Kapitel 3
Die Gegenwart der Mutter
Noch während er am nackten Rand des Seins stand
Und all die Leidenschaft und Suche seiner Seele
Sich ihrer Auslöschung in eigenschaftsloser Weite gegenübersahen,
Nahte plötzlich die Gegenwart, die er ersehnte.
Hin durch das Schweigen der allerletzten Ruhe,
Aus dem Kern einer wundervollen Transzendenz,
In einem Körper von Wunder und Transluzenz,
Als wäre ein lieblich mystischer Inbegriff ihrer selbst,
Entschwunden in die ursprüngliche Seligkeit,
Erweitert aus der Ewigkeit zurückgelangt,
Kam nun jemand, unendlich und absolut.
Ein Wesen voller Weisheit, Macht und Freude
Nahm, so wie eine Mutter ihr Kind in die Arme schließt,
Natur und Welt und Seele an ihre Brust.
Die zeichenlose Leerheit zunichte machend,
Die Ödnis und stimmlose Stille brechend,
Das grenzenlose Unerkennbare durchdringend,
Stahl sich zur Freiheit der reglosen Tiefen
Ein schöner und glückverheißender Glanz.
Die Macht, das Licht, die Seligkeit, die kein Wort beschreiben kann,
Nahm die Form eines überraschenden Strahles an
Und baute zu seinem Herzen einen goldnen Gang
Und berührte durch ihn alles sehnend Empfindende.

Mutters Präsenz
Durch das Wort Gegenwart sollen der Sinn und die Wahrnehmung für das Göttliche als ein Wesen angedeutet werden, das im eigenen Dasein und Bewusstsein als gegenwärtig oder in Beziehung zu ihm gefühlt wird, ohne die Notwendigkeit einer weiteren Qualifizierung oder Beschreibung. Folglich lässt sich von der „unsagbaren Gegenwart“ nur sagen, dass sie da ist, und ansonsten kann oder braucht darüber weiter nichts gesagt zu werden, obwohl man gleichzeitig weiß, dass alles in ihr ist, das Persönliche und das Unpersönliche, Macht, Licht und Ananda und alles andere, und dass alle diese von jener unbeschreiblichen Gegenwart fließen. Das Wort mag zwar manchmal in einem weniger absoluten Sinn gebraucht werden, aber das ist immer die fundamentale Bedeutung, – das essenzielle Gewahrsein der essenziellen Präsenz, die alles andere unterstützt.

Gibt es einen Unterschied zwischen der Präsenz der Mutter und dem Göttlichen Bewusstsein?
Man kann das Göttliche Bewusstsein unpersönlich einfach als ein neues Bewusstsein fühlen. Die Präsenz der Mutter ist etwas, das mehr ist – man fühlt sie da gegenwärtig im Innern, oder über einem, oder um einen herum, oder all dies zusammen.

Du schreibst: „Man kann das Göttliche Bewusstsein nur unpersönlich als neues Bewusstsein spüren“, aber dass die Präsenz der Mutter etwas mehr ist. Du hast auch in einem anderen Brief geschrieben, dass die Göttliche Gegenwart im Herzen viel mehr ist als das Bewusstsein. Inwiefern ist die Gegenwart mehr als das Bewusstsein?
Ich meinte, dass man das göttliche Bewusstsein als einen unpersönlichen spirituellen Zustand empfinden kann, einen Zustand des Friedens, des Lichtes, der Freude, der Weite, ohne die Göttliche Gegenwart darin zu spüren. Die Göttliche Gegenwart wird als die von jemandem empfunden, der die lebendige Quelle und Essenz dieses Lichtes usw. ist, ein Wesen also, nicht nur ein spiritueller Zustand. Mutters Präsenz ist noch konkreter, definitiver, persönlicher – sie ist nicht die eines Unbekannten, einer Macht oder eines Wesens, sondern die eines Bekannten, Vertrauten, Geliebten, dem man sein ganzes Wesen auf lebendige und konkrete Weise darbringen kann. Das Bild ist nicht unentbehrlich, obwohl es hilft – die Präsenz kann auch ohne es innerlich gefühlt werden.

Eine solche notwendige Reihenfolge gibt es nicht, bei der man erst die Präsenz spüren muss und erst dann fühlen kann, dass man der Mutter gehört; vielmehr ist es öfters die Zunahme des Gefühls, das die Präsenz bringt. Denn das Gefühl rührt vom seelischen Bewusstsein her und das Wachsen des seelischen Bewusstseins ist es, das die ständige Präsenz schließlich möglich macht. Das Gefühl kommt vom Seelischen und ist wahr für das innere Wesen – selbst wenn es im Ganzen noch nicht verwirklicht ist, kann man es deswegen doch nicht als Einbildung bezeichnen; im Gegenteil, je mehr es wächst, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit, dass das ganze Wesen diese Wahrheit verwirklicht; das innere bhava-Gefühl nimmt immer mehr Besitz vom äußeren Bewusstsein und gestaltet es derart um, dass es dort ebenfalls eine Wahrheit wird. Dies ist das immerwährende Prinzip des Handelns in der yogischen Transformation – was im Inneren wahr ist, kommt nach außen und nimmt Besitz vom Mental, Herz und Willen und setzt sich durch sie gegen die Unwissenheit der äußeren Wesensteile durch und bringt die innere Wahrheit auch dort heraus.

Die ständige Präsenz
Die ständige Gegenwart der Mutter kommt durch Übung; die Göttliche Gnade ist essenziell für Fortschritt in der Sadhana, aber es ist die Übung, die die Herabkunft der Gnade vorbereitet.
Du musst lernen, nach innen zu gehen und aufhören, nur in den äußeren Dingen zu leben, musst Ruhe ins Mental bringen und danach streben, gewahr zu werden, wie die Mutter in dir wirkt.

Wie und wann kann man die konkrete Präsenz der Mutter jederzeit fühlen?
Erstens ist es eine Sache beständiger Aktivität des Seelischen, und zweitens der Konversion [Umwandlung] des Physischen und seiner Offenheit für innere supraphysische Erfahrung. Abgesehen vom Vital und seinen Tumulten stellt das Physische die Hauptschwierigkeit dar, eine Kontinuität von yogischem Bewusstsein und Erfahrung herzustellen. Wenn das Physische durchwegs transformiert ist – geöffnet und bewusst –, dann werden Stabilität und Kontinuität einfach.

Kann man, selbst im Schlaf, hellwach für Mutters Gegenwart sein?
Das geschieht wirklich, aber normalerweise erst, wenn das seelische Wesen voll aktiv ist.

Wenn du Mutters Gegenwart die meiste Zeit des Tages spürst, heißt das, dass dein seelisches Wesen aktiv ist und so spürt; denn ohne die Aktivität des seelischen Wesens wäre das nicht möglich. Dein seelisches Wesen ist also da und keineswegs weit entfernt.

Die Verschleierung der Präsenz
Die Gegenwart der Mutter ist immer da; aber wenn du beschließt, in eigener Regie zu handeln – gemäß deiner eigenen Vorstellung, deiner eigenen Auffassung von Dingen, gemäß deinem eigenen Willen und Verlangen in Bezug auf Dinge, dann ist es ziemlich wahrscheinlich, dass sich ihre Gegenwart verschleiert; nicht sie ist es, die sich von dir zurückzieht, sondern du bist es, der sich von ihr zurückzieht. Aber dein Mental und Vital wollen das nicht zugeben, weil sie immer damit beschäftigt sind, ihre eigenen Regungen zu rechtfertigen. Wenn dem seelischen Wesen seine volle Vorherrschaft eingeräumt würde, könnte das nicht geschehen; es hätte die Verschleierung gefühlt, sich aber sogleich gesagt, „Ich muss etwas falsch gemacht haben, ein Nebel ist in mir aufgestiegen“, und es hätte gesucht und den Grund dafür gefunden.

Die Präsenz, deren Schwinden du bedauerst, kann nur gespürt werden, wenn das innere Wesen fortwährend geweiht bleibt und die äußere Natur in Harmonie versetzt, oder zumindest unter dem Einfluss des inneren Geistes gehalten wird. Wenn du jedoch Dinge tust, die dein inneres Wesen nicht gutheißt, wird sich dieser Zustand allmählich trüben und die Möglichkeit, die Präsenz zu spüren, wird sich mit jedem Mal verringern. Du musst einen starken Willen zur Läuterung haben und eine Aspiration, die nicht nachlässt und aufgibt, wenn die Gnade der Mutter vorhanden und wirksam sein soll.

Wir glauben daran, dass die Mutter in uns allen die Sadhana tut, besonders durch das Herz; aber wie kommt es, dass wir das kaum fühlen? Es muss eine Art Schleier in uns geben.
Es ist ein Schleier, der verschwindet, wenn das Wirken der Mutter, wie auch ihre Präsenz, zu allen Zeiten bewusst fühlbar wird.

„Sie ist in der Tat immer gegenwärtig“
„Verhalte dich immer so, als ob die Mutter dich sehen würde; denn sie ist in der Tat immer gegenwärtig.“

…was ist die genaue Bedeutung Deiner Aussage: „Verhalte dich immer so, als ob die Mutter dich sehen würde; denn sie ist in der Tat immer gegenwärtig“?
Sie bezieht sich auf die Emanation der Mutter, die jederzeit mit jedem Sadhak ist.

Lebe immer so, als ob du direkt unter dem Auge des Höchsten und der Göttlichen Mutter stündest. Versuche nichts zu tun, zu denken und zu fühlen, was der Göttlichen Präsenz unwürdig wäre.
