenn er eine von zwei Bedingungen erfüllt:

1. Wenn er sie in seiner Sadhana allein deshalb verwendet, um sich darin zu üben, Dinge ohne Verhaftetsein oder Begehren zu besitzen und zu lernen, sie in Einklang mit dem Göttlichen Willen auf die rechte Weise zu gebrauchen, mit richtiger Handhabung, in vernünftiger Einteilung und Ordnung und in vernünftigem Maße oder

2. wenn er bereits eine echte Befreiung vom Begehren und Verhaftetsein erlangt hat und durch Verlust, Vorenthaltung oder Entzug nicht im geringsten bewegt oder angefochten wird. Wenn er irgendeine Begierde hat, einen Wunsch, eine Forderung, einen Anspruch auf Besitz oder Vergnügen und wenn Furcht, Leid, Ärger oder Qual aufkommen, sobald es ihm versagt oder genommen wird, ist seine Haltung nicht frei und sein Gebrauch der Dinge widerspricht dem Geist der Sadhana. Und auch wenn seine Haltung frei ist, hat er nicht die Reife, etwas zu besitzen, solange er nicht gelernt hat, die Dinge nicht für sich selbst, sondern gemäß dem Göttlichen Willen zu gebrauchen und sie als ein Instrument im rechten Wissen und in der rechten Haltung für die angemessene Ausgestaltung eines Lebens zu verwenden, das nicht für ihn selbst, sondern für das Göttliche gelebt wird.

Asketizismus um seiner selbst willen ist nicht das Ideal dieses Yoga, aber Selbst-Kontrolle im Vital und die rechte Ordnung im Stofflichen sind ein sehr wichtiger Teil davon – und sogar asketische Disziplin ist besser für unseren Zweck als ein nachlässiges Fehlen echter Kontrolle. Die Meisterung des Stofflichen bedeutet nicht, viel zu haben und es freizügig zu verschwenden, oder so schnell es kommt, oder noch schneller, zu verderben. Meisterung bezieht die richtige und sorgsame Handhabung von Dingen mit ein, und ebenso Selbstkontrolle in ihrem Gebrauch.

Wenn du den Yoga ausüben willst, musst du mehr und mehr in allen Dingen, ob groß oder klein, die yogische Haltung einnehmen. In unserem Yoga besteht diese Haltung nicht in gewaltsamer Unterdrückung, sondern in Loslösung und Gleichmut, was die Gegenstände des Begehrens anbelangt. Gewaltsame Unterdrückung (wozu Fasten gehört) steht auf gleicher Stufe mit freiem Sich-gehen-Lassen; in beiden Fällen bleibt das Begehren erhalten: in dem einen wird es durch Nachgiebigkeit genährt, im anderen wird es durch Unterdrückung verborgen und verschlimmert. Nur dann, wenn man sich distanziert, vom niederen Vital ablöst, wenn man sich weigert, seine Begierden und seinen Tumult als etwas zu sich Gehörendes zu betrachten, und völlige Ausgeglichenheit, völligen Gleichmut im Bewusstsein entwickelt, wird das niedere Vital als solches allmählich geläutert und auch ruhig und gleichmütig werden. Jede ankommende Woge des Begehrens muss beobachtet werden, so ruhig und mit soviel unbewegter Loslösung, wie du etwas, das außerhalb deiner vor sich geht, beobachten würdest; man muss es vorbeiziehen lassen, vom Bewusstsein zurückweisen und ständig durch die wahre Bewegung, das wahre Bewusstsein ersetzen.

Das dem Essen Verhaftetsein, der Heißhunger und das heftige Verlangen danach, machen es zu einer ungebührlich wichtigen Sache im Leben, die dem Geist des Yoga widerspricht. Festzustellen, dass etwas gut schmeckt, ist nichts Falsches; man darf es nur nicht verlangen oder sich danach verzehren, weder jubeln, wenn man es erhält, noch missmutig oder betrübt sein, wenn man es nicht erhält. Man muss ruhig und gleichmütig sein, nicht aufgeregt oder unzufrieden werden, wenn das Essen nicht schmackhaft oder nicht überreichlich ist, sondern ein bestimmtes, notwendiges Quantum essen, nicht weniger und nicht mehr. Weder heftiges Verlangen noch Widerwille sollte vorhanden sein. Ständig an das Essen zu denken und sich den Kopf darüber zu zerbrechen, ist ein ganz falscher Weg, sich von der Esslust zu befreien. Räume dem Nahrungsfaktor den richtigen Platz in einer kleinen Ecke im Leben ein – konzentriere dich auf andere Dinge und nicht darauf.

Mache dir keine Gedanken über das Essen. Nimm es in der richtigen Menge zu dir (weder zu viel noch zu wenig), ohne Gier oder Abneigung, als ein Mittel, das dir von der Mutter zur Erhaltung des Körpers gegeben wurde – in der richtigen Einstellung, indem du es dem Göttlichen in dir darbringst; dann braucht es keine Trägheit zu verursachen.

