Kapitel 3

Kollektive Sadhana

Worte der Mutter

Ich bin gefragt worden, ob wir einen kollektiven Yoga praktizieren und was die Bedingungen für einen kollektiven Yoga sind.

Von vornherein kann ich euch sagen, um einen gemeinschaftlichen Yoga zu praktizieren, muss es eine Gemeinschaft geben, und ich muss über die erforderlichen Bedingungen sprechen, um eine Gemeinschaft zu sein. Letzte Nacht hatte ich einen symbolischen Traum von unserer Gemeinschaft.

Ich hatte die Vision zu Beginn der Nacht und sie weckte mich mit einem ziemlich unangenehmen Eindruck auf. Dann schlief ich wieder ein und hatte sie vergessen. Gerade jetzt, als ich über die Frage nachdachte, die mir gestellt wurde, kehrte diese Vision wieder zu mir zurück. Sie kam mit einer so großen Intensität und in solch einer zwingenden Weise zurück, dass gerade jetzt, als ich euch von jener Art Gemeinschaft erzählen wollte, wie wir sie zu verwirklichen suchen, gemäß dem von Sri Aurobindo im letzten Kapitel von The Life Divine dargelegten Ideal – eine gnostische, supramentale Gemeinschaft, die allein den Integralen Yoga von Sri Aurobindo praktizieren kann und ihn selbst physisch in einem sich entwickelnden und immer göttlicher werdenden gemeinschaftlichen Körper zu verwirklichen vermag –, wurde die Erinnerung der Vision so zwingend, dass sie mich am Sprechen hinderte.

Ihr Symbol war sehr klar, obwohl von einer ganz geläufigen Art; aber gerade durch ihre Geläufigkeit besitzt sie eine Wirklichkeit, die nicht irreführen kann. Wenn ich euch diese Vision detailliert beschreiben würde, wärt ihr wahrscheinlich nicht fähig zu folgen; sie ist ziemlich kompliziert. Das Bild war das eines riesigen Hotels, in dem alle irdischen Möglichkeiten in verschiedenen Apartments untergebracht waren und alles in einem Zustand der ständigen Umwandlung war.

Teile oder sogar ganze Flügel des Gebäudes waren zerstört, sogar während all die Menschen darin wohnten, und zwar so stark, dass wenn man seinen Platz in diesem riesigen Gebäude wechseln wollte, das Risiko einging, nicht mehr sein Zimmer wiederzufinden, da es zerstört worden sein konnte und nach einem neuen Plan auf einer anderen Ebene wieder aufgebaut war. Da war Ordnung, Organisation, und zur gleichen Zeit ein phantastisches Chaos. All das war ein Symbol, das sicherlich auf das zutrifft, was Sri Aurobindo über die Notwendigkeit der Transformation des Körpers schreibt (in „Die Offenbarung des Supramentalen, „Der Göttliche Körper“) und die Art der Transformation, die stattfinden muss, damit das Leben ein göttliches Leben wird.

Meine Vision war ungefähr so: irgendwo im Zentrum dieses mächtigen Gebäudes befand sich ein Zimmer, das für eine Mutter und ihre Tochter reserviert zu sein schien. Die Mutter war eine alte Dame, eine sehr wichtige und autoritäre Matrone, die ihre eigenen Ansichten über die gesamtheitliche Organisation hatte. Die Tochter verfügte über eine Art von Macht der Bewegung und Aktivität, die ihr erlaubte, überall zugleich zu sein, selbst wenn sie in diesem Zimmer war, das allerdings etwas mehr war als ein Zimmer, eher eine Art Appartement, dessen besonderes Merkmal es war, dass es genau im Zentrum lag. Aber sie diskutierte die ganze Zeit über mit ihrer Mutter. Die Mutter wollte die Dinge stets so belassen, wie sie gerade waren, mit dem selben Rhythmus, den sie hatten, sozusagen genau jene Gewohnheit, eine Sache zu zerstören, um noch eine andere aufzubauen und diese dann wieder zerstörend, um noch eine andere aufzubauen, was dem Gebäude die Erscheinung einer furchtbaren Verwirrung gab. Der Tochter gefiel das nicht, sie hatte einen anderen Plan. Sie wollte vor allem etwas Neues in die Organisation bringen, eine Art Super-Organisation, die diese Verwirrung überflüssig machen würde. Schließlich, als es unmöglich war zu einem Einvernehmen zu kommen, verließ sie ihr Zimmer, um eine Art Generalvisite zu machen. Sie machte die Visite, sah, was immer sie sehen wollte, und dann wollte sie in ihr Zimmer zurück, um endgültige Maßnahmen zu treffen; nun geschah etwas ziemlich Merkwürdiges. Sie konnte sich sehr gut an den Ort erinnern, wo ihr Zimmer war, doch jedes Mal wenn sie sich auf den Weg dorthin machte, verschwand entweder das Treppenhaus oder die Dinge hatten sich so sehr verändert, dass sie ihren Weg nicht finden konnte. Dann ging sie hierhin, dorthin, ging auf und ab, sie suchte, kam heraus, kehrte um – unmöglich den Weg zu ihrem Zimmer wiederzufinden. All das hatte eine so vertraute und normale physische Erscheinung, so wie es immer in solchen symbolischen Visionen geschieht; irgendwo war das Büro des Hotels und es gab so etwas wie eine Managerin, die alle Schlüssel besaß und wusste wo jedermann untergebracht war. Die Tochter suchte jene Person und fragte sie: „Können Sie mir den Weg zu meinem Zimmer zeigen?“ – Sicher, es ist ganz einfach.“ Alle um sie herum schauten sie an, wie um ihr zu sagen: „Wie können Sie das sagen?“ Doch sie stand auf und verlangte in einem autoritären Ton den Schlüssel, den Schlüssel zu dem Zimmer, und sagte: „Ich werde Sie zu ihrem Zimmer bringen.“ Sie schlug alle möglichen Wege ein, so kompliziert, so komisch. Das Mädchen folgte sehr aufmerksam, um sie nicht aus den Augen zu verlieren, und genau in jenem Moment, als sie offensichtlich an den Ort kamen, wo sich das besagte Zimmer befand, verschwand auf einmal die Managerin mit ihren Schlüsseln! Und das Gefühl dieses Verschwindens war so heftig, dass zur gleichen Zeit alles andere ebenso verschwand.

