Kapitel 2

Der Ruf und die Tauglichkeit für den Yoga

Worte Sri Aurobindos

Wie kommt es, dass für den Yoga untaugliche Personen sich von ihm angezogen fühlen, während dafür geeignete Personen nicht von ihm angezogen werden?

Was meinst du mit „angezogen werden“?

Ich will damit sagen, dass etwas in ihnen sie zu diesem Yoga drängt, aber dann stellt sich heraus, dass sie dafür untauglich sind und einfach hineingestoßen wurden, um später daran zu zerbrechen.

Meinst du also, der Mensch wurde durch etwas Feindliches in den Yoga gedrängt, aber nichts in ihm wollte das?

Ja.

Das kann nicht sein. Etwas in dem Menschen, der den Yoga ausüben möchte, will die Wahrheit, aber andere Teile in ihm vermögen nicht zu folgen.

Das heißt, solche Personen taugen nicht für den Yoga, und trotzdem nehmen sie ihn auf und zerbrechen daran.

Was ist „Tauglichkeit“?

Wir verstehen darunter ein Streben nach der Wahrheit, eine gewisse Stärke im vitalen Wesen und ein entwickeltes Mental.

Nun, ein Mensch mag all diese Eigenschaften haben, von denen du sprichst, und er mag stark erscheinen und trotzdem nicht fähig sein durchzukommen, während ein anderer Menschen schwach erscheinen mag, doch etwas im Hintergrund schreitet ein, und er kann durchkommen. In diesen Dingen gibt es keine mentalen Regeln.

Wenn sie aber nicht geeignet sind, was drängt sie dann zum Yoga?

Wie ich schon sagte, etwas in ihnen will den Yoga und drängt sie dazu. In einigen Fällen ist es das „Schicksal“, das sie dazu drängt.

Was heißt „Schicksal“?

Nun, das ist ein Allgemeinbegriff, der etwas Unerklärliches überdeckt. (Lachen)

Bedeutet es, dass ein Mensch auf den Weg gedrängt wird, weil er dazu „auserwählt“ ist?

Ja, du kannst es als „auserwählt“ oder als „akzeptiert“ oder als irgendetwas bezeichnen; das hilft dir aber nicht weiter.

Aber viele Menschen denken, sie seien auserwählt, und dennoch haben sie keinen Erfolg.

Es geht nicht darum, dass man „denkt“, man sei auserwählt. Es gibt viele Leute, die denken, sie seien akzeptiert – während sie es überhaupt nicht sind. Andererseits gibt es solche, die fast bis zum Schluss hartnäckig glauben, sie seien nicht akzeptiert, um dann festzustellen, dass sie dennoch erfolgreich waren.

Ich dachte an X – ob irgendetwas in ihm den Yoga wirklich wollte.

Wie meinst du das? Er hatte auf jeden Fall etwas, das den Yoga wollte, sonst wäre er nicht dazu gedrängt worden. Aber die Arroganz seines Mentals und vitalen Wesens stand ihm im Weg, und er vergab seine Chance.

Nehmen wir den Fall der Leute aus dem Umfeld von X – so sehr sie sich auch anstrengen, sie kommen nicht voran, und dennoch verfolgen sie hartnäckig einen Pfad, den sie Sadhana nennen. Ich frage mich, warum sie dies tun und ob ihr Tun irgendeinen Nutzen hat?

Offensichtlich, weil etwas in ihnen den Yoga will, aber der Adhar, die materielle Instrumentation, eignet sich nicht. Und was den Nutzen betrifft, wie willst du den Nutzen kennen? Etwas wirkt, und das andere sind sozusagen Materialien im Kochtopf. Einige werden zubereitet, andere nicht. Man kann nicht warten und das spirituelle Leben erst aufnehmen, nachdem alle Bedingungen sicher sind. Und was ist Tauglichkeit?

Ich weiß es nicht. Ich möchte, dass du es mir sagst.

Ich bin noch keinem begegnet, der alle Voraussetzungen erfüllt, die für den Yoga notwendig sind. Was stellst du dir unter Tauglichkeit vor?

