Kapitel 3
Warum gibt es Leid?
Worte der Mutter
Seit längerem habe ich Tag für Tag sehr scharf, intensiv und klar wahrgenommen, dass sich das Wirken der Kraft äußerlich in das übersetzt, was wir „Leiden“ nennen, weil dies die einzige Art von Schwingung ist, die die Materie aus dem Zustand ihrer Trägheit herausholen kann.
Der höchste Friede, die höchste Ruhe wurden zu Trägheit und tamas entstellt und verunstaltet, und weil dies eben die Entstellung des wahren Friedens und der wahren Ruhe war, gab es keinen Grund, sich zu ändern! Eine bestimmte Schwingung des Wachrüttelns – der Wiedererweckung – war notwendig, um aus diesem tamas herauszukommen, weil es nicht direkt vom tamas zum Frieden gehen konnte; etwas war nötig, um am tamas zu rütteln, und das drückte sich äußerlich durch Leiden aus.
Ich spreche hier vom physischen Leiden, denn alle anderen Arten von Leiden – vitales, mentales und emotionales Leiden – kommen von falschen Funktionsweisen des Mentals, und man kann sie einfach der Falschheit zuordnen, – das ist alles. Das physische Leiden jedoch kommt mir wie ein geschlagenes Kind vor, weil hier in der Materie, die Falschheit zu Unwissenheit geworden ist; das heißt, schlechten Willen gibt es da nicht – es gibt in der Materie keinen schlechten Willen, alles ist Trägheit und Unwissenheit: völlige Unkenntnis der Wahrheit, Unkenntnis des Ursprungs, Unkenntnis der Möglichkeit und sogar Unwissen darüber, was man zu tun hat, um physisch nicht mehr zu leiden. Diese Unwissenheit steckt überall in den Zellen, und einzig die Erfahrung – die Erfahrung von dem, was sich in diesem rudimentären Bewusstsein als Leiden überträgt – kann das Bedürfnis wecken, zu wissen und zu heilen, und die Aspiration entfachen, sich umzuwandeln.
Das ist eine Gewissheit geworden, weil in all diesen Zellen die Aspiration erwacht ist, die ständig intensiver wird und die sich über den Widerstand wundert; sie bemerken aber, wenn etwas in den Funktionsweisen nicht richtig läuft (das heißt, nicht geschmeidig, spontan und natürlich ist, sondern zu einer schmerzhaften Bemühung wird, ein Kampf mit etwas, das wie schlechter Wille aussieht, aber bloß verständnislose Zurückhaltung ist), dass in diesem Moment die Intensität der Aspiration, des Rufes, verzehnfacht und beständig wird. Die Schwierigkeit liegt darin, in diesem Zustand von Intensität zu bleiben. Im Allgemeinen fällt alles zurück, ich kann nicht sagen in ein Dahindämmern, doch in eine Art von Entspannung: man nimmt die Dinge leicht; und nur, wenn die innere Unordnung schmerzhaft wird, nimmt die Intensität zu und bleibt dauerhaft. Für Stunden – Stunden – wird der Ruf, die Aspiration, der Wille, mit dem Göttlichen vereint zu sein, das Göttliche zu werden, in höchstem Maße beibehalten, ohne nachzulassen. Wieso? Weil es im Äußeren etwas gab, das man eine physische Unordnung, ein Leiden nennt. Ansonsten, ohne Leiden, gibt es von Zeit zu Zeit ein Aufsteigen, dann ein Zurücksinken; bei der nächsten Gelegenheit dann wieder einen Aufstieg … das nimmt kein Ende! Das währt ewig so. Wollen wir, dass die Dinge schnell gehen (verhältnismäßig schnell, dem Rhythmus unseres Lebens entsprechend), dann sind diese Peitschenhiebe notwendig. Davon bin ich überzeugt, denn sobald du dich in deinem inneren Wesen befindest, begegnest du dem mit Verachtung (soweit es einen selbst betrifft).
Wenn dann aber auf einmal diese wahre Barmherzigkeit der Göttlichen Liebe kommt und man all diese Dinge sieht, die so schrecklich, so abnorm, so absurd erscheinen, dieser starke Schmerz, der auf allen Wesen und selbst auf den Dingen liegt … dann entsteht in diesem physischen Wesen das sehnsuchtsvolle Bestreben, das zu lindern, zu heilen und verschwinden zu lassen. Es gibt in der Liebe, in ihrem Ursprung etwas, das sich ständig als Eingreifen der Gnade ausdrückt: eine Kraft, eine Lieblichkeit, so was wie eine Schwingung des Trostes, die überall verbreitet ist, aber von einem erleuchteten Bewusstsein auf bestimmte Punkte hingelenkt, gesammelt werden kann. Und dort, an dieser Stelle, habe ich gesehen, welchen wahren Gebrauch man vom Denken machen kann: Das Denken dient als Kanal, um diese Schwingung von einem Ort zum anderen zu leiten, überall dorthin, wo sie benötigt wird. Diese Kraft, diese Schwingung der Lieblichkeit, befindet sich in einer statischen Weise ständig über der Welt und drängt darauf, empfangen zu werden, aber das ist ein unpersönliches Wirken. Und das Denken – das erleuchtete Denken, das hingegebene Denken, das Denken, das nur noch Instrument ist, das nicht mehr versucht, die Dinge in Bewegung zu setzen, sondern damit zufrieden ist, vom höheren Bewusstsein bewegt zu werden – dient als Mittler, um einen Kontakt, eine Verbindung herzustellen, und es dieser unpersönlichen Kraft zu ermöglichen, überall, wo es notwendig ist, auf ganz bestimmte Stellen einzuwirken.
