Kapitel 2

Was man aus Schicksalsschlägen lernen muss

Worte der Mutter

Es ist eine Erfahrung, die man sehr wohl haben kann. Wenn, nicht wahr, sogar Menschen, die nichts wissen, sich in ganz schwierigen Umständen befinden oder vor einem zu lösenden Problem stehen oder … vor einem zu überwindenden Impuls oder etwas, das sie durcheinander gebracht hat … und dann merken, dass sie verloren sind und nicht wissen, was sie tun sollen – weder mit ihrem Verstand noch mit ihrem Willen noch mit ihren Empfindungen –, sie wissen nicht, was zu tun ist, und dann geschieht es: in ihrem Innern ist so etwas wie eine Art Ruf, ein Ruf nach etwas, das kann, was man selbst nicht kann. Man sehnt sich nach etwas, das fähig ist, zu tun, was man selbst nicht zu tun vermag.

Das ist die erste Voraussetzung. Und wenn dir dann klar wird, dass es nur die Gnade ist, die das machen kann, dass dich aus deiner gegenwärtigen Situation nur die Gnade herausholen kann, dass nur sie dir die Lösung und die Kraft geben kann, um da herauszukommen, da erwacht in dir ganz natürlich ein starkes sehnsuchtsvolles Streben, ein Bewusstsein, das sich in einem Offensein ausdrückt. Wenn du rufst, wenn du dich sehnst und auf eine Antwort hoffst, öffnest du dich der Gnade auf ganz natürliche Weise.

Und danach – und darauf musst du ganz besonders achten (die Mutter legt einen Finger auf ihre Lippen) – wird die Gnade dir antworten, wird die Gnade dich aus der schwierigen Lage befreien, wird die Gnade dir eine Lösung zu deinem Problem geben oder dich aus deiner Schwierigkeit herausführen. Bist du aber einmal aus der Misere und aus deiner Schwierigkeit heraus, vergiss nicht, dass die Gnade dich herausgezogen hat, und glaube nicht, dass du selbst es warst. Denn das ist tatsächlich der wichtige Punkt. Die meisten Leute sagen, wenn die Schwierigkeit vorbei ist: „Eigentlich habe ich mich gut aus der Affäre gezogen.“

So ist das. Und dann schließt und verriegelst du die Tür, nicht wahr, und du kannst nichts mehr empfangen. Du brauchst noch einmal eine heftige Angst, eine schreckliche Schwierigkeit, damit diese Art von innerer Dummheit weicht und dir noch einmal klar wird, dass du nichts vermagst. Denn erst, wenn du dir klarmachst, dass du machtlos bist, beginnst du ein klein wenig offen und formbar zu werden. Aber solange du glaubst, dass es bei dem, was du machst, auf deine eigene Geschicklichkeit und deine eigene Fähigkeit ankommt, schließt du wirklich nicht nur eine Tür, weißt du, du schließt eine Menge Türen, eine nach der anderen, und verriegelst sie. Du schließt dich in eine Festung ein, und nichts kann da eindringen. Das ist das große Manko. Man vergisst sehr rasch. Ganz selbstverständlich gibt man sich mit seiner eigenen Fähigkeit zufrieden.

Aber Mutter, selbst wenn man versucht zu denken, man sei machtlos, gibt es immer noch etwas, das glaubt, man habe Macht.

O ja, O ja! Oh, es ist sehr schwierig, aufrichtig zu sein…. Deshalb häufen sich die Schläge und manchmal werden sie fürchterlich, weil es das einzige ist, das deiner Dummheit ein Ende setzt. Das ist die Rechtfertigung der Unglücke. Erst wenn du dich in einer äußerst schmerzhaften Situation befindest und tatsächlich vor etwas stehst, das dich zutiefst betrifft, dann schwindet da ein wenig von deiner Dummheit. Aber wie du schon sagst, selbst wenn da etwas schwindet, ist da doch noch ein kleines Etwas, das innen verbleibt. Und deshalb dauert es so lange….

