Kapitel 2
Langeweile und Mangel an Energie
Worte der Mutter
Nichts ist dem eigentlichen Daseinszweck mehr entgegengesetzt als diese Welle der Langeweile, die dich erfasst. Wenn du in dem Augenblick den kleinen Fortschritt in deinem Innern machst, wenn du dich fragst: „Nun, was gibt es denn dabei zu lernen? Was will mir das alles bringen, damit ich etwas lerne? Welchen Fortschritt muss ich mir abgewinnen? Welche Schwäche muss ich überwinden? Welche Trägheit muss ich bezwingen?“ Fragst du dich so, dann merkst du gleich, dass du dich nicht mehr langweilst. Unversehens findest du Interesse daran, und du machst einen Fortschritt! Es ist einfach eine Plattheit des Bewusstseins gewesen.
Aber statt dass die Menschen, wenn sie sich langweilen, eine Stufe höher zu steigen versuchen, begeben sich die meisten noch eine Stufe tiefer, unterhalb ihres vorigen Niveaus, und machen all die Dummheiten, die die anderen machen, all die Rohheiten und Gemeinheiten, nur um sich zu amüsieren. Man betäubt und vergiftet sich, verdirbt sich die Gesundheit und zerstört sich das Gehirn, redet unflätiges Zeug – und das alles, weil man sich langweilt. Nun, wäre man höher gestiegen, statt sich gehenzulassen, so hätte man den Umständen etwas abgewonnen. Aber statt dessen rutscht man noch ein wenig tiefer, als man schon war. Trifft die Menschen in ihrem Leben ein Schlag, irgendein Unglück (was sie so „Unglück“ nennen – es gibt ja Unglücksraben), so versuchen sie als erstes zu vergessen – als vergäßen sie nicht schon schnell genug! Und um zu vergessen, ist ihnen alles recht. Schmerzt sie etwas, so wollen sie sich zerstreuen – was sie „zerstreuen“ nennen, das heißt Dummheiten machen, das heißt im Bewusstsein abgleiten, ein bisschen tiefer statt höher gehen … Ist dir etwas Schmerzliches, Bitteres zugestoßen? Dann darf man sich nicht abstumpfen, darf nicht vergessen, nicht ins Unbewusste absinken; man muss bis auf den Grund gehen und das Licht finden, das dahinter steht, die Wahrheit, die Kraft und die Freude, und dazu muss man stark sein, sich dem Abgleiten widersetzen.

Worte der Mutter
Anstrengung allein, gleich in welchem Bereich – materiell, moralisch, intellektuell –, erzeugt bestimmte Schwingungen in einem, die es ermöglichen, mit den universalen Schwingungen in Beziehung zu treten, und das ist es, was Freude gibt. Die Anstrengung ist es, was einen aus der Trägheit heraushebt; die Anstrengung ist es, was einen für die universalen Kräfte empfänglich macht. Und was vor allen Dingen spontan Freude gibt, auch jenen, die nicht Yoga praktizieren, die nicht spirituell streben, die ein ganz gewöhnliches Leben führen, das ist der Energieaustausch mit den universalen Kräften. Die Leute wissen es nicht, sie könnten dir nicht sagen, dass es deswegen ist, aber so ist es.
Es gibt Menschen, die einfach wie schöne Tiere sind – all ihre Bewegungen sind harmonisch, ihre Energien verströmen harmonisch, ihre unberechneten Anstrengungen rufen allezeit Energien herbei, und immer sind sie glücklich; doch manchmal haben sie keine Gedanken im Kopf, manchmal keine Gefühle im Herzen, sie leben ein ganz und gar tierhaftes Leben. Ich habe derartige Geschöpfe gekannt: schöne Tiere. Sie waren schön, ihre Gebärden waren harmonisch, ihre Kräfte völlig im Gleichgewicht, und sie gaben sie ohne Berechnung aus, empfingen sie ohne Berechnung. Sie standen in Beziehung mit den materiellen universalen Kräften und lebten in der Freude. Sie hätten vielleicht nicht sagen können, dass sie glücklich waren – Freude war so spontan bei ihnen, dass sie ganz natürlich war –, und noch weniger hätten sie sagen können warum, denn ihr Verstand war nicht sehr entwickelt. Ich kannte solche Menschen, die fähig waren, die nötige Anstrengung zu machen (nicht eine kluge und berechnete Anstrengung, sondern spontan), in irgendeinem Bereich: materiell, vital, intellektuell usw., und stets war Freude in dieser Anstrengung. Setzt sich zum Beispiel jemand hin, ein Buch zu schreiben, so macht er die Anstrengung, die in seinem Gehirn etwas schwingen lässt, um Ideen anzuziehen, und alsbald empfindet er Freude. Was du auch tust, sogar stofflichste Arbeiten wie ein Zimmer fegen oder die Küche besorgen, wenn du dabei die nötige Anstrengung machst, diese Arbeit so gut zu tun, wie du kannst, dann empfindest du ganz bestimmt Freude, auch wenn das, was du tust, deiner Natur zuwiderläuft. Wenn man etwas verwirklichen will, strengt man sich unwillkürlich an, was deine Energien auf das zu Vollbringende ausrichtet, und das gibt deinem Leben einen Sinn. Es zwingt dich zu einer Art Organisation deiner selbst, einer Art Sammlung deiner Energien, weil du eben diese Sache tun willst und nicht fünfzig andere, die ihr widersprechen. Und in dieser Sammlung, dieser Intensität des Wollens findet sich der Ursprung der Freude. Das gibt dir das Vermögen, Kräfte zu empfangen im Austausch für die ausgegebenen.
