Kapitel 2

Was heißt „Ich selbst“

Worte der Mutter

…wenn der Kontakt [mit der Seele] bewusst und vollständig genug war, befreit er dich von der Fessel der äußeren Form. Du hast nicht länger die Empfindung, dass du nur deshalb lebst, weil du einen Körper hast. Das ist meist die übliche Empfindung des Wesens, so sehr an diese äußere Form gebunden zu sein, dass man an den Körper denkt, wenn man an „sich selbst“ denkt. Das ist die übliche Sache. Die persönliche Wirklichkeit ist die Wirklichkeit des Körpers. Erst wenn man sich um die innere Entwicklung bemüht und versucht hat, „etwas“ im eigenen Wesen zu finden, das ein wenig beständig ist, beginnt man zu fühlen, dass dieses Etwas, das durch alle Zeiten und allen Wechsel immer bewusst ist, dass dieses Etwas „ich Selbst“ sein muss. Das jedoch erfordert bereits ein Forschen, das ziemlich tief geht. Im anderen Fall, wenn du denkst: „Ich werde dies tun“, „Ich brauche jenes“, ist es immer dein Körper, eine kleine Art von Willen, der aus einem Gemisch von Gefühlen besteht, von mehr oder weniger verworrenen, sentimentalen Reaktionen und noch konfuseren, vermischten Gedanken, die von einem Impuls, einer Anziehung, einem Begehren, einer Art von Willen angeregt werden. Und all das wird augenblicklich „ich Selbst“ – aber nicht direkt, denn man sieht dieses „ich Selbst“ nicht als unabhängig von Kopf, Körper, Armen und Beinen und allem, was sich bewegt an – es ist sehr eng damit verbunden.

Erst nachdem du viel nachgedacht, viel gesehen, viel gelernt, viel beobachtet hast, beginnst du zu erkennen, dass das eine mehr oder weniger unabhängig vom anderen ist, und dass der Wille dahinter es entweder handeln lässt oder nicht. Und dann fängst du an, dich mit der Bewegung, der Tätigkeit, nicht mehr völlig zu identifizieren, zu erkennen, dass etwas schwebt. Doch um das zu erkennen, hast du viel zu beobachten.

Und dann musst du noch viel mehr beobachten, um zu sehen, dass diese zweite Sache, diese Art von aktivem, bewussten Willen von etwas anderem in Bewegung gesetzt wird, das beobachtet, urteilt, entscheidet und versucht, seine Entscheidungen auf Wissen zu gründen – das geschieht noch viel später. Und daher, wenn du beginnst, dieses „etwas andere“ zu sehen, beginnst du zu erkennen, dass es die Macht hat, die zweite Sache, die ein aktiver Wille ist, in Bewegung zu setzen. Und nicht nur das, sondern dass es eine sehr direkte und sehr wichtige Wirkung auf die Reaktionen hat, die Gefühle, die Sinneswahrnehmungen und dass es schließlich alle Regungen des Wesens zu kontrollieren vermag – dieser Teil, der wacht, beobachtet, urteilt und entscheidet. Das ist der Anfang der Kontrolle. Wenn man sich dessen bewusst wird, hat man den Faden ergriffen, und wenn man von Kontrolle spricht, weiß man: „Ah, ja, dies ist es, was die Macht der Kontrolle hat.“

So lernt man sich selbst zu beobachten.

Worte der Mutter

Wahrlich, das einzig wirklich Tragische im Leben ist, seiner Seele, des seelischen Wesens, nicht bewusst und von ihm geführt zu werden.

Zu sterben, bevor man seine Seele gefunden und nach ihrem Gesetz gelebt hat, dies ist das wirkliche Scheitern.