Um euch bei diesem Puzzle zu helfen, kann ich euch sagen, dass die Mutter die physische Natur repräsentiert, und zwar so wie sie ist, und die Tochter die neue Schöpfung. Die Managerin ist das mentale Bewusstsein, welches die Welt ordnet, so wie die Natur sie bisher geschaffen hat, sozusagen der höchste organisierende Sinn, der sich in der materiellen Natur, so wie sie jetzt existiert, offenbart hat. Das ist der Schlüssel der Vision. Natürlich wusste ich sofort, als ich erwachte, was das scheinbar unlösbare Problem lösen konnte. Das Verschwinden der Managerin und ihres Schlüssels war ein offensichtliches Zeichen dafür, dass sie völlig unfähig war, das, was man das schöpferische Bewusstsein der neuen Welt nennen könnte, an seinen Platz zu führen. Ich habe es kennengelernt, doch habe ich noch keine Vision davon gehabt, was bedeutet, dass es Etwas ist, das noch manifestiert werden muss. Diese noch nicht in dem Gebäude manifestierte Sache ist genau die Art von Bewusstsein, die diese Schöpfung in etwas Wahres, wirklich Konzipiertes, Gewolltes, Ausgeführtes umwandeln würde, mit einem Zentrum an seinem richtigen Platz, einem anerkannten Platz und mit einer wirklichen, wirksamen Macht.

Das Symbol ist ganz klar: Alle Möglichkeiten sind gegeben und alle Aktivitäten sind da, aber sie sind ungeordnet und durcheinander. Sie sind weder koordiniert, noch zentralisiert, noch um die eine zentrale Wahrheit und das eine Bewusstsein und den einen Willen vereint. Und das bringt uns zurück zu der Frage nach dem kollektiven Yoga und der Gemeinschaft, die in der Lage sein wird, ihn zu verwirklichen. Was für eine Gemeinschaft sollte das sein?

Sicherlich ist es nicht eine dieser willkürlichen von Menschen geschaffenen Konstruktionen, in die alles hineingestopft wird ohne Ordnung, ohne Wirklichkeit, alles von illusorischen Banden zusammen gehalten, die hier von den Wänden des Hotels symbolisiert werden. In gewöhnlichen menschlichen Konstruktionen, wie zum Beispiel einer religiösen Gemeinschaft, wird die Verbundenheit von dem Klostergebäude repräsentiert, von der Vereinheitlichung der Kleidung, der Einheitlichkeit der Aktivitäten und sogar einer Form der Bewegungsgleichheit, konkret gesprochen hat jeder die gleiche Uniform, jeder steht zur selben Stunde auf, jeder isst das Gleiche, alle beten zusammen, und so weiter. Es besteht eine allgemeine Gleichheit und natürlich liegt dem ein Chaos in den Köpfen zugrunde, jeder geht seinen eigenen Weg, denn diese Gleichheit, die sich sogar auf eine Gleichheit von Glauben und Dogma erstreckt, ist doch illusorisch.

Dies ist eine der geläufigsten Arten menschlicher Gemeinschaften – sich um ein gemeinsames Ideal, eine gemeinsame Aktion und eine gemeinsame Verwirklichung zusammenzugruppieren, sich zu verbinden und zu vereinen, aber auf eine ganz und gar künstliche Art. Sri Aurobindo sagt uns dagegen, dass eine wahre Gemeinschaft, die er eine gnostische oder supramentale Gemeinschaft nennt, nur über die innere Verwirklichung jedes einzelnen Mitglieds bestehen kann, durch eine reale, konkrete Einheit und Identität eines jeden mit den anderen Mitgliedern der Gemeinschaft, das heißt, jeder soll sich nicht als ein irgendwie mit den anderen vereinigtes Mitglied verstehen, sondern sich als alle in einem, in ihm selbst fühlen. Für jeden Einzelnen müssen die anderen, genauso wie sein eigener Körper, er selbst sein, nicht auf eine mentale und künstliche Art, sondern als eine Tatsache des Bewusstseins, durch eine innere Verwirklichung.

