Kapitel 3

Die Wahl der Seele und die Bedingungen der Wiedergeburt

Das seelische Wesen wählt im Augenblick des Todes, was es im nächsten Leben ausarbeiten will, und bestimmt den Charakter und die Voraussetzungen der neuen Persönlichkeit. Der Sinn des Lebens besteht im evolutionären Wachsen durch Erfahrung unter den Bedingungen der Unwissenheit, bis man für das höhere Licht bereit ist.

SRI AUROBINDO (22:443)

Der Wunsch eines sterbenden Menschen ist nur etwas an der Oberfläche – er kann zwar von der Seele ausgelöst werden und auf diese Weise dazu beitragen, die Zukunft zu gestalten, er bestimmt aber nicht die Wahl der Seele [für das künftige Leben]. Das ist etwas hinter dem Schleier. Nicht die Tätigkeit des äußeren Bewusstseins bestimmt den inneren Vorgang, sondern umgekehrt. Manchmal jedoch gelangen Zeichen oder Fragmente dieser inneren Tätigkeit an die Oberfläche – Menschen haben zum Beispiel eine Vision oder erinnern sich der Umstände ihrer Vergangenheit in einem blitzartigen Überblick zur Zeit des Todes – das ist die Rückschau der Seele, bevor sie den Körper verlässt.

SRI AUROBINDO (22:443)

Die Wahl des seelischen Wesens zur Zeit des Todes arbeitet die nächste Gestaltung der Persönlichkeit nicht aus, sondern fixiert sie. Sobald es in die seelische Welt eintritt, beginnt es die Essenz seiner Erfahrungen zu assimilieren, und mit Hilfe dieser Assimilierung wird dann die künftige seelische Persönlichkeit in Übereinstimmung mit der bereits vollzogenen Fixierung geformt. Wenn dieser Vorgang beendet ist, ist das seelische Wesen für eine neue Geburt bereit; weniger entwickelte [seelische] Wesen arbeiten die ganze Sache nicht für sich selbst aus, sondern diese Arbeit fällt den Wesen und Kräften der höheren Welt zu. Es ist aber nicht gesagt, dass die Kräfte der physischen Welt, sobald es zur Geburt kommt, die Ausarbeitung des Geplanten nicht durchkreuzen, da möglicherweise die neue Instrumentierung [des seelischen Wesens] nicht stark genug ist – hier [auf Erden] besteht die Wechselwirkung von eigenen Energien und kosmischen Kräften. Vereitelung, Ablenkung, ein nur teilweises Ausarbeiten sind möglich – viele Dinge können geschehen. All dies ist kein starrer Mechanismus, sondern ein Verarbeiten von komplizierten Kräften. Es muss jedoch hinzugefügt werden, dass ein entwickeltes, seelisches Wesen in diesem Übergang viel bewusster ist und viel selbst ausarbeitet. Auch die Zeitdauer hängt von der Entwicklungsstufe und einem gewissen Rhythmus des Wesens ab – bei einigen findet praktisch unmittelbar darauf eine Wiedergeburt statt, andere brauchen länger, bei manchen kann es Jahrhunderte dauern; doch auch hier gilt, dass das seelische Wesen, wenn es einmal genügend entwickelt ist, seinen eigenen Rhythmus und seine Ruhepausen zu bestimmen vermag. Die üblichen Theorien sind zu mechanisch, ebenso wie die Vorstellung von punya und papa mit ihren jeweiligen Ereignissen im nächsten Leben. Die Energien eines vergangenen Lebens zeitigen zwar mit Sicherheit Folgen, doch nicht auf der Grundlage dieses ziemlich kindischen Prinzips. Eines guten Menschen Leiden wären der orthodoxen Theorie zufolge der Beweis, dass er ein großer Schurke in einem vergangenen Leben war, und eines schlechten Menschen Gedeihen wäre der Beweis, dass er ziemlich engelhaft bei seinem letzten Erdenbesuch gewesen sein muss, und eine große Saat von Tugenden und verdienstvollen Taten säte, um diese Rekordernte von Glück zu erzielen. Zu symmetrisch, um wahr zu sein! Das Ziel des Geborenwerdens ist Wachstum durch Erfahrung, und die Rückwirkungen vergangener Taten finden nur deshalb statt, damit das Wesen lerne und wachse, sie sind nicht als Lutschbonbons für die braven, oder als eine Tracht Prügel für die bösen Kinder der Klasse in der Vergangenheit gedacht. Die tatsächliche Billigung für Gut und Böse ist nicht Glück für den einen und Unglück für den anderen, sondern dass uns das Gute einer höheren Natur entgegenführe, die letztlich über das Leiden erhaben ist, und das Schlechte uns zur niederen Natur hinabzieht, die sich immer im Kreise des Leidens und Bösen bewegt.