Den Geschmackssinn (rasa) zu unterdrücken, gehört keinesfalls zu diesem Yoga. Wovon du dich befreien musst, ist das vitale Begehren und Verhaftetsein, die Esslust – dich übermäßig zu freuen an einem Essen, das dir schmeckt, und übermäßig enttäuscht und missvergnügt zu sein, wenn du es nicht erhältst, und ihm auf diese Weise eine ungebührliche Bedeutung beizumessen. Gleichmut ist hier der Test, wie in so vielen anderen Dingen.

Die Idee, das Essen aufzugeben, ist eine falsche Eingebung. Du kannst dich an eine kleine Nahrungsmenge gewöhnen, aber nicht ganz und gar ohne Nahrung bleiben, es sei denn für verhältnismäßig kurze Zeit. Denke daran, was in der Gita steht: „Yoga ist nicht für den bestimmt, der übermäßig isst, noch für den, der sich gänzlich des Essens enthält“. Vitale Energie ist die eine Sache – davon kann man auch ohne Nahrung eine große Menge in sich aufnehmen und häufig wächst sie durch das Fasten an –, aber die physische Substanz, ohne welche das Leben seinen Halt verliert, ist von anderer Art.

Diese Neigung der Natur (die Esslust) solltest du weder missachten noch zu viel Wesens davon machen; man muss sich damit auseinandersetzen, sie läutern und meistern, ohne ihr große Bedeutung beizumessen. Es gibt zwei Wege, ihrer Herr zu werden: den einen der Loslösung – das Essen lediglich als eine physische Notwendigkeit und die vitale Befriedigung des Magens und Gaumens als eine Sache ohne Bedeutung betrachten zu lernen; der andere Weg besteht darin, ohne Engstirnigkeit oder Trachten jedes angebotene Essen anzunehmen und – gleichgültig ob andere es gut oder schlecht finden – den gleichen rasa in ihm zu finden, nicht den der Nahrung als solcher, sondern den des universalen Ananda.

Es ist falsch, den Körper zu vernachlässigen und ihn verkommen zu lassen; der Körper ist das Instrument der Sadhana und sollte in gutem Zustand erhalten werden. Man sollte ihm nicht verhaftet sein, es sollte aber auch keine Vernachlässigung oder Verachtung des stofflichen Teils unserer Natur geben.

In diesem Yoga besteht das Ziel nicht nur in der Einung mit dem höheren Bewusstsein, sondern (mit Hilfe seiner Macht) auch in der Umwandlung des niederen [Bewusstseins], einschließlich der physischen Natur, um zu essen, braucht man kein Verlangen, keine Gier nach Nahrung zu haben. Der Yogi isst nicht aus Begehrlichkeit, sondern um den Körper zu erhalten.

Es ist richtig, dass man durch Fasten, sofern Mental und die Nerven stabil sind oder eine dynamische Willens-Kraft vorhanden ist, eine Zeitlang in einen Zustand von innerer Energie und Aufnahmebereitschaft eintreten kann, der dem Mental verlockend erscheint, wobei die üblichen Reaktionen von Hunger, Schwäche, Darmstörung usw. gänzlich vermieden werden können. Aber der Körper leidet durch Auszehrung, und es kann sich im Vital leicht ein morbider, überanstrengter Zustand entwickeln, verursacht durch die Überflutung mit mehr vitaler Energie als das Nervensystem zu assimilieren oder koordinieren vermag. Nervöse Menschen sollten der Versuchung des Fastens widerstehen, welches häufig von Wahnvorstellungen und Gleichgewichtsverlust begleitet wird oder sie zur Folge hat. Besonders wenn es durch einen Hungerstreik ausgelöst wird oder etwas Derartiges aufkommt, wird Fasten gefährlich, denn dann handelt es sich um Nachgiebigkeit gegenüber einer vitalen Bewegung, die leicht zu einer für die Sadhana schädlichen und verderblichen Gewohnheit werden kann.. Selbst wenn all diese Reaktionen vermieden werden, hat Fasten nicht viel Sinn, da die höhere Energie oder Aufnahmebereitschaft nicht durch künstliche oder physische Mittel herbeigeführt werden sollte, sondern durch Intensität des Bewusstseins und den starken Willen zur Sadhana.

Die Umwandlung, nach der wir streben, ist zu umfassend und komplex, um auf einmal zu kommen; man muss sie schrittweise kommen lassen. Die physische Wandlung ist der letzte dieser Schritte und in sich ein progressiver Vorgang.