Deshalb muss jeder, bevor man darauf hoffen kann, diese gnostische Gemeinschaft zu verwirklichen, zumindest erst einmal damit anfangen, ein gnostisches Wesen zu werden. Das ist offensichtlich. Die individuelle Arbeit muss vorausgehen, die kollektive Arbeit muss folgen. Und es passiert dann, dass spontan, ohne irgendeine willkürliche Intervention eines Willens, die individuelle Bewegung sozusagen vom kollektiven Zustand kontrolliert oder sogar weggewischt wird. Es gibt zwischen der Gemeinschaft und dem Einzelnen eine gegenseitige Abhängigkeit, aus der man sich nicht vollständig lösen kann, selbst wenn man das versucht. Selbst wenn man über den eigenen Yoga versuchen würde, sich ganz aus dem Zustand des irdischen und menschlichen Bewusstseins zu befreien, würde man doch zumindest im Unterbewusstsein an die Bedingung des Ganzen gebunden sein, die eine Kontrolle ausübt und zurückzieht. Man kann versuchen, schneller voranzuschreiten, man kann versuchen, das ganze Gewicht der Bindungen und Verantwortungen abzuschütteln, dennoch und trotz allem hängt die Verwirklichung – sogar für denjenigen, der an der Spitze ist und der erste in der Vorwärtsbewegung der Evolution ist – von der Verwirklichung aller ab, vom Zustand des menschlichen Kollektivs auf der Erde. Und das zieht natürlich zurück, so stark, dass man manchmal Jahrhunderte warten muss, bevor die Erde bereit ist, damit man verwirklichen kann, was zu verwirklichen ist.

Das ist der Grund, warum Sri Aurobindo auch gesagt hat, dass eine zweifache Bewegung notwendig ist: Mit dem Bemühen um individuellen Fortschritt und individuelle Verwirklichung muss die Anstrengung einhergehen, das Ganze zu erhöhen, damit es den unabdingbaren Fortschritt machen kann, was auch wieder einen größeren Fortschritt für den Einzelnen mit sich bringen würde – einen Fortschritt der Masse, der es dem Einzelnen erlaubt, einen Schritt weiter zu gehen.

Und dafür denke ich ist es sinnvoll, dass wir manchmal gemeinsame Meditationen haben: um für die Schaffung einer gemeinsamen Atmosphäre zu arbeiten, die etwas organisierter ist als das Chaos des großen Hotels vergangener Nacht!

Den besten Nutzen, den man also aus diesen Meditationen ziehen kann, besteht darin, seine innerste Tiefe aufzusuchen und so weit wie nur möglich einzudringen an den Ort, wo man eine Atmosphäre der Einheit fühlen, wahrnehmen und vielleicht sogar schaffen kann, in der eine Kraft der Ordnung und der Organisation in der Lage sein wird, jedes Element an seinen Platz zu setzen und eine neue koordinierte Welt außerhalb des Chaos, das gegenwärtig besteht, hervorzubringen.

Worte der Mutter

Tatsächlich weiß niemand, wie die ersten Menschen geschaffen wurden, die erste mentale Verwirklichung. Man weiß nicht, ob es vereinzelte Individuen waren oder Gruppen, ob es inmitten anderer geschah oder in der Abgeschiedenheit. Ich weiß es nicht. Doch es könnte eine Analogie bestehen zur zukünftigen Situation der supramentalen Schöpfung. Man kann sich leicht vorstellen, wie ein Einzelner in der Einsamkeit des Himalayas oder in der Einsamkeit der unberührten Wälder beginnt, um sich herum seine kleine supramentale Welt zu erschaffen. Man kann sich das gut vorstellen. Aber die gleiche Sache wäre notwendig; er müsste eine solche Vollkommenheit erreichen, dass seine Macht automatisch jegliches Eindringen verhindert, und sie wäre automatisch geschützt, das heißt, jedes Element, ob feindlich gesinnt oder fremd, würde abgehalten werden.

Solche Geschichten wurden erzählt, von Menschen, die in der idealen Einsamkeit lebten. Es ist keineswegs unmöglich, sich das vorzustellen. Wenn man mit der Macht in Berührung ist, in dem Moment, da sie in einem ist, sieht man sehr wohl, dass es ein Kinderspiel ist; es ist sogar möglich, bestimmte Dinge zu verändern, eine Übertragung auf die umgebenden Schwingungen und Formen vorzunehmen, die dadurch automatisch supramentalisiert werden. All das ist möglich, doch es bleibt im Bereich des Individuellen. Nimm dagegen das Beispiel vom Geschehen hier, wo das Individuum im Zentrum dieses ganzen Chaos lebt, und da liegt die Schwierigkeit! Kann man nicht aus dieser Tatsache folgern, dass es keineswegs unmöglich ist, eine Art von Vollkommenheit in der Verwirklichung zu erreichen? Doch auch der andere Fall, der des Einsiedlers im Wald, ist ein Beispiel, welches nicht unbedingt beweist, dass der Rest der Menschheit zu folgen vermag; während das, was hier geschieht, schon eine viel weiter ausstrahlende Wirkung hat. Das ist es, was zu einem bestimmten Zeitpunkt geschehen muss, es muss notwendigerweise geschehen; das Problem bleibt jedoch bestehen: kann es gleichzeitig geschehen oder bevor die andere Sache – die individuelle, das eine, einzige supramentalisierte Individuum – verwirklicht ist?

Offensichtlich ist die Verwirklichung unter den Bedingungen der Gemeinschaft oder der Gruppe sehr viel vollständiger, ganzheitlicher, umfassender und wahrscheinlich vollkommener als jede individuelle Verwirklichung, die auf der äußerlichen, materiellen Ebene zwangsläufig immer sehr begrenzt ist, denn es ist nur eine Seinsweise, eine Art der Manifestation, eine winzige Ansammlung von Schwingungen, die berührt wird.

Doch vom Standpunkt der Einfachheit der Arbeit aus gesehen, gibt es keinen Vergleich, glaube ich.