SRI AUROBINDO (22:444)

Für das Schicksal nach dem Tode ist das letzte Stadium des Bewusstseins meist das wichtigste. Das heißt, wenn man im Augenblick des Todes das intensive Sehnen hat, zurückzukehren, um die Arbeit fort zusetzen, werden sich die Umstände so arrangieren, dass es geschieht. Doch seht ihr, es bestehen alle erdenklichen Möglichkeiten für das, was nach dem Tode geschient. Es gibt Menschen, die in der Seele zurückkehren. Seht, ich habe euch gesagt, dass das äußere Wesen sehr selten erhalten bleibt; daher sprechen wir nur von dem seelischen Bewusstsein, das tatsächlich immer fortdauert. Und dann gibt es Menschen, deren Seele zum seelischen Bereich zurückkehrt, um die Erfahrung zu assimilieren, die sie gehabt hat, und um ihr künftiges Leben vorzubereiten. Das mag Jahrhunderte dauern, es hängt von den betreffenden Menschen ab.

Je entwickelter die Seele ist, desto mehr ist sie ihrer vollständigen Reife angenähert, und desto länger wird der Zeitraum zwischen den Geburten. Es gibt Wesen, die erst nach tausend oder zweitausend Jahren wiedergeboren werden.

Je näher man dem Beginn der Formierung ist, umso kürzer sind die Zwischenzeiten zwischen den Wiedergeburten; und manchmal sogar, auf einer ganz niedrigen Ebene, wenn der Mensch dem Tier sehr nahe ist, geht es so (Geste), das heißt, es ist nichts Ungewöhnliches, dass Menschen sich in den Kindern ihrer Kinder reinkarnieren, so ungefähr, oder in der nächsten Generation. Dies aber findet auf einer ganz primitiven Ebene der Evolution statt, das seelische Wesen ist nicht sehr bewusst, es ist im Zustand der Formierung. Und in dem Maße seiner Weiterentwicklung erfolgen, wie ich bereits sagte, die Wiedergeburten in größerem Abstand voneinander. Wenn das seelische Wesen voll entwickelt ist, wenn es zu seiner Entwicklung nicht länger auf die Erde zurückzukehren braucht, wenn es absolut frei ist, steht es ihm frei, nicht mehr zur Erde zurückzukehren, wenn es glaubt, dass seine Arbeit woanders liege, oder wenn es vorzieht im rein seelischen Bewusstsein ohne Wiederverkörperung zu verharren; oder aber, es kann zurückkehren, wie es will, wo es will, vollkommen bewusst. Es gibt auch Seelen, die sich mit Kräften einer universalen Ordnung geeint haben, mit Wesenheiten des Obermentals oder anderen [Ebenen] – diese bleiben die ganze Zeit über in der Erdatmosphäre und inkarnieren fortlaufend in Körpern für die zu geschehende Arbeit. Das bedeutet, dass in dem Augenblick, da das seelische Wesen vollständig geformt und absolut frei ist – wenn es vollständig geformt ist, wird es vollständig frei –, es alles tun kann, was es will, es hängt davon ab, was es wählt; daher kann man nicht sagen: „Ich werde diesem gleichen, ich werde jenem gleichen;“ es tut genau, was es will, es kann sogar (es ist tatsächlich geschehen) im Augenblick des physischen Todes ankündigen, welcher Art seine nächste Reinkarnation sein wird, was es tun wird, und es kann dies bereits wählen. Doch bevor dieses Stadium erreicht wird, was nicht sehr häufig vorkommt – es hängt ganz und gar von der Entwicklungsstufe der Seele ab und von der Hoffnung, die das integrale Bewusstsein des Wesens ausdrückt –, ist das mentale, vitale und physische Bewusstsein noch mit dem seelischen Bewusstsein geeint; in jenem Augenblick also, dem Augenblick des Todes, dem Augenblick, in welchem es den Körper verlässt, drückt es eine Hoffnung oder ein Streben oder einen Willen aus, und im Allgemeinen wird das künftige Leben hierdurch entschieden.