Die innere Umwandlung kann nicht durch physische Mittel, weder positive noch negative, herbeigeführt werden. Im Gegenteil, die physische Wandlung als solche, kann nur durch eine Herabkunft des größeren supramentalen Bewusstseins in die Zellen des Körpers ausgelöst werden. Wenigstens solange muss man den Körper und seine stützenden Energien, teilweise durch die üblichen Mittel wie Nahrung, Schlaf usw., aufrechterhalten. Nahrung sollte im rechten Geist, mit dem rechten Bewusstsein aufgenommen, Schlaf allmählich in yogische Ruhe umgewandelt werden. Eine vorzeitige und übermäßige physische Enthaltsamkeit, tapasya, kann den Vorgang der Sadhana gefährden, indem sie eine Störung und Abnormalität der Kräfte in den verschiedenen Teilen des [Körper-] Systems verursacht. Eine große Energie kann sich in die mentalen und vitalen Teile ergießen, doch können Körper und Nerven dabei überfordert werden und die Kraft verlieren, das Spiel dieser höheren Energien zu stützen. Das ist der Grund, warum hier [in diesem Yoga] übertriebene physische Enthaltsamkeit nicht als ein wesentlicher Teil der Sadhana angesehen wird.

Es schadet nichts, von Zeit zu Zeit, einen Tag oder zwei zu fasten oder die Nahrung auf ein kleines, aber genügendes Maß zu beschränken; völlige Enthaltsamkeit über eine lange Zeitspanne hinweg ist jedoch nicht ratsam.

Der Sadhak muss sich von der Überflutung des Vitals und Physischen durch den Sex-Impuls gänzlich befreien – denn wenn er den Sex-Impuls nicht meistert, können sich das göttliche Bewusstsein und der Göttliche Ananda nicht im Körper niederlassen.

Es ist richtig, dass die reine Verdrängung oder Unterdrückung des Begehrens nicht ausreicht und in sich nicht wahrhaft wirksam ist, was aber nicht heißt, dass man den Begierden willfahren soll; es heißt, dass die Begierden nicht nur unterdrückt, sondern von der [menschlichen] Natur zurückgewiesen werden müssen. An die Stelle des Begehrens muss ein allein auf das Göttliche gerichtetes Streben treten.

Was die Liebe anbelangt, so muss sich die Liebe allein dem Göttlichen zuwenden. Was die Menschen mit diesem Wort bezeichnen, ist vitaler Austausch zur gegenseitigen Befriedigung des Begehrens, des vitalen Impulses oder physischen Vergnügens. Nichts von alldem darf in der Beziehung der Sadhaks untereinander enthalten sein; denn dies zu suchen oder dieser Art Impuls nachzugeben, wendet dich lediglich von der Sadhana ab.

Das ganze Prinzip dieses Yoga besteht darin, sich gänzlich dem Göttlichen allein zu geben und niemandem und nichts sonst, und durch Einung mit der Göttlichen Mutter-Macht all das transzendente Licht, die Kraft, die Weite, den Frieden, die Reinheit, das Wahrheits-Bewusstsein und den Ananda des supramentalen Göttlichen in uns herabzubringen. In diesem Yoga ist daher kein Platz für vitale Beziehungen oder vitalen Austausch mit anderen; jede derartige Beziehung oder jeder derartige Austausch fesselt die Seele sofort an das niedere Bewusstsein mit seiner niederen Natur und verhindert die wahre und volle Einung mit dem Göttlichen; sie hemmt sowohl den Aufstieg zum supramentalen Wahrheits-Bewusstsein als auch die Herabkunft der supramentalen Ishvari Shakti. Noch schlimmer wäre es, wenn dieser Austausch, auch wenn ein äußerer Akt nicht stattfände, die Form einer sexuellen Beziehung oder eines sexuellen Vergnügens annähme; aus diesem Grund sind diese Dinge in der Sadhana absolut verboten. Es versteht sich von selbst, dass jeder physische Akt dieser Art nicht erlaubt ist; aber auch jede subtilere Form ist ausgeschlossen. Erst nach unserem Einswerden mit dem supramentalen Göttlichen können wir unsere wahren spirituellen Beziehungen mit anderen [Menschen] finden – im Göttlichen; in dieser höheren Einigung kann diese Art grober, niederer, vitaler Bewegung nicht mehr stattfinden.

Den Sex-Impuls zu meistern – so sehr Herr des Sex-Zentrums zu werden, dass die sexuelle Energie aufwärts gezogen und nicht hinausgeschleudert und verschwendet wird – bedeutet tatsächlich, die Samenkraft in primäre physische Energie zu wandeln, welche alle übrigen [Energien] stützt, retas [Samenkraft] in ojas [essentielle Energie]. Aber kein Irrtum kann gefahrvoller sein, als die Einmengung des sexuellen Begehrens und seine subtile Befriedigung zu akzeptieren und als zur Sadhana gehörend zu betrachten. Es wäre der wirksamste Weg, geradewegs auf spirituellen Verfall loszusteuern und Kräfte in die Atmosphäre zu schleudern, welche die supramentale Herabkunft blockieren und stattdessen die Herabkunft von feindlichen vitalen Mächten herbeiführen würden, damit sie Verwirrung und Verheerung stiften. Diese Abweichung, sollte sie sich einzustellen versuchen, muss unbedingt ausgemerzt und aus dem Bewusstsein getilgt werden, wenn die Wahrheit herabgebracht werden und die Arbeit geschehen soll.