Wir sehen einige Leute, die uns für diesen Yoga „tauglich“ erscheinen, aber sie praktizieren ihn nicht, während andere, die nichts haben, ihn praktizieren und nichts daraus gewinnen.

Und es gibt Fälle, wo ein Mensch, den man für stark hält, zusammenbricht, wohingegen der schwache Mensch es irgendwie schafft durchzukommen.

Was sind die Voraussetzungen für den Erfolg in diesem Yoga?

Ich habe sie schon oft genannt. Es kommen diejenigen durch, die eine zentrale Aufrichtigkeit besitzen. Das bedeutet nicht, dass in allen Teilen des Wesens Aufrichtigkeit herrscht. In diesem Sinne ist keiner vollständig bereit. Wenn aber eine zentrale Aufrichtigkeit besteht, dann ist es möglich, sie in allen Teilen des Wesens zu begründen.

Die zweite Notwendigkeit ist eine gewisse Empfänglichkeit im Wesen, das, was wir das „Sich-Öffnen“ für die Höhere Macht auf allen Ebenen nennen.

Die dritte Voraussetzung ist Kraft, um die Höhere Macht halten zu können, eine gewisse ghanatwa, eine Substanz, welche die Macht halten kann, wenn sie herabkommt.

Was das Etwas, das drängt, betrifft, so gibt es zwei Dinge, die im Allgemeinen drängen: Das eine ist das Zentrale Wesen, das andere ist Schicksal. Wenn das Zentrale Wesen etwas tun möchte, dann treibt es den Menschen dazu. Selbst wenn der Mensch vom Kurs abkommt, wird er wieder auf den Pfad zurückgedrängt. Natürlich kann das Zentrale Wesen durch das Mental oder irgendeinen anderen Teil seines Wesens Druck auf ihn ausüben. Wenn der Mensch ausersehen ist, wird er auch auf den Weg gedrängt, um entweder durchzukommen oder zu zerbrechen.

Es gibt Leute, die denken, sie seien ausersehen oder erwählt, und wir sehen, dass sie keineswegs „erwählt“ sind.

Natürlich denken viele Leute, dass sie speziell „erwählt“ und die Ersten und „Auserwählten“ seien und so weiter. All das ist nicht von Belang.

Kannst du denn sagen, wer von all jenen, die hierhergekommen sind, tauglich ist?

Das ist sehr schwer zu sagen. Aber so viel kann gesagt werden: Jeder, der hierhergekommen ist, hat eine Chance durchzukommen, wenn er genügend Ausdauer hat.

Worte Sri Aurobindos

Wer war denn überhaupt je tauglich? Tauglich und untauglich sind nur Ausdrucksweisen; der Mensch ist von Natur untauglich und, was spirituelle Dinge anbelangt, in seiner äußeren Natur ein wirklicher Taugenichts. Aber im Innern ist eine Seele, und oben ist Gnade. „Das ist alles, was du weißt und zu wissen brauchst“, und, wenn nicht, nun, selbst dann bist du zumindest irgendwie auf den Pfad gestoßen und musst eben drauf bleiben, bis du so weit geschleppt worden bist, dass du zum Wissen erwachst. Amen.

Eine sehr anregende Formel „Im Innern ist eine Seele und oben ist Gnade“, wovon Du sagst: „Das ist alles, was du weißt und zu wissen brauchst“. Ist das wirklich alles?

Für jeden, der das spirituelle Leben will, ja, es genügt.

Kann man in einen „Zustand der Gnade“ gelangen, indem man einfach dabeibleibt, oder einfach weil eine Seele im Innern ist?

Ja, man kann, viele Menschen haben das getan.

Aber die Seele ist doch in jedem und die Gnade über jedem – wie kommt es denn, dass Menschen sich vom Göttlichen abgewandt haben?

Durch das rajasische Ego, Ehrgeiz, Eitelkeit – weil sie statt an die Gnade an ihre eigenen Anstrengungen glaubten.