DIE MUTTER (7:86)

Kann es vorkommen, dass das seelische Wesen nicht zu dem Ort gelangt, wo es geboren werden will?

Wenn ein seelisches Wesen von seiner seelischen Welt ein Licht auf Erden erblickt, kann es dorthin eilen, ohne genau zu wissen, wo es ist. Alles ist möglich. Wenn aber das seelische Wesen sehr bewusst ist, hinreichend bewusst, wird es das Licht der Aspiration an einem bestimmten Ort suchen – aufgrund der Kultur und Bildung, die es dort finden wird. Dies geschieht viel häufiger als man denkt, vor allem in den gebildeteren Kreisen. Eine intelligente Frau mit künstlerischer oder philosophischer Bildung und dem Beginn einer bewussten Individualität, mag danach streben, dass das Kind, das sie haben wird, das bestmögliche sei, das ihrer Vorstellung entspricht, oder dem, was sie gelesen hat. Daher ist es nicht sehr kompliziert, einen Ort zu finden. Da die Zahl der seelischen Wesen, die fortwährend geboren werden, beträchtlich ist, wäre es schwierig, wenn jedes Mal außergewöhnliche Voraussetzungen gefunden werden müssten. Sicher, es gibt Fälle, da das seelische Wesen blindlings herabgestürzt zu sein scheint und betäubt war, doch das ist Pech; in solchem Fall ist im Allgemeinen eine lange Zeit erforderlich, damit es erwache. Es ist Pech in dem Sinne, dass ihm [dem seelischen Wesen] ein gewisses Unterscheidungsvermögen abging, oder vielleicht sah es sich bestimmten Kräften gegenüber, die seine Entscheidung vereitelten und einen teilweisen Sieg über es errangen. Wisst ihr, es gibt tausend Möglichkeiten. Man kann nicht sagen, dass alles nach dem gleichen Plan vonstatten geht – jedes seelische Wesen ist verschieden.

DIE MUTTER (4:168)

Gibt es für die vergangenen Leben irgendwelche allgemeinen Regeln oder Richtlinien, oder ist alles möglich?

Alles hängt davon ab, zu welcher Kategorie man gehört und von der Entwicklungsstufe des seelischen Wesens. Wenn das seelische Wesen sich in einem fortgeschrittenen Stadium nahe der Reife befindet, ist die Wahl vor dem Tod … eine ziemlich realistische, und diese Wahl bedeutet, dass alles möglich ist; in anderen Fällen aber findet die Wiedergeburt beinahe automatisch statt. Der Wille des seelischen Wesens ist nicht entwickelt, und es wählt nicht. Daher gibt es keine Regeln. Es hängt sehr von den Umständen ab, und vor allem von der Linie der Formierung, welcher das seelische Wesen folgen wird, und das wiederum hängt von seinem Ursprung ab. Es ist schwer zu sagen. Das Geschlecht kann auf lange Zeit hin variieren. In dem Maße wie das Bewusstsein wächst und eine gewisse Einheitlichkeit des Handelns und Bewusstseins erlangt, kann es wählen, einer Richtung unter Ausschluss einer anderen zu folgen, doch vor dieser Wahl war dein Geschlecht in unzähligen Leben zweifellos unterschiedlich. Das ist vielleicht der Grund, warum einige Frauen einen maskulinen Charakter haben, und umgekehrt, oder Neigungen zeigen, die nicht mit denen ihres Geschlechtes übereinstimmen. Doch zum Zeitpunkt der „Wahl“ kann man entscheiden, zum schöpferischen Bewusstsein zu gehören oder zum reglosen Zeugen. Es hängt vom Ursprung ab.

DIE MUTTER (4:183)

Wenn die Seele im Begriff ist, in die Welt einzutreten, wählt sie dann von vornherein die Form, die sie annehmen wird?