Auch die Vorstellung, dass es zur Umwandlung des Sex-Zentrums gehört, den aufzugebenden physisch-sexuellen Akt dennoch innerlich zu imitieren, beruht auf einem Irrtum. Die Tätigkeit der animalischen Sex-Energie in der Natur ist eine Einrichtung, die im Haushalt der stofflichen Schöpfung in der Unwissenheit einem bestimmten Zweck dient. Die sie begleitende vitale Aufregung jedoch schafft die günstigste Gelegenheit und Vibration in der Atmosphäre für das Eindringen jener sehr vitalen Kräfte und Wesen, deren ganzes Betreiben es ist, die Herabkunft des supramentalen Lichtes zu verhindern. Das damit verbundene Vergnügen ist eine Herabwürdigung und nicht die wahre Form des göttlichen Ananda. Der wahre göttliche Ananda im Physischen hat eine andersartige Beschaffenheit, Bewegung und Substanz; seine Offenbarung, die essentiell selbstbestehend ist, hängt allein von einer inneren Einung mit dem Göttlichen ab. Du hast die Göttliche Liebe erwähnt; aber die Göttliche Liebe, wenn sie das Physische berührt, erweckt nicht die groben, niederen vitalen Neigungen, denen nachzugeben lediglich bewirken würde, dass sie sich wieder zu den Höhen zurückzieht, nachdem es bereits schwierig genug war, sie in die Grobheit der stofflichen Schöpfung herabzubringen, die allein sie umzuwandeln vermag. Suche die göttliche Liebe durch die einzige Pforte, durch die einzutreten sie bereit ist, die Pforte des seelischen Wesens – und lege das niedere vitale Irren ab.

Für die physische siddhi ist die Umwandlung des Sex-Zentrums und seiner Energie notwendig; denn es ist der körperliche Rückhalt aller mentalen, vitalen und physischen Kräfte in der [menschlichen] Natur. Es muss in eine Anhäufung und Bewegung inneren Lichtes, schöpferischer Macht, reinen göttlichen Ananda umgewandelt werden. Nur durch das Herabbringen des Lichtes, der Macht und der Seligkeit des Supramentals in das [Sex-] Zentrum kann es gewandelt werden. Was sein späteres Wirken anbelangt, so wird es durch die supramentale Wahrheit, die schöpferische Schau und den schöpferischen Willen der Göttlichen Mutter bestimmt werden. Es wird jedoch eine Tätigkeit der bewussten Wahrheit sein und nicht die der Dunkelheit und Unwissenheit, zu denen sexuelles Begehren und Vergnügen gehören; es wird eine Macht der Bewahrung und freien, wunschlosen Ausstrahlung der Lebenskräfte sein und nicht ihr Hinausschleudern und Verschwenden. Gib dich nicht der Vorstellung hin, dass das supramentale Leben lediglich aus einer gehobenen Befriedigung der Begierden des Vitals und Körpers bestehen wird; nichts kann ein größeres Hindernis für die herabkommende Wahrheit sein, als diese Hoffnung auf Verherrlichung des Tieres in der menschlichen Natur. Das Mental wünscht sich, dass der supramentale Zustand eine Bestätigung der eigenen gehegten Ideen und Vorurteile ist; das Vital möchte, dass er eine Glorifizierung der eigenen Begierden ist; das Physische will, dass eine üppige Erweiterung der eigenen Annehmlichkeiten, Vergnügen und Gewohnheiten damit verbunden ist. Wenn dem so wäre, dann wäre er nur eine gesteigerte und sehr erhöhte Vollendung der tierischen und menschlichen Natur und nicht der Übergang vom Menschlichen ins Göttliche.

Es ist gefährlich, daran zu denken „jede Schranke der Unterscheidung und Verteidigung“ gegenüber dem, was auf dich herabzukommen versucht, aufzugeben. Hast du überlegt, was es bedeutet, wenn das Herabkommende nicht in Einklang mit der Göttlichen Wahrheit steht, vielleicht sogar etwas Feindliches ist? Eine feindliche Macht könnte sich zur Erlangung der Herrschaft über den Suchenden nichts Besseres wünschen. Man sollte nur die Kraft der Mutter und die göttliche Wahrheit unbegrenzt zulassen. Und selbst hier gilt es, die Fähigkeit der Unterscheidung zu bewahren, damit alles Falsche, das sich als die Kraft der Mutter und die Göttliche Wahrheit ausgibt, aufgedeckt wird, und ebenso gilt es, sich die Fähigkeit der Zurückweisung zu erhalten, durch die alles Zweifelhafte entfernt wird.