(Schweigen)

Das Problem bleibt bestehen. Menschen, wie Buddha und andere, haben erst verwirklicht und sind dann mit der Welt in Kontakt getreten; es ist sehr einfach. Doch in Hinblick auf das, was ich beabsichtige, ist es da nicht für eine ganzheitliche Verwirklichung eine unerlässliche Voraussetzung, in der Welt zu bleiben?

Worte der Mutter

… Im Grunde ist es immer das Gleiche. Immer das Gleiche: sein eigenes Wesen zu verwirklichen, in bewusste Beziehung mit der höchsten Wahrheit seines eigenen Wesens zu treten, in welcher Form, über welchen Pfad auch immer – das ist unbedeutend – aber es ist der einzige Weg. Wir tragen, jeder einzelne trägt eine Wahrheit in sich, und mit dieser Wahrheit muss er sich vereinen; diese Wahrheit ist es, die er leben muss; und so ist der Pfad, dem er folgen wird, um sich der Wahrheit anzuschließen und sie zu verwirklichen, der Pfad, der ihn so nah wie möglich zum Wissen führt. Das heißt, die beiden sind engstens miteinander verbunden: die persönliche Verwirklichung und das Wissen.

Wer weiß, vielleicht wird gerade diese Vielfalt der Herangehensweise den Schlüssel zum Geheimnis geben – das Geheimnis, das das Tor öffnen wird.

Ich glaube nicht, dass ein einziges Individuum (auf der Erde, wie sie sich gegenwärtig darstellt), ein Einziger, wie bedeutend er auch sein mag, wie ewig sein Bewusstsein und seine Herkunft sein mögen, ganz allein verändern und verwirklichen kann – die Welt, die Schöpfung, wie sie ist, verändern und diese Höhere Wahrheit verwirklichen kann, die eine neue Welt darstellen wird – eine wahrhaftigere Welt, wenn nicht eine absolut wahre Welt. Es scheint so, dass eine gewisse Anzahl von Individuen (bis jetzt scheint dies auf die Zeit bezogen zu sein, eine Abfolge von Personen, aber es kann auch auf den Raum bezogen eine Gemeinschaft sein) unabdingbar ist, damit diese Wahrheit sich konkretisieren und verwirklichen kann.

Praktisch gesehen bin ich mir dessen sicher.

Das heißt, wie bedeutend, wie bewusst, wie mächtig ein Avatar auch sein mag, er kann nicht ganz allein das supramentale Leben auf der Erde verwirklichen. Es ist entweder eine Gruppe in der Zeit, hintereinander angeordnet, oder eine über den Raum verbreitete Gruppe – vielleicht auch beides – unverzichtbar für diese Verwirklichung. Davon bin ich überzeugt.

Der Einzelne kann einen Impuls geben, den Weg aufzeigen – den Weg selbst beschreiten, das heißt den Weg aufzeigen, indem er ihn selbst verwirklicht – aber er kann es nicht vollbringen. Die Erfüllung folgt bestimmten Gruppengesetzen, die ein Ausdruck eines gewissen Aspekts der Ewigkeit und Unendlichkeit sind – naturgemäß! ist es immer das gleiche Wesen; es gibt keine unterschiedlichen Individuen, keine verschiedenen Persönlichkeiten, es ist immer das gleiche Wesen. Und es ist immer das gleiche Wesen, das sich auf eine Art zum Ausdruck bringt, die uns als Ansammlung, Gruppe oder Kollektivität erscheint.

Worte der Mutter

„Da er das Leben akzeptiert, muss er nicht nur seine eigene Last, sondern auch einen großen Teil der Last der Welt mittragen, als Fortsatz seiner eigenen ausreichend schweren Last. Deshalb hat sein Yoga viel mehr als andere den Charakter einer Schlacht; aber es handelt sich nicht nur um eine individuelle Schlacht, sondern einen kollektiven Krieg, der sich über ein beträchtliches Land erstreckt. Er muss nicht nur in sich selbst die Kräfte egoistischer Falschheit und Unordnung besiegen, sondern sie als Vertreter derselben entgegengesetzten und unerschöpflichen Kräfte in der Welt besiegen. Ihr repräsentativer Charakter verleiht ihnen eine viel hartnäckigere Widerstandskraft, ein nahezu unaufhörliches Wiedererstehungsrecht. Oft stellt er fest, dass er zwar seine eigene persönliche Schlacht nachhaltig gewonnen hat, zugleich aber immer und immer wieder in einem scheinbar nicht enden wollenden Krieg gewinnen muss, weil seine innere Existenz bereits so sehr erweitert ist, dass sie nicht nur sein eigenes Wesen mit seinen wohl definierten Notwendigkeiten und Erfahrungen einschließt, sondern sich in Solidarität mit dem Wesen anderer befindet, da er in sich selbst das Universum trägt.“ (Sri Aurobindo, Die Synthese des Yoga)

Wie sollte man vorgehen, wenn die Sadhana nicht persönlicher, sondern kollektiver Natur ist?

Man muss sich weiten.

Die Arbeit ist komplizierter, komplexer und benötigt mehr Stärke, eine größere Weite, mehr Geduld, Toleranz und Ausdauer.

Dennoch, wenn jeder in einer vollkommenen Weise das tut, was er zu tun hat, dann bilden alle zusammen eine einzige Person, die die Sadhana für alle tut. Wenn es fünfzig Leute gibt, die den Integralen Yoga praktizieren und nur einer tut die Arbeit, dann tut er sie für alle. Wenn aber jeder von den fünfzig es für alle tut, dann tut er es tatsächlich für eine Person, denn jeder arbeitet für jeden. Dies sollte unter allen eine Einheit schaffen, die stark genug ist, um den einen ununterscheidbar vom anderen zu machen. Und das ist der ideale Weg, dass alle zusammen nur einen Körper bilden, eine Persönlichkeit, die gleichzeitig und unterschiedslos für sich selbst und für andere arbeitet.