Das ist eine interessante Frage. Es hängt davon ab … Es gibt seelische Wesen, die in der Entwicklung begriffen sind, auf dem Weg zum Fortschritt; diese können im Allgemeinen, gleich zu Beginn, nicht viel wählen, wenn sie jedoch bei einer bestimmten Stufe des Wachstums und Bewusstseins angelangt sind (meist, wenn sie sich noch in einem physischen Körper befinden und eine gewisse Menge von Erfahrung hatten) – zu diesem Zeitpunkt entscheiden sie, welcher Art ihr nächster Erfahrungsbereich sein wird.

Ich kann dir einige ziemlich äußerliche Beispiele geben. Ein seelisches Wesen könnte zum Beispiel der Erfahrung der Herrschaft oder der Macht bedürfen, damit es die Reaktionen kennenlerne, und die Möglichkeit ergründe, all diese Bewegungen dem Göttlichen zuzuwenden: zu lernen, was ein Leben im Besitz von Macht dich lehren kann. Es wählt die Geburt in einem König oder einer Königin. Im Besitz von Macht hatten diese während jener Zeit ihre Erfahrungen und erreichten schließlich das Ende des Erfahrungsbereiches. Sie wussten nun, was sie hatten wissen wollen, sie sind im Begriff aus dem Leben zu gehen, ihren Körper zu verlassen, der jetzt nutzlos geworden ist, und sie bereiten sich auf die nächste Erfahrung vor. Nun, zu diesem Zeitpunkt, wenn sich das seelische Wesen noch im Körper befindet und erkannt hat, was es lernte, entscheidet es die nächste Gelegenheit. Und manchmal ist es eine Bewegung von Aktion und Reaktion: da es einen ganzen Bereich erforscht hat, muss es den entgegengesetzten Bereich erforschen. Und sehr häufig wählt es ein Leben, das sich von dem gehabten völlig unterscheidet. Und bevor es den Körper verlässt, sagt es: „Das nächste Mal wird es dieser Bereich sein, in dem ich in eine Geburt eintrete …“ Nimm zum Beispiel an, die Seele hat ein Wachstumsstadium erreicht, wo sie gerne Gelegenheit hätte, den physischen Körper zu beeinflussen, damit sie ihn befähige, bewusst mit dem Göttlichen in Kontakt zu kommen, um ihn zu wandeln. Nun ist sie im Begriff den Körper zu verlassen, in welchem sie Autorität und Macht genoss, jenen Körper, den sie für ihr Wachstum benutzte; sie sagt: „Das nächste Mal werde ich in einem neutralen Milieu in eine Geburt eintreten, weder niedrig noch hoch, wo es nicht notwendig sein wird (wie soll ich es ausdrücken?), ein besonders äußerliches Leben zu leben, wo man weder große Macht noch große Not hat – ein gänzlich neutrales Leben, weißt du, ein Leben in der Mitte.“ Sie wählt das. Sie kehrt zu ihrer seelischen Welt zur erforderlichen Rast zurück, zur Assimilation der gewonnenen Erfahrung und zur Vorbereitung der künftigen Erfahrung. Natürlich erinnert sie sich an ihre Wahl, bevor sie wiederum herabkommt, wenn sie ihre Assimilation beendet hat, wenn es Zeit ist, zurückzukehren, auf die Erde herabzukommen, aber sie kann von jener Domäne stoffliche Dinge nicht sehen, wie wir sie sehen, weißt du, sie erscheinen ihr in anderer Form. Dennoch können gewisse Unterschiede erkannt werden: Unterschiede der Umgebung, Unterschiede der Tätigkeit in der Umgebung werden klar gesehen, ganz deutlich. Sie kann eine Schau haben, die total oder global ist. Sie kann wählen. Manchmal wählt sie das Land: wenn sie eine bestimmte Art von Erziehung oder Zivilisation, einen bestimmten Einfluss will, kann sie das Land zuvor wählen. Manchmal kann sie das nicht, manchmal wählt sie nur ihre Umgebung und die Art von Leben, das sie führen will. Und dann, von dort oben, bevor sie herabkommt, hält sie Ausschau nach der Art von Vibration, die sie will; sie sieht sie ziemlich deutlich. Es ist als würde sie auf den Punkt zielen, wo sie herabkommen wird. Es ist jedoch nur eine Annäherung, da eine weitere Voraussetzung notwendig ist: nicht nur ihre eigene Wahl, sondern auch eine Empfangsbereitschaft von unten und eine Aspiration. Es muss jemand im Umkreis sein, den sie gewählt hat, meist die Mutter (manchmal beide Eltern, doch die unerlässlichste ist die Mutter), diese muss eine Aspiration oder eine Empfangsbereitschaft haben, etwas hinreichend Passives und Offenes oder eine bewusste Aspiration nach etwas Höherem. Und das entzündet ein kleines Licht für das seelische Wesen. Wenn in der Anhäufung [von Materie], die für sie die Umgebung darstellt, in der sie geboren werden will, wenn dort unter dem Einfluss ihres projizierten Willens ein kleines Licht entzündet wird, dann weiß sie, dass sie sich dorthin begeben muss.