Bewahre den Glauben an deine spirituelle Bestimmung, wende dich vom Irren ab und öffne das seelische Wesen mehr und mehr der direkten Führung durch das Licht und die Macht der Mutter. Wenn der zentrale Wille aufrichtig ist, kann jedes Erkennen eines Fehlers ein Sprungbrett für eine wahrere Bewegung und einen höheren Fortschritt sein.

In meinem vorhergehenden Brief habe ich ganz kurz meine Einstellung hinsichtlich des Sex-Impulses und Yoga dargelegt. Ich möchte hier hinzufügen, dass sich meine Folgerung nicht auf irgendeine mentale Meinung oder vorgefasste moralische Idee gründet, sondern auf erprobte Tatsachen sowie auf Beobachtung und Erfahrung. Ich bestreite nicht, dass, solange man eine gewisse Trennung zwischen innerer Erfahrung und äußerem Bewusstsein aufrechterhält – wobei man das letztere als eine untergeordnete Tätigkeit ansieht, die zwar kontrolliert wird, aber noch nicht umgewandelt ist –, es durchaus möglich ist, spirituelle Erfahrungen zu haben und Fortschritte zu machen, ohne dass die Sex-Tätigkeit gänzlich zum Stillstand kommt. Das Mental distanziert sich vom äußeren Vital [den Lebens-Teilen] und dem physischen Bewusstsein und lebt sein eigenes inneres Leben. Doch nur wenige bringen dies tatsächlich einigermaßen vollständig zustande, und sobald sich die Erfahrungen auf die Lebens-Ebene und das Physische ausdehnen, kann der Sex-Trieb nicht länger auf diese Weise behandelt werden. Er kann in jedem Augenblick zu einer störenden, erregenden und deformierenden Kraft werden. Ich habe beobachtet, dass er in gleichem Maße wie das Ego (Stolz, Eitelkeit, Ehrgeiz) und die rajasischen Begierden und Wünsche eine der Hauptursachen der in der Sadhana vorkommenden spirituellen Unglücksfälle ist. Der Versuch ihm zu begegnen, indem man sich von ihm ablöst, ohne ihn völlig auszumerzen, schlägt fehl; der Versuch ihn zu sublimieren – von vielen modernen Mystikern in Europa befürwortet –, ist ein höchst unbesonnenes und gefährliches Experiment. Denn die Vermischung von Sextrieb mit Spiritualität hat die verheerendsten Folgen. Selbst der Versuch ihn zu sublimieren, indem man ihn dem Göttlichen zuwendet – wie in der vishnuitischen madhura bhava [das süße Gefühl] –, birgt eine ernsthafte Gefahr in sich, was die Folgen der falschen Auffassung oder des falschen Gebrauchs dieser Methode häufig beweisen. In diesem Yoga jedenfalls, der nicht nur die essentielle Erfahrung des Göttlichen sucht, sondern die Umwandlung des ganzen Wesens und der ganzen Natur, ist meiner Meinung nach, das Streben nach der völligen Meisterung der Sex-Kraft ein absolutes Erfordernis der Sadhana; im anderen Fall bleibt das vitale Bewusstsein ein trübes Gemisch, und diese Trübung beeinflusst die Reinheit des spiritualisierten Mentals und behindert ernsthaft die aufwärts gerichtete Wende der Körper-Kräfte. Dieser Yoga fordert einen vollen Aufstieg des gesamten niederen oder gewöhnlichen Bewusstseins, damit es sich mit dem spirituellen [Bewusstsein] über uns vereinige, und eine volle Herabkunft des spirituellen Bewusstseins (und schließlich des Supramentals) in Mental, Leben und Körper, damit sie umgewandelt werden. Der totale Aufstieg ist unmöglich, solange sexuelles Begehren den Weg blockiert, die Herabkunft ist gefährlich, solange sexuelles Begehren machtvoll im Vital herrscht. Denn in jedem Augenblick kann ein unausgeübtes oder latentes Sex-Begehren die Ursache einer Vermengung sein, welche die wahre Herabkunft zurückwirft und die gewonnenen Energien für andere Zwecke verbraucht oder die gesamte Tätigkeit des Bewusstseins einer falschen, trüben und täuschenden Erfahrung zuwendet. Daher muss man dieses Hindernis aus dem Weg schaffen; im anderen Fall gibt es entweder keine Sicherheit oder keine freie Entwicklung auf eine Endgültigkeit in der Sadhana.