Um die Wahrheit zu sagen, ist dies die erste Frage, die sich stellte, als ich Sri Aurobindo begegnete. Sollten wir eine intensive individuelle Sadhana machen und uns aus der Welt zurückziehen, das heißt keinen Kontakt mit anderen mehr haben, um so ans Ziel zu gelangen und uns danach auf andere einzulassen? Oder sollte man alle anderen mit derselben Aspiration kommen lassen, die Gruppe sich natürlich und spontan bilden lassen und alle gemeinsam auf das Ziel zuschreiten? Beide Möglichkeiten waren gegeben.

Die Entscheidung war keine verstandesmäßige, überhaupt nicht. Ganz natürlich und spontan bildete sich die Gruppe und brachte sich als zwangsläufige Notwendigkeit ein. Es war keine Wahl mehr zu treffen.

Und wenn du einmal auf diese Weise anfängst, ist es gelaufen, du musst bis zum Ende hindurchgehen.

Wenn du die Arbeit allein tun willst, ist es absolut unmöglich, sie auf eine vollständige Art zu tun, denn das gesamte physische Wesen, wie vollkommen es auch sein mag, selbst wenn es von einer ganz und gar höheren Qualität ist und selbst wenn es für eine ganz spezielle Arbeit geschaffen wurde, kann immer nur ein Teil und begrenzt sein. Es repräsentiert nur eine Wahrheit, ein Gesetz der Welt; es mag ein äußerst komplexes Gesetz sein, aber es ist nur ein Gesetz – was in Indien Dharma genannt wird – und die Gesamtheit der Umwandlung kann nicht durch das allein, durch einen einzigen Körper gemacht werden.

Deshalb wurde die Vielfalt spontan geschaffen.

Du kannst ganz allein deine eigene Vollkommenheit erlangen. Du kannst in deinem Bewusstsein endlos und vollkommen werden. Die innere Verwirklichung ist grenzenlos. Aber die äußere Verwirklichung ist dagegen zwangsläufig begrenzt und wenn du deshalb eine allgemeinere Aktion willst, bedarf es einer minimalen Anzahl an Personen.

Eine ganz alte Tradition setzt die Zahl auf zwölf fest. Aber angesichts der Komplexität des modernen Lebens, scheint dies nicht mehr ausreichend. Eine repräsentative Gruppe wird benötigt.

Und deshalb repräsentiert jeder von euch, auch wenn euch das nicht bewusst ist, eine der Schwierigkeiten, die es für die Transformation zu überwinden gilt. Das schafft viele Schwierigkeiten. Es gibt mehr als eine Schwierigkeit. Ich glaube, ich habe vor einiger Zeit gesagt, dass jeder von euch eine Unmöglichkeit, die aufzulösen ist, repräsentiert und erst wenn alle Unmöglichkeiten aufgelöst sind, wird das Werk vollendet sein.

Und jetzt bin ich etwas freundlicher, ich spreche nicht von Unmöglichkeiten, sondern von Schwierigkeiten; denn vielleicht handelt es sich nicht länger um Unmöglichkeiten.

Dieser kollektive Charakter der Sadhana ist der Grund dafür, dass ich von Anfang an – und jetzt, wo unsere Gruppe so stark angewachsen ist, habe ich noch mehr Grund dazu – antworte, wenn jemand zu mir kommt und sagt, „ich habe draußen eine Menge Probleme und ich schaffe es nicht, damit fertig zu werden, und deshalb will ich hierher kommen, weil mir das helfen wird“: „Nein, hier wird es noch schwieriger für dich, deine Probleme werden deutlich größer werden, denn es werden nicht mehr nur isolierte Schwierigkeiten sein, sondern kollektive Schwierigkeiten werden dazukommen. Es werden alle Reibungen, Kontakte, Reaktionen, alles was von außen kommt, dich als Test genau in deinem schwachen Punkt treffen, im sensibelsten Bereich. Hier wirst du genau das Wort und den Satz hören, den du nicht hören wolltest, und von den Leuten wird genau die Geste kommen, die dich verletzen wird. Immer wieder wirst du dich dem Umstand, der Tatsache, dem Gegenstand oder was auch immer, jedenfalls von allen genau der Sache gegenüber sehen, die du am wenigsten geschehen lassen wolltest. Und genau das passiert, und passiert mehr und mehr, weil du deinen Yoga nicht für dich allein, sondern automatisch, ohne es zu wissen, für alle tust.

Wenn also Leute hierherkommen und mir sagen, „Ich komme, um Frieden und Ruhe zu finden und Muse, um meinen Yoga zu machen,“ dann sage ich ihnen: „Das ganz sicher nicht! Geh sofort woanders hin, du wirst überall anders ruhiger sein als hier.“ Wenn aber jemand kommt und zu mir sagt, „Ich spüre, dass ich mich dem göttlichen Werk weihen muss. Ich komme, um zu arbeiten, um mich nützlich zu machen und ich bin bereit, jedwede Arbeit auszuführen,“ dann sage ich ihm: „Es ist in Ordnung, wenn du den guten Willen, die Ausdauer und die Fähigkeit hast. Wenn du aber Abgeschiedenheit für deine innere Entwicklung suchst, dann ist es besser für dich, woanders hinzugehen. Wenn du nicht in der Lage bist, Frieden und Abgeschiedenheit in dir selbst zu schaffen, dich genug zu isolieren, um nach innen zu gehen, wenn du nicht in der Lage bist, dies unter den Bedingungen des alltäglichen Lebens zu tun, dann ist dies mit Sicherheit nicht der Ort, an dem du es können wirst; und deine erste Schwierigkeit wird genau darin bestehen, dass du dich von allem und jedem bedrängt fühlst und nicht in der Lage sein wirst, dich abzuschotten.“