Dies ist es, das den Unterschied an Monaten oder Tagen ausmacht, vielleicht nicht so sehr an Jahren; es schafft jedoch eine gewisse Unsicherheit, und daher kann man das genaue Datum nicht voraussagen: „Zu diesem Zeitpunkt, an jenem Tag, zu jener Stunde wird sie [die Seele] in eine Geburt eintreten.“ Sie muss jemanden finden, der empfangsbereit ist. Sobald sie diesen wahrnimmt, stürzt sie sich herab. Das aber ist ein Gleichnis; es ist nicht genauso, sondern etwas sehr Ähnliches. Sie stürzt sich in eine Unbewusstheit herab, denn die physische Welt, selbst das menschliche Bewusstsein, welcher Art auch immer, ist sehr unbewusst, verglichen mit dem seelischen Bewusstsein. Es ist daher eine Unbewusstheit, in die sie herabstürzt. Es ist so, als würde sie blindlings herabstürzen. Das betäubt sie. Und daher weiß sie im Allgemeinen, von einigen sehr seltenen Ausnahmen abgesehen, auf lange Zeit nichts. Sie hat große Schwierigkeit, sich auszudrücken, vor allem durch einen Säugling, der natürlich ohne Gehirn ist; er hat nur ein embryonales Gehirn, kaum geformt, und es fehlen ihr, [der Seele] die Elemente, sich zu manifestieren. Es ist daher sehr selten, wenn ein Kind sofort das außergewöhnliche Wesen offenbart, das es birgt … Es kommt vor. Von solchen Dingen haben wir gehört. Es kommt vor, doch im Allgemeinen bedarf es einiger Zeit. Nur langsam erwacht sie aus ihrer Betäubung und wird sich bewusst, dass sie aus einem bestimmten Grund und aus eigener Wahl hier ist. Und meist trifft das mit der intensiven mentalen Erziehung zusammen, die das Kind völlig vom seelischen Bewusstsein abschließt. Daher sind eine Menge von Umständen, Geschehnisse aller Art, Gefühle, alle möglichen Dinge sind nötig, um die inneren Türen zu öffnen, um sich zu erinnern, dass man immerhin von einer anderen Welt gekommen ist, und zwar aus einem bestimmten Grund.

Im anderen Fall, wenn alles normal verliefe, könnte sie sehr rasch eine Verbindung haben, sehr rasch. Wenn sie das Glück hätte, auf jemanden mit Wissen zu treffen, statt in eine Welt der Unwissenheit zu stürzen, wenn sie auf ein klein wenig Wissen fiele, würde alles sehr rasch gehen.

DIE MUTTER (5:215)

Wenn große Seelen auf Erden geboren werden wollen, wählen sie ihre Eltern?