Die gegenteilige Ansicht, die du erwähnst, mag von der Idee herrühren, dass der Sex [-Impuls] ein natürlicher Teil des menschlich vital-physischen Ganzen ist, ein Erfordernis wie Nahrung und Schlaf, und dass seine völlige Zurückhaltung zu Unausgeglichenheit und ernsthaften Störungen führen kann. Es ist richtig, dass Sex, in seinem äußeren Vollzug unterdrückt, aber auf andere Weise befriedigt, zu Erkrankungen des [Körper-] Systems und zu Gehirnstörungen führen kann. Hierauf beruht die medizinische Theorie, die von sexueller Enthaltsamkeit abrät. Meiner Beobachtung nach kommen diese Dinge aber nur dann vor, wenn entweder eine geheime Befriedigung perverser Art stattfindet, welche den normalen sexuellen Vorgang ersetzt, oder aber wenn ihm auf eine subtil-vitale Weise über die Phantasie oder durch unsichtbaren vitalen Austausch von okkulter Art gefrönt wird – ich glaube nicht, dass jemals bei echter spiritueller Bemühung um Meisterung und Enthaltsamkeit Schaden entsteht. Viele Ärzte in Europa sind jetzt der Ansicht, dass sexuelle Enthaltsamkeit, wenn sie echt ist, zuträglich sei; denn das Element im retas, das dem sexuellen Akt dient, wird dann in ein anderes Element gewandelt, welches die Energien des [Körper-] Systems nährt, die vitalen, mentalen und physischen – und das rechtfertigt die indische Idee von brahmacharya [völlige geschlechtliche Enthaltsamkeit], die Umwandlung von retas in ojas und das Aufsteigen seiner Energien zur Umformung in eine spirituelle Kraft.

Was die Methode der Meisterung anbelangt, so genügt physische Enthaltsamkeit allein nicht – sie schreitet durch einen kombinierten Vorgang von Loslösung und Zurückweisung voran. Das Bewusstsein distanziert sich vom Sex-Impuls, empfindet ihn als nicht zu sich gehörend, als etwas Fremdes, das durch die Natur-Kraft auf es geworfen wurde und dem es die Zustimmung und Identifizierung verweigert; und mit jedem Mal wird er durch eine bestimmte Bewegung der Zurückweisung mehr und mehr nach außen gedrängt. Das Mental bleibt unbeeinflusst; nach einer gewissen Zeit zieht sich das vitale Wesen, das sein hauptsächlicher Rückhalt ist, auf die gleiche Weise zurück, und schließlich wird er auch durch das physische Bewusstsein nicht länger gestützt. Dieser Vorgang setzt sich fort, bis ihn [den Sex-Impuls] das Unterbewusste selbst im Traum nicht mehr wachrufen kann und dieses niedere Feuer durch keine weitere Bewegung der äußeren Natur-Kraft aufs Neue entfacht wird. So ist der Verlauf, wenn die Sex-Veranlagung hartnäckig ist; einige hingegen sind fähig, ihn entschlossen durch eine schnelle und radikale Abkehr von der [äußeren] Natur auszuschließen. Das jedoch ist seltener.

Es muss gesagt werden, dass die totale Ausmerzung des Sex-Impulses eines der schwierigsten Dinge in der Sadhana ist und man darauf gefasst sein muss, dass sie lange dauert. Aber es ist erreicht worden, dass er völlig verschwindet, und ein praktisches Freiwerden davon, nur durch gelegentliche Traumbewegungen aus dem Unterbewussten gestört, ist ziemlich allgemein.

Hinsichtlich des Sex-Impulses: Betrachte ihn nicht als etwas Sündiges und Entsetzliches und zur gleichen Zeit Anziehendes, sondern als Fehler und falsche Bewegung der niederen Natur. Weise ihn gänzlich von dir, nicht indem du damit ringst, sondern indem du dich davon zurückziehst, dich davon ablöst und deine Zustimmung verweigerst; betrachte ihn als etwas, das nicht zu dir gehört, sondern dir durch eine Natur-Kraft außerhalb deiner auferlegt wurde. Weise jedes Zugeständnis an diese Auferlegung zurück. Wenn etwas in deinem Vital zustimmt, bestehe darauf, dass dieser Teil seine Zustimmung zurückzieht. Rufe die Göttliche Kraft, dir bei deiner Lossagung und Weigerung zu helfen. Wenn du dies ruhig, entschlossen und geduldig zu tun vermagst, wird am Ende dein innerer Wille gegenüber der Gewohnheit der äußeren Natur die Oberhand behalten.

Es besteht kein Grund, in diesem Ausmaß niedergeschlagen zu sein oder derartige Ideen über einen Fehlschlag im Yoga zu haben. Es ist keinesfalls ein Zeichen deiner Untauglichkeit für den Yoga. Es bedeutet einfach, dass der sexuelle Impuls, der durch die bewussten Teile zurückgewiesen wurde, im Unterbewusstsein Zuflucht gesucht hat, vermutlich irgendwo im niederen Vital-Physischen und im durch und durch physischen Bewusstsein, in welchem einige Bereiche für das Streben und Licht noch nicht offen sind. Das Fortbestehen von Dingen im Schlaf, die im Wachbewusstsein abgewiesen wurden, ist ein ziemlich allgemeines Vorkommnis im Verlauf der Sadhana.