Und das Gleiche gilt für alle. Leute, die einen schlechten Charakter haben, die zum Beispiel schnell ärgerlich werden, werden hier schlimmer als im normalen Leben, weil sie in der Welt von allen möglichen Notwendigkeiten des Lebens im Zaum gehalten werden – zum Beispiel werden sie hinausgeworfen, wenn sie sich verärgert gegen ihren Vorgesetzten auflehnen. Hier dagegen werden sie nicht hinausgeworfen, sondern es wird ihnen lediglich gesagt, „Versuche, dich zu kontrollieren.“

Es gibt einen weiteren Grund, warum deine Schwierigkeiten sich hier vermehren werden. Denn dies hier ist der Ort der Verwirklichung.

Im Leben bist du unbewusst, du existierst in einer recht vagen Halb-Bewusstheit. Du weißt nichts über dich, außer Scheinbarem, weiter nichts; du bist und bleibst immer unfähig, deine Mission zu erfüllen, deshalb triffst du nicht auf Hindernisse und bist nicht im Kern der Schwierigkeit; du bist lediglich eine Erscheinung; du bist voll und ganz eine Erscheinung. Deine Defizite sind klein, deine Tugenden sind klein, deine Fähigkeiten sind mittelmäßig und deine Schwierigkeiten auch. Du bist ganz und gar mittelmäßig, die ganze Zeit.

Erst, wenn du dich auf den Pfad der Verwirklichung begibst, werden deine Möglichkeiten real und sofort werden deine Schwierigkeiten größer. Naturgemäß intensivieren sich die Dinge.

Du sagst, dass jeder eine Unmöglichkeit repräsentiert. Sollte in diesem Fall nicht jeder sich darauf konzentrieren, diese Unmöglichkeit aufzulösen?

Nicht unbedingt dadurch, dass man sich darauf konzentriert. Aber jeder muss sich damit konfrontieren, ob er es weiß oder nicht. Es ist ein Aspekt des Problems.

Ich habe das schon einmal gesagt. Wenn du die Möglichkeit eines Sieges repräsentierst, hast du immer das Gegenstück zum Sieg in dir, das dein ständiges Problem ist.

Jeder hat seine eigene Schwierigkeit. Derjenige, zum Beispiel, der Kühnheit, Mut, die Kraft ohne zu zaudern dranzubleiben im Angesicht jedweder Gefahr oder jedweden Kampfes hat, ist ganz allgemein in irgendeinem Teil seines Wesens ein schrecklicher Feigling. Und dagegen muss er fast andauernd ankämpfen, da dies den Sieg repräsentiert, den er in der Welt erringen muss.

In ähnlicher Weise ist derjenige, der gut, voller Mitgefühl und Großzügigkeit sein soll, in einem Teil seines Wesens scharf, bitter und bisweilen sogar hintertrieben. Und dagegen muss er ankämpfen, um dieses andere werden zu können. Und so weiter. Es ist wahr sogar hinsichtlich der kleinsten Details.

Und wenn du irgendwo einen dunklen Schatten siehst – einen sehr dunklen – etwas, das wirklich schmerzhaft ist, dann kannst du sicher sein, dass du in dir die Möglichkeit zu dem entsprechenden Licht trägst.

Worte der Mutter

Welche grundlegende Tugend muss man entwickeln, um sich auf das spirituelle Leben vorzubereiten?

Ich habe es schon viele Male gesagt, aber dies ist ein Anlass, es zu wiederholen: es ist Aufrichtigkeit.

Eine Aufrichtigkeit, die vollständig und absolut werden muss, denn allein die Aufrichtigkeit ist dein Schutz auf dem spirituellen Weg. Wenn du nicht aufrichtig bist, fällst du mit Sicherheit bereits beim zweiten Schritt auf die Nase. Es gibt alle möglichen Kräfte, Willen, Einflüsse, Wesenheiten, die nur darauf lauern, den kleinsten Riss in dieser Aufrichtigkeit auszuspähen, um sich sofort durch diesen Spalt hineinzustürzen und dich durcheinanderzubringen.

Deshalb, bevor du irgendetwas tust, etwas anfängst, etwas versuchst, sei dir zuerst sicher, dass du nicht nur so aufrichtig bist, wie du es nur sein kannst, sondern dass du auch die Absicht hast, es noch viel mehr zu werden.

Denn das ist dein einziger Schutz.

Kann diese Bemühung, die anfängliche Tugend zu entwickeln, eine gemeinsame Bemühung sein?

Gewiss kann sie das sein. Man hat das früher in den Initiationsschulen versucht. Noch heute ist man in den mehr oder weniger geheimen Gesellschaften oder sehr kleinen Gruppierungen darum bemüht, dass die Gemeinschaft genügend zusammenhält und eine ausreichende gemeinsame Bemühung unternimmt, damit das Ergebnis ein Gruppenresultat ist und nicht das Resultat eines Einzelnen.