Ah, das hängt von ihrem Bewusstseinszustand ab, es hängt von dem Zustand ihrer seelischen Formierung ab. Wenn das seelische Wesen voll geformt ist, wenn es die Vollendung erreicht hat und frei ist, wiedergeboren zu werden oder nicht, hat es auch die Fähigkeit zu wählen … Solange sie [die Seelen] sich nicht in einem Körper befinden, haben sie kein physisches Sehvermögen wie wir. Sie halten daher offensichtlich nach einem Körper Ausschau, der sich angeglichen hat und bereit ist, sie auszudrücken, doch müssen sie dem stofflichen Unbewussten ihren Anteil zugestehen – wenn man es so ausdrücken will – sowie der Notwendigkeit, sich den ganz stofflichen Gesetzen des Körpers anzupassen. Daher ist von der Sicht der Seele her die Wahl des Ortes, wo man geboren wird, wichtig, es ist mehr als eine unbedeutende Einzelheit. Es gibt aber so viele Dinge, die nicht vorhersehbar sind. Zum Beispiel wählt man1 ein bestimmtes Milieu, ein Land, eine bestimmte Art von Familie, man versucht die Natur der voraussichtlichen Eltern zu erkennen, man sucht nach bestimmten, bereits gut entwickelten Eigenschaften in ihnen und einer hinlänglichen Selbstmeisterung. Das alles aber reicht nicht aus, wenn man in sich selbst keine ausreichende Dynamik hat, um die Hindernisse zu überwinden. Wenn man also all das in Erwägung zieht, ist es nicht enorm wichtig. Immerhin, selbst im besten Fall, selbst wenn die Eltern bewusst mitgeholfen haben, besteht eine riesige Menge von Unterbewusstsein und noch tiefer von Unbewusstheit, die sich zeitweilig wieder zur Oberfläche erheben, aufgewühlt werden, die Arbeit schädigen und die Ruhe und das Schweigen unerlässlich machen. Immer, immer bedarf es einer Vorbereitung, selbst wenn man sich entschieden hat – einer langen Vorbereitung. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass man halb betäubt ist, im Augenblick der Geburt, der Herabkunft in den Körper, was oft sehr lange andauert, bevor man es ganz überwunden hat.

DIE MUTTER (5:411)

Die Formung des Körpers ist zwangsläufig von einem Mann und einer Frau abhängig, doch die Seele, die sich im Kinde manifestiert, im Körper, der geformt wird – muss die Seele sich in diesem Körper manifestieren?

Du meinst, ob sie zwischen verschiedenen Körpern wählen kann?

Ja.

Nun, es ist schließlich sehr ungewöhnlich in der großen Masse der Menschheit, dass sich eine bewusste Seele freiwillig inkarniert. Es ist etwas sehr Ungewöhnliches. Ich habe euch erzählt, wenn eine Seele bewusst ist, voll geformt, und sie will sich inkarnieren, sucht sie im Allgemeinen von ihrem seelischen Bereich nach einem korrespondierenden, seelischen Licht an einem bestimmten Ort auf Erden. Außerdem wählt die Seele in ihrer vorherigen Inkarnation, bevor sie die Erdatmosphäre verlässt, – nicht in allen Einzelheiten, sondern mehr allgemein – die Voraussetzungen ihres künftigen Lebens, welche ein Ergebnis der Erfahrung sind, die sie in dem zu Ende gehenden Leben hatte. Dies aber sind Ausnahmefälle. Möglicherweise könnten wir das für uns hier [im Ashram] annehmen, doch für die Mehrheit, die weite Mehrheit der Menschen, selbst jenen, die Bildung besitzen, ist es nicht so. Was zu ihnen kommt, ist ein seelisches Wesen in der Formung begriffen, mehr oder weniger geformt – und hier gibt es alle Stadien vom Funken, der ein kleines Licht wird, zum voll geformten Wesen, und das geht über tausende von Jahren. Dieser Aufstieg der Seele zum bewussten Wesen, das einen eigenen Willen hat, fähig die Wahl ihres eigenen Lebens zu treffen, dauert tausende von Jahren.