Die Lösung ist die folgende:

1. das höhere Bewusstsein, sein Licht und das Wirken seiner Macht, in die dunkleren Teile der Natur herabzubekommen,

2. im Schlaf immer bewusster zu werden mit einem inneren Bewusstsein, das sich des Wirkens der Sadhana sowohl im Schlaf als auch im Wachen bewusst ist,

3. den wachen Willen und das Streben des Wachzustands auch im Schlaf auf den Körper einwirken zu lassen. Eine der Methoden das letztere zu tun, besteht darin, dem Körper vor dem Einschlafen stark und bewusst zu suggerieren, dass die Sache nicht geschehen soll; je konkreter und physischer die Suggestion ausgeübt werden kann und je direkter auf das Sex-Zentrum, umso besser. Die Wirkung mag zunächst keine sofortige oder gleichbleibende sein; meist aber, wenn du weißt, wie sie auszuüben ist, obsiegt am Ende diese Suggestion; auch wenn sie den Traum nicht verhindert, erweckt sie das innere Bewusstsein doch sehr oft so rechtzeitig, dass unliebsame Konsequenzen vermieden werden.

Es ist ein Fehler, sich in der Sadhana deprimieren zu lassen – auch durch wiederholte Fehlschläge. Man muss ruhig, ausdauernd und hartnäckiger als der Widerstand sein.

Die Störung durch den Sex-Impuls muss zwangsläufig dahinschwinden, wenn es dir ernst damit ist; ihn loszuwerden. Das Problem ist, dass dieser Teil deiner Natur (besonders das niedere Vital und das Unterbewusste, die im Schlaf aktiv sind) die Erinnerung an diese Dinge bewahrt und ihnen verhaftet bleibt, und du diese Teile nicht öffnest und sie das Licht und die Kraft der Mutter zu ihrer Läuterung annehmen lässt. Wenn du das tätest und, statt zu lamentieren, dich beunruhigen zu lassen und an die Vorstellung zu klammern, diese Dinge nicht los werden zu können, ruhig, mit stillem Glauben und geduldiger Entschlossenheit auf ihrem Verschwinden beharren würdest, indem du dich von ihnen loslöst und dich weigerst, sie zu akzeptieren oder überhaupt als Teil deiner selbst zu betrachten, würden sie nach einer Weile ihre Kraft verlieren und dahinschwinden.

Die Sex-Störung ist nur solange ernst zu nehmen, wie sie die Zustimmung des Mentals und vitalen Willens erhalten kann. Wenn sie aus dem Mental vertrieben wird, das heißt, wenn das Mental seine Zustimmung verweigert, aber der vitale Teil darauf reagiert, kommt sie als eine große Woge vitalen Begehrens und versucht das Mental gewaltsam mit sich fortzureißen. Wenn sie auch aus dem höheren Vital vertrieben wird, aus dem Herzen und der dynamisch-besitzergreifenden Lebenskraft, sucht sie Zuflucht im niederen Vital und erscheint dort in Form von kleineren Einflüssen und Trieben. Wenn sie von der niederen vitalen Ebene vertrieben wird, wendet sie sich in das dunkle, schwerfällig wiederholende Physische und tritt dort in Form von Erregungen im Sex-Zentrum auf sowie als mechanische Reaktion auf Einflüsse. Auch von dort vertrieben, wendet sie sich in das Unterbewusste und steigt in Träumen auf und in [Form von] Nachtemissionen, die auch ohne Traum stattfinden können. Aber wohin auch immer sie sich zurückzieht, versucht sie von der betreffenden Grundlage oder Zuflucht aus noch eine Zeitlang Ungemach zu bereiten und die Zustimmung der höheren Teile wiederzugewinnen – bis schließlich der Sieg vollständig ist und sie sogar aus dem umhüllenden oder umgebenden Bewusstsein vertrieben wird, welches unsere eigene Ausdehnung in die allgemeine oder universale Natur darstellt.

Wenn die Seele ihren Einfluss auf das Vital ausübt, ist die geringste Vermengung einer falschen vitalen Bewegung mit der seelischen Bewegung, das erste, was du unbedingt vermeiden musst. Lust ist die Perversion oder Herabwürdigung, welche die Liebe daran hindert, ihre Herrschaft zu errichten; wenn also im Herzen die Bewegung der seelischen Liebe stattfindet, ist Lust oder vitales Begehren etwas, dessen Einmischung man nicht zulassen darf, genauso wie man, wenn die Stärke von oben herabkommt, persönlichen Stolz und Ehrgeiz weit davon entfernt halten muss; denn jede Vermischung mit der Perversion wird das seelische oder spirituelle Wirken verderben und eine wahre Vollendung verhindern.