Aber das kompliziert natürlich das Problem entsetzlich… Bei jeder Zusammenkunft versucht man, eine gemeinsame Wesenheit zu schaffen; doch damit eine Tugend gemeinsam verwirklicht werden kann, bedarf es einer ungeheuren Anstrengung. Dennoch, es ist nicht unmöglich.

Worte der Mutter

Es scheint mir nicht länger möglich zu sein, allgemeine Regeln aufzustellen. In Wirklichkeit ist die Gnade über allem. Und was ist nötig, um sie wirken zu lassen? Das ist sehr schwer zu sagen.

Wenn man sie wahrnehmen, sie fühlen, sozusagen ihr Wirken erleben kann, sich ihrer Gegenwart und ihrer Bewegung bewusst werden kann, dann empfindet man die Freude der Bewegung, des Fortschritts, der Verwirklichung; doch das heißt nicht, dass das Wirken der Gnade, die Verwirklichung nicht da ist, wenn man diese Freude nicht empfindet.

Und letztendlich sind alle Seinsweisen des Göttlichen, alle Seinsformen der Manifestation notwendig, um das Göttliche auszudrücken. Diese Manifestation schreitet in ihrer Gesamtheit, in ihrer Ganzheit vorwärts, hin zu einer wachsenden, unendlichen, ewigen Vollkommenheit. Sie ist nicht jedes einzelne Element für sich, individuell: Sie ist alles zusammen, gleichsam ein kollektiver Gesamtausdruck der göttlichen Wahrheit. All das bewegt sich ständig, ewig, auf eine größere Vollkommenheit hin. Das Universum von morgen wird zwangsläufig göttlicher sein, wenn man es so sagen darf, als das Universum von gestern; und das gestrige war göttlicher als das vorangehende. Und so könnte man sagen, dass das Göttliche sich in Seinem Selbstausdruck in ständigem Fortschritt auf eine immer vollkommenere, immer göttlichere Manifestation zubewegt.

Und in diesem Fall hat jedes Element nichts anderes zu tun, als sein eigenes Gesetz so vollkommen wie möglich zu manifestieren, das, was es in dem Ganzen sein soll, um so das Höchstmaß dessen zu tun, was es zu tun hat. Darum ist die bewusste, erleuchtete, man könnte fast sagen uneigennützige Entdeckung dieser Wahrheit jedes einzelnen Wesens seine größte und wichtigste Notwendigkeit.

Worte der Mutter

Es scheint, dass das allgemeine Bewusstsein gesunken ist, seitdem der Ashram in großem Umfang zu wachsen begann. Was ist der Grund dafür und wie kann man das allgemeine Niveau anheben?

Das ist eine ziemlich komplizierte Angelegenheit. Ich will versuchen, sie zu erklären. Für eine lange Zeit war der Ashram nur ein Zusammenkommen von Einzelnen, wobei jeder als Einzelperson etwas repräsentierte, doch ohne jede gemeinschaftliche Organisation. Es war so etwas wie ein Schachbrett mit isolierten Figuren und es bestand nur der Anschein einer Einheit; es war eher die bloße äußere Tatsache, dass sie am gleichen Ort zusammenlebten und einige gleiche Gewohnheiten hatten, nur wenige, nicht viele. Jeder machte seiner Fähigkeit entsprechend Fortschritte – oder auch nicht – und hatte nur ein Minimum an Beziehung zu anderen. Man könnte sagen, dass es je nach der individuellen Verfassung in diesem heterogenen Körper einen allgemeinen Nutzen gab, aber einen sehr wechselhaften Nutzen ohne kollektive Wirklichkeit. Das war eine sehr, sehr lange Zeit so.

Erst vor relativ kurzer Zeit begann die Notwendigkeit einer kollektiven Wirklichkeit zu erscheinen, einer kollektiven Wirklichkeit, die nicht unbedingt auf den Ashram beschränkt ist, sondern alle umfasst, die sich als Schüler von Sri Aurobindo erklärt haben – ich meine nicht physisch, ich meine in ihrem Bewusstsein – und die sich bemüht haben, seine Lehre zu leben. In allen von ihnen, und noch intensiver seit der Manifestation des supramentalen Bewusstseins und der supramentalen Kraft, ist das Bedürfnis nach einer wahren gemeinsamen Existenz erwacht, die nicht nur auf rein materiellen Bedingungen gegründet ist, sondern eine tiefere Wahrheit repräsentiert, und die der Beginn dessen ist, was Sri Aurobindo eine supramentale oder gnostische Gemeinschaft nennt.

Natürlich hat Sri Aurobindo gesagt, dass dafür die Einzelnen, die die Gemeinschaft bilden, selbst das supramentale Bewusstsein besitzen müssen, aber noch bevor diese Vollkommenheit individuell erreicht ist, muss man notwendigerweise eine innere Bemühung aufbringen, um diese gemeinsame Individualität, wenn man es so nennen darf, zu schaffen. Das Bedürfnis nach wahrer Einheit, einer tieferen Verbindung ist zu spüren und die Bemühung hat sich zu einer solchen Verwirklichung hinbewegt. Das hat einige Probleme mit sich gebracht; denn vorher war die Tendenz so individualistisch, dass gewisse Gewohnheiten durcheinandergebracht wurden. Ich meine nicht physisch, denn die Dinge sind nicht sehr verschieden von dem, was sie waren, sondern innerlich, in einem etwas tieferen Bewusstsein, und eine gewisse gegenseitige Abhängigkeit wurde geschaffen – ich betone vor allem diesen Punkt – die irgendwie das individuelle Niveau gesenkt hat, außer bei jenen, die bereits eine genügend starke innere Verwirklichung erreicht hatten, um der gleichmachenden Aktion zu widerstehen.