So, du glaubst also, eine Seele würde sagen: „Nein, diesen Körper weise ich zurück, ich werde mich nach einem anderen umsehen?“ … Ich sage nicht, dass es unmöglich ist – alles ist möglich. Es geschieht ja, dass Kinder totgeboren werden, das heißt, dass es keine Seele gab, sich in ihnen zu inkarnieren. Hierfür kann es aber auch andere Gründe geben, zum Beispiel eine Missbildung; man weiß es nicht. Ich sage nicht, dass es unmöglich ist, doch im Allgemeinen, wenn eine bewusste und freie Seele sich entschließt wieder einen Körper auf Erden anzunehmen, wirkt sie auf diesen Körper ein, selbst vor seiner Geburt. Sie hat also keinen Grund, ihn nicht zu akzeptieren oder seine Störungen, die von der Unkenntnis der Eltern herrühren mögen; denn sie hat den Ort aus einem bestimmten Grund gewählt, der mit Unwissenheit nichts zu tun hatte: sie sah ein Licht dort – es mag einfach das Licht einer Möglichkeit gewesen sein, doch da war ein Licht, und deshalb hat sie den Ort gewählt. Es ist also schön und gut zu sagen: „Ah! Nein, ich mag ihn nicht [diesen Körper]“, doch wohin sollte sie gehen, um einen anderen Körper zu wählen, der ihr zusagt? … Es kann geschehen, ich sage nicht, dass es unmöglich ist, es kann aber nicht sehr oft geschehen. Denn, wenn die Seele von der seelischen Ebene auf die Erde blickt, und den Ort ihrer nächsten Geburt wählt, wählt sie mit hinreichendem Unterscheidungsvermögen, um keinen groben Fehler zu begehen. Es ist auch vorgekommen, dass Seelen sich inkarniert haben und dann den Körper verlassen haben. Hierfür gibt es viele Gründe. Kinder, die sehr jung sind, sterben nach ein paar Tagen oder Wochen – das mag einen ähnlichen Grund haben. Meist nimmt man an, dass die Seele nur eine kleine Erfahrung brauchte, um ihre Formierung zu vollenden, und dass sie die während dieser wenigen Wochen hatte, und dann den Körper verließ. Alles ist möglich. Um die Geschichte der Seelen zu erzählen, bräuchte man so viele Geschichten, wie nötig sind, um die Geschichte der Menschen zu erzählen. Das heißt unzählige, und die Fälle sind so verschieden voneinander wie möglich.

Daher wäre es kindisch, willkürlich zu entscheiden: „Es ist so und nicht so, oder dies ist es, was geschieht und nicht das.“ Alles kann geschehen. Es gibt Fälle, die häufiger als andere vorkommen, man kann verallgemeinern, doch kann man niemals sagen: „Das ist unmöglich, und es ist immer so oder so.“ So geschehen die Dinge nicht.

Doch immerhin – immerhin –, selbst in den besten Fällen, selbst wenn die Seele bewusst kam, selbst wenn sie bewusst an der Formung des physischen Körpers teilnahm, wird dennoch der Körper, solange er in der üblichen Weise der Tiere geformt wurde, zu kämpfen und alle jene Dinge zu korrigieren haben, die von dieser menschlichen Tierhaftigkeit stammen.

Zwangsläufig sind Eltern auf bestimmte Weise geformt, sie sind besonders gesund oder ungesund; selbst im besten Fall haben sie eine Menge Atavismen, Gewohnheiten, Formierungen im Unterbewusstsein und selbst im Unbewussten, was von ihrer eigenen Geburt herrührt, der Umgebung, in der sie gelebt haben, ihrem eigenen Leben; und selbst wenn sie ungewöhnliche Menschen sind, haben sie eine große Menge von Dingen, die dem wahren seelischen Leben ziemlich entgegengerichtet sind – selbst die Besten unter ihnen, selbst die Bewusstesten. Und dann ist da all das, was in der Zukunft geschehen wird. Selbst, wenn man sich große Mühe mit der Erziehung seiner Kinder macht, werden sie mir allen möglichen Menschen in Kontakt kommen, die einen Einfluss auf sie ausüben werden, besonders wenn sie sehr jung sind; und diese Einflüsse dringen in das Unbewusste ein, und später muss man sich mir ihnen auseinandersetzen. Ich sage: selbst in den besten Fällen, aufgrund der Art und Weise, in welcher der Körper gegenwärtig geformt ist, siehst du dich unzähligen Schwierigkeiten gegenüber, die mehr oder weniger aus dem Unbewussten stammen, jedoch zur Oberfläche aufsteigen, und mit denen du zu ringen hast, bevor du völlig frei bist, und dich normal entwickeln kannst.

DIE MUTTER (8:202)

1 Mutter gebraucht im folgenden, wenn sie von der Seele spricht, die dritte Person Einzahl.

Wir benutzen Cookies

Wir verwenden auf unserer Website nur für den Betrieb notwendige sowie sogenannte Session Cookies, also ausdrücklich keine Werbe- oder Trackingcookies.

Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Website zur Verfügung stehen.