Pranayama und andere physische Praktiken wie asanas rotten nicht zwangsläufig sexuelles Begehren aus – manchmal können sie sogar, da sie die vitale Kraft im Körper ungeheuerlich mehren, auf ziemlich bestürzende Weise auch die Kraft der sexuellen Veranlagung steigern, die, an der Basis des physischen Lebens gelegen, immer schwer zu bewältigen ist. Das einzige, was man tun kann, ist, sich von diesen Bewegungen zu lösen, sein inneres Selbst zu finden und darin zu leben; dann scheinen diese Bewegungen nicht mehr zu einem selbst zu gehören, sondern etwas zu sein, was die äußere Prakriti dem inneren Selbst oder Purusha auferlegt. Sie können dann leichter abgelegt und in Nichts aufgelöst werden.

Dieses Überwältigtwerden vom Sex-Impuls im Schlaf hängt nicht so sehr vom Essen oder irgendetwas anderem Äußerlichen ab. Es ist eine mechanische Gewohnheit im Unterbewussten; wenn der sexuelle Impuls in den Wachgedanken und Wachgefühlen zurückgewiesen oder blockiert wird, tritt er in dieser Form im Schlaf auf, weil dann nur das Unterbewusste tätig ist und es keine bewusste Kontrolle gibt. Es ist das Zeichen eines sexuellen Begehrens, das im Wachmental und Wachvital unterdrückt, aber in der Substanz der physischen Natur nicht ausgemerzt wurde.

Um es auszumerzen, muss man zunächst darauf achten, keine sexuellen Vorstellungen oder Gefühle im Wachzustand zu hegen, als nächstes dem Körper, besonders dem Sex-Zentrum, einen starken Willen aufzuerlegen, damit nichts dieser Art im Schlaf aufkommt. Das mag nicht sofort Erfolg haben, wenn man es aber lange Zeit durchhält, hat es meist ein Ergebnis; das Unterbewusste beginnt zu gehorchen.

Dem Körper Schmerz zuzufügen, ist kein Hilfsmittel gegen den Sex-Impuls, obwohl es eine zeitweilige Ablenkung darstellen kann. Es ist das Vital und meist das Vital-Physische, welches die Sinnes-Wahrnehmung als Vergnügen, oder als das Gegenteil empfindet. Die Nahrung zu verringern, hat meist keine dauerhafte Wirkung. Es mag die Empfindung von physischer oder vital-physischer Reinheit erhöhen, das Körper-System leicht machen und gewisse Arten von tamas verringern. Aber der Sex-Impuls kann sich durchaus an eine verringerte Nahrungsmenge anpassen. Nicht durch physische Mittel, sondern durch eine Wandlung im Bewusstsein können diese Dinge überwunden werden.

Die Schwierigkeit, dich von der Primitivität deiner Natur zu befreien, wird so lange anhalten, wie du versuchst, deinen vitalen Teil allein oder hauptsächlich durch die Kraft deines Mentals und mentalen Willens zu wandeln, und höchstens eine unbestimmte und unpersönliche göttliche Macht zu Hilfe rufst. Es ist eine seit langem bestehende Schwierigkeit, die niemals auf radikale Weise im Leben selbst gelöst wurde, weil man ihr niemals in der richtigen Weise begegnete. In vielen Yoga-Methoden spielt es keine große Rolle, weil das Ziel nicht in einem umgewandelten Leben, sondern in einer Abkehr vom Leben besteht. Wenn solcherart das Ziel eines Bemühens ist, mag es genügen, das Vital durch einen mentalen und moralischen Zwang niederzuhalten, oder es kann beruhigt und in einer Art Schlaf und Bewegungslosigkeit gehalten werden. Es gibt sogar einige [Menschen], die es sich austoben und erschöpfen lassen, wenn es kann, während sein Besitzer vorgibt, davon unberührt und unbetroffen zu sein; denn es ist nur die alte Natur, die durch den vergangenen Antrieb weiterläuft und mit dem Körper abfallen wird. Wenn keines dieser Ergebnisse erreicht werden kann, führt der Sadhak manchmal ein doppeltes inneres Leben, geteilt zwischen seinen spirituellen Erfahrungen und seinen vitalen Schwächen, und macht soviel wie möglich aus seinem besseren Teil und so wenig wie möglich aus dem äußeren Wesen. Keine dieser Methoden jedoch genügt für unseren Zweck. Wenn du die wahre Meisterung und Umwandlung der vitalen Bewegungen willst, kann es nur unter der Bedingung geschehen, dass du deinem seelischen Wesen, der Seele in dir, erlaubst, voll zu erwachen, ihre Herrschaft zu errichten und alle Wesensteile der dauernden Berührung durch die Göttliche Shakti zu öffnen und ihnen den ihr [der Seele] eigenen Weg der reinen Hingabe aufzuerlegen sowie den Weg innigen Strebens und des vollständigen, unnachgiebigen Verlangens nach allem, was göttlich im Mental, Herzen und der vitalen Natur ist. Es gibt keinen anderen Weg, und es ist sinnlos, nach einem bequemeren Pfad Ausschau zu halten. Nanyah pantha vidyate ayanaya. [Es gibt keinen anderen Pfad für den großen Übergang.]

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