Das lässt den Eindruck entstehen, dass das allgemeine Niveau gesunken ist, was nicht ganz richtig ist; das allgemeine Niveau ist auf einer höheren Ebene als zuvor, doch ist in vielen Fällen das individuelle Niveau gesunken, und einzelne, die zu der einen oder anderen Verwirklichung fähig waren, haben sich, ohne es zu verstehen, von einer Last erdrückt gefühlt, die sie vorher nicht zu tragen hatten und die auf diese gegenseitige Abhängigkeit zurückzuführen ist. Aber es ist bloß ein vorübergehendes Resultat und wird schließlich, ganz im Gegenteil dazu, in einer Verbesserung enden, einem äußerst wahrnehmbaren allgemeinen Fortschritt. Natürlich, wenn jeder Einzelne bewusst wäre und statt dieser Form der Nivellierung nachzugeben ihr widerstehen würde, um die Elemente, die Einflüsse und Strömungen, die er von anderen empfängt, zu verwandeln, zu verändern und zu sublimieren, dann würde das Ganze zu einem höheren Bewusstsein aufsteigen, weit fortgeschrittener als das, was vorher war.

Dahin wollte ich führen, ohne die Sache in Einzelheiten zu erklären, als ich von der immer dringlicher werdenden Notwendigkeit sprach, sich zu bemühen, und es war genau meine Absicht, euch eines Tages zu erklären, dass die von euch eingesetzte individuelle Bemühung sich ausbreiten und sehr bedeutende kollektive Ergebnisse haben wird, statt nur ein individueller Fortschritt zu sein, doch ich habe monatelang nichts gesagt. Ich wollte das Bewusstsein eines jeden Einzelnen vorbereiten, so dass ein jeder die Notwendigkeit einer kollektiven Individualität einräumt, ich sollte sogar sagen anerkennen wird.

Das muss jetzt erklärt werden. Es gibt keinen anderen Grund für diese Art scheinbaren Absinkens, aber es ist kein wirkliches Absinken. Es ist die spiralförmige Bewegung des Fortschritts, die es zwangsläufig mit sich bringt, dass man sich von einer bestimmten Verwirklichung fortbewegt, damit sie vielleicht nicht nur weiter, sondern auch höher wird. Wenn jeder bewusst und mit gutem Willen mitarbeitet, wird es schneller vollbracht sein. Es war eine unabdingbare Notwendigkeit, wenn das Leben des Ashrams weitergehen sollte. Etwas, das nicht vorwärtsschreitet, lässt zwangsläufig nach und vergeht, und um fortzubestehen musste der Ashram einen Fortschritt in seinem Bewusstsein machen und eine lebendige Wesenheit werden. Das ist alles. In der Spirale des Fortschritts sind wir etwas entfernt von der Linie der Verwirklichung, der wir einige Jahre gefolgt sind, aber wir werden auf einer höheren Stufe zu ihr zurückkehren. Das ist der Grund.

Scheinbar mögen da Bewegungen sein, die dem widersprechen, was ich gerade gesagt habe, doch es ist immer so; denn jedes Mal, wenn man etwas verwirklichen will, begegnet man als erste Schwierigkeit den Widersachern, die vorher nicht aktiv waren und nun erwachen, um Widerstand zu leisten. Alles was sich der Veränderung nicht unterwerfen will, wacht natürlich auf und revoltiert, was aber bedeutungslos ist. Es ist die gleiche Sache wie sie im individuellen Wesen geschieht. Wenn du einen Fortschritt machen willst, wird die Schwierigkeit, die du zu überwinden suchst, um ein zehnfaches an Bedeutung und Intensität in deinem Bewusstsein zunehmen. Du musst nur mit Ausdauer weitermachen. Das ist alles, es wird verschwinden.

Worte der Mutter

Mutter, was hat die Botschaft zu bedeuten, die du jeden Darshan gibst? Heute hast du zum Beispiel das Bild der Blume gegeben, die die supramentale Manifestation symbolisiert.

Ja, wie ich eben sagte, das verbreitet sich durch Tausende von Exemplaren auf der ganzen Welt. Das ist eine Veräußerlichung der Sache, es ist eine Art Verbreitung des Einflusses, Verbreitung der Botschaft, eine Vergrößerung der Reichweite. Alles, was in einer Darshan-Botschaft gesagt wird, wurde vorher gründlich vorbereitet, getestet, ausprobiert. Und am Tag des Darshan wird es mitgeteilt. Zuerst hat man die Erfahrung, dann wird sie öffentlich bekanntgegeben. Die Bewegung zuvor ist die individuelle Entwicklung; beim Darshan wird sie weiterverbreitet.

Sri Aurobindo sprach immer von zwei Bewegungen: die Formung des Einzelnen, um das Ziel individuell zu erreichen, und die Vorbereitung der Welt… Denn der Fortschritt des Einzelnen wird sozusagen durch die Verfassung des Ganzen nicht unbedingt verzögert oder gefördert, aber es bildet sich ein bestimmtes Gleichgewicht zwischen den beiden. Die individuelle Bewegung ist stets sehr viel rascher und durchgreifender; sie geht weiter, tiefer und schneller. Die kollektive Bewegung erzeugt eine Art Grundlage, die gleichzeitig bremst und stützt. Das Gleichgewicht zwischen diesen beiden Bewegungen ist notwendig. Je schneller man daher individuell vorangeht, umso mehr muss man versuchen, die kollektive Grundlage zu erweitern und zu verstärken.

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