Wie viele Schläge braucht man im Leben, bis man zutiefst weiß, dass man nichts ist, nichts zu tun vermag, nicht existiert, dass man nichts ist, dass es kein Sein gibt ohne das göttliche Bewusstsein und die Gnade. Von dem Augenblick an, in dem man es weiß, ist es vorbei; alle Schwierigkeiten sind überwunden. Wenn man es vollständig weiß und es nichts mehr gibt, das widerstrebt…. Und das braucht sehr lange.

Warum kommt der Schlag nicht als ein einziger Schlag?

Weil er dich töten würde. Denn wäre der Schlag stark genug, um dich zu heilen, würde er dich zerschmettern, er würde dich zu Brei schlagen. Nur bei einem ganz allmählichen, schrittweisen Vorgehen kannst du weiterexistieren. Natürlich kommt es auf die innere Kraft, die innere Aufrichtigkeit an sowie auf diese Fähigkeit, Fortschritte zu machen, die Erfahrung zu nutzen, und, wie ich eben sagte, darauf, nicht zu vergessen. Wenn man das Glück hat, nicht zu vergessen, schreitet man viel schneller voran. Man kann sehr schnell vorankommen. Und wenn man gleichzeitig diese innere moralische Stärke hat, die bewirkt, dass man, wenn das Glüheisen da ist, nicht versucht, Wasser darauf zu schütten, um es zu löschen, sondern dass man dem Abszess auf den Grund geht, in diesem Fall geht das dann auch sehr schnell. Aber nicht viele sind stark genug dazu. Im Gegenteil, sie machen sehr schnell so und so und so (Handbewegungen), um zu verbergen, um sich vor sich selbst zu verstecken. Wie viele hübsche kleine Erklärungen man sich gibt, wie viele Entschuldigungen man zusammenträgt für all diese Dummheiten, die man gemacht hat!

Liebe Mutter, hängt die Zahl der Schläge von den Menschen ab?

Ja, das hängt von den Menschen ab; das hängt, wie ich sagte, von ihrer Fähigkeit zum Fortschritt ab, und von ihrer Stärke und von ihrer Resistenz. Ich kenne aber nur sehr wenige Menschen, die überhaupt keine Schläge brauchen.

Mutter, ist der Schlag, der kommt, der Schlag von Mahakali?

Der Schlag? Nicht unbedingt.

Wenn du ein Gift zu dir nimmst und dich vergiftest, dann ist es nicht die Schuld von Mahakali. Du hast ja das Gift geschluckt. Wenn man sich in eine absolut törichte Lage bringt, dann ist man in einer Situation, in der man sich zwangsläufig am Kopf verletzten wird, den Arm oder das Rückgrat brechen wird; du kannst die göttlichen Kräfte nicht dafür verantwortlich machen, dass du in keinem guten Gleichgewichtszustand bist. Das ist die normale mechanische Konsequenz der begangenen Dummheit, des inneren Zustandes.

Von welcher Art und Weise ist der Schlag Mahakalis?

Er macht dich sehr glücklich. Er gibt dir eine liebliche Wärme im Herzen, einfach so. Du fühlst dich recht zufrieden.

Muss man nach diesem streben oder kommt er auf natürliche Weise?

Ja, Aufrichtigkeit in der Aspiration ist nötig, man muss den Fortschritt wirklich wollen. Man muss wirklich sagen: „Ja, ich will Fortschritte machen“, mit einer Aufrichtigkeit … „Was auch immer kommen mag, ich will Fortschritte machen.“ Also, dann kommt er.

Aber wie gesagt, er kommt mit einer Kraft und Fülle, die eine intensive Freude enthält. Wenn man eine Entscheidung getroffen hat, wenn man beschlossen hat, mit etwas in sich Schluss zu machen, eben eine begangene Dummheit nicht noch einmal zu machen, oder etwas Unmögliches und Schwieriges zu tun, von dem man weiß, dass es getan werden soll, und wenn man die Entscheidung getroffen hat und man dann die ganze Aufrichtigkeit seines Willens hineingelegt hat, also, wenn ein gewaltiger Schlag kommt, um einen zu dem zu zwingen, was man beschlossen hat, das ist ein Schlag, aber man fühlt sich glorreich, man ist ganz und gar glücklich, das ist wunderbar, nicht wahr, man fühlt etwas Herrliches, da (die Mutter deutet auf das Herz).

