Kapitel 3
Beobachtung kontra Analyse
Worte Sri Aurobindos
Was die Mutter meinte, war weder eine Selbst-Analyse noch eine Selbst-Sektion – das sind mentale Dinge, die sich mit dem Unbelebten befassen oder das Lebendige töten –, es sind nicht spirituelle Methoden. Die Mutter meinte nicht Analyse, sondern Selbstbetrachtung, ein Sehen aller lebendigen Regungen des Wesens und der Natur, eine intensive Beobachtung der Personalitäten und Kräfte, die sich auf der Bühne unseres Wesens bewegen, ihre Motive, Impulse und Fähigkeiten – eine Beobachtung, die genauso interessant ist wie das Erleben und Verstehen eines Schauspiels oder einer Erzählung, eine lebendige Schau und Wahrnehmung, wie sich die Dinge in uns abspielen, womit auch eine echte Meisterung dieses inneren Universums verbunden ist. Solche Dinge werden nur dann langweilig, wenn man sie mit dem analytischen und rationalen Verstand betrachtet, nicht aber wenn man ihnen als einer Bewegung des Lebens durch Erkennen und Intuition begegnet. Wenn du diese Betrachtungsweise übernehmen würdest (vom inneren, spirituellen und nicht vom äußeren, intellektuellen und ethischen Standpunkt aus), dann wäre es verhältnismäßig einfach für dich, aus deinen Schwierigkeiten herauszukommen; … Natürlich geschieht all das am besten dadurch, dass du dich vom Spiel deiner Natur zurückziehst und zum Betrachter-Überwacher wirst oder zum Zuschauer-Darsteller-Spielleiter. Das aber geschieht, wenn du diese selbstbetrachtende Haltung einnimmst.

Worte Sri Aurobindos
Dich einer Psychoanalyse zu unterziehen, war ein Fehler… Die Psychoanalyse von Freud ist das Letzte, was man mit dem Yoga in Verbindung bringen sollte. Sie befasst sich mit einem bestimmten Teil, dem dunkelsten, dem gefährlichsten, dem abträglichsten Teil der (menschlichen) Natur, mit der niederen vitalen, unterbewussten Schicht, isoliert einige ihrer krankhaftesten Erscheinungsformen und unterstellt ihnen einen Einfluss, der in keinem Verhältnis zu ihrer wahren Rolle in der Natur steht. Moderne Psychologie ist eine in den Kinderschuhen steckende Wissenschaft, sowohl unbesonnen als auch unsicher und unausgereift. Wie bei allen neu entwickelten Wissenschaften tobt sich die universale Gewohnheit des menschlichen Mentals hier aus: eine teilweise oder örtlich begrenzte Wahrheit ungebührlich zu verallgemeinern und zu versuchen, den gesamten Bereich der Natur mit ihren engen Begriffen zu erklären…
Es ist richtig, dass das Unterschwellige (subliminal) im Menschen den größten Teil seiner Natur umfasst und das Geheimnis ungeahnter Dynamiken in sich birgt, wodurch seine Oberflächen-Tätigkeiten erklärt werden. Doch das niedere vitale Unterbewusste, das alles ist, was diese Psychoanalyse von Freud zu kennen scheint – und selbst hiervon kennt sie nur ein paar schlecht erhellte Winkel –, ist nicht mehr als ein begrenzter und sehr untergeordneter Teil des unterschwelligen Ganzen… Zuerst sollte man sich bemühen, dass das höhere Mental und Vital stark, beständig und voller Licht und Frieden von oben werden; dann erst kann man mit größerer Sicherheit und einiger Aussicht auf eine schnelle und erfolgreiche Wandlung das Unterbewusste öffnen und sogar in es hinabtauchen.