Es ist ein so großer Unterschied zu dem Unglück, dass dir zustößt, weil du in einem rein äußeren, mechanischen, physischen Bewusstsein lebst und in einem Zustand der Unwissenheit bist, der dich alle möglichen Dummheiten machen lässt und die natürlich unweigerlich ihre Folgen haben –, es ist ein so großer Unterschied zwischen diesem und dem gänzlich höheren Zustand, zu dem du dich erhebst, wenn du beschlossen hast, dass du über dich selbst hinauswachsen möchtest, dass du nur noch in dem Bewusstsein der Wahrheit leben möchtest, koste es, was es wolle, was der Fortschritt auch immer kosten möge, du wirst Fortschritte machen…. Und die Dinge, die dir dann passieren, sind so voller Bedeutung, du siehst ganz klar in ihnen diese strahlende Wahrheit, dieses Licht, das dir den Weg erhellt, als hättest du einen Scheinwerfer, der dich führt…. Du siehst das alles so klar! Es ist nicht mehr wie etwas, das dich zerschmettert, wie ein Steinblock, der dir auf den Rücken fällt. Es ist überwältigend.

Das ist der Grund, warum man immer sagt: Nur der erste Schritt benötigt eine Anstrengung. Der erste Schritt, das heißt: Verlasse jenes Niveau und gehe zu diesem hinauf. Danach ändert sich alles, alles.

Aber man muss dieses Niveau unbedingt verlassen, man darf da nicht bleiben, nicht versuchen, mit einem Fuß hier und mit dem anderen dort zu stehen, weil das nicht funktioniert.

Worte der Mutter

O Du, der Du liebst, schlage zu! Schlägst Du mich jetzt nicht, so weiß ich, Du liebst mich nicht. – Sri Aurobindo (Thoughts and Aphorisms)

Alle, die nach göttlicher Vollkommenheit streben, wissen, dass die Schläge, die der Herr uns in seiner unendlichen Liebe und Gnade versetzt, der sicherste und zuverlässigste Weg sind, uns fortschreiten zu lassen. Und je härter die Schläge, desto mehr fühlen sie die Größe der göttlichen Liebe.

Gewöhnliche Menschen bitten Gott ganz im Gegenteil immer darum, ihnen ein leichtes, angenehmes und erfolgreiches Leben zu schenken. In jeder persönlichen Befriedigung sehen sie ein Zeichen göttlichen Erbarmens. Wenn sie jedoch in gegenteiliger Weise von Elend und Missgeschick betroffen werden, beklagen sie sich und sagen: „Du liebst mich nicht.“

Im Gegensatz zu dieser unfertigen und unwissenden Haltung sagt Sri Aurobindo zu dem göttlichen Geliebten: „Schlage mich, schlage hart, lass mich die Fülle Deiner Liebe zu mir spüren.“

Worte der Mutter

Liebe Mutter, wenn wir einer Schwierigkeit begegnen, bedeutet das, dass das Göttliche versucht, uns die Fehler unserer Natur bewusst zu machen?

Wenn du dich ihr stellst, ja. Das heißt, sobald du eine Schwierigkeit vor dir hast und du versuchst, sie zu überwinden, statt wie ein Feigling zurückzuweichen, dann kannst du dir sicher sein, dass das Göttliche hinter dir steht. Wenn du aber feige bist, ist das Göttliche nicht da. Mit anderen Worten, die Feigheit schneidet dich vom Göttlichen ab. Wenn du aber Widerstand leistet und siegen willst, kannst du dir sicher sein, dass das Göttliche da ist, um zu helfen. Da besteht nicht der geringste Zweifel.

Ich wollte doch wissen – wenn die Schwierigkeiten kommen – ob das Göttliche versucht, uns bewusst zu machen, dass wir Fehler haben?

Ob das Göttliche dir absichtlich Schwierigkeiten in den Weg legt? Nein. Das ist nicht seine